Emile Zola: Au Bonheur des Dames oder Das Paris des Second Empire


Seminararbeit, 2010

18 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


INHALT

1. VORWORT

2. SECOND EMPIRE, HAUSSMANNISIERUNG, NATURALISMUS – EINORDNUNG DES ROMANS IN SEINEN HISTORISCHEN UND LITERATURGESCHICHTLICHEN KONTEXT
2.1 Geschichtlicher Hintergrund: das Zweite Kaiserreich unter Napoléon III
2.2 Das Aufkommen des Realismus und Émile Zolas Naturalismus
2.3 Die Umgestaltung der Hauptstadt durch Baron Haussmann

3. DIE DARSTELLUNG VON STADT UND GESELLSCHAFT IM ROMAN AU BONHEUR DES DAMES
3.1 Grundlegendes
3.2 Der Kampf zweier Mächte: das alte vs. das neue Paris
3.3 Das zentrale Motiv der Verführung
3.4 Architektur und strategischer Standpunkt des Kaufhauses in Haussmanns neuem Paris
3.5 Das Kaufhaus als Spiegel der Gesellschaft
3.6 Der Standpunkt des Autors zwischen Kritik und Fortschrittsglauben

4. SCHLUSS

LITERATURVERZEICHNIS

1. VORWORT

Diese Arbeit, die den Ersatz für eine verschollene Leistung des Verfassers zu einer anderen Thematik darstellt, entstand im Rahmen des französistischen Seminars „Paris vu par... – Der Mythos von Paris in der französischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts“. Sie verfolgt das Ziel, die Darstellung der Stadt Paris, als herausragender Repräsentant des Denkens und Wirkens der französi­schen Gesellschaft(en), in Émile Zolas 1883 erschienenen Roman Au Bonheur des Dames zu untersuchen.

Dazu soll in einem ersten Kapitel der historische und literaturgeschichtliche Hintergrund des Werkes und seines Inhaltes näher beleuchtet werden, bevor sich daraufhin mit der Analyse des Romans im Lichte obengenannten Zieles der Schwerpunkt der Arbeit anschließt.

Zur Illustrierung der Ausführungen herangezogene Zitate werden sowohl aus der französischen Originalausgabe, zuweilen aber auch aus einer deutschen Werkübersetzung entnommen, und sind entsprechend gekennzeichnet.

2. SECOND EMPIRE, HAUSSMANNISIERUNG, NATURALISMUS – EINORDNUNG DES ROMANS IN SEINEN HISTORISCHEN UND LITERATURGESCHICHTLICHEN KONTEXT

2.1 Geschichtlicher Hintergrund: das Zweite Kaiserreich unter Napo­léon III.

Nachdem in Jahr 1848 während der Februarrevolution der „Roi-citoyen“ Louis-Philippe abdanken musste, wurde am 10. Dezember des selben Jahres mit Charles Louis Napoléon Bonaparte, einem Neffen des ehemaligen Kaisers Na­poléon Bonaparte, der Staatspräsident für eine neue französische Republik ge­wählt. In der folgenden Zeit der sogenannten Seconde République konnte die­ser seine Machtposition immer weiter stärken und entschied schließlich, am Ende des Jahres 1851, einen Staatstreich für sich, der als Ergebnis eine neue Verfassung hatte, welche ihm diktatorische Vollmachten gewährte. Nur ein Jahr später ließ er sich als Napoléon III. zum Kaiser der Franzosen ausrufen – die Epoche des Second Empire brach an. Sie brachte dem Land Prosperität und Aufschwung: die fortschreitende Industrialisierung ließ die wirtschaftliche Entwicklung positiv verlaufen, das Eisenbahnnetz wurde enorm vergrößert, das sich entwickelnde Bankenwesen brachte neues Kapital, und auch nach außen hin zeigte sich das Aufstreben Frankreichs durch den Zugewinn neuer Kolo­nien. Vor allem aber feierte sich das Bürgertum als die neue herrschende Klasse und kultivierte sein Bedürfnis nach Extrovertiertheit und Sich-zur-Schau-Stellung (cf. Firges 1998: 54). Vormals als aristokratisches Übel kriti­siert, strebt die neue Oberschicht nun selbst nach Macht, Ausschweifung und Luxus, und Napoléon III. möchte seinen Hof als den prächtigsten der Welt sehen. Die Hauptstadt Paris wird von ihrer mittelalterlichen Enge und Dunkel­heit befreit und erhält im Zuge umfangreicher Stadtumbaumaßnahmen ein neues helles und repräsentatives Gesicht (vgl. 2.3). Die beiden Exposi­tions universelles in der Kapitale präsentieren der Weltöffentlichkeit den wirt­schaft­lichen und technische Fortschritt des Landes, zeugen aber auch von der neuen Lebensweise des Bürgertums in Glanz und Luxus. Nicht zuletzt als Antwort auf diese entstehen in den 50er- und 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts die erste großen Kaufhäuser in Paris (Le Bon Marché 1852, Les Grands Maga­sins du Louvre 1855, Le Printemps 1865).

