Verbraucherschutz im Internet

Hypertrophie oder marktgerechte Lösungen


Seminararbeit, 2007

68 Seiten, Note: 10,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I) Einleitung

II) Die Gründe, Entwicklung und Ziele europäischer und nationaler Verbraucher- schutzpolitik für den elektronischen Rechtsverkehr

III) Fernabsatzrichtlinie und E-Commerce-Richtlinie als zentrale Grundlage europäischen und nationalen Verbraucherschutzes
1) Verbraucherschutz nach der Fernabsatzrichtlinie
a) Persönlicher Anwendungsbereich: Verbraucher und Lieferer
aa) Verbraucher
(1) Allgemeines
(2) Umsetzung ins deutsche Recht
bb) Lieferer
cc) Fazit
b) Sachlicher Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie
aa) Waren und Dienstleistungen
bb) Fernkommunikationstechniken
cc) Ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln
dd) Für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem
ee) Ausschlusstatbestände
(1) Finanzdienstleistungen
(2) Immobilien
(3) Versteigerungen
(4) Haushaltsgegenstände
ff) Fazit
c) Informationspflichten des Unternehmers im Fernabsatz
aa) Vorvertragliche Informationspflichten
(1) Rechtzeitigkeit der Information
(2) Form der Information
(3) Klarheit und Verständlichkeit - Transparenzgebot
(4) Inhalt der Pflichtangaben
bb) Nachvertragliche Informationspflichten
(1) Zeitpunkt nachvertraglicher Informationsgewährung
(2) Textform
(3) Inhalt der Pflichtangaben
(4) Hervorhebung einzelner Pflichtangaben
(5) Ausnahme gemäß § 312 c Abs. 2 Satz 2 BGB
cc) Sanktionen
dd) Problem des „information overflow“ / Fazit
d) Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
aa) Widerrufsrecht
(1) Widerrufsfrist
(2) Erlöschen des Widerrufsrechts
bb) Ausübung des Widerrufsrechts und Widerrufsfolgen
cc) Rückgaberecht
dd)Unstimmigkeiten beim Widerrufs- und Rückgaberecht
(1) Widerrufsfrist
(2) Widerrufsfolgen
- Unternehmer als Warenverleiher
- Wettlauf der Versender
- Rücksendung ungeeigneter Ware
- Beschädigte oder keine Originalverpackung
(3) Folgen des Rückgaberechts
ee) Fazit
2) Verbraucherschutz nach der E-Commerce-Richtlinie
a) Persönlicher Anwendungsbereich
aa) Nutzer / Verbraucher
bb) Diensteanbieter / Unternehmer
b) Sachlicher Anwendungsbereich
aa) Dienste der Informationsgesellschaft
bb) Waren und Dienstleistungen
cc) Kommerzielle Kommunikation
c) Informationspflichten des Unternehmers im E-Commerce
aa) Vorvertragliche und ständige Informationspflichten
bb) Informationspflichten bei Vertragsschluss
cc) Unverzügliche Bestätigung
dd) Art und Weise der Informationsgewährung
(1) Transparenzgebot
(2) Weitere Formvorgaben
d) Fazit

IV) Einbeziehung von AGBs bei Rechtsgeschäften im Internet
a) Geltungskontrolle
aa) Hinweispflicht
bb) Zumutbare Kenntnisnahme
cc) Sprachenproblematik / Transparenzgebot
b) Inhaltskontrolle

V) Verbraucherschutz durch private Schutzmechanismen
1) Verweisung an außergerichtliche Streitschlichtungsstellen
2) Bewertungssysteme
3) Harmonisierte „Codes of Conduct“

VI) Folgen für die Entwicklung des E-Commerce, Fazit

B. Literaturverzeichnis:

Kommentare:

Bräutigam, Peter / Leupold, Andreas; Online Handel - Betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagen, einzelne Erscheinungsformen des E-Commerce, 1. Auflage, Beck Verlag, München, 2003,

zitiert als: Bräutigam / Leupold - Bearbeiter, Online-Handel

Geimer, Reinhold / Schütze, Rolf A.; Europäisches Zivilverfahrensrecht - Kommentar zur EuGVVO, EuEheVO, EuZustellungsVO, Lugano-Übereinkommen und zum nationalen Kompetenz- und Anerkennungsrecht der Mitgliedstaaten, Beck Verlag, 2. Auflage, München 2004 zitiert als: Geimer / Schütz, Europäisches Zivilverfahrensrecht, §, Rn.

Härting, Niko; Fernabsatzgesetz, Kurzkommentar, Schmidt Verlag, Köln 2000

zitiert als: Härting, FernAbsG, §, Rn.

Micklitz, Hans-Wolfgang / Tonner, Klaus; Handkommentar Vertriebsrecht - Haustür-, Fernabsatzgeschäfte und elektronischer Geschäftsverkehr (§§ 312 - 312 f; 355 - 359 BGB), , 1. Auflage, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2002

zitiert als: Hk-Vertriebsrecht - Bearbeiter, BGB, §, Rn.

Münchener Kommentar, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2a, Schuldrecht Allgemeiner Teil (§§ 241 - 432 BGB), 4. Auflage, Beck Verlag, München 2003 zitiert als: MüKo - Bearbeiter, Band, §, Rn.

Palandt, Otto; Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 63. Auflage, München 2004, zitiert als: Palandt - Bearbeiter, BGB, §, Rn.

Staudinger, Julius von; Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearbeitung, Berlin 2004

zitiert als: Staudinger - Bearbeiter, BGB, §, Rn.

Aufsätze und Lehrbücher:

Aigner, Dietmar / Hofmann, Dietrich; Virtuelle Kaufhäuser - Auswirkungen des Fernabsatzgesetzes, MMR Beilage 8/2001

zitiert als: Aigner / Hoffman, MMR Beilage 8/2001

Artz, Markus; Die Integration der Nebengesetze in das BGB, JuS 2002

zitiert als: Artz, JuS 2002

Boente, Walter / Riehm, Thomas; Besondere Vertriebsformen im BGB, Jura 2002

zitiert als: Boente / Riehm, Jura 2002

Calliess, Gralf-Peter; Rechtsverbraucherschutz im Internet - Zur Konstitutionalisierung des

Wettbewerbs transnationaler Zivilregimes, Schriften zur rechtswissenschaftlichen

Innovationsforschung, Band7, 1. Auflage, Nomos Verlag, Baden-Baden 2003 zitiert als: Calliess, Rechtsverbraucherschutz im Internet

Däubler, Wolfgang; Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf das Arbeitsrecht, NZA 2001

zitiert als: Däubler, NZA 2001

Dilger, Petra; Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet, Schriftenreihe Information und Recht, Band 32, C.H. Beck Verlag, München, 2002

zitiert als: Dilger, Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet

Fuchs, Andreas; Das Fernabsatzgesetz im neuen System des Verbraucherschutzrechts, ZIP 2000

zitiert als: Fuchs, ZIP 2000

Gemeinsame Stellungnahme von Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh), Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Handelsverband BAG zur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz zitiert als: Stellungnahme der Handelsverbände

Grigoleit, Hans Christoph; Besondere Vertriebsformen im BGB, NJW 2002

zitiert als: Grigoleit, NJW 2002

Härting, Niko / Schirmbacher, Martin; Fernabsatzgesetz - Ein Überblick über den

Anwendungsbereich und die wichtigsten Regelungen, MDR 2000

zitiert als: Härting / Schirmbacher, MDR 2000

-derselbe- / -derselbe-; Finanzdienstleistungen im Internet, CR 2002 zitiert als: Härting / Schirmbacher, CR 2002

Hoenike, Mark / Hülsdunk, Lutz; Die Gestaltung von Fernabsatzangeboten im elektronischen Geschäftsverkehr nach neuem Recht, MMR 2002

zitiert als: Hoenike / Hülsdunk, MMR 2002

Hoeren, Thomas / Oberscheidt, Jörn; Verbraucherschutz im Internet, VuR 1999 zitiert als: Hoeren / Oberscheidt, VuR 1999

Horn, Christian; Verbraucherschutz bei Internetgeschäften, MMR 2002

zitiert als: Horn, MMR 2002

Kemper, Rainer; Verbraucherschutzinstrumente, Baden-Baden 1994, Diss. Universität Münster 1993 zitiert als: Kemper, Verbraucherschutzinstrumente

Masuch, Andreas; Musterhafte Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums?, NJW 2002

zitiert als: Masuch, NJW 2002

Meents, Jan Geert; Ausgewählte Probleme des Fernabsatzgesetzes bei Rechtsgeschäften im Internet, CR 2000

zitiert als: Meents, CR 2000

-derselbe-; Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet, Köln 1998, Diss. Universität Münster 1998

zitiert als: Meents, Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet

Mitteilung der Kommission an den Rat, das europäische Parlament und den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, Seite 6

u. S. 18

zitiert als: Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der RL 1997/7/EG vom 20. Mai 1997, Seite

6 u. S. 18

Reich, Norbert; Die neue Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, EuZW 1997,

zitiert als: Reich, EuZW 1997

-derselbe- / Nordhausen, Annette; Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr (eG), Schriftenreihe des Instituts für Europäisches Wirtschafts- und Verbraucherrecht e.V., Nomos Verlag,

1. Auflage Baden-Baden 2000

zitiert als: Reich / Nordhausen, Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr

Roth, Herberth; Das Fernabsatzgesetz, JZ 2001

zitiert als: Roth, JZ 2001

Rünz, Britta; Verbraucherschutz im Fernabsatz, Informationspflichten und Widerrufsrecht als Schutzinstrumente deutscher und europäischer Vorschriften, Dis. Universität Münster 2004 zitiert als: Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz

Schmidt, Nicola D., Verbraucherschutz im Internet - Wie viel Vertrauen ist gerechtfertigt? - Dossier zum Weltverbrauchertag 2005, Herausgeber: Verbraucherzentrale Bundesverband - vzbv Berlin zitiert als: vzbv Berlin, Dossier zum Weltverbrauchertag 2005

Thorn, Karsten; Verbraucherschutz bei Verträgen im Fernabsatz, IPRax 1999

zitiert als: Thorn, IPRax 1999

Vander, Sascha; Eingriffe in das allgemeine Fernabsatzrecht - Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen, MMR 2005

zitiert als: Vander, MMR 2005

Woitke, Thomas; Informations- und Hinweispflichten im E-Commerce, BB 2003

zitiert als: Woitke, BB 2003

Zweigert, Konrad / Kötz, Hein; Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Auflage, Tübingen 1996

zitiert als: Zweigert / Kötze, Einführung in die Rechtsvergleichung

C. Ausführung:

I) Einleitung:

Im März 2004 hatten in Deutschland 34,4 Millionen Menschen Zugang zum Internet, die meisten von zu Hause aus1. 23 Millionen Deutsche nutzen ihren Internetzugang bereits dazu, um online Waren wie Bücher, Musik, Software oder Unterhaltungselektronik einzukaufen. Damit hat bereits jeder dritte Erwachsene in Deutschland schon einmal etwas im Internet eingekauft. Zwar sahen vereinzelt zweifelnde Stimmen die Entwicklung des E-Commerce nüchtern und prophezeiten gerade nach dem Niedergang des „Neuen Marktes“, dass es im B2C (Business to Consumer)-Bereich, dem elektronischen Handel mit Verbrauchern, düster aussehe und dass nur wenige E-Commerce-Zweige Überlebenschancen hätten. Doch auch wenn sich der Markt eher langsam entwickelt und die Umsätze nicht in der Geschwindigkeit, wie die Prognosen in den Jahren 1999 und 2000 angekündigt hatten stiegen, so steigt die Zahl der Verbraucher, welche im Internet einkaufen ständig und unaufhaltsam an. Noch im Jahr 2004 ging der Hauptverband des deutschen Einzelhandels von einem Gesamtumsatz im B2C- Commerce von 13 Milliarden EURO aus. Für das Jahr 2006 erwartet der Hauptverband schon Umsätze in Höhe von ca. 16,3 Milliarden EURO2.

Eine Studie von GartnerG2 kommt zu einer noch positiveren Prognose der Wachstumszahlen im gesamten E-Commerce. Danach wird der online Handel europaweit betrachtet im Jahr 2002 ein Volumen von 97,8 Milliarden EURO erreichen. Dies entspricht einem Wachstum von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein für Deutschland erwartete GartnerG2 einen Online-Umsatz von 23,2 Milliarden EURO im Jahr 2002. Bis 2005 werde der Umsatz im Online-Einzelhandel in Europa auf 258,7 Milliarden EURO steigen. In Deutschland rechnete man im Jahr 2005 mit einem Gesamtumsatz des Online-Einzelhandels in Höhe von 75,6 Milliarden Euro3. Vor allem die jüngeren Generationen treten den neuen Einkaufsmöglichkeiten über das World Wide Web offener gegenüber, wachsen damit auf und betrachten es als ganz normale Art des Einkaufens.

Dieser Entwicklung hat der europäische Gesetzgeber Rechnung getragen, denn schon 1997 wurde die Fernabsatzrichtlinie4 erlassen, die speziell die Interessen der Verbraucher im Fernabsatz schützen sollte. Ergänzt wurde der Verbraucherschutz im Jahr 2000 durch die Regelungen der E-Commerce-Richtlinie5. Spätestens mit der Schuldrechtsreform 2001 wurden diese Richtlinien in das Bürgerliche Gesetzbuch übertragen, was zu einer Stärkung des Verbrauchers im elektronischen Rechtsverkehr bewirken sollte.

Fünf Jahre später ist es nun möglich die Folgen und Wirkungen dieser Maßnahmen zu beurteilen, um so die Frage beantworten zu können, ob dem Verbraucherschutz im Internet, also im elektronischen Geschäftsverkehr, bereits ausreichend Beachtung durch den europäischen und nationalen Gesetzgeber zuteil wurde oder ob die Gesetzgeber möglicherweise bei der Etablierung des momentanen Verbraucherschutzniveaus über das Ziel hinausgeschossen sind.

Sicherlich ist es wichtig, dass der Verbraucher bei Rechtsgeschäften im Fernabsatz und im E- Commerce durch gesetzliche Vorschriften ausreichend geschützt wird. Nur ein Verbraucher, der sich sicher ist, dass er bei Bestellung einer Ware oder einer Dienstleistung kein finanzielles Risiko eingehen muss, wird auch in Zukunft dem neuen Medium offener entgegentreten. Eine breitere Nutzung der Einkaufsmöglichkeiten über das Internet hätte eine Vielzahl an positiven Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten der Verbraucher, sowie auf die Umsatzmöglichkeiten der Unternehmer. Würde ein Verbraucher ein hohes Maß an Rechtssicherheit genießen können, so wäre er eher motiviert, von zu Hause aus Geschäfte zu tätigen bzw. Verträge zu schließen. Auch die Unternehmer könnten das neue Medium für ihre Zwecke nutzen und eine Vielzahl von neuen Kunden erreichen um so ihre Umsätze zu erhöhen, zu wachsen um so mittelbar neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Allerdings kann ein zu hohes Verbraucherschutzniveau genau das Gegenteil bewirken. Werden dem Verbraucher im Fernabsatz und E-Commerce so viele gesetzliche Hilfestellungen, Mechanismen und Rechte zugestanden, dass der Unternehmer dadurch unangemessen benachteiligt würde und er bei jeder eingehenden Bestellung ein allzu großes Risiko eingehen müsste, könnte es passieren, dass er sich der Möglichkeit Waren und Dienstleistungen über das Internet zu verkaufen in Zukunft verschließt und stattdessen in die altbewährten, konventionellen Verkaufs- und Vertriebsmethoden investiert.

