Interkulturelle Bewegungserziehung. Sport als Mediator in der Konfliktprävention


Masterarbeit, 2009

146 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil A: Theoretische Grundlagen
1 Zur Bedeutung Interkultureller (Bewegungs-) Erziehung
2 Interkulturelle Bewegungserziehung - Eine Orientierung
2.1 Kernbegriffe der Interkulturellen Bewegungs- erziehung
2.2 Wirkungszuschreibung des Sports im Diskurs
2.3 Mögliche Wege Interkultureller Bewegungs- erziehung in der Praxis

Teil B: Qualitative Untersuchung
3 Konzept der Untersuchung
3.1 Methodische Vorüberlegungen
3.1.1 Das Forschungsfeld
3.1.1.1 Ethnische Zusammensetzung Sri Lankas
3.1.1.2 Exkurs - Der ethnische Konflikt in Sri Lanka
3.1.1.3 Konzeptidee des `Children Sport Village´
3.1.2 Design - Qualitative Feldforschung
3.1.2.1 Formen der Bobachtungen
3.1.2.2 Das Experteninterview
3.1.3 Störfaktoren der qualitativen Feldforschung
3.2 Die Grounded Theory - Eine Methode der qualitativen Datenauswertung
3.3 Durchführung und Reflexion
3.4 Auswertung und Darstellung der Ergebnisse
3.4.1 Beobachtungsprotokolle
3.4.1.1 Konzeptualisieren und Kategorisieren der Beobachtungsprotokolle
3.4.1.2 K 1: Äußere Differenzen außerhalb des Sports
3.4.1.3 K 2: Äußere Differenzen beim Sport
3.4.1.4 K 3: Sportliche Differenzen
3.4.1.5 K 4: Sprachbarriere
3.4.1.6 K 5: Organisatorische Rahmenbedingungen
3.4.1.7 K 6: Kommunikation und Interaktion
3.4.1.8 K 7: Wirkung von Sport
3.4.2 Experteninterview
3.4.2.1 Konzeptualisieren und Kategorisieren des Interviewtranskripts
3.4.2.2 K 8: Differenzen
3.4.2.3 K 9: Militärischer Konflikt
3.4.2.4 K 10: Sport als Medium/Sport als Mediator
3.4.2.5 K 11: Organisatorische Rahmenbedingungen
3.4.2.6 K 12: Wirkungszuschreibung/Intention des Sports
3.4.2.7 K 13: Individuelle Erfolgsbedingungen
3.4.2.8 K 14: Affektive Erfolgsbedingungen
3.4.2.9 K 15: Organisatorische Erfolgsbedingungen
3.4.2.10 K 16: Relative Wirkung von Sport
3.4.3 Die (Relative) Wirkung von Sport als Mediator in der Konfliktprävention
3.5 Diskussion

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

`Sport verbindet´ und `Sport spricht alle Sprachen´.

Berühmte Werbeslogans, die gerade in Hinblick auf interkulturelle Verständigung kontrovers diskutiert werden. Sie werden sowohl in nationalen als auch in internationalen Sportprogrammen aufgegriffen und messen dem Sport eine besondere Bedeutung in Bezug auf multikulturelle Zusammentreffen zu, ganz im Sinne des olympischen Gedankens.

Die Frage, inwieweit der Sport im interkulturellen Austausch zwischen ver- schiedenen Ethnien vermitteln kann, soll in dieser Arbeit näher betrachtet werden. Gibt es Gründe, die eine Legitimation für die nachgesagte ver- bindende Wirkung von Sport zulässt? Welche Chancen und Grenzen sind durch gezielte Sportprogramme, die auf einen interkulturellen Austausch ab- zielen, zu erwarten?

Das `Children Sport Village´ in Nattandiya, bildet mit seinem Sportkonzept zur Konfliktprävention in Sri Lanka den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden, qualitativen Studie. `Connecting Sportspeople´ ist der einschlägige Slogan mit dem das `Children Sport Village´ für den Abbau von kulturellen und ethnischen Disparitäten durch Sport wirbt.

Die Motivation zur Anfertigung der Arbeit Interkulturelle Bewegungserziehung

- Sport als Mediator in der Konfliktprävention, lässt sich wie folgt begründen. Als Folge der Globalisierung entstehen vermehrt multikulturelle Gesell- schaften, in denen es aufgrund von Differenzen in Sprache, Kultur und Religion oftmals zu Verständigungsschwierigkeiten kommt. Daraus resultierende Vorurteile können in gravierenden Fällen zu Ausgrenzungen von Minderheiten bis hin zu politischen Konflikten führen. Global betrachtet existieren viele Konflikte, die innerhalb multikultureller und multiethnischer Gesellschaften ausgetragen werden. Auch Deutschland als Einwanderungs- land bietet ein Beispiel dafür, wie durch fehlgeschlagene Integration Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung entstehen kann. Studien wie PISA belegen stets die Benachteiligungen der Minderheiten in unserer Gesell- schaft. Der Umgang mit Differenzen und Fremdheit gewinnt somit mehr und mehr an Bedeutung und die Sensibilität für das Andere, im Sinne von anderen kulturellen Vorstellungen, fehlt in vielen Fällen. Als Angehörige einer Mehrheitskultur und angehende Lehrerin empfinde ich es als sinnvoll, der Pluralität unserer Gesellschaft offen gegenüberzustehen und diese begreifen zu wollen. Selbst als `Fremde´ in einem mir völlig fremden Land zu forschen, ist somit eine motivierende Herausforderung. Das Fallbeispiel Sri Lanka ent- spricht aufgrund seiner ethnischen Zusammensetzung, der zwei Haupt- bevölkerungsgruppen, den Tamilen und den Singhalesen, einer multi- kulturellen Gesellschaft in der Konflikte vorherrschen. Hinzu kommt noch der politische Konflikt, der im Norden des Landes 25 Jahre lang militärisch aus- getragen wurde1 und somit zur heutigen Situation zwischen den Be- völkerungsgruppen beigetragen hat. Um weiteren Konflikten entgegen zu wirken, versucht das `Children Sport Village´ Kinder der unterschiedlichen Ethnien durch Sport zusammen zu bringen.

Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht die Frage, ob und inwieweit der Sport zwischen verschiedenen Ethnien vermitteln kann. Ausgewählte Aspekte der Interkulturellen Bewegungserziehung liefern den fachlich fundierten Hinter- grund dieser Arbeit. Seit den neunziger Jahren steht diese in sportwissen- schaftlichem Diskurs und versucht, im Medium des Sports unterschiedliche Kulturen näher zu bringen. Die aufgegriffenen Thematiken der Inter- kulturellen Bewegungserziehung lassen sich auf den Ansatz des `Children Sport Village´ Projekts beziehen und werden in Teil A, Theoretische Grund- lagen , näher beschrieben sowie einschlägige Kernbegriffe dargelegt.

Die Studie, in Teil B, geschieht in Anlehnung an die qualitative Sozial- forschung, um das mir unerschlossene Feld möglichst `dicht´ erfassen zu können. Mithilfe der Grounded Theory werden die aufgestellten Be obachtungen sowie ein Experteninterview analysiert, interpretiert und mit einander verglichen. Die herausgearbeiteten Kategorien und generierten Theorien werden abschließend kritisch reflektiert und diskutiert. Abschließend wird die Arbeit im Fazit bezüglich der eingangs gestellten Frage betrachtet und Kernaspekte festgehalten. Ein Bezug zu Deutschland und dem Forschungsgegenstand der Interkulturellen Bewegungserziehung wird hergestellt sowie Ideen und Anregungen zu weiteren Forschungsfragen entwickelt.

Ziel dieser Arbeit ist, aus qualitativ erhobenem Datenmaterial Kernkategorien herauszuarbeiten, die die Chancen und Grenzen des Sports als Mediator in der Konfliktprävention beleuchten. Diese können eventuell dabei helfen, Ansatzpunkte der Interkulturellen Bewegungserziehung zu unterstützen oder neue Anregungen zu geben.

1 Zur Bedeutung Interkultureller (Bewegungs-) Erziehung

Globalpolitische Entwicklungen und die daraus resultierenden Migrationsbe- wegungen führen dazu, dass immer mehr Menschen unterschiedlicher Her- kunft zusammenleben (vgl. GIEß-STÜBER, 2005, S. 2). Deutschland ist ein Einwanderungsland und wird damit durch kulturelle Vielfalt bestimmt. Im Ver- lauf der deutschen Geschichte der letzten 100 Jahre war Deutschland immer polyethnisch geprägt und ist es auch heute noch. „Deutschland als ethnisch homogenes Gebilde“ zu beschreiben, „erwies sich damals wie heute als un- realistische Projektion“ (BLECKING, 2005, S. 19). Als Folge der erneuten Ein- wanderungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg, „beträgt der Anteil aus- ländischer Schülerinnen und Schüler“ momentan „im Bundesdurchschnitt mehr als 9%“ (GIEß-STÜBER, 2005, S. 2). Man geht davon aus, dass ca. 35% der Kinder und Jugendlichen unserer Bevölkerung einen Migrationshinter- grund haben. Sich diesem Phänomen zu stellen und dieser entstandenen Mehrheitskultur gerecht zu werden, ist in den letzten Jahrzehnten nicht ge- lungen. Studien wie PISA zeigten, dass die Minderheiten unserer Gesell- schaft wie Einwanderer, Aussiedler sowie alle Menschen mit Migrations- hintergrund, schlechtere Bildungschancen haben als die Mehrheit der „Deutschen“. Um dem Problem der Ausgrenzung entgegen zu wirken, be- schäftigten sich Erziehungswissenschaftler mit der Thematik der Inter- kulturellen Erziehung2. In diesem Zusammenhang lässt sich Prof. Dr. Auernheimer nennen, der zu den Begründern der Interkulturellen Erziehung zählt. Aus seinen Schulfallstudien (AUERNHEIMER et. al., 1996), in denen ver- schiedene Fälle von multikulturellen Klassengemeinschaften untersucht wurden, lassen sich folgende Phänomene der Lehrkräfte im Umgang mit den vorherrschenden Differenzen zusammenfassen. Die Lehrkräfte verhalten sich hilflos gegenüber kultureller Differenz und oftmals werden Unterschiede ignoriert und somit Chancen der individuellen Förderung übergangen (vgl. GIEß-STÜBER, 2005, S. 28). Ziel sei es jedoch, die Pädagogen für die Be dürfnisse des Einzelnen zu sensibilisieren und mit Differenzen möglichst un befangen umzugehen (vgl. AUERNHEIMER, 1999, S.12). Die Begriffe inter- kulturell und multikulturell werden nach der Definition von Prof. Dr. Auernheimer verwendet. Die Interkulturelle Bewegungserziehung beschreibt einen Bildungsprozess, in dem kulturell differente Gruppen in neuen Aus- formungen, die demnach als interkulturell beschrieben werden können, zu- sammen gebracht werden. Um eine zielgerichtete Erziehung an den Einzel- nen aus der jeweiligen differenten Kultur zu richten, ist es nötig, durch neue Ausformungen auf alle Beteiligten gleichermaßen einzugehen. Der Begriff multikulturell wird in diesem Zusammenhang nicht gebraucht. Er würde einen folgenlosen Prozess beschreiben, in dem die verschiedenen Kulturen nebeneinander verhaftet bleiben und auch als diese einzeln betrachtet werden. Die Mitglieder einer multikulturellen Gruppe sollen zusammen ge- bracht werden, sich untereinander austauschen und somit zwischen ihren Kulturen vermitteln. Dieser Prozess kann als interkulturell beschrieben werden. Mit der Interkulturellen Erziehung möchte man die verschiedenen Kulturen zu einer neuen interkulturellen Einheit, in der jeder gleichberechtigt ist, zusammenbringen (vgl. ERDMANN, 1999, S. 3).

Der Begriff der Interkulturellen Bewegungserziehung prägte sich in den neunziger Jahren, seitdem interkulturelle Fragen auch in der Sportpädagogik vermehrt diskutiert wurden. Sie ist aus dem Ansatz der Interkulturellen Er- ziehung entstanden und bezieht sich auf eine Pädagogik im Feld der Be- wegung. Sie stellt einen Ansatz für multikulturelle Gesellschaften dar und ist laut Erdmann „primär aus der Perspektive der Mehrheitskultur“ entstanden (ERDMANN, 1999, S. 62). Dieser Ansatz zielt explizit auf interkulturelle Erziehungs- und Bildungsprozesse im Medium der Bewegung ab. Die Inter- kulturelle Bewegungserziehung bezieht somit alle Bildungsprozesse und Ab- sichten der Interkulturellen Erziehung mit ein.

Der Interkulturellen Erziehung allgemein, sowie ihrer spezifischen Form, der Interkulturellen Bewegungserziehung, sollte aufgrund der dargestellten Problematik eine hohe Bedeutung zugemessen werden. Um Fremdenfeind- lichkeit zu vermeiden und einen möglichst vorurteilsfreien, offenen Umgang innerhalb unserer Gesellschaft zu erlangen, gilt es interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln. In allen Bildungsinstitutionen wie Schule, Kindergarten etc. sollte die Thematik der Interkulturalität aufgegriffen und möglichst offen behandelt werden. Denn „um die Potenziale der Globali- sierung gestalten und Konflikte eindämmen zu können, sind Europa und die Weltgesellschaft darauf angewiesen, dass interkulturelle Verständigung niemals abreißt, kulturelle Identitäten geachtet, sowie kulturelle Unterschiede überbrückt werden“ (Bertelsmann-Stiftung, 2006, S. 2). Der verständnisvolle Umgang mit Differenzen, innerhalb der Klassengemeinschaft oder innerhalb einer Gesellschaft, ist demnach unabdingbar.

2 Interkulturelle Bewegungserziehung - Eine Orientierung

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Interkulturellen Bewegungserziehung näher beleuchtet. Der Begriff dieser besonderen Form der Bewegungserziehung ist aus der pädagogischen Diskussion der Inter- kulturellen Erziehung entstanden. Seit den neunziger Jahren beschäftigen sich Sportwissenschaftler mit der Interkulturellen Erziehung im und durch das Feld der Bewegung. In diesem Zusammenhang ist zu erklären, dass die dar- gelegten Begriffe sowie die entwickelten Konzepte nicht statisch verstanden werden können, sondern in ständiger Weiterentwicklung begriffen sind. Die Darstellung der folgenden Punkte spiegelt somit eher eine Orientierung des Themenbereichs wider.

Die einschlägigen Forschungen befinden sich im ständigen Wandel und einige sind noch in der Entwicklungsphase. Es gibt keinen festgemachten Theorieansatz. ALKEMEYER und BRÖSKAMP beklagten schon Mitte der Neunziger Jahre, dass selbst nach langer Geschichte der Migration nur sehr wenige „diskussionswürdige Analysen des Sports im Kontext kultureller Kontakte“ (1996, S. 7) entstanden sind.

Um einen Überblick über einschlägige Ansätze zu geben, sollen in den folgenden Punkten Kernthemen der interkulturellen Bewegungserziehung beleuchtet werden. In Punkt 2.1 wird dazu auf die verwendeten Kernbegriffe der Interkulturellen Bewegungserziehung eingegangen. Das Verständnis des prozessualen Kulturbegriffs und den daraus folgenden Konstrukten wie Fremdheit, Differenz und Identität bildet die Grundlage des Verständnisses der Interkulturellen Bewegungserziehung. In Punkt 2.2 werden die Wirkungs- zuschreibungen des Sports diskutiert und mögliche Vorteile einer Erziehung im Feld der Bewegung herausgearbeitet. Abschließend werden aufgrund der vorangegangenen Informationen mögliche Formen der Interkulturellen Be- wegungserziehung in der Praxis zusammengestellt und begründet. Der Fo- kus in Punkt 2.3 liegt auf den von GIEß-STÜBER (2005) entwickelten, didaktischen Leitlinien einer Interkultureller Bewegungserziehung.

2.1 Kernbegriffe der Interkulturellen Bewegungserziehung

Die Interkulturelle Bewegungserziehung ist eine besondere Form der Er- ziehung durch Bewegung, so fern sie ihren Wirkungszuschreibungen gerecht wird. Da es sich um eine interkulturelle Form von Erziehung handelt, zielt sie auf Austausch- und Erziehungsprozesse innerhalb unterschiedlicher kultureller oder ethnischer Gruppierungen ab. Um den Ansprüchen dieser Erziehung gerecht zu werden, steht die Vermittlung interkultureller Kompetenzen im Vordergrund. Was man unter interkulturellen Kompetenzen versteht und unter welchem Kulturbegriff sie zu begreifen sind, soll im Folgenden näher erläutert werden.

Um eine erste Annäherung des Begriffs der Interkulturellen Bewegungs- erziehung zu erlangen, muss der Kulturbegriff prozessual verstanden werden. Kultur kann nicht als statisches, in sich geschlossenes System ge- sehen werden. Vielmehr sei sie ein Fluss von Bedeutungen, der fortwährend alte Beziehungen auflöst und wiederum neue Verbindungen eingeht (vgl. BERTELSMANN-STIFTUNG, 2006, S. 6). Kultur ist ein dynamischer Fluss, der unter Aushandlungsprozessen von Werten und Normen sowie ver- schiedenen Lebensweisen beschrieben werden kann. Dadurch ergibt sich das dynamische Konstrukt der interkulturellen Kompetenz. Auch sie kann nicht als statischer Zustand verstanden werden, der das direkte Resultat einer Lernhandlung ist. Die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz ist ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt und kann sich je nach Situation gestalten (vgl. BERTELSMANN-STIFTUNG, 2006, S. 8). Durch interkulturelle Kompetenz sollte aufgrund von bestimmten Handlungen und Einstellungen, sowie besonderen Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten in einer inter- kulturellen Situation effektiv und angemessen interagiert werden können (vgl. ebd., S. 5). Da sich die interkulturelle Kompetenz auf die Interaktion zwischen Individuen bezieht, lassen sich im Folgenden die, in der sport- wissenschaftlichen Diskussion, auftretenden Kernbegriffe wie kulturelle Differenz, Fremdheit und Identität, näher erläutern . Diese drei Konstrukte sind zentrale Kategorien, die bei dem Erwerb interkultureller Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen.

Die kulturelle Differenz wird immer wieder als zentrale Kategorie der Inter- kulturellen Bewegungserziehung aufgegriffen. Dieser Begriff darf ebenfalls nicht statisch verstanden werden. Er bezieht sich immer auf den jeweiligen Einzelfall und steht unter ständiger Beeinflussung. In einem Kontext, in dem unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, stößt man immer auf kulturelle Differenzen. Oftmals haben wir einen festen Begriff von Kultur in unseren Köpfen. Dass sich jemand kulturell als Türke versteht und dennoch deutscher Staatsbürger ist, fällt uns demnach schwer zu verstehen. Daraufhin kann kulturelle Differenz teilweise geleugnet und nicht beachtet werden, um sich nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen. „Was man hier lernen muss, ist die kulturelle Differenz anzuerkennen und gleichzeitig für Gleichheit einzutreten“ (AUERNHEIMER, 1999, S. 9). Als Mitglied einer Mehr- heitskultur sollte man nicht versuchen, die Differenz definieren zu wollen. Es geht darum, sensibel für die Differenzen des Anderen zu sein und diese nicht einfach auszublenden. Übersieht man die Differenz, können kulturelle Symbole des Anderen entwertet werden, weil sie für uns keine Bedeutung haben (vgl. ebd., S. 10).

Im Zusammenhang der kulturellen Differenz lassen sich nach KRÜGERPOTRATZ vier Differenzlinien nennen, in denen Unterschiede wahrgenommen werden können:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese vier vorgestellten Differenzlinien sind eng miteinander verbunden und überlappen sich oftmals. Sie bilden nur einen Ansatzpunkt, in dem zwischen den verschiedenen Differenzen unterschieden werden kann (vgl. KRÜGERPOTRATZ, 2005, S. 66ff.).

Das Erleben von Fremdheit wird im Unbekannten erfahren. Es kann Ver- unsicherung aber auch Neugier erzeugen. Alles, was einem nicht vertraut ist, kann als fremd wahrgenommen werden. Fremdheit „ist nicht die Eigenart des Anderen“ (GIEß-STÜBER, 1999, S. 45), sondern sie kann vielmehr als ein Konstrukt der Grenzziehungen beschrieben werden. Die Fremdheit entsteht erst, wenn wir etwas als fremd wahrnehmen. Indem wir das Eigene und das Fremde benennen, versuchen wir die Komplexität zu verringern, um Orientierung und Sicherheit zu gewinnen. Unterscheidungen zwischen dem Einen und dem Anderen werden erst durch soziale Prozesse erzeugt. Somit wird ein Bereich des Vertrauens generiert, von dem aus alles Andere fremd erscheint. „Die Fremden eignen sich als identitätsstiftender Außenhorizont“ (ebd., S. 44), denn Eigenes wird betont, indem es vom Anderen abgegrenzt wird. Das Erleben von Fremdheit erfordert im Gegensatz zur Differenz eine Positionierung. Die Fremdheit ist somit ein subjektiver Eindruck oder eine konstruierte Gegebenheit des Wahrnehmenden und sollte auch als diese wahrgenommen werden (vgl. ebd., S. 44ff.).

Identität „ist ein Wechselwirkungsprodukt der verarbeiteten Auseinander- setzung der Person mit ihrer sozialen Umwelt“ (ERDMANN, 1999, S.65). Beim Prozess der Entwicklung der eigenen Identität werden Unterscheidungen getroffen. Das Erkennen des `Selbst´ und der `Anderen´, sowie Unter- scheidungen von `Vertrautem´ und `Fremdem´ werden aufgrund von identi- fizierbaren Einheiten getroffen. Das `Selbst´ wird nur fassbar, wenn es auch das `Andere´ gibt (vgl. ebd., S. 67). In Anlehnung an AUERNHEIMER wird hier der Begriff der kulturellen Identität in Bezug auf den Einzelnen betrachtet und andere Begriffsannäherungen vernachlässigt. Ausgegangen davon, dass es einen kulturellen Habitus gibt, durch die der Einzelne in seiner Kultur ver- haftet ist, kann man die kulturelle Identität als Verhältnis zu diesem Habitus beschreiben. Die kulturelle Identität als Strukturbegriff bezeichnet „das Ver- hältnis, das ich zu meinem kulturellen Habitus einnehme, welchen Stellen- wert er für mich hat und welchen Stellenwert ich damit kulturellen Symbolen gebe“ (AUERNHEIMER, 1999, S. 11). Kulturelle Identität kann somit auch be- deuten, dass jemand seiner Herkunft eine übermäßig starke Bedeutung zu- misst oder aber versucht, diese zu verleugnen (vgl. ebd., S.11). Die kulturelle Identität ist oftmals stark emotional besetzt und kann somit eine große Rolle innerhalb interkultureller Kontexte spielen. Das Erleben von sozialer Zuge- hörigkeit und Anerkennung ist eine Grundvoraussetzung für eine gelingende Identitätsbildung. Emotionale Wertungen, Erwartungen und Einschätzungen stellen wichtige identitätsrelevante Elemente dar (vgl. ERDMANN, 1999, S. 66), die in pädagogischen Kontexten Beachtung finden sollten.

2.2 Wirkungszuschreibungen des Sports im Diskurs

„Die Olympischen Spiele haben wohl noch keinen Krieg verhindert und keinen politisch-kulturellen Konflikt beigelegt, aber sie transportieren effektiv und mit Nachdruck die `große Erzählung´ der Völkerverständigung, die wir alle von `Zeit zu Zeit´ doch wieder gern vernehmen“ (THIELE, 1999, S. 35).

In diesem Kapitel sollen die besonderen Wirkungspotenziale, die man dem Sport zuschreibt, kritisch diskutiert werden. Grenzen und Möglichkeiten der Interkulturellen Bewegungserziehung sollen beleuchtet werden, um eine realistische Einschätzung des Wirkungspotenzials einer Interkulturellen Be- wegungserziehung zu geben. Wie aus dem oben dargelegten Zitat zu ent- nehmen ist, werden gerade bei sportlichen Großveranstaltungen ver- bindende Wirkungszuschreibungen des Sports transportiert. In der sport- wissenschaftlichen Diskussion treten viele Fragen auf, die man sich hinsicht- lich der Wirkungszuschreibung des Sports stellen und stets kritisch hinter- fragen sollte.

„ Woher bezieht der Sport seinen Optimismus, fü r eine interkulturelle Er ziehung als besonders brauchbares Medium dienlich sein zu können und gibt es dafü rü berhaupt nachvollziehbare Grü nde? “ (THIELE, 1999, S. 24).

Der Optimismus wird wohl aufgrund hoher Erwartungshaltung an den Sport erzeugt. `Sport means Integration´, ein Slogan der Deutschen Olympischen Gesellschaft, spricht dem Sport eine integrative Wirkung zu. Diese kann und sollte jedoch nicht generalisiert werden. Bei der Entwicklung pädagogischer Konzepte sollte man immer auch die Gefahren und Grenzen hochgesteckter Wirkungszuschreibungen mit berücksichtigen. Durch einschlägige Forschun- gen, in denen es auch innerhalb des Mediums Sport zu Konflikten und Frem- denfeindlichkeit gekommen ist, lassen sich einige hohe Erwartungen, die an den Sport gestellt sind, relativieren. Mit einer kritischen Betrachtung, die die Chancen und Grenzen des Feldes der Bewegung hinterfragt, kann man sich einer realistischen Wirkungszuschreibung des Sports annähern. Aufgrund dieser Form der ständigen Reflexion kann man daraufhin versuchen, sich die positiven Wirkungen von Sport zunutze zu machen. Dass sich der Sport oder die Bewegung trotz der relativierten Wirkungszuschreibung als Erziehungs- gegenstand eignet, lässt sich wie folgt begründen. Der Sport bietet günstige Bedingungen für Interventionsmöglichkeiten innerhalb Interkultureller Er- ziehung. Nach ERDMANNS Ansicht ist die Bewegung nur eines von vielen möglichen Interventions-Feldern, aber dennoch durch bestimmte Vorteile geprägt. Seine Auswahl dieses Feldes begründet er mit den im Folgenden beschriebenen drei Argumenten:

1 Der Sport bietet durch seine Freiwilligkeit und Offenheit die Möglichkeit einer variablen Aufgabengestaltung. Zudem wird aus anthropologischer Sicht davon ausgegangen, dass Kinder und Jugendliche leichter über das Feld der Bewegung erreichbar sind, als über andere Medien.
2 Die Rückmeldungen für einen Lernprozess können unmittel- barer erfolgen, als in den meisten anderen Handlungsfeldern. Die für die Lernprozesse erforderlichen Arrangements können leichter als in den meisten anderen Handlungsfeldern verwirk- licht werden.
3 Eine höhere Authentizität kann durch die Unmittelbarkeit des körperlichen Erlebens, Erfahrens und der Schwierigkeit des Verstellens von Bewegung erreicht werden. Auch die geringe verbale Gebundenheit spricht für die günstigen Bedingungen dieses Feldes (vgl. ERDMANN, 1999, S. 64).

Dem Feld der Bewegung werden somit Potenziale für eine Interkulturelle Bewegungserziehung zugesprochen, die jedoch nur als Ansatzpunkte zu deuten sind. Wenn jedem Einzelnen die ihm zustehende Entfaltungsfreiheit eingeräumt würde, kann keine enge Deduktion auf die praktische Umsetzung der Interkulturellen Bewegungserziehung eingeräumt werden (vgl. ERDMANN, 1999, S. 77). Auch aus GIEß-STÜBERS Sicht dominieren optimistische Visionen bezüglich der Chance Interkultureller Bewegungserziehung im Medium des Sports über die Skepsis (vgl. GIEß-STÜBER, 2005, S. 71). Nach ihrer Auffassung kann durch das Handlungsfeld der Bewegung in besonderer Weise Zugehörigkeit und Anerkennung erlebt werden3. Ebenso würde das „Feld der Bewegung und des Sports (…) Gelegenheit“ bieten „jenseits von Sprache, die die interkulturelle Verständigung erschweren kann, in einer ergänzenden Form zu kommunizieren“ (GIEß-STÜBER, 1999, S. 58).

Aus den vorgestellten Thesen zur Eignung einer Interkulturellen Erziehung im und durch Sport, werden im folgenden Kapitel mögliche Wege dargestellt, wie man eine Interkulturelle Bewegungserziehung in der Praxis gestalten könnte.

2.3 Mögliche Wege Interkultureller Bewegungserziehung in der Praxis

Betrachtet man die vorangegangenen Erläuterungen der aufgegriffenen Be- grifflichkeiten sowie die relativierten Zuschreibungen des Sports, lassen sich einige Zielformulierungen für eine Interkulturelle Bewegungserziehung fest- halten. Nicht die Integration im Sinne von Anpassung des Fremden an die eigene Kultur, sondern ein angemessener Umgang mit dem Fremden unter Bewahrung der fremden sowie der eigenen Ansprüche sollte im Mittelpunkt einer Interkulturellen Bewegungserziehung stehen (vgl. THIELE, 1999, S. 36). Die unter Punkt 2.1 aufgeführten Konstrukte der Differenz, Fremdheit und Identität werden in den didaktischen Ansätzen aufgegriffen, um an ihnen an- knüpfende Konzepte zu entwickeln.

NEUBER (1999) stellt in diesem Zusammenhang drei Zieldimensionen mög-licher Interkultureller Bewegungserziehung auf:

1 Differenz und Fremdheit sollen als existent wahrgenommen und erlebt werden.
2 Das Wahrnehmen und Empfinden der Differenzen und der Fremdheit erfordert eine aktive Auseinadersetzung und Reflexion, um eine pädagogische Veränderung hervorzurufen.
3 Die Identität eines jeden Einzelnen sollte gefördert werden. (vgl. NEUBER, 1999, S. 113)

Um diese Zieldimensionen verfolgen zu können, ist eine didaktisch - metho- dische Aufbereitung der sportlichen Praxis von großer Bedeutung. Einige didaktische Ansatzpunkte liefern die im Folgenden dargelegten didaktischen Leitlinien nach GIEß-STÜBER. Sie ist der Auffassung, dass sich „das Feld von Bewegung, Spiel und Sport (…) in besonderer Weise für die mit dem Erleben von Fremdheit verbundenen Bildungsanstöße“ (2005, S. 72) eignet. In diesem Feld exponieren sich die Schüler in ihre Körperlichkeit, die somit als Auslöser für Fremdheitserleben dienen kann. Diese Körperlichkeit kann somit einen Anstoß für die gezielte Bearbeitung dieses Fremdheitserlebens sein. Die Praxis einer Interkulturellen Bewegungserziehung kann sich demnach an den folgenden acht didaktischen Leitlinien orientieren. Diese können eine ungewohnte, „fremde“ Perspektive für den Sportunterricht eröffnen (vgl. GIEß-STÜBER, 2005, S. 72).

1 Begegnung mit dem Fremden
2 Selbstrelativierung/Erkennen des eigenen Ethnozentrismus
3 Differenzierung der Wahrnehmung
4 Ent-Differenzierung/Erkennen transkultureller Elemente
5 Anerkennung und Wertschätzung
6 Erfahrung von Zugehörigkeit
7 Fähigkeit zum Aushandeln/Konfliktfähigkeit
8 Wahrnehmung und Überschreitung von Grenzen

Ohne die Begegnung mit dem Fremden (1) und dem daraus resultierenden wechselseitigen Austausch kann die Fremdheit nicht überwunden werden und auch keine nötige Toleranz für das Fremde erreicht werden. Somit ist nicht die Homogenisierung das Ziel einer Interkultureller Bewegungserziehung, sondern der Bewegungsdialog zwischen Verschiedenem sowie eine handelnde Auseinandersetzung mit dem Fremden.

Um den eigenen Ethnozentrismus (2) zu erkennen, muss zunächst das Bewusstsein für das Eigene vorhanden sein. Die eigene Kultur sollte als eine von vielen erkannt werden, um dieser kritisch gegenüberstehen zu können. Durch bestimmte Bewegungen und Bewegungsvarianten aus der eigenen Kultur im Vergleich zu anderen Kulturen kann das „Fremd-Sein“ im Gegensatz zum „Vertraut-Sein“ am eigenen Körper erfahren werden. Dadurch wird das Erleben von Fremdheit bearbeitbar.

Bei der Differenzierung der Wahrnehmung (3) geht es um die Schärfung der Wahrnehmungsfähigkeit, insbesondere um auch Differenzen innerhalb homogen scheinender Gruppen sichtbar werden zu lassen. Betrachtet man diesen Aspekt einmal ethnologisch, kann die Methode der Entfremdung von Vertrautem hilfreich sein, das Vertraute durch die Verfremdung zu verstehen. Innerhalb der Ent-Differenzierung und des Erkennens transkultureller Ele- mente (4) soll sich universeller Elemente aus verschiedenen Bewegungs- kulturen bedient werden. Dadurch sollen Nähe und Gemeinsamkeit der Fremden erzeugt werden.

Gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung (5) sollten in den Sportunterricht mit einbezogen werden, indem Inhalte aus dem Bewegungsalltag aller Schüler berücksichtigt werden.

Bei der Erfahrung von Zugehörigkeit (6) sollte das Ziel die Befähigung der kritischen Auseinandersetzung mit Identifikation und Zugehörigkeit sein. Da es beim Umgang mit Fremdheit unweigerlich zu Konfliktkonstellationen kommt, sollten diese Konstellationen mit der Fähigkeit zum Aushandeln oder der Konfliktfähigkeit (7) behandelt werden. Offene Bewegungsaufgaben sind hierfür förderlich, in denen Ziele, Regeln und Lösungswege ausgehandelt werden müssen. Die Gruppen sollten sich möglichst heterogen zusammen- setzen.

Das Überschreiten von Eigenem und Vertrautem hilft dabei, Fremdes kennenzulernen. Durch die Wahrnehmung und das Ü berschreiten von Grenzen (8) können vor allem im erlebnispädagogischen Bereich viele anregende Gelegenheiten geschaffen werden (vgl. ebd., S. 72f.).

Aufgrund dieser Leitlinien ergaben sich viele erprobte Umsetzungsideen und praktische Projekte, die versuchten, mithilfe verschiedener Sportarten, einen angemessenen Umgang mit Fremdheit zu erreichen4. Aus bisherigen Studien können jedoch keine gesicherten Verallgemeinerungen und An- leitungen der Interkulturellen Bewegungserziehung deduziert werden. Die Praxis der Interkulturellen Bewegungserziehung kann nicht als eindeutig fassbares Feld beschrieben werden und es wird voraussichtlich auch nie als solches beschrieben werden können. Durch die heterogenen, gesellschaft- lichen und kulturellen Rahmenbedingungen, sowie den heterogenen, individuellen Voraussetzungen und Befindlichkeiten kann kein allgemein- gültiger Umgang mit Interkultureller Bewegungserziehung formuliert werden (vgl. NEUBER, 1999, S.126). Die Forschungen zur Interkulturellen Be- wegungserziehung befinden sich demnach in ständiger Weiterentwicklung, denn die Rahmenbedingungen sind ebenfalls reflexiv und die Gesellschaft entwickelt sich fortlaufend5.

Das Ziel meiner Studie ist es, eventuell neue Kategorien zu entdecken, die dabei helfen, innerhalb des Feldes der Bewegung neue Ansätze einer erfolgreichen Interkulturellen Bewegungserziehung zu erlangen.

3 Konzept der Untersuchung

In diesem Kapitel wird die Konzeption der durchgeführten Untersuchung näher beschrieben. In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst die methodischen Vorüberlegungen in Punkt 3.1 genauer beschreiben. Die von mir gesammelten Daten werden anschließend mit der Grounded Theory auf- bereitet und ausgewertet. Diese Form der Datenaufbereitung wird in Punkt 3.2 näher beschrieben. Darauf stützen sich die weiteren Erläuterungen zu den Durchführungen meiner Datenerhebungen in Punkt 3.3, die daraus ausgewerteten Daten, sowie die Darstellung der Ergebnisse in Punkt 3.4. Abschließend werde ich in Punkt 3.5 die Ergebnisse, in Hinblick auf die Fragestellung, diskutieren.

3.1 Methodische Vorüberlegungen

Da es sich bei den Untersuchungen um ein mir sehr unerschlossenes Feld handelt, werde ich mich den Methoden der qualitativen Sozialforschung bedienen. Als Vorbild meiner Forschung soll in diesem Zusammenhang die Ethnografie genannt werden, in der es um die „Entdeckung und Beschreibung fremder Welten“ (OSWALD, 2003, S. 79) geht. Je weniger über die fremden Lebenswelten und deren Deutungssysteme bekannt ist, umso mehr empfiehlt sich ein qualitativ-exploratives Vorgehen, in dem jede zugängliche Informationsquelle genutzt werden kann (vgl. ebd., S. 79).

Die von mir verwendete Forschungsmethode der qualitativen Sozial- forschung ist die Feldforschung, die in Punkt 3.2 näher beschrieben wird. Des Weiteren werden in diesem Kapitel die von mir verwendeten Techniken innerhalb der Feldforschung beschrieben sowie auf Probleme und Stör- faktoren eingegangen. Im Vorfeld wird in Punkt 3.1.1 auf das spezifische Forschungsfeld Sri Lanka näher eingegangen, um einen Überblick über die kulturellen Gegebenheiten des Landes zu schaffen. Die Beschreibung des Forschungsfeldes an dieser Stelle meiner Arbeit ist sinnvoll, da die an- schließende Methodenwahl aufbauend ausgewählt und begründet ist. Das Vorgehen der Untersuchung kann somit fortlaufend auf das Forschungsfeld bezogen werden.

3.1.1 Das Forschungsfeld

In meiner Untersuchung werde ich mich in ein mir kulturell völlig fremdes Umfeld, nach Sri Lanka, begeben. Den Untersuchungsgegenstand bildet das `Children Sport Village´ Nattandiya. Das Pädagogische Konzept wird in diesem Zusammenhang in Punkt 3.1.1.3 näher beschrieben. Um einen Überblick über kulturelle Besonderheiten und die Bevölkerungszusammen- setzungen Sri Lankas zu geben, wird im Vorfeld die ethnische Zusammen- setzung des Landes in Punkt 3.1.1.1 beschrieben. Ein kleiner Exkurs zum Thema des ethnischen Konfliktes in Punkt 3.1.1.2 soll dazu dienen, die Projektidee des `Children Sport Village´ und ihre Notwendigkeit einordnen zu können. Auch die Besonderheiten oder Unterschiede der ethnischen Zu- sammensetzung, im Gegensatz zu Deutschland, sollen dadurch verdeutlicht werden. Auf das komplexe Thema der Konfliktentstehung sowie der Konflikt- forschung wird nicht eingegangen, da sowohl der Konflikt als auch die ein- schlägige Forschung zu komplex wären, um sie innerhalb dieser Arbeit dar- zustellen.

3.1.1.1 Ethnische Zusammensetzung Sri Lankas

Der Inselstaat Sri Lanka, ehemals Ceylon, befindet sich südlich des indi- schen Subkontinents und liegt im Indischen Ozean. Die Insel ist 434 km lang und 225 km breit. Die Fläche von 65.610 qkm entspricht somit ungefähr der Größe Irlands oder Bayerns. Mit ca. 20 Millionen Einwohnern ist es jedoch dichter besiedelt. Die Insel war im Altertum eine hoch entwickelte Kultur und im Laufe der Jahrhunderte erfuhr sie viele Einwanderungs- und Kolonisationswellen. Die Bevölkerung setzt sich aufgrund dieser Einwanderungs- und Kolonisationswellen aus verschiedenen ethnischen Gruppierungen zusammen. Von den 19, 5 Millionen Menschen bilden die überwiegend buddhistischen Singhalesen mit ca. 75% die größte Be- völkerungsgruppe. Die zweite große Bevölkerungsgruppe bilden die hinduistisch geprägten Tamilen mit ca. 18%. Diese unterteilen sich aufgrund ihrer ursprünglichen Herkunft nochmals in zwei Gruppen. Etwa 12,5% der Gesamtbevölkerung sind Tamilen, die ihren Ursprung in Sri Lanka haben. Diese werden als `Sri Lanka Tamilen´ bezeichnet. 5,5% der Bevölkerung sind Tamilen, die indischer Abstammung sind und zu Kolonialzeiten von den Engländern zum Tee pflücken in das Land geholt wurden. Die dritte Be- völkerungsgruppe bilden mit 7% die Moslems mit überwiegend arabischer Abstammung. Eine vierte Bevölkerungsgruppe von etwa 0,3 % bilden einige wenige Nachkommen der ursprünglichen Bewohner des Landes sowie Burgher und Malaien (vgl. PFAFFENHOLZ, 2004, S. 7). Aus der ethnischen Vielfalt ergibt sich auch eine Vielfalt der Religionen. 69,3% sind Buddhisten (Theravada - Buddhismus), 15,5% der Gesamtbevölkerung sind Hindus, 7,5% sind Moslems und 7,6% sind Christen. Sri Lanka hat drei Landes- sprachen, Sinhala und Tamil bilden die Amtssprachen, während Englisch als Bildungssprache bezeichnet werden kann (vgl. AUSWÄRTIGES AMT, 2009).

In Bezug auf Punkt 2.1 lassen sich in Sri Lanka drei der vier vorher genannten Differenzlinien aufzeigen. In Hinblick auf die Sprachen, die Ethnie sowie der Kultur der einzelnen Bevölkerungsgruppen, lassen sich Differenzen erkennen.

In Sri Lanka liegt eine klare geografische Trennung der unterschiedlichen Ethnien vor. Im Folgenden wird eine Abbildung präsentiert, die veranschaulichen soll, in welchen Landregionen die verschiedenen Ethnien und Religionsgruppen angesiedelt sind.

Abbildung 1: Ethnische und religiöse Verteilung der Bevölkerung6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: KRAL (2006)

3.1.1.2 Exkurs - Der ethnische Konflikt in Sri Lanka

„Als ethnischer Konflikt gelten uns alle Konflikte, die zwischen ethnisch be- stimmten Gruppen verlaufen, völlig ungeachtet der Ziele, die von den Konflikt- parteien verfolgt werden. Es ist wenig hilfreich, darauf zu verweisen, dass die eigentlichen Konfliktgegenstände generell nicht auf der symbolischen Ebene zu finden sind, dass es sich bei religiösen Konflikten in der Regel nicht um Konflikte, um die richtige „wahre“ Auslegung einer Religion oder die Durch- setzung der Wahrheitsansprüche einer gegen eine andere Religion handelt, sondern um Auseinandersetzungen, um Macht, um Kontrolle über Land und Leute, um Verfügungsgewalt über ökonomische Ressourcen“ (KREUZER & WEIBERG, 2007, S.18).

Ganz im Sinne des aufgeführten Zitates lässt sich auch der ethnische Konflikt in Sri Lanka beschreiben. Das politische System von Sri Lanka ist durch ein stark polarisiertes und dualistisches Parteiensystem mit radikalen Tendenzen geprägt. Die vorherrschenden sozialen und ethnischen Dis- paritäten werden politisch instrumentalisiert und „bilden den Motor für Konflikte, die ein hohes Risiko zur Eskalation von Gewalt bergen“ (PFAFFEN- HOLZ, 2004, S. 7). Der bewaffnete Konflikt zwischen der singhalesischen Regierung und der LTTE7 begann 1983 und unterlag unterschiedlichen Austragungsmodi. Im Norden und Osten, dem tamilischen Kernland8, fanden die konventionellen militärischen Auseinandersetzungen zwischen der sri- lankischen Armee und der LTTE statt, während die LTTE im Süden mit terroristischen Mitteln gegen die Regierung kämpfte. Die Ursachen der Konflikteskalation waren mitunter die sozialen Benachteiligungen der tamilischen Bevölkerung. Seit der buddhistisch-singhalesischen Regierungs- übernahme in den Fünfziger Jahren wurde Sinhala zur Amtssprache. Die politische und ökonomische Macht konzentrierte sich im Süden des Landes. Die Entwicklung der ohnehin an natürlichen Ressourcen ärmeren Regionen im Norden und Osten wurde damit verhindert. Die LTTE kämpfte seit dem für einen unabhängigen Staat, den Tamil Eelam im Nordosten des Landes. Der bestehende Konflikt verstärkte die geografische Separierung der ethnischen Gruppen. Von den Folgen des Konfliktes ist demnach die gesamte Bevölkerung des Landes betroffen. Angst und Vorurteile gegenüber dem `Fremden´, ´nicht Vertrauten´ sind die Folge (vgl. ebd., S. 7ff.).

Um dennoch die Möglichkeit zu schaffen, die ethnischen Gruppierungen näher zu bringen, wurden `Children Sport Villages´ errichtet. Dort werden Kinder und Jugendliche im Medium des Sports zusammengebracht. Dies soll als Maßnahme dienen, weiteren Vorurteilen vorzubeugen und somit weiteren Konflikten präventiv entgegen zu wirken.

Die gesellschaftspolitische Situation in Sri Lanka ist eine andere als in Deutschland. Aufgrund der ethnischen Zusammensetzung lässt sich die Theorie der Interkulturellen Bewegungserziehung dennoch auf den Gegenstand des `Children Sport Villages´ beziehen.

3.1.1.3 Konzeptidee des `Children Sport Village´

Das `Children Sport Village´ Nattandiya in Sri Lanka ist eine, von dem Asian and German Sports Exchange Programm (A.G.S.E.P), einer Assosiated Governmental Organisation (AGO), ins Leben gerufene Einrichtung für Kinder und Jugendliche von 8 - 14 Jahren. Es ist eines von drei `Children Sport Villages´ des A.G.S.E.P.`s, befindet sich im Westteil des Landes (siehe Karte) und liegt somit in der neutralen Zone 9 . Der überwiegende Teil der Bevölkerung sind in diesem Gebiet Singhalesen.

Abbildung 2: Children Sport Village, Nattandiya, Sri Lanka

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein weiteres `Children Sport Village´ befindet sich im Nordosten des Landes, in Nilaveli. Diese Landregion befand sich zum Erhebungszeitpunkt10 20 km entfernt von den LTTE-besetzten Gebieten. Die Bevölkerung besteht in dieser Region überwiegend aus Tamilen und Moslems. Im dritten `Children Sport Village´ fanden zur Zeit meiner Erhebung aufgrund des Krieges keine Sportprogramme statt. Der Standort Mulaitivu lag zum Zeitpunkt meiner Er- hebung in der unmittelbaren Gefahrenzone des LTTE-kontrollierten Gebiets und konnte daher nicht genutzt werden. In den beiden `Children Sport Villages´ Nattandiya und Nilaveli machte ich meine ersten Alltags- beobachtungen, um schon im Vorfeld für meine Erhebung nötige Kategorien der weiteren Beobachtungen aufzustellen. Die Beobachtungen werden in Kapitel 3.3 näher beschrieben.

Die eigentliche Datenerhebung fand dann exemplarisch im `Children Sport Village´ Nattandiya statt, dessen Konzept in diesem Zusammenhang näher erläutert wird. Zum Nachvollzug meiner angelegten Studie wird im Folgenden auf die Organisation, den Ablauf der einzelnen Stationen sowie die Besonderheiten des `Children Sport Village´ näher eingegangen.

Der Bau des `Children Sport Villages´ wurde 2004 fertiggestellt, sodass seit diesem Zeitpunkt alle 14 Tage ein Sportevent für Kinder stattfindet11. Die Or- ganisation, die die Villages vor Ort organisiert ist `A.G.S.E.P.´ in Zusammen- arbeit mit `Peace Village Sri Lanka´. Beide Organisationen sind `AGO`s´ und arbeiten mit den zugehörigen Regierungsstellen zusammen. Jedes Dorf hat einen Manager, der für die Organisation des Tagesablaufs zuständig ist. Dieser kooperiert mit den Schulen, die ihre Kinder zu den jeweiligen Sport- programmen schicken. Ein Team von sechs Studenten aus Deutschland12 ist, in Zusammenarbeit mit den einheimischen Lehrern und Trainern vor Ort, für die inhaltlichen Dinge zuständig und unterstützt somit das vorgefertigte Programm. Der Ablauf des `Children Sport Village´ Nattandiya gliedert sich wie folgt:

- Ablaufbeschreibung freitags:

Die tamilischen Kinder, die aus dem Nordosten des Landes einreisen, kommen in der Regel freitagabends in Nattandiya an und werden von dem Personal in Empfang genommen. Sie werden in dem Village in kleinen Gruppen in den Zimmern untergebracht. Am Abend gibt es mit allen ein gemeinsames Abendessen.

- Ablaufbeschreibung samstags (9:00 - 16:00 Uhr):

Die bereits anwesenden Kinder bekommen ein Frühstück und warten an- schließend im Vorhof auf die anderen Kinder aus der Umgebung. Diese sind hauptsächlich singhalesischer aber auch muslimischer Herkunft. Es sind je- des Mal ca. 80 Kinder anwesend. Die Kinder werden in kulturell gemischte Gruppen eingeteilt und bekommen zur Gruppenkennzeichnung ein farbiges Band um das Handgelenk. Es sind jeweils 4 Gruppen je ca. 20 Kinder.

Abbildung 3: Begrüßung und Einteilung der Gruppen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es gibt 4 Stationen, die die Kinder nacheinander durchlaufen. Jede Einheit dauert etwa 1,5 Stunden.

- Station 1: Fußball:

Nach verschiedenen Vorübungen zum Fußball werden die Kinder in 2 Gruppen eingeteilt und spielen miteinander `Straßen Fußball´.

Abbildung 4: Station Fußball

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Station 2: Volleyball:

Die Kinder machen in kleinen Gruppen verschiedenen Vorübungen zum Volleyball. Danach wird je nach Gruppenstärke mit vereinfachten Regeln miteinander Volleyball gespielt.

Abbildung 5: Station Volleyball

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Station 3: Schwimmen

Die Kinder gehen alle in den flachen Bereich des Pools. Unter Anleitung des Schwimmlehrers machen die Kinder verschiedene Übungen zur Wassergewöhnung und zu den Schwimmtechniken.

Abbildung 6: Station Schwimmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Station 4: Kreativstation

Den Kindern werden verschiedene Materialien zum Zeichnen und Malen zur Verfügung gestellt. Sie können sich aussuchen, ob sie ein Bild allein oder in einer Gruppe gestalten wollen. Am Ende soll ein Gesamtbild der Gruppe über das `Children Sport Village´ entstehen.

Abbildung 7: Kreativstation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es werden jeweils 2 Stationen durchlaufen. Anschließend gibt es eine Pause mit gemeinsamem Mittagessen. Danach werden weitere 2 Stationen durchlaufen. Am Nachmittag, ab 16.00 Uhr, gehen die Kinder alle gemeinsam in den Pool und können frei spielen.

Abbildung 8: Freies Spielen im Pool

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Ablaufbeschreibung sonntags (9:00 - 14:00 Uhr):

Alle Kinder frühstücken gemeinsam um ca. 8:00 Uhr. Anschließend haben sie bis ca. 12:00 Uhr die Möglichkeit gemeinsam frei zu spielen. Währenddessen stehen sowohl die Trainer der verschiedenen Sportarten als auch die Studenten für Fragen und Hilfestellungen zur Verfügung. Im An- schluss daran wird noch einmal gemeinsam Mittag gegessen. Danach ver- abschieden sich die Kinder und werden wieder in ihre Heimatdörfer gebracht.

Meine Beobachtungen richten sich auf die Stationen 1 und 2, sowie auf die Gruppeneinteilung am Anfang und das freie Spielen im Swimmingpool. Die anderen Stationen sowie die Darstellung des Tagesablaufs sind aufgeführt, um einen Überblick über das gesamte Programm zu geben.

3.1.2 Design - Qualitative Feldforschung

Bei der Feldforschung begibt man sich in ein kulturell fremdes Feld13, um dieses insbesondere durch Beobachtung zu beschreiben. Des Weiteren kön- nen auch andere Zugänge zum Untersuchungsfeld mit einbezogen werden, wie z. B. Interviews, Expertengespräche, Gruppendiskussionen und Foto- grafie. In meiner Studie werde ich die oben genannte Methode des Be- obachtens mit einem Experteninterview kombinieren, um das Forschungsfeld möglichst umfangreich zu erschließen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchten zu können (vgl. FRIEBERTSHÄUSER, 2003, S. 503ff.).

Charakteristisch für die Feldforschung ist ein offener Zugang, welcher den Verzicht von vorab entwickelten Kategorien beinhaltet, denn diese Kate- gorien sollen erst aus den erhobenen Daten generiert werden. Der Ablauf einer Feldforschung ist daher schwer darzustellen, kann aber mit den von Hans FISCHER entwickelten zehn Schritten gut beschrieben werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die zehn Schritte können auch in anderer Reihenfolge bzw. parallel ablaufen.

Der Ablauf meiner Feldforschung der hier angelegten Studie wird in An- lehnung an die oben genannten zehn Schritte näher beschrieben. Wie im Vorfeld schon erwähnt, gilt es als Erstes eine Fragestellung bzw. ein For- schungsthema (1) festzulegen. Bei meinen Recherchen stieß ich im Internet auf eine interessante Forschungsgruppe (4), das `Children Sport Village´, Nattandiya in Sri Lanka. Mit meinen beiden betreuenden Professoren des Sportinstituts der Universität Hildesheim, Prof. Dr. Peter Frei und Prof. Dr. Swen Körner, bettete ich die anfangs angelegte Fragestellung inwieweit kann Sport zwischen verschiedenen Ethnien vermitteln, in einen theoretischen Kontext (2), der Interkulturellen Bewegungserziehung, ein. Aus den in Punkt 3.1.1.1 und in Punkt 3.1.1.2 dargestellten Besonderheiten dieser Unter- suchungsgruppe sowie dem Konzept dieses `Children Sport Villages´ in Punkt 3.1.1.3 ergaben sich die Methoden (3), dieses Thema in der vorher sehr offen formulierten Fragestellung zu bearbeiten. Die Methode der Feld- forschung schien aufgrund des Themenbereichs als angemessenes Instrument dieser Erhebung. Des Weiteren mussten die methodischen Zu- gänge geklärt werden. Welche Form der Beobachtung findet Anwendung, werden Vergleiche gezogen, sollen auch Interviews geführt werden etc.?

In diesem Zusammenhang entschied ich mich dafür, strukturierte, nicht teil nehmende Beobachtungen mit einem Experteninterview zu vergleichen und auf ähnliche Kategorien und anschleißende Theorien hin zu untersuchen. Die Auswahl dieser Methoden möchte ich an dieser Stelle kurz erklären.

Aufgrund des angelegten Rahmens für die Masterarbeit erachte ich es für sehr schwierig, mit unstrukturierten Beobachtungen zu arbeiten. Es würde zu viel Datenmaterial produzieren, welches in diesem Rahmen nicht an- gemessen ausgewertet werden kann. Betrachtet man den Untersuchungs- kontext dieser Studie, lässt sich eine teilnehmende Beobachtung aufgrund verschiedener Merkmale wie Hautfarbe, Sprache etc. in dieser kurzen Zeit nicht realisieren. Dennoch sollte der Kontakt zum Feld so sensibel wie mög- lich gestaltet werden, um die natürliche Situation nicht zu sehr von Außen zu beeinflussen und somit zu verfälschen. Auf die genauere Form der an- gewandten Beobachtungen möchte ich in Punkt 3.2.1 näher eingehen. Das angelegte Interview wird mit dem Organisator des A.G.S.E.P.`s durchgeführt, der seit 25 Jahren als Deutscher in Sri Lanka lebt und das Projekt `Children Sport Village´ in Zusammenarbeit mit `Peace Village Sri Lanka´ ins Leben gerufen hat.

Nach diesen Vorüberlegungen galt es angemessene Vorarbeiten zu leisten (5), sowie die Feldforschung zu organisieren (6). Literatur zum Thema Inter- kulturelle Bewegungserziehung wurde gesammelt sowie Literatur zu den Methoden der Sozialforschung, die in meiner Arbeit Anwendung finden. In diesem Zusammenhang ist wieder die Feldforschung mit entsprechender Beobachtungsform und entsprechendem Interview zu nennen sowie die Grounded Theorie. Diese soll Anwendung bei der Auswertung der Daten fin- den und wird in Kapitel 3.2 näher beschrieben. Den Kontakt zum Feld (7) erhielt ich durch E-Mail-Kontakt mit dem `Experten´, dem Gründer des A.G.S.E.P.`s14. So konnte ich schon im Vorfeld meine eigenen Absichten in Hinblick auf das zu untersuchende Feld darstellen und absichern. Um mir den dreimonatigen Forschungsaufenthalt zu finanzieren, bewarb ich mich im Vorfeld für ein Stipendium des DAAD15 für `Anfertigung einer Abschlussarbeit im Ausland´ und konnte daraufhin den Aufenthalt am Erhebungsort für die drei Monate sichern. Nach der erfolgreichen Kontaktaufnahme zum Feld und meiner Einreise am 31.März 2009, konnte die explorative Phase (8) beginnen. Die erste Zeit dieser Phase verbrachte ich damit unsystematisch zu beobachten und Regeln des Untersuchungsfeldes zu verstehen. Dies sollte helfen, mich besonders behutsam und angepasst in den konkreten Untersuchungssituationen zu verhalten. Im nächsten Schritt, ein spezielles Problem wird untersucht (9), widmete ich mich wieder meiner Fragestellung und erhob die dafür notwendigen Daten mit systematischen Beobachtungen und einem Experteninterview. Die Beobachtungen wurden protokolliert und das Interview wurde tontechnisch aufgezeichnet, um es daraufhin zu transkribieren und anschließend auszuwerten. Die detaillierten Angaben zur Durchführung der Beobachtung werden im Kapitel 3.3 ausführlich dargestellt.

3.1.2.1 Formen der Beobachtungen

Die Beobachtung als qualitatives Forschungsinstrument verlangt Aktivität des Forschers. Zuerst müssen Zugänge zum Feld erarbeitet werden, sodass er eine bestimmte Rolle am Rande oder innerhalb des Feldes einnehmen kann. Somit kann er verdeckt oder unverdeckt Informationen durch eigene Feld- notizen erhalten (vgl. TERHARD, 2003, S.34). Diese Feldnotizen sind das „selbst erzeugte Material“ (ebd. S. 34) des Forschers und werden kontinuier- lich ausgewertet, gedeutet und interpretiert. Die verschiedenen Be- obachtungsverfahren unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Vorstrukturierung sowie hinsichtlich ihrer Nähe zum Beobachtungsfeld (vgl. ebd. S. 34f.). Aufgrund meiner Eingewöhnungsphase im Feld und den daraus resultierenden Alltagsbeobachtungen habe ich mich für eine systematische

[...]


1 Der Krieg wurde am 19.05.2009 für offiziell beendet erklärt.

2 Interkulturelle Erziehung sowie Interkulturelle Bewegungserziehung werden innerhalb der Arbeit als feststehende Begrifflichkeiten behandelt und daher groß geschrieben.

3 Durch das Erleben von Anerkennung und Zugehörigkeit wird die Identitätsbildung begünstigt, siehe 2.1 kulturelle Identität.

4 Hierzu kann auf den Praxisteil in GIEß-STÜBER (2005, S. 76 - 170) verwiesen werden.

5 Die qualitative Sozialforschung mit der Grounded Theory als Auswertungsmethode bildet den methodischen Rahmen meiner Forschungsarbeit, um dem prozessualen Charakter einer Interkulturellen Bewegungserziehung gerecht werden zu können.

6 Die fünf roten Punkte kennzeichnen die Standorte der drei Children Sport Villages in Nattandiya, Nilaveli und Matara sowie die 4 Schulen der Kinder aus Nattandiya, Nilaveli, Matara und Kurunegala und der A.G.S.E.P. Zentrale in Marawila.

7 LTTE: Liberation Tigers of Tamil Eelam

8 Siehe Abbildung 1

9 Neutrale Zone meint in diesem Fall ein von dem militärischen Konflikt unbetroffenes Gebiet, in dem auch während des 25-jährigen Konflikts keine militärischen Ausschreitungen stattgefunden haben.

10 In der Zeit als meine Erhebungen stattfanden wurde der militärische Konflikt zwischen der LTTE und der Regierung für beendet erklärt. Der 19. Mai 2009 gilt als offizielles Kriegsende.

11 Aufgrund militärischer Ausschreitungen konnten in den letzten Jahren teilweise nicht immer alle Kinder aus den unterschiedlichen Regionen des Landes teilnehmen. Zum Zeitpunkt meiner Datenerhebung waren jedoch alle Ethnien vertreten.

12 Zur Zeit meiner Erhebung waren fünf weitere Studenten aus Deutschland als Volunteers für das `Children Sport Village´ zuständig.

13 In diesem Fall handelt es sich um Kindergruppen im Alter von 8-14 Jahren, verschiedener ethnischer Herkünfte.

14 Aufgrund des Datenschutzes wird der Experte namentlich nicht genannt und auch im weiteren Verlauf der Arbeit mit `Experte´ benannt.

15 Deutscher Akademischer Austauschdienst

Ende der Leseprobe aus 146 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Bewegungserziehung. Sport als Mediator in der Konfliktprävention
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Institut für Sportwissenschaften und Sportpädagogik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
146
Katalognummer
V161749
ISBN (eBook)
9783668205352
ISBN (Buch)
9783668205369
Dateigröße
1263 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Children's Sport Village, Sri Lanka, Ethnien, Tamilen, Singhalesen, Muslime, Konfliktprävention, Sport, Völkerverständigung, Atteslander, Auernheimer, Erdmann, Gieß-Stüber, Kelle, Grounded Theory, Sozialforschung, ethnischer Konflikt, Glaser & Strauß
Arbeit zitieren
Isabelle Hofmann (Autor:in), 2009, Interkulturelle Bewegungserziehung. Sport als Mediator in der Konfliktprävention, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161749

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