2.2 Das Aufkommen des Realismus und Émile Zolas Naturalismus

Nachdem mit der Revolution von 1830 der ehemals unumstößliche, schicksals­gegebene Unterschied zwischen Adel und Nichtadel aufgehoben ist, stellt sich die Gesellschaft Frankreichs nunmehr frei von grundlegenden Klassen­aus­einandersetzungen dar. Kein revolutionärer Geist ist mehr Triebkraft allen Denkens und Handelns, vielmehr liegt ein Bewusstsein des Angekommenseins über dem Land (cf. Daus 1976: 6). Im Sinne der Aufklärung hat man nun die Chance, die neueroberte Welt mit Hilfe der sich rasant entwickelnden Wissen­schaften zu beschreiben und zu verstehen. Und so gerät die neue Gesellschaft, die als notwendiges Ende einer historischen Kausalkette betrachtet wird, ins Zentrum von Philosophie und bürgerlichem Diskurs. Auguste Comte be­schreibt mit dem Begriff des Positivismus die philosophische Prämisse, in An­lehnung an die Naturwissenschaft alle Erkenntnis über die Welt ausschließlich auf empirisch Gegebenem, auf objektiv Tatsächlichem, in diesem Sinne Positi­vem begründen zu lassen. Der von ihm entwickelten Soziologie, die ihren Fo­kus auf das menschliche Zusammenleben legt, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, ja Comte bezeichnet sie gar als die Königin der Wissenschaften.

Auch in der französischen Literatur entwickelt sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Strömung, die sich von der Romantik ablöst und das real Greifbare in den Blick nimmt. Als Vorreiter des Realismus gilt dabei Honoré de Balzac, der mit seiner Comédie humaine eine Gesamtschau der Gesellschaft seiner Zeit nach zum Teil wissenschaftlicher Vorgehensweise vorzunehmen versucht, und somit die Zielvorgabe absteckt, den Roman als eine Möglichkeit der soziologischen Arbeit zu etablieren (cf. Daus 1976: 17). Als eigentlicher Durchbruch der realistischen Literatur Frankreichs gilt aber Gustave Flauberts Madame Bovary (1857), wo sich grundlegende Prinzipien realistischen Schrei­bens wie die genaue Darstellung des Wirklichen, Normalen und Wahrschein­lichen, der Rückzug des Autors aus dem Text sowie eine dem Schreibprozess vorausgehende umfassende dokumentarische Vorarbeit manifestieren. Émile Zola folgt diesen schriftstellerischen Vorbildern. Für sein litera­ri­sches Wirken benutzt er den Begriff Naturalismus, dessen Ansprüche er u.a. in seinem theoretischen Sammelband Le roman expérimental (1880) erläutert: In Anlehnung an die medizinische Forschung von Claude Bernard entwickelt Zola die Vorstellung, ein Roman könne als ein wissenschaftliches Erkenntnis­instrument wirken, indem er ein vom Autor künstlich herbeigeführtes Experi­ment zu menschlichem Verhalten und Zusammenleben darstellt. Dem Schrift­steller kommt hierbei die Rolle des Beobachters und Experimentleiters zu. Grundlegend sind dabei das Prinzip von Ursache und Wirkung sowie der Ge­danke der sozialen Determiniertheit des Menschen. In letzterem Punkt folgt Zola der sogenannten Milieutheorie des Philosophen Hippolyte Taine, nach welcher jedes Individuum ein Produkt seiner Zeit, Umwelt sowie seiner biolo­gischen und sozialen Herkunft ist.

Zola versteht sich vor allem aber auch als Aufdecker gesellschaftlicher Missstände. Mit dem Ziel, der Wahrheit zu dienen, beschreibt er, was und wie es ist, und versucht, „wie ein Arzt die Anamnese der Gesellschaft zu doku­mentieren, schonungslos die sozialen Krankheiten der Epoche mit dem Se­ziermesser der Literatur bloßzulegen.“ (Beci 2002: 166). Dabei gilt seine be­sondere Aufmerksamkeit den Lebensbedingungen der im Zuge der fortschrei­tenden Industrialisierung immer stärker anwachsenden Arbeiterschicht.

Mit seinem gewaltigen Romanzyklus Les Rougon-Macquart, an welchem er im Jahr 1868 zu arbeiten beginnt, und dessen zwanzigster und letzter Band schließlich 1893 erscheint, setzt er seine naturalistische Vision von moderner Literatur eindrucksvoll in die Tat um, und tritt zudem in die Fußstapfen Bal­zacs bzw. dessen bereits erwähnten gesellschaftsspiegelnden Monumental­werks La Comédie humaine. Der Untertitel Histoire naturelle et sociale d’une famille sous le Second Empire beinhaltet, gleich der Methodik eines Naturwis­senschaftlers, das präzise raum-zeitliche Abstecken seines Experimentier­fel­des: Der Schriftsteller möchte den Weg einer sich über fünf Generationen weit verzweigenden Familie in der Zeit des Zweiten Kaiserreiches „beobach­ten“ und dabei vor allem die Abhängigkeit menschlicher Entwicklung und So­ziali­sation von Faktoren wie Vererbung, Milieu und den gesellschaftlichen Zeitum­ständen aufzeigen. Dazu entwirft Zola einen umfangreichen Stamm­baum, in welchem er die Urahnin der Familie, Adélaïde Fouque, eine epilep­tische und hysterische, später gar dem Wahnsinn anheimfallende Frau, mit zwei sehr un­terschiedlichen Männern (kräftig und gesund einerseits bzw. dem Alkohol ver­fallen andererseits) Kinder zeugen lässt und so einen biologisch und sozialisa­torisch reichhaltigen Nährboden für die kommenden Generationen schafft.

Jene zwanzig Romane nun bieten ein umfassendes Bild der Gesellschaft des Frankreichs der Jahre 1851-1871, das insbesondere die Lebensumstände der drei diese Epoche bestimmenden sozialen Schichten (Großbürgertum, Klein­bürgertum, Arbeiter und Bauern) dokumentiert. Dabei tauchen viele Figuren mehrmals auf und sind in ihrer vollständigen persönlichen Entwicklung erst bei der Lektüre mehrerer Bände erlebbar. Der Zyklus zeichnet aber auch ein fa­cettenreiches Bild der Metropole Paris und deren Bedingungen als Ort des Zu­sammenkommens und -lebens unterschiedlichster Menschen. Zahlreiche Ein­zelwerke wie La Curée, Le Ventre de Paris, Nana oder L’Œuvre gewähren einen Einblick in die sozialen Veränderungen innerhalb der Großstadt, die der Aufstieg des Bürgertums und der (vermeintliche) Fortschritt mit sich bringen. Und auch das neue Stadtbild, das während der grundlegenden Neugestaltung unter Napoléon III. entsteht, wird von Zola, der im Alter von 17 Jahren (1857) hierhin übergesiedelt ist, aufgenommen und literarisch verarbeitet. So auch im Roman Au Bonheur des Dames, welcher das Aufkommen der ersten modernen Kaufhäuser im Paris der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts thematisiert. Die Funktionsmechanismen dieser neuartigen Konsumtempel, aber auch deren Ar­chitektur sind nur vor dem Hintergrund der radikalen städtebaulichen Verände­rungen durch Baron Haussmann zu verstehen – und so sollen diese im folgen­den Kapitel nun etwas näher betrachtet werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Emile Zola: Au Bonheur des Dames oder Das Paris des Second Empire
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Romanistik)
Note
1,0
Jahr
2010
Seiten
18
Katalognummer
V163596
ISBN (eBook)
9783640785223
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emile Zola, Au Bonheur des Dames, Romanistik, Literaturwissenschaft, Paris, Naturalismus
Arbeit zitieren
Anonym, 2010, Emile Zola: Au Bonheur des Dames oder Das Paris des Second Empire, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163596

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Emile Zola: Au Bonheur des Dames oder Das Paris des Second Empire



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden