Richard Buckminster Fuller und das Dymaxion


Hausarbeit, 2002

30 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Der Navigator - Die Welt aus der Sicht des R. B. Fuller

2. Vierdimensionale Welten

3. Dymaxion
3.1. Dymaxion House - Sinnbild zukunftorientierten Wohnens
3.2. Dymaxion Car - Drei Räder sorgen für Furore
3.3. Dymaxion Bathroom - Vom Badezimmer zur nahtlosen Einheit
3.4. Dymaxion Deployment Unit - Silo wird Notbehausung
3.5. Dymaxion Dwelling Machine - Schöner Wohnen
3.6. Dymaxion Worldmap - Die Welt, wie jeder sie will

4. Der weitere Weg

Quellenverzeichnis, Internetressourcen

1. Der Navigator - Die Welt aus der Sicht des R. B. Fuller

Blickt man auf das Leben Richard Buckminster Fuller zurück, wird man keine Persönlichkeit mit klaren Linien und eindeutiger Gestalt zu Gesicht bekommen, wie man es von gewöhnlichen Biographien gewohnt ist. Vielmehr sind es immer nur Facetten eines Poeten, Kosmologen, Architek- ten, Designers, Ingenieurs, Philosophen, Mathematikers oder Revolutionärs - um hier nur einige zu nennen. Macht ihn sein ständiges Übergreifen seiner Aktivitäten, das fortwährende Nichtbeharren auf einer Disziplin zu einem Universalisten? Wenn ja, dann zählt er zu den letzten dieser Art im vorigen Jahrhundert.

Fuller, geboren 1895 in Milton (Massachusetts), gilt er als der Entwerfer von riesigen Kuppelbauten, die in seiner Vorstellung irgendwann auch halb Manhattan überspannen sollten, der Designer von aerodynamischen Autos, der Theoretiker einer neuen Geometrie und nicht zuletzt als jemand, der interaktive Simulationen vorschlug, damit die Menschheit als Besatzung auf dem „Raumschiff Erde“1 vernünftig damit umzugehen lernt. Sein Drang, Dinge anders zu sehen, brachte ihm Ende der 60er Jahre sogar Misstrauen seitens der paranoiden amerikanischen Regierung ein - diese verdächtigte Fuller der Aufwiegelung seiner Studenten und ließ seine Büros vom CIA durchsuchen.2

Nichts lag Buckminster Fuller ferner, als sich mit der vorgefundenen Welt zu begnügen. Ein generalistischer Weltblick war für ihn immer Grundvor- aussetzung seines Handelns - man müsse einen angemessenen Standpunkt außerhalb der Erde suchen, um wirklichkeitsgetreue Aussagen machen zu können. Den blauen Planeten aus einem gewissen Abstand zu betrachten, lange bevor erste Raumsonden der NASA dies taten, bedeutete für Fuller, die Welt als Ganzes, als ein in sich verzahntes Gebilde zu sehen, dessen auch noch so kleinstes Teil Einfluss auf das Gesamte hat.

Er sprach von einer bewohnten „Eine-Welt-Insel im Eine-Welt-Ozean“3 - kein Wunder, dass Fuller, wenn er mit gewissem Abstand auf das politische Treiben der bevölkerten Landmassen blickte, es als törichtes Gewimmel von Hofschranzen wahrnahm, von Wichtigtuern, die den Durchblick vortäuschen, aber Nichtsehende sind.4 Wie klein und banal scheinen da doch die Problemchen des Einzelnen.

Auf der Suche nach der Beschaffenheit der Materie scheint es für ihn fragsam, ob die Natur die getrennten Fächer Mathematik, Geometrie, Physik und Chemie kenne und nicht nur eines, nämlich das Fach „wie die Natur baut“. Wäre es nicht an der Zeit, dass der Mensch sein Schubladen- Denken ablegt? Schlimmer noch, die durch die Menschheit geschaffene Ordnung und separate Behandlung aller Welt-Dinge ist für Fuller schlicht- weg inakzeptabel.

So kam die Idee eines weltumspannenden Gesamtkonzeptes zustande, das er wie folgt auslegt:

Die Erde als Kugel ist Baugrund, für den es kein Oben und Unten gibt - nur das Innen der Erde und das Außen des Weltraumes. Fast schon philoso- phisch wird sich mit dem Thema der Inbesitznahme von Land auseinander- gesetzt. Entgegen jedem Althergebrachten heißt Land zu besitzen, frei von Anspruch auf Eigentum an Grund und Boden zu sein und auf Zeit an einem Ort zu wohnen - das Land zu benutzen, sei es als Nahrungsgrundlage oder Standort für ein Haus. Das „Zur Verfügung Stellen“ von Land ist genauso selbstverständlich wie die Freiheit eines jeden, das Meer mit dem Schiff zu befahren. „Kein Mensch denkt beim ewigbewegten Meer daran, die Was- sermassen unter dem Kiel besitzen zu wollen.“5

Fuller hatte ein klares Bild vor Augen, was die Stellung des Menschen im industriellen Zeitalter betrifft. Dieser ist mobil, hat die Sesshaftigkeit abgelegt, in sein temporär bewohntes Haus zieht später der nächste ein oder er nimmt sein Haus einfach bei jedem Umzug mit. Die Erde ist umnetzt von Transportmöglichkeiten. In seinen Reden spricht Buckminster Fuller von solchen Dingen, als gehörten sie längst zur Normalität. In der Welt der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts galten solche Visionen natürlich noch als bloße Utopie und er wurde oft belächelt - gleichzeitig aber seine geistige Freiheit bewundert.

Doch was waren die wirklichen Leistungen dieses Mannes? Die Behaup- tung, Fuller hätte der Menschheit eine geniale Erfindung nach der anderen vermacht, ist so nicht ganz richtig. Hier gilt es einem Missverständnis zu begegnen, denn die Arbeit Fullers bestand nicht darin, Erfindungen oder Entdeckungen zu machen, vielmehr beschäftigte ihn die innovative und optimierte Anwendung der von ihm gefundenen, oder teilweise wieder gefundenen Prinzipien. Was nützt es schließlich, den rein theoretischen Gegenstand einer Erfindung wie zum Beispiel das bereits dreißig Jahre vorher vom Ingenieur Walter Bauersfeld entwickelte geodätische Kugel- prinzip zu kennen, ohne eine sinnvolle Anwendung dafür zu haben? Dieser bildete ein filigranes Netzwerk aus Dreiecken, das grob eine Kugelform beschreibt. Will man zu einer Umsetzung kommen, spielen Fragen der Produktion, der raschen und einfachen Montage eine tragende Rolle.

Resultierend aus diesem Systemdenken Fullers entstanden letztendlich seine wichtigsten Fortschritte. Nicht eine einzelne Erfindung im Hier und Jetzt ist entscheidend, sondern der Kontext, in der sie zur Geltung kommt. Der Drang, verborgenes Wissen auf eigene Faust ans Tageslicht zu holen, gälte heutzutage als naiv. Etwas naiv war es wahrscheinlich schon zu damaligen Zeiten, denn heute ist Wissen unter den hochspezialisierten Wissenschaften aufgeteilt. Jede Spezialwissenschaft ist abgeschirmt gegen jeden Eindringling von außerhalb, sodass ein „zufälliges Element“ überhaupt keine Chance hätte.6

Erste Errungenschaften hatte Fuller vor allem auf dem Gebiet der Architek- tur, hier gelten seine Projekte zu den unabhängigsten Beiträgen. Er hat sich vom rechtwinklig strukturiertem Raum verabschiedet und geht neue Wege - das allgegenwärtige horizontal-vertikale Denken soll durch ein neues ersetzt werden. Obwohl er ein leidenschaftlicher Statistiker war, der die Aussagen einer Kurve sehr wohl zu deuten verstand, stellte er sich immer die Frage nach dem Sinn, der hinter den Zahlen steht - die Bedeutung im großen Zusammenhang - und behielt den Mensch mit seinen ästhetischen und sensorischen Eigenschaften im Blickfeld.