Die folgende Arbeit beschäftigt sich deshalb mit der Frage, wie das momentane Verbraucherschutzniveau bei Rechtsgeschäften im Internet zu bewerten ist um letztendlich herauszufinden, ob es bereits zu einer Hypertrophie, einer Aufblähung des Verbraucherschutzes im europäischen Rechtsraum, und vor allem in Deutschland gekommen ist, oder ob die geschaffenen verbraucherschützenden Regelungen dazu geeignet sind, nicht nur den einzelnen Verbraucher zu schützen, sondern auch für den Unternehmer eine Grundlage für eine positive marktwirtschaftliche Entwicklung zu schaffen.

Zunächst sollen in dieser Arbeit in Kapitel II die Gründe, Entwicklungen und Ziele europäischer und nationaler Verbraucherschutzpolitik der letzten Jahre dargestellt werden.

Kapitel III befasst sich anschließend mit der Fernabsatzrichtlinie und der E-Commerce- Richtlinie als zentralen Grundlagen europäischen und nationalen Verbraucherschutzes. Das heißt, dass nach der Darstellung des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinien, der Pflichtenkatalog und die Mechanismen, die dadurch Unternehmern und Verbrauchern auferlegt bzw. bereitgestellt wurden, erläutert werden, um abschließend zu einer Bewertung der beiden Richtlinien bzw. zu einem Fazit zu kommen.

Folgend wird in Kapitel IV die Bedeutung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den elektronischen Rechtsverkehr diskutiert, angefangen mit der wirksamen Einbeziehung in B2C (business to consumer-) Verträge, das heißt der Geltungskontrolle der AGBs mit möglichen Problemen mit dem Transparenzgebot, bis hin zur Inhaltskontrolle Möglichkeiten und Grenzen privater Schutzmechanismen für den elektronischen Geschäftsverkehr werden anschließend in Kapitel V besprochen. Insbesondere soll gezeigt werden, welche Möglichkeiten außergerichtlicher Streitbeilegung heute schon bestehen und inwiefern private Schutzmechanismen normgeregelte Verbraucherschutz-mechanismen ersetzen könnten und sollten.

Im abschließenden Kapitel VI zieht der Autor ein Fazit, fasst die aufgeworfenen Fragen und Antworten zusammen um letztendlich eine Aussagen treffen zu können: Verbraucherschutz im Internet - Hypertrophie oder marktgerechte Lösungen?

II) Die Gründe, Entwicklung und Ziele europäischer und nationaler Verbraucherschutzpolitik für den elektronischen Rechtsverkehr

Gemessen an der Gesamtentwicklung des Schuldrechts ist das Verbraucherschutzrecht im eigentlichen Sinne ein junges Recht. Es hatte sich seit der Schaffung des Abzahlungsgesetzes von 1894, das als erstes Verbraucherschutzgesetz gilt zunächst in zahlreichen Nebengesetzen, also größtenteils außerhalb des BGB entwickelt. Dies führte jedoch zu einer unübersichtlichen Rechtslage: vor allem für den Verbraucher, den einzelnen Bürger, war es schwer aus der Fülle von unterschiedlichen Gesetzbüchern die nötigen Informationen herauszufiltern.

Auf europäischer Ebene bildete sich parallel zur politischen Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union eine eigenständige europäische Verbraucherpolitik heraus. Im Vordergrund stand jedoch zunächst das Ziel der Liberalisierung und Öffnung der Märkte. Diesen Zielen hatte sich Verbraucherpolitik unterzuordnen. 1975 beschloss die EG-Kommission das erste verbraucherpolitische Programm, das fünf fundamentale Rechte des Verbrauchers formulierte: Die Rechte der Verbraucher auf Schutz der Gesundheit und Sicherheit, Schutz der wirtschaftlichen Interessen, Wiedergutmachung erlittener Schäden, Unterrichtung und Aufklärung sowie das Recht auf Vertretung. Seit 1977 gibt es im Europäischen Parlament einen Fachausschuss, der sich unter anderem mit Verbraucherschutz beschäftigt. Im Jahre 1983 fand alsdann die erste spezielle Ratssitzung der für Verbraucherpolitik zuständigen Fachminister der Mitgliedsländer statt. Der europäische Richtliniengeber hat dem Verbraucherschutz in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert eingeräumt. Im Vertrag von Amsterdam wurde beispielsweise in Art. 153 I EG der Verbraucherschutz als Zielsetzung der Gemeinschaftspolitik bestätigt und die Etablierung eines hohen Verbraucherschutzniveaus und die Förderung der Informationen des Verbrauchers besonders herausgestellt6.

Anlässlich der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie7, der Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr8, der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der damit verbundenen Schuldrechtsreform von 2002 entschied sich der deutsche Gesetzgeber daher dafür, die einzelnen Verbraucherschutzgesetze in das BGB zu integrieren.

So erreichte der Gesetzgeber, dass das BGB durch die Integration der Nebengesetze an Übersichtlichkeit gewann und wieder zum zentralen zivilrechtlichen Gesetzbuch geworden ist9.

III) Fernabsatzrichtlinie und E-Commerce-Richtlinie als zentrale Grundlage europäischen und nationalen Verbraucherschutzes

Wie bereits angerissen hat der europäische Gesetzgeber mit der Fernabsatzrichtlinie und der E- Commerce-Richtlinie zwei bedeutsame Dokumente für den Verbraucherschutz geschaffen. Während die E-Commerce-Richtlinie zwar einerseits die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie ergänzen sollte, so ergeben sich dennoch unterschiedliche Zielrichtungen und Wirkungen der beiden Richtlinien.

1) Verbraucherschutz nach der Fernabsatzrichtlinie

a) Persönlicher Anwendungsbereich: Verbraucher und Lieferer

aa) Verbraucher
(1) Allgemeines

Verbraucher ist nach10 Art. 2 Nr. 2 FARL jede natürliche Person, die beim Abschluss von Verträgen im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Hinter dieser Definition steckt die Idee, dass Verbraucher nicht gewöhnt sind, selbstständig wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen11. Dementsprechend fehlt ihnen eine umfassende Marktübersicht im Hinblick auf Produkte und Preise und eine ausreichende Kenntnis wirtschaftlicher und rechtlicher Grundtatbestände12. Ein Unternehmer hat also gegenüber dem Verbraucher zumeist einen Informationsvorsprung. Diese informatorische Unterlegenheit des Verbrauchers führt dazu, dass es auch einem aufgeklärten und kaufkräftigen Verbraucher oftmals an der Möglichkeit fehlt, die wirklichen Konditionen mehrerer Anbieter zu vergleichen.

Des weiteren verfügt der Unternehmer aufgrund seiner wirtschaftlichen Überlegenheit über eine deutlich bessere Verhandlungsposition, da er in der Regel nicht darauf angewiesen ist, mit einem bestimmten Verbraucher einen Vertrag zu schließen. Gerade bei der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen13 fehlt es dem Verbraucher an Wissen und an den faktischen Möglichkeiten, abweichende Regelungen durchzusetzen. Hieraus ergibt sich ein Ungleichgewicht der Verhandlungsstärke („inequality of bargaining power“)14, das einen besonderen Schutz des Verbrauchers im geschäftlichen Rechtsverkehr rechtfertigt.

(2) Umsetzung ins deutsche Recht

Das