Auf dem Weg zur Positiven Erziehung

Negative und positive Erziehung in Vergangenheit und Gegenwart


Fachbuch, 2010

71 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Positive Erziehung in lebensbejahenden Gesellschaften

2. Die Entstehung negativer Impulse in der Erziehung

3. Negative Erziehung im Abendland

4. Freikörperkultur, Lebensreform und positive Erziehung

5. Gestörte Charakterbildung als Resultat negativer Erziehung

6. Negative Erziehung in Zentral-Europa im 19. und 20. Jahrhundert

7. Negatives Denken im Schul- und Erziehungswesen der Gegenwart

8. Negative und positive Konzepte der Erziehung und Pädagogik

9. Die Entstehung Positiven Denkens

10. Positives Denken in der Erziehung

Nachwort

Literaturliste

Einleitung

Die Motivation und die Impulse für das vorliegende Buch entstanden aus der Jahrzehnte langen praktischen Arbeit des Autors an der Leuphana Universität zu Lüneburg, Deutschland, besonders aber an Volkshochschulen im Raum Norddeutschland.

Wie lässt sich das praktische Bedürfnis der Menschen nach Positivem Denken, nach Optimismus und Lebensfreude verbinden mit den akademischen theoretischen Studien im Rahmen der wissenschaftlichen Literaturforschung?

Positives Denken an der Volkshochschule will sehr praxisnah mit vielen Übungen, konkreten Beispielen und Anleitungen erlernt werden. Viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen wollen ganz praktische Techniken und Rezepte, wie das negative Befinden und das negative Denken verändert werden können. Der wissenschaftliche, psychologische, historische und philosophische Hintergrund darf nur kurz die Praxisübungen umrahmen. Volkshochschul-Teilnehmer und -Teilnehmerinnen sind meist nicht akademisch gebildet und Vorlesungen nicht gewohnt. Schnell lässt die Aufmerksamkeitsspanne nach. Immer wieder muss die Gruppe durch Kommunikationsübungen, Entspannungsübungen, unkonventionelle Aktivierungsmethoden belebt werden. Es erfordert gruppendynamisches Geschick, die positiven Lernprozesse anzuleiten. Information alleine genügt nicht.

Im Rahmen der Universität hingegen wird Positives Denken als unwissenschaftlich, populär und unseriös angesehen. Hier steht das theoretische Wissen des akademisch akzeptierten Lehrkanons im Zentrum der Lehr- und Lernprozesse. Undenkbar, dass die Praxis des Positiven Denkens in einer schriftlichen Examens- oder Diplomarbeit oder in einer mündlichen Prüfung Gegenstand des akademischen Diskurses sein könnte. Obgleich zahlreiche wissenschaftliche Forschungsresultate der Medizin, der Psychologie und der Soziologie und der Erziehungswissenschaft besonders seit dem letzten Drittels des 20. Jahrhunderts vorliegen, die negativer und positiver Erziehung gewidmet sind, wird die weltweite Bewegung des Positiven Denkens an der Universität als unwissenschaftlich ignoriert.

In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, theoretische, wissenschaftlich allgemein akzeptierte Theorien und Forschungsresultate mit der populären, weltumspan-nenden Bewegung praktischer Lebenshilfe des Positiven Denkens zu verbinden. Der geneigte Leser mag selbst entscheiden, ob dieses Unterfangen dem Autor gelungen ist.

1. Positive Erziehung in lebensbejahenden Gesellschaften

In MALINOWSKIs 1929 erschienenem Werk „ Das Geschlechtsleben der Wilden “ finden sich Hinweise auf Zusammenhänge zwischen einer positiven, lebensbejahenden und sexualfreundlichen Erziehung und einer Reduzierung abweichenden Verhaltens, die von REICH folgendermaßen interpretiert werden:

"Die Trobriander-Gesellschaft kannte trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb, im dritten Jahrzehnts (des 20.) Jahrhunderts keine sexuellen Perversionen, keine funktionellen Geisteskrankheiten, keine Psychoneurosen, keinen Lustmord...“ (REICH 1972, S. 173)Auch Mord und Sadismus, Destruktivität und Diebstahl kannte die Trobriander-Kultur nicht.

Idealtypisch gezeichnet kam die Trobriander-Gesellschaft der Idee des Urkommunismus oder des ursprünglichen Matriarchats sehr nahe. Gemeinschaftliche Produktion und weitgehend gemeinschaftliche Aneignung des gesellschaftlich erzeugten Reichtums, ein weitgehendes Mutterrecht mit relativer Herrschaftsfreiheit, also eine tendenziell klassenlose Gesellschaft, günstige klimatische, nahrungsmäßige und geographische Lebensbedingungen gingen einher mit einer sexualbejahenden Moral, einer verständnisvollen und liebevollen, positiven Erziehung..

Die repressionsarme, positive und lebensbejahende Erziehung der Trobriander war keineswegs regellos, es gab das Inzest-Tabu und einige andere, dem beginnenden Patriarchat entsprechende Tabus. In dieser Gesellschaft der Trobriand-Insulaner trat abweichendes Verhalten nur minimalisiert auf.

Das Beispiel der Tobriander ist nur das bekannteste, daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Kulturen, in denen die Kindheit eine glückliche Zeit ist.

Erich FROMM (1974) hat in seinem Werk über „Die Anatomie der menschlichen Destruktivität“ eine Analyse von dreißig schriftlosen Kulturen unter dem Aspekt Aggressivität versus Friedfertigkeit vorgelegt.

Die dreißig untersuchten Kulturen entstammen den Feldforschungen von Ruth BENEDICT, Margaret MEAD, MURDOCK und TURNBULL (Vgl. FROMM 1974, S. 149-158 ).

Bei der Analyse der dreißig Kulturen ergaben sich nach FROMM drei deutlich unterscheidbare Systeme, die sich nicht nur in Bezug auf mehr oder weniger Aggression oder mehr oder weniger Friedfertigkeit, sondern auch hinsichtlich der Erziehung in Kindheit und Jugend voneinander unterscheiden.

Eines der drei Systeme wird von FROMM als lebensbejahendes Gesellschaftssystem beschrieben.

FROMM charakterisiert die lebensbejahenden Gesellschaften folgendermaßen:

„In diesem System sind Ideale, Sitten und Institutionen vor allem darauf ausgerichtet, dass sie der Erhaltung und dem Wachstum des Lebens in allen seinen Formen dienen. Feindseligkeiten, Gewalttätigkeiten und Grausamkeiten sind in der Bevölkerung nur in minimalem Ausmaß zu finden, es gibt keine harten Strafen, kaum Verbrechen, und der Krieg als Institution fehlt ganz oder spielt nur eine äußerst geringe Rolle. Die Kinder werden freundlich behandelt, schwere körperliche Züchtigungen gibt es nicht. Die Frauen sind den Männern in der Regel gleichgestellt, oder sie werden wenigstens nicht ausgebeutet oder gedemütigt. Die Einstellung zur Sexualität ist ganz allgemein tolerant und bejahend. Man findet wenig Neid, Geiz, Habgier und Ausbeutung. Es gibt auch kaum Rivalität oder Individualismus, aber sehr viel Kooperation. Persönliches Eigentum gibt es nur in bezug auf Gebrauchsgegenstände. In der allgemeinen Haltung kommt Vertrauen und gläubige Zuversicht zum Ausdruck, und nicht nur den anderen gegenüber, sondern auch besonders auch gegenüber der Natur; ganz allgemein herrscht gute Laune, und depressive Stimmungen sind relativ selten “ ( FROMM 1974, S. 50).

FROMM rechnet zu den lebensbejahenden Gesellschaften die Zuni-Pueblo-Indiander, die Berg-Arapeshen,die Batonga, die Aranda, die Semang, die Toda, die Polar-Eskimos und die Mbutu.

Im Gegensatz zu diesen lebensbejahenden Gesellschaften herrschen in den anderen zwei von FROMM analysierten Gesellschaftssystemen, den nicht-destruktiv aggressiven Gesellschaften und den destruktiven Gesellschaften Aggressivität, Destruktivität und Gewalt, gepaart mit Unterdrückung der Sexualität, hartherziger Erziehung und pessimistischen Gedanken vor.

Als ein weiteres Beispiel für Zusammenhänge zwischen positiver Lebensbejahung und Reduzierung abweichenden Verhaltens kann das von Verrier ELWIN ( 1947, 1968 ) beschriebene Gesellschaftssystem der indischen Muria gelten.

Berühmt geworden ist das Kinder- und Jugendhaus der Muria, Ghotul genannt, in dem die Kinder und Jugendlichen in einer Art Kinderrepublik unbeaufsichtigt von elterlicher Autorität frei und gesellig lebten. Dorthin zogen die Mädchen und Jungen im Alter von sechs Jahren um. Die verständnisvolle, positive frühkindliche Eltern – Kind – Erziehung wurde dort durch die unterstützende Erziehung nahezu Gleichaltriger und älterer Kinder und Jugendliche, ähnlich der in unseren Gesellschaften entstehenden Jugendlichen-Subkulturen, im Gemein-schaftshaus weitergeführt. Die älteren Kinder brachten den jüngeren die Sitten und Bräuche, Tänze und Lieder bei und leisteten Aufklärung über Empfängnisverhütung und Familienplanung. Sie leiteten die jüngeren Kinder zu sexuellen Handlungen und zum Geschlechtsverkehr an.

Was gemäß unseren gegenwärtigen Moralvorstellungen und Strafgesetzen als sexueller Missbrauch angesehen wird, gehörte zur Sexualkultur der Muria. Geschlechtsbeziehungen zwischen Jungen und Mädchen wurden gefördert und nicht als „Sünde“ oder Straftat angesehen. Die späteren Erwachsenen waren keineswegs asozial und zügellos, sondern sie lebten treu und verantwortlich in einer monogamen Ehe.

„ Aber man wird dort in langen Jahren selbst auf den kleinsten Diebstahl vergeblich warten. Von Messerstechereinen und ähnlichen uns vertrauten `Jugenddelikten ` ist schon gar nicht die Rede. Kommen die sozialen Institutionen mit der menschlichen Triebnatur überein, dann sind die ` Triebe ` gar kein kriminologisches Problem“ ( PLACK 1967, S. 284 ).

2. Die Entstehung negativer Impulse in der Erziehung

James DeMEO hat in seinem Werk mit dem Titel „SAHARASIA“ (1998) die weltweiten geographischen Muster repressiver, traumatisierender, gewalttätiger, schmerzerzeugender, charakterlich verhärteter, patristischer Verhaltensweisen und sozialer Institutionen, welche die Bindung zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Mann und Frau zerstören, anhand einer systematischen Analyse anthropologischen Datenmaterials von 1170 eingeborenen Subsistenzkulturen ermittelt zueinander in Beziehung gesetzt.

Nach Abschluss der Kartographierung zeigte sich, dass der extrem trockene Wüstengürtel, der sich von Nordafrika über den Nahen Osten bis nach Zentralasien erstreckt, und dem DeMEO den Namen SAHARASIA gegeben hat, die größte Verbreitung der radikalsten patristischen Verhaltensweisen und sozialen Institutionen des Planeten Erde aufweist.

In Gebieten mit dem größten Abstand zu SAHARASIA , wie in Ozeanien und in der Neuen Welt, besonders in Amazonien, finden sich die sanftmütigsten, charakterlich lebendigsten , offensten, matristischen Verhaltensformen, welche die Bindung zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Mann und Frau fördern und schützen.

Eine systematische Sichtung archäologischer Funde und historischer Dokumente deutet auf eine anfängliche Entwicklung des Patriarchats um 4.000 v. Chr. In SAHARASIA hin, auf einen tiefgreifenden ökologischen Wandel von einem relativ feuchten Klima mit Savannenlandschaften und Wäldern zu trockenen Wüstenbedingungen.

Siedlungsmuster und Wanderungsbewegungen patristischer Völker wurden von ihren ursprünglichen Heimatgebieten in SAHARASIA nachgezeichnet, um das spätere Auftreten des Patrismus in Regionen außerhalb SAHARASIAS zu erklären.

Beweise für die Existenz matristischer Verhältnisse vor dem Einsetzen trockener Klima-bedingungen in SAHARASIA finden sich allerorten, während es generell keinerlei Anzeichen für die damalige Existenz von Patrismus gibt. DeMEO vertritt die Ansicht, dass der Matrismus die früheste, oiginäre und angeborene Form menschlichen Verhaltens und gesellschaftlicher Organisation darstellt, indes der Patrismus, aufrechterhalten durch traumatisierende soziale Institutionen, beim Homo sapiens erstmals in SAHARASIA unter dem Einfluss schwerster Dürren, Hungersnöten und dadurch erzwungener Migration in Erscheinung trat.

Die psychologischen Erkenntnisse Wilhelm REICHs ( 1935, 1942, 1945, 1949, 1953, 1967, 1983) ermöglichen das Verständnis der Mechanismen, durch welche sich patristische, gewalttätige und charakterlich gepanzerte Verhaltensweisen etablieren und fortbestehen, lange nachdem das auslösende Trauma vergangen ist. Die Forschungen DeMEOs konzentriere sich auf einen großen Komplex traumatischer und repressiver Einstellungen, Verhaltensweisen, gesellschaftlicher Gepflogenheiten und Institutionen, die mit Gewalt und Krieg in Zusammenhang stehen.

Die Studie befasst sich mit den klinischen und kulturvergleichenden Beobachtungen biologischer Bedürfnisse von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen, den unterdrückenden und zerstörerischen Folgen, die bestimmte soziale Institutionen und harte Lebensbedingungen für diese Bedürfnisse haben, sowie den Konsequenzen, die sich daraus für das Verhalten der Betroffenen ergeben. DeMEO verdeutlicht die kausale Beziehung zwischen traumatischen und repressiven sozialen Einrichtungen einerseits und destruktiver Aggression und Krieg andererseits.

DeMEOs Forschungen bestätigen die These von der Existenz einer einstigen historischen Epoche relativ friedlicher Gesellschaften rund um die Welt, in welchem Krieg, Männerherrschaft und destruktive Aggression entweder völlig fehlten oder nur in sehr geringem Ausmaß vorhanden waren. Weiterhin konnten die genauen Zeiträume als auch die Regionen der Erde bestimmt werden, in denen sich ehemals friedliche, demokratische und gleichberechtigt strukturierte menschliche Gemeinschaften erstmalig in gewalthaltige, kriegerische und despotische Kulturen verwandelten.

Voraussetzungen für die Forschungsresultate DeMEOs waren

1.) neuere paläoklimatische und archäologische Funde, die früher übersehene Sozial- und Umweltbedingungen offenbarten und
2.) die Entwicklung einer riesigen globalen Datenbank mit den völkerkundlichen und anthropologischen Forschungsresultaten mit mehr als Tausend verschiedener Kulturen. Die Erfindung des Personal Computers ermöglichte den einfachen Zugang zu diesen Daten und die Anfertigung von „Weltverhaltenskarten“ binnen weniger Jahre, was sonst eine Lebensaufgabe gewesen wäre.

DeMEOs Forschungsarbeit war auf eine Überprüfung der sexualökonomischen Theorie Wilhelm REICHs ausgerichtet.

Es wurde eine globale geographische Analyse sozialer Faktoren vorgenommen, die mit sexueller Unterdrückung und Kindheitstraumata in Verbindung stehen.

REICHs Theorie beschreibt destruktive Aggression und sadistische Gewalt des Homo sapiens als einen völlig unnatürlichen Zustand, welcher aus einer traumatisch bedingten chronischen Hemmung der Atmung, des emotionalen Ausdrucks und jeglicher lustorientierter Impulse resultiert.

REICH zufolge werden diese Hemmungen und Blockaden der Persönlichkeit mittels bestimmter schmerzvoller und lustfeindlicher Rituale und sozialer Institutionen verankert, die bewusst oder unbewusst der Bindung zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Mann und Frau entgegenwirken.

Diese sexualunterdrückenden und repressiven Rituale und sozialen Institutionen existieren sowohl in sogenannten „primitiven“ Subsistenzkulturen als auch bei technologisch entwickelten „zivilisierten“ Gesellschaften.

Einige Beispiele für unbewusstes bzw., rationalisiertes Zufügen von Schmerz bei Neugeborenen und Kindern sind:

- Trennung und Isolierung des Babys von der Mutter;
- Gleichgültigkeit gegenüber Weinen und Schreien des verzweifelten Kindes;
- Immobilisierung durch ständiges Festeinwickeln des ganzen Körpers;
- Verweigern der Brust bzw. verfrühtes Entwöhnen;
- Beschneiden oder Ausschneiden von kindlichen Körperteilen, meist der Genitalien
- Erzwungene Reinlichkeitserziehung, bevor das Kleinkind seine Ausscheidungsfunktionen effektiv kontrollieren kann;
- Durch Drohungen oder körperliche Züchtigungen durchgesetzte Forderung, ruhig, gehorsam und nicht neugierig zu sein.

Andere kulturelle Gebräuche, die darauf abzielen, die kindliche und jugendliche Sexualität zu kontrollieren oder zu zerstören, sind das weibliche Jungfräulichkeitsgebot sowie die mittels Strafen und Erzeugung von Schuldgefühlen erzwungenen arrangierten Ehen.

Die Erwartung, Schmerzen auszuhalten, Gefühle zu unterdrücken und älteren Autoritäts-figuren unkritischen Gehorsam in allen Lebensfragen entgegenzubringen, zählt zu den zentralen Aspekten derartig repressiver sozialer Strukturen.

REICH zufolge verankert sich durch peinigende und lustfeindliche Rituale und repressive Moralanforderungen in den Heranwachsenden ein chronischer muskulärer Panzer.

Es kommt zu Blockaden der vollen Atmung, emotionaler Ausdrucksfähigkeit und vollständiger sexueller Entspannung während des Orgasmus. Der aufgestaute innere Druck treibt den Organismus zu verzerrtem, selbstzerstörerischem und sadistischem Verhalten.

MALINOWSKI ( 1927, 1932) berichtete über die sexualfreundliche Kultur der Trobriand-Insulaner. Weitere Beschreibungen liebevoller Naturvölker finden sich bei anderen Ethnologen, z.B. bei ELWIN (1947, 1968) über die Indischen Muria, bei HALLET &RELLE (1973), bei TURNBULL (1961) und bei LIEDLOFF (1980) über Amazonas-Indios und die positive Kindererziehung auf Bali, Indonesien.

PRESCOTT (1975) hat eine großangelegte kulturvergleichende Studie über sanftmütige und positive Kulturen einerseits und grausame Kulturen andererseits vorgelegt, um seine These der Somatosensory Affectional Deprivation (SAD-These) zu belegen.

Ethnographische Kulturvergleiche haben ergeben, dass Gesellschaften, in denen Säuglinge, Kinder und Jugendliche eine Menge Schmerz und Traumata erleiden und deren emotionelle Ausdrucksfähigkeit sowie das sexuelle Verlangen der Heranwachsenden zerstört werden, ausnahmslos neurotische, (selbst-) zerstörerische und gewalttätige Verhaltensweisen zeigen.

Weiterhin haben weltweite historische Studien kriegerischer, autoritärer und despotischer Staaten die Zusammenhänge zwischen Kindheitstrauma, Sexualunterdrückung, Männerherrs-chaft und Gewaltbereitschaft bestätigt.

Aus ähnlichen historischen Studien hat TAYLOR (1953) eine schematische Gegenüber-stellung von matriarchalischen und patriarchalischen Kulturen entwickelt. DeMEO ergänzt TAYLORs Schema um sexualökonomische Aspekte und wählt die Bezeichnungen „matristische“ und „patristische“ Kulturen.

Eine idealtypisch überspitzte Gegenüberstellung von Verhaltensweisen, Einstellungen und sozialen Institutionen zeigt signifikante Unterschiede.

In patristischen Kulturen erfahren Säuglinge, Kinder und Jugendliche während ihrer Sozialisation von ihren Eltern und Sozialisationsagenten wenig Behutsamkeit und Nachsicht sowie wenig körperliche Zuwendung. Es finden sich regelmäßig traumatisierte Säuglinge und Kleinkinder, schmerzhafte Initiationsriten und die Kinder und Jugendlichen werden von der Familie dominiert. Immer findet sich eine öffentliche und private Geschlechtertrennung.

Im Gegensatz dazu erfahren Säuglinge, Kinder und Jugendlichen in matristischen Kulturen viel Behutsamkeit und Nachsicht, viel körperliche Zuwendung und es gibt keine Traumatisierung von Säuglingen und Kleinkindern. Schmerzhafte Initiationsriten sind unbekannt. Die Kinder und Jugendlichen werden keineswegs von der Familie dominiert, sondern es finden sich Kinder- und Jugend-Demokratien. Weder privat noch öffentlich werden die Geschlechter getrennt.

Was die Sexualität in patristischen Kulturen anbelangt, so finden sich viele Einschränkungen und ganz allgemein ist Sexualität mit Angst besetzt. Typischerweise gehören genitale Beschneidungen oder genitale Verstümmelungen, z.B. Vorhaut-Beschneidung bei Knaben, Klitoris- und Schamlippen-Entfernung oder Infibulation bei Mädchen, zur Regel. Es existiert ein extremes Jungfräulichkeits-Tabu. Liebesbeziehungen zwischen Jugendlichen sind streng verboten, vorehelicher oder außerehelicher Geschlechtsverkehr ist tabu und auch innerhalb der Ehe unterliegt der Geschlechtsverkehr strengen Reglementierungen durch Tabus.

In den matristischen Kulturen hingegen wird Sexualität begrüßt und mit Lust empfunden. Genitale Verstümmelungen sind unbekannt. Ein Tabu der Jungfräulichkeit gibt es nicht. Liebesbeziehungen zwischen Jugendlichen werden gutgeheißen und der Geschlechtsverkehr wird bejaht.

In patristischen Kulturen besteht oft eine starke Neigung zum Inzest sowie ein entsprech-endes strenges Inzest-Tabu. Prostitution und Konkubinat sind weit verbreitet.

Im Gegensatz fanden die Anthropologen in matristischen Kulturen keine Inzestneigungen und das Fehlen eines entsprechenden ausdrücklichen Tabus. Konkubinat und Prostitution als soziale Institutionen gibt es nicht.

Im Patrismus wird die Freiheit der Frau eingeschränkt, ihr Status kann zu Recht durch Minderwertigkeit charakterisiert werden. Frauen haben keine freie Wahl des Ehepartners, keine Scheidungsmöglichkeit und die Fruchtbarkeit wird von Männern kontrolliert. Die Fortpflanzungsfunktion wird gering geachtet und es existieren vaginale Blut-Tabus, das heißt Tabus auf hymenale, menstruelle und geburtliche Blutungen.

Freiheit, Gleichberechtigung und Verehrung der Fortpflanzungsfunktion kennzeichnen den Status der Frau in matristischen Gesellschaften. Freie Wahl des Ehepartners, Scheidung auf Wunsch der Frau und Kontrolle der Frauen über die Fruchtbarkeit sind Merkmale der matristischen Kulturen.

Was die Sozialstruktur anbelangt, so sind patristische Gesellschaften typischerweise autoritär, hierarchisch und despotisch. Die Abstammungslinien sind patrilinear, der eheliche Wohnsitz ist patrilokal. Es herrscht lebenslange Zwangsmonogamie oder Polygamie. Es herrscht politischer und ökonomischer Zentralismus. Militarismus wird betont. Entsprechende Institutionen sind gewalttätig und sadistisch.

Matristische Kulturen sind demokratisch und egalitär strukturiert. Abstammungslinien sind matrilinear, also mutterrechtlich strukturiert. Der eheliche Wohnsitz ist matrilokal. Zwangsmonogamie ist unbekannt, es gibt nur selten Polygamie. Arbeitsdemokratische Strukturen und das Fehlen eines hauptberuflichen Militärs sind Kennzeichen der gewaltlosen matristischen Kulturen, in denen Sadismus fehlt

Matristische Kulturen wandelten sich zum Patrismus durch wiederholte schwere Trockenheit mit Wüstenbildung, die für die Subsistenzgesellschaften, (d.h. die Naturvölker) Hungersnöte, Unterernährung, soziale Zerrüttung und Massenwanderungen zur Folge hatten.

Augenzeugenberichte über die sozialen und kulturellen Folgen während einer Hungersnot zeigen einen Zusammenbruch der familiären und sozialen Bindungen.

TURNBULL (1972) z.B. hat eine erschütternde Dokumentation über die Folgen einer Hungerkatastrophe aus jüngster Zeit bei dem Volk der Ik in Ostafrika vorgelegt.

Unter extremen Hungerbedingungen verlassen die Männer auf der Suche nach Nahrung ihre Familien, ihre Dörfer, ihre Frauen und Kinder und kehren nicht mehr zurück.

Verhungernde ältere Familienmitglieder oder Kinder werden sich selbst überlassen, um allein ums Überleben zu kämpfen oder zu sterben.

Kinder und Jugendliche schließen sich zu umherziehenden Banden zusammen, um Nahrung zu stehlen. Die bisherigen Sozialstrukturen brechen vollständig zusammen.

Das Band zwischen Mutter und Kleinkind hält am längsten. Doch schließlich verlassen auch die verhungernden Mütter ihre Babys.

Klinische Untersuchungen der Folgen von hochgradigem Hunger und Eiweißmangel bei Säuglingen und Kleinkindern zeigen eine Traumatisierung höchsten Grades.

Ein an Marasmus oder Kwashiorkor leidendes Kind zeigt Symptome der Kontaktlosigkeit, Stillstand des Körperwachstums und Stillstand des Wachstums des Gehirns.

Eine systematische globale Analyse anhand von 1.170 Naturvölkern bestätigte die Wüsten

Patrismus-Beziehung.

Hungernde Völker flohen aus den Dürre-Regionen in benachbarte und später in entferntere Gegenden und errichteten dort despotische patristische Systeme.

MURDOCKs „Ethnographischer Atlas“ (1967) beruht auf Daten von 1.170 Naturvölkern, über die in den Jahren zwischen 1750 und 1960 aus zuverlässigen Quellen berichtet wurde. Das Werk MURDOCKs findet zur Überprüfung kulturvergleichender Hypothesen allgemein Anerkennung.

DeMEO beurteilte mittels Computer jede der 1.170 Eingeborenenkulturen mittels 15 spezifischer Variablen, die sich an das Matrismus-Patrismus-Schema anlehnen.

Ethnien mit einem hohen Prozentsatz an patristischen Merkmalen erhielten eine hohe Punktzahl, und umgekehrt.

DeMEO ermittelte die geographischen Koordinaten einer jeden Kultur und trug sie mit ihrem Patrismus-Wert in eine Weltkarte ein.

Die lebensfeindlichsten Wüsten-Verhältnisse weisen Übereinstimungen mit dem Verbrei-tungsraum der extremsten patristischen Kulturen auf.

DeMEO hat diesem Wüstengürtel der Erde den Namen SAHARASIA gegeben. Die Kulturen Nord-Afrikas, Vorderasiens und Zentralasiens waren eindeutig patristischer als die Völker Ozeaniens, Amerikas und der nördlichen Regionen der Erde, jener Gebiete, die am entferntesten von SAHARASIA liegen.

Wie DeMEOs Forschungen anhand der Auswertung von mehr als 10.000 archäologischen und

paläoklimatischen Daten aus über 100 wissenschaftlich verlässlichen Quellen ergaben, war

dergroße Wüstengürtel des heutigen SAHARASIA vor 4.000 bis 3.000 v. Chr. eine teilweise

bewaldeteGrassavanne.

In der heutigen Wüstenregion lebten damals kleine und große Tiere wie Elefanten, Giraffen, Nashörner und Gazellen. Nilpferde, Krokodile, Fische, Schnecken usw. gediehen in den Flüssen und Seen. Es gab dort einst tiefe Seen und durch die Canyons und Wadis flossen beständig Wasserläufe.

Die damals in den fruchtbaren und üppigen Zeiten lebenden Völker waren von friedlichem, ungepanzertem und matristischem Charakter. DeMEO zieht diese Schlussfolgerungen aus der Sichtung archäologischer Funde.

Archäologische Funde aus der Zeit vor 4.000 v.Chr. zeigen unter anderem die sorgfältige Bestattung unabhängig vom Geschlecht der Toten mit relativ gleichwertigen Grabbeigaben, realistische weibliche Statuetten und künstlerische Felsmalereien. Felsmalereien und Töpferkunst stellen Frauen, Kinder, Musik, Tanz, Tiere und Jagd dar.

In späteren Jahrhunderten durchliefen einige dieser friedlichen matristischen Kulturen eine Entwicklung zu bedeutenden Agrar- und Handelsstaaten z.B. auf Kreta, im Industal und in Teilen Zentralasiens.

3. Negative Erziehung im Abendland

In der patriarchalischen Gesellschaft der antiken Griechen entwickelte sich ein Frauenhass.

HESIOD schrieb im 8. Jh. V. Chr., es sei klüger, „...die Frau zu kaufen, als sie zu heiraten. Dann kann man sie, falls notwendig, zur Arbeit mit dem Pflug aus Feld schicken.“

HOMER meinte: „Nichts ist scheußlicher doch, nichts unverschämter auf Erden als das Weib.“

HIPPOKRATES konstatierte: „Die Frau bedarf eines Zuchtmeisters, denn sie hat von Natur das Zügellose an sich.“

PLATO drohte allen Männern, die sich von ihren Leidenschaften hinreißen lassen, statt sie mit ihrem Verstand zu beherrschen, sie würden bei ihrer nächsten Wieder- Geburt zur Strafe als Frau zur Welt kommen.

Auch in der bildenden Kunst wird die zunehmende Geringschätzung der Frau erkennbar.

Bis um 500 v. Chr. wurden Mann und Frau beim Geschlechtsverkehr mit einander zugewandten Gesichtern dargestellt.

Ab 500 v.Chr. wird die nur von hinten penetrierte Frau in eher unterwürfiger Stellung dargestellt.

Der Mann der Griechischen Antike scheint unfähig gewesen zu sein, eine Frau sexuell zu lieben.

Angst und der Hass des patriarchalischen Eroberers auf die einstmals Vergötterte machten ihm die Frau widerwärtig.

Freiwillig vergnügte sich der Mann lieber mit Sklavinnen, die zwar als vollwertige Sexualobjekte, nicht jedoch als vollwertige Menschen galten.

Daher war der Geschlechtsverkehr mit einer Sklavin auch kein Ehebruch.

Einer Ehefrau allerdings, die sich mit einem Sklaven sexuell vergnügte, drohte die Todesstrafe (Vgl. BORNEMANN, Das Patriarchat 1975, S.220).

Eros war mehr als nur Gott der Liebe.

Er symbolisierte vor allem die Knabenliebe.

Auch AESCHYLOS und SOPHOKLES praktizierten die Päderastie.

Ohne den pädagogischen Aspekt galt die Päderastie „schändliche Prostitution und widernatürliche Unzucht.“ (PLATON)

Das Verlangen durfte daher nur einseitig sein und vom Mentor ausgehen. Der Jüngling hatte eine deutlich passive Rolle zu übernehmen.

Wachsende Körperbehaarung wie Brust- und Gesichtsbehaarung signalisierten den Beginn des Erwachsenenalters dies bedeutete das Ende der päderastischen Phase.

Homosexualität unter Männern war verachtet.

Jungen im günstigen Alter waren zahlenmäßig zur Masse der männlichen Athener rar.

Wesentlicher Bestandteil der Knabenliebe war die Funktion der Erziehung.

Der Mentor sollte dem Heranwachsenden Verhaltensweisen und Wertmaßstäbe auf den Weg geben.

Er sollte zu einem „schönen und guten“ Mann erzogen werden. Schön und gut waren Leitbegriffe männlicher Tugend.

Die erzieherische Komponente wird auch durch die Art der Geschenke deutlich:

Sportgeräte,

Musikinstrumente,

Den Geist fördernde Geräte (z.B. Schreibtafel),

Jagd- und Kampfwaffen.

Offiziell durfte jeder Athener sein päderastisches Verhältnis haben.

Da jedoch viel Zeit und Geld investiert werden musste, war es den Reichen vorbehalten.

Der finanzielle Aufwand war notwendig um Konkurrenten fern zu halten.

Ein Knabe als Liebhaber galt daher als Statussymbol.

Die erotischen Beziehungen zwischen Frauen werden auch heute noch „lesbische Liebe“ genannt.

Der Begriff hat seinen Ursprung auf der Insel Lesbos, wo diese Beziehung zwischen Frauen damals besonders entwickelt waren.

Die Insel Lesbos ist die Heimat der Dichterin SAPPHO , die solche Neigungen in ihren Gedichten besang.

Da SAPPHO in Gesellschaft junger Mädchen lebte, glaubten viele ihrer Zeitgenossen,dass sie die Urheberin der weiblichen Homosexualität sei.

SAPPHO war die erste Dichterin, die es wagte, dem Beispiel der Männer in der Päderastie zu folgen und die sapphische Liebe als Mittel der Bildung zur Tugend der schönen jungen Mädchen von Lesbos zu preisen.

Das Antike Griechenland brachte bedeutende Philosophen hervor:

PYTHAGORAS, SOKRATES, HIPPOKRATES, DEMIKRIT, EPIKUR, DIOGENES u.a., die das neuzeitliche Weltbild vorbereiteten.

Hellas gilt als die Wiege der Demokratie, der Olympiade und der europäischen Kultur.

Die hellenische Kultur brachte einen Aufschwung an Wissenschaft, der durch 1.500 Jahre Mittelalter verschüttet wurde, und erst mit dem Zeitalter der Aufklärung wieder aufgegriffen wurde.

Das Römische Reich basierte auf der Gewaltherrschaft eines hierarchischen, patriarcha-lischen und imperialistischen Gesellschaftssystems.

Der Begriff „Faschismus“ geht ursprünglich zurück auf die „fasces“, ein Rutenbündel, das die antiken Liktoren als Symbol der Macht des Römischen Reiches dem römischen Imperator, Konsul oder Statthalter vorantrugen.

Außerhalb Roms wurde als Drohgebärde zur Abschreckung in die fasces, in das Rutenbündel, ein Beil eingewickelt.

Ein solches Rutenbündel mit Beil wurde deshalb auch als Liktorenbündel bezeichnet.

Die Liktoren und später die Prätorianer waren die Leibgarde des Herrschers und trugen als Symbol der Macht über Leben und Tod des römischen Bürgers ander linken Seite die fasces.

Die römische Sexualmoral unterscheidet sich hinsichtlich ihrer patriarchalischen Ausrichtung und Unterordnung der weiblichen Interessen nicht wesentlich von der griechischen, da sie ja von dieser abstammt.

Die Frauenverachtung vieler römischer Dichter, Philosophen und Staatsmänner stand den griechischen in nichts nach.

PROPERZ schrieb: „Meinen Feinden wünsche ich, dass sie die Frauen, und meinen Freunden, ass sie die Knaben lieben.“

HORAZ erklärte: „Wenn nicht zu bezwingen der Trieb der Natur entflammt, ist die nächste Nackte mir recht, die beim Scheine der Lampe den Geilen befriedigt, wackelt sie nur mit dem Steiß und reitet hurtig auf mir.“

Notfalls musste das Objekt der Begierde, vielleicht eine Dienerin oder Sklavin, zur hurtigen Mannesbefriedigung ein wenig gezwungen werden.

OVID schrieb u.a. in seiner berühmten Ars Amatoria: „ Nenn es Gewalt, wenn Du willst, denn Gewalt freut grade die Mädchen. Was sie ergötzt, dazu wollen gezwungen sie sein.“

Bis kurz vor Christi Geburt war jede Vergewaltigung eigener Sklavinnen und Sklaven straffrei, da ein Sklave damals nicht als Mensch, sondern als Besitz-Gegenstand galt, der rund 500 Euro kostete. Handelte es sich bei dem Opfer einer Vergewaltigung jedoch um die Sklavin eines anderen Eigentümers,konnte der Täter wegen Sachbeschädigung vor Gericht gebracht werden.

Die Sklaven und Sklavinnen waren meist Kriegsgefangene besiegter Völker. Eine jugendliche Sklavin von besonderer Schönheit war umgerechnet auf gegenwärtige Verhältnisse bis zu maximal 3.500 Euro wert. Nicht so hübsche, ältere oder noch jüngere Sklavinnen hatten einen geringeren Kaufpreis.

Eine freie Bürger-Ehefrau allerdings, die sich mit einem Sklaven einließ, riskierte ihr eigenes und das Leben ihres Liebhabers. Ihr Ehemann durfte beide töten, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Um die Zeugung unerwünschter Kinder zu verhindern, ließen vornehme Römer und Römerinnen ihre Sklaven kastrieren. Auch waren Sklavinnen aus Afrika beliebt, welche infibuliert waren, das heißt, denen die Klitoris und die inneren Schamlippen abgeschnitten und die äußeren Schamlippen zusammengenäht worden waren.

Bei Ernest BORNEMANN in seinem Werk über "Das Patriarchat "(1975) können wir ausführlich nachlesen, wie die auf Gewaltherrschaft basierende patriarchalische Römische Gesellschaft Grausamkeit und Sadismus schätze. In den Arenen metzelten die Gladiatoren einander oder wilde Tiere. Bekannt sind die Greueltaten der Römer während der Zeit der Christenverfolgungen.

Römer und Griechen erfüllten ihre ehelichen Pflichten, ansonsten aber lebten sie ihre Sexualität genüsslich und variantenreich aus.

Anders war die Sexualmoral der Germanen durch strenge Zucht und Ordnung geprägt. TACITUS berichtet staunend über die Germanen: „Die Frauen leben in Zucht und Keuschheit...Eine Frau, die ihre Keuschheit preisgegeben hat, findet kein Erbarmen...Denn in Germanien lacht niemand über Laster.“ Ehebrecherinnen und Homosexuelle wurden systematisch verfolgt und von Priestern durch Hängen oder Ertränken im Moor getötet.

Das jüdische Volk erklärte aus bevölkerungspolitischen Gründen jede nicht der Fortpflanzung dienende Sexualhandlung für heidnisch und sündhaft. Homosexualität galt in Abgrenzung zu anderen, liberaleren Stämmen als Sünde und als politisches Verbrechen. Die rigide Sexualmoral des Alten Testamentes sollte die Zahl des Stammes der Israeliten mehren und sie vor der verlockenden Assimilation durch ihre sexualfreundlicheren Nachbar-Stämme schützen.

Ein besonderer Schutz galt dem Hoden als Quelle des Bevölkerungswachstums. Juden und Römer schworen bei ihrem Hoden. Israel als patriarchalischer Stamm schätze die Frau als minder und unrein. In ihren Gebeten dankten die israelitischen Männer Gott, nicht als Weib geschaffen worden zu sein.

Immerhin praktizierten die Israeliten nur die Vorhaut-Beschneidung der Männer und lehnten die in Ägypten übliche pharaoische Klitoris-Beschneidung bei israelitischen Frauen ab.

Erst vor dem Hintergrund jüdischer Sexualfeindlichkeit und allgemein verbreiteter Frauenverachtung wird die politisch fortschrittliche und sexuell revolutionäre Haltung Jesus Christi deutlich. In keiner anderen Weltreligion hat eine Sexualsünderin , Maria Magdalena, einen so bedeutenden Platz erhalten wie im Urchristentum.

Bekannt sind die überlieferten Worte Jesus angesichts einer Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte; „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

Statt die übliche Enthaltsamkeit zu predigen, verzieh Jesus der Ehebrecherin, erlaubte einer menstruierenden Frau, ihn zu berühren, und drohte den Pharisäern: „Wahrlich, ich sage euch: Zöllner und Dirnen kommen noch vor euch Himmelreich.“

Jesus Christus verachtete weltliche Autoritäten und den patriarchalischen Männerwahn. Für Christus war die Würde des Menschen unteilbar zwischen Herrn und Sklaven, zwischen Rechtschaffenem und Sünder und besonders auch zwischen Frau und Mann.

Während das Urchristentum die Würde von Mann und Frau betonte, wurde die Frau und die Sexualität von den Nachfolgern Christi im Verlaufe des Mittelalters in eine untergeordnete Position und ins Sündhafte gedrängt.

Der Apostel PAULUS, selbst voller sexueller Komplexe, predigte: „Es ist dem Menschen gut, dass er kein Weib berühre.“ und „Das Weib schweige in der Gemeinde.“

AUGUSTINUS schreibt in seinen „Bekenntnissen“, dass er sich in seinen Phantasien und Tagträumen oft von Myriaden nackter Frauen verführerisch umtanzt sah.

Er erkannte die Notwendigkeit der Prostitution, wenn er schreibt: „ Nimm die Dirnen aus dem menschlichen Leben, du wirst der Begierden wegen alles durcheinander bringen.“

HIERONYMUS knüpft an die Frauenverachtung seiner Vorgänger an: „ Die Frau ist die Pforte des Teufels, der Weg der Bosheit, der Stachel des Skorpions, mit einem Wort, ein gefährlich Ding.“

Das Gebot sexueller Enthaltsamkeit trieb viele Gläubige in den Wahnsinn. Als die Hl. LUCIA ein männliches Geschlecht erblicken musste, riss sie sich die Augen aus. Der Kirchenlehrer ORIGINES kastrierte sich selbst. Selbstkastrationen im Glaubenswahn kamen so häufig vor, dass das 1. Konzil von Nicäa im Jahre 325 einen Beschluss gegen die Kastrationsmode erließ

Die Erniedrigung, Verachtung und Bekämpfung der Sexualität ging von Zölibatären aus, die einen harten Kampf der Unterdrückung ihrer eigenen Lustimpulse führten. Sexual-feindlichkeit korrespondiert mit Geistfeindlichkeit: Christen verbrannten auf einem ihrer Kreuzzüge im Jahre 390 nach Chr. die Serapaion- Bibliothek in Alexandria, im heutigen Tunesien.

Das Zölibat, die Ehelosigkeit der Priester, wurde 1074 gegen den Widerstand des niederen Klerus eingeführt, konnte allerdings nie durchgesetzt werden. Bischof HEINRICH von LÜTTICH zeugte im 13. Jahrhundert 61 Kinder.

Auch die Prostitution blieb unausrottbar. Die christlichen Kreuzzüge wurden von mehr als 13.000 Prostituierten begleitet. Bei großen Festessen wurden Dirnen zum Nachtisch gereicht.

Vergewaltigungen und Kindesmissbrauch waren häufig. In Land und Stadt gab es ständig sexuelle Gewaltanwendungen. Die meisten Vergewaltigungen waren Gruppentaten, meist von unverheirateten jungen Burschen.

Während in Mitteleuropa die Frau noch als ein lüsternes Stück Natur angesehen wurde, änderte sich ab dem 12. Jahrhundert das Bild der Frau. Das neue Frauenbild entstand über die in Byzanz als „unbefleckte“, keusche, asexuelle Jungfrau Maria verehrte Mutter-Gottes-Ikone

Kehrseite des Bildes von der jungfräulichen Maria war das Bild der Hexe. Der Hexenwahn war in ganz Europa bei Katholiken, aber auch bei Protestanten verbreitet. Selbst LUTHER glaubte, dass Hexen Gewitter machen, Krankheiten erzeugen und Schadenszauber bewirken können

Die Hexenverfolgung fand zu einer Zeit statt, in der die Sexualität der Frau als unersättlich aufgefasst wurde und hörte auf, als sich die Vorstellung von der Frau als passivem, asexuellem Wesen durchsetze (Vgl. SCHMIDT 1988, S. 138). Die moralische Krise der spätmittelalterlichen Gesellschaft suchte einen Sündenbock. Da es eine innerkirchliche Krise war, wurden neben den Juden die Sekten und die Hexen verfolgt. Zauberer und Hexen wurden dämonisiert und mit dem immer noch existierenden Heidentum in Verbindung gebracht.

Das Wissen der weisen Frauen über Abtreibungs- und Verhütungsmittel, über traditionelle Naturheilmittel und Aphrodisiaka gefährdete nicht nur die Vormachtstellung der Kirchenmänner, den Griff der Männer nach Kontrolle über die Medizin sondern auch bevölkerungspolitische Ziele.

Das Zölibat förderte ebenfalls die Hexenverfolgung, da den zur Askese verdammten Klerikern die unterdrückte eigene Lust projektiv als magische Verführungskünste des lüsternen Weibes oder sogar des Teufels in Gestalt einer attraktiven Frau erschien.

Die Hexenanklage war für die Kirche ein gutes Geschäft, da das Vermögen der gefolterten und schließlich verbrannten Frau an die Kirche fiel.

Zwei von sexuellem Wahnsinn und von Frauenhass besessene Dominikanermönche verfassten ein Standardwerk der Hexenverfolgung, den „Hexenhammer“ (1489). Da gerade der Buchdruck von GUTENBERG erfunden worden war, erfuhr der Hexenhammer als eines der ersten gedruckten Bücher eine massenhafte Verbreitung und richtete unermessliche Qualen und Leiden an. Die Quintessenz dieses Machwerks: Die Macht des Teufels liege im Geschlecht des Menschen, besonders im weiblichen.

Man schätzt, dass zwischen 500.000 und 4 Millionen Frauen in Europa diesem Wahnsinn zum Opfer fielen. Der Hexenterror stärkte die Macht der Kirche. 1782 fand der letzte Hexenprozess in der Schweiz statt ( HAEBERLE 1985, S. 390 ). Und noch im Jahre 1832 wurde bei Danzig eine angebliche Hexe einem „Gottesurteil“ unterworfen: Hände und Füße der Frau wurden zusammengebunden. Dann wurde sie ins Wasser geworfen. Ging sie unter und ertrank, so war das die gerechte Strafe Gottes für Hexerei. Schwamm sie auf der Wasseroberfläche, so galt dies als Beweis übernatürlicher Kräfte. Die Todesstrafe war ihr gewiss ( KENTLER 1984, S. 49).

Sexuelle Aufklärung im heutigen Sinn war noch vor gut 300 Jahren gänzlich unbekannt. Im Altertum und Mittelalter betrachtete man Sexualität als festen Bestandteil des Lebens und nicht als einen besonderen, problematischen Komplex, der besondere Aufmerksamkeit verdient hätte. Sexuelles Wissen wurde ganz selbstverständlich wie jedes andere Wissen erworben. Kinder lebten nicht in einer eigenen, geschützten Welt, sondern nahmen an fast allen Arbeits- und Freizeitaktivitäten der Erwachsenen teil (Vgl. HAEBERLE 1985 ; vgl. USSEL 1970) und wurden sehr häufig selbst schon in früher Kindheit Opfer sexuellen Missbrauchs.

Da die Mehrheit der Bevölkerung vor dem Zeitalter der Industrialisierung auf dem Lande lebte, hatten die Kinder genügend Gelegenheit, Tieren bei der Paarung zuzusehen. Auch war es keineswegs ungewöhnlich, dass Mensch und Tier unter einem Dach lebten. Weder in Ober- noch in Unterschichten gab es eine ausgesprochene Privatsphäre, und es herrschte wenig Schamhaftigkeit und Verlegenheit in Bezug auf die natürlichen Körperfunktionen. Familien badeten und schliefen gewöhnlich unbekleidet gemeinsam. Brautwerbung und Schwangerschaft wurden offen diskutiert, Geburten fanden zu Hause statt. Sexuelle Dinge blieben für niemanden ein Geheimnis, und man hielt Jungen und Mädchen mit Beginn der Pubertät für heiratsfähig.

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Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Auf dem Weg zur Positiven Erziehung
Untertitel
Negative und positive Erziehung in Vergangenheit und Gegenwart
Autor
Jahr
2010
Seiten
71
Katalognummer
V161729
ISBN (eBook)
9783640769599
ISBN (Buch)
9783640769896
Dateigröße
802 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Positive Erziehung, Positives Denken, Positive Paedagogik, Negative und positive Erziehung, Alternative Formen der Erziehung, Unterstuetzende Erziehung, Sanfte Erziehung, Gewaltlose Erziehung, Geschichte der Erziehung, Erziehungsutopie
Arbeit zitieren
Professor Dr. phil. Karl-Heinz Ignatz Kerscher (Autor:in), 2010, Auf dem Weg zur Positiven Erziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161729

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