Buckminster Fuller hatte sich tatsächlich den radikalen Neuentwurf eines als bedrohlich und unzulänglich erkannten Weltbildes zu seiner Lebensauf- gabe gemacht. Sein frühes ökologisches Denken, das für den Rest der Welt noch untypisch war, verband er mit dem Glauben an die Macht der Tech- nologie und spezifische Utopien für ein gutes Leben aller Menschen in der Zukunft. Die Entwurfsenergie der Menschheit war seit je auf die Frage gerichtet, wie man das Gesuchte leichter, schneller und besser haben kann7, egal, ob es darum geht, Transportzeiten zu verkürzen, ein Gerät zu verfertigen oder eine Waffe zu schmieden. Buckminster Fuller nennt diesen Prozess Ephemisierung.

Grundvoraussetzung dafür ist allerdings die Überwindung der feudalisti- schen Strukturen, sowie die Emanzipation der Weltgesellschaft einander- hergehend mit der Beseitigung der enormen Entwicklungsunterschiede. Neben zivilisatorischen Aspekten übte Fuller demnach auch Kritik an der Politik aus, denn sie erreichte für ihn bisher nicht das, was sie eigentlich vermag, und zwar die Welt zum Funktionieren zu bringen. Somit verstand er sich gewissermaßen als eine Art Navigator, dem es unter Umständen gelingen sollte, verborgene Mechanismen in ein Ganzes zu bringen, deren Zusammenhänge zu erforschen und um so vielleicht ein kleines Stück des Weges zu markieren, den die Menschheit in Zukunft gehen soll.

2. Vierdimensionale Welten

Erste Überlegungen Fullers drehten sich besonders um den Bau von Häusern, deren archaische Bauweise, Erscheinungsbild und Verwendungs- zweck nach einer strukturellen Neuinterpretation verlangten. Er stellte sich vor allem die Frage, warum Architekten nicht nach denselben Grundprinzi- pien handeln, wie es zum Bespiel Schiffs-, Flug- oder Fahrzeug-Konstruk- teure tun. Diese besinnen sich bei ihrer Arbeit darauf, das jeweilige Entwurfsobjekt möglichst leicht, energiesparend, praktisch im Umgang, sowie kostengünstig zu machen. Alles wird möglichst genau kalkuliert und an allen Ecken und Enden optimiert. Warum werden Häuser nicht mit gleichen Anforderungen behaftet und fristen über Jahrhunderte hinweg ein kaum verändertes Dasein? Der Stoff, aus dem Buckminster Fullers Träume bestehen, sind billige vorgefertigte Bauteile aus einer Massenproduktion, hergestellt an einem Ort. Da sie für einen überregionalen bis interkontinentalen Transport vorgesehen sind, muss somit das Gesamtgewicht pro Volumen gesenkt werden, um die Transportkosten möglichst gering zu halten.8 Für Fuller stellte die bisherige Hausbauweise, die meist sehr lange dauert, weil die Materialbearbeitung vor Ort stattfindet, eine reine Verschwendung natürli- cher Ressourcen, von Arbeitskraft, und -zeit dar, die so in der Zukunft nicht mehr vertretbar sei.

Aus diesen Beweggründen heraus, begann er Ende der Zwanziger Jahre sein 4D-Konzept einer Architektur als Teil der vierdimensionalen Welt zu entwickeln. Aber nicht nur auf das Bauwesen sollte es angewendet werden, sondern universell. Mit dem denkwürdigen Namen 4D weist Buckminster Fuller auf die vier Strahlen hin, die ein expandierendes Volumen in seinem Koordinatensystem definieren, also die vier Flächenmittensenkrech- ten eines Tetraeders. Das kartesische Koordinatensystem nutzt hingegen 6 Strahlen, um einen Würfel zu definieren. Der expandierende Tetraeder ist laut Fuller somit um einiges ökonomischer.9

Bevor jedoch die 4D-Philosophie definiert wurde, nannte er das Programm für die neue Behausung der Menschen noch Lightful Houses, das für full of light, lightweight, de-lightful, light-Fuller usw. steht. Doch was nützen Prophe- zeiungen und Entwurfsphilosophien ohne die Rezipienten? Fullers Aufgabe war es von nun an, neben der Entwicklungstätigkeit, publikumswirksame Strategien aufzustellen - was liegt da näher als ein Buch. Bis 1929 vertrieb er 200 Exemplare eines Werkes über das 4D-Prinzip an Verwandte, Freunde und ausgewählte Exponenten des amerikanischen Geisteslebens; und erhielt das Copyright.

In seiner Denkschrift 4D/TimeLock (4D, Zeit-Schloss) entwirft er die Vision einer geeinten Welt: Die Kontinente bilden zusammen einen Archipel unter dem Luft-Ozean.10 Modernste Transport- und Telekommunikations- mittel erschließen ihn. Die Menschen wohnen in Leichtbautürmen, die von Luftschiffen an jeden Ort transportiert und abgesetzt werden können. Unter der Bezeichnung 4D versteht Fuller fortan ein Entwerfen, das stets zeitbasiert erfolgen muss. Jedes Produkt wird nach seiner Bestimmung und seinem Nutzen optimal angepasst und mit einem möglichst geringen Einsatz an Energie, Material und Zeit hergestellt. Logischerweise ist man so ge- zwungen, manches völlig neu zu überdenken und andere Wege zu gehen, weitab festgefahrener Strukturen. Natürlich ist Buckminster Fuller sich seinem Fortschrittsdrang bewusst, mit dem Wissen, dass dieser nicht bei jedem auf Gegenliebe stoßen wird. „Es wird natürlich Opposition von den Interessenten geben, für die sich Fortschritt auf Desaster reimt“11. Aber für Fuller waren seine Visionen nur entsprechende Schlussfolgerungen derzei- tiger Tendenzen: So würden beispielsweise bald schon der etablierte schienengebundene Transport durch den spur- und schienenlosen Individu- alverkehr, Draht- und Kabel-Kommunikation durch drahtlosen Funk oder Radiosysteme ersetzt. Dies sei anfangs natürlich mit enormem Aufwand und Querelen verbunden, denen entgegenzutreten wäre.

Um einen Einblick in Buckminster Fullers Schaffen zu geben, sollen an dieser Stelle besonders die Dymaxion -Projekte, der eigentliche Beginn seiner Karriere, beleuchtet werden, die nicht nur auf mentale Weise, sondern in einem industriellen Kontext das 4D-Denken greifbar umsetzten. Noch heute, genau wie vor 70 Jahren, lösen sie immer noch eine allgemei- ne Faszination aus: Wer zum Beispiel würde nicht einmal in einem Dymaxion House wohnen oder in einem Dymaxion Car unterwegs sein wollen? Die folgenden Seiten beschreiben die Entstehungsgeschichte Buckminster Fullers Innovationen, deren technische Neuerungen, aber auch die Probleme, die damit einhergingen:

Dymaxion House

oben: Erste Skizze eines 4D-Hauses während der Bauphase. Mit Hilfe eines an der Mastspitze angebrachten Kranes werden alle Elemente von oben nach unten abgehängt. Der Mast ist in den Boden „eingepflanzt“.

unten: Projektphase 1929, sichtbar ist die Abspannkonstruktion und der sechseckige Grundriss

rechts: Einer der späteren Modelle: das Haus ist nun ein Rundbau mit aerodynamischer Hülle und Windschild, Foto von F. S. Lincoln

[...]


1 Vgl. Krausse, Bahn (1973), nach Fuller

2 Siehe 1

3 Krausse, Lichtenstein (2001), nach Kooning, Diskurs

4 Krausse, Lichtenstein (2001), nach Fuller

5 Krausse, Lichtenstein (2001, nach Fuller

6 Vgl. Krausse, Lichtenstein (2001)

7 Vgl. Krausse, Lichtenstein (2001)

8 Siehe 2

9 Siehe 3

10 Vgl. Krausse, Lichtenstein (2001)

11 Krausse, Lichtenstein (2001), nach Fuller

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Richard Buckminster Fuller und das Dymaxion
Hochschule
Burg Giebichenstein - Hochschule für Kunst und Design Halle  (Fakultät Industriedesign)
Veranstaltung
Architektur- und Designgeschichte
Note
1,6
Autor
Jahr
2002
Seiten
30
Katalognummer
V16170
ISBN (eBook)
9783638210928
Dateigröße
612 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Richard, Buckminster, Fuller, Dymaxion, Architektur-, Designgeschichte
Arbeit zitieren
Diplom Designer Frank Ehnes (Autor:in), 2002, Richard Buckminster Fuller und das Dymaxion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16170

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Richard Buckminster Fuller und das Dymaxion



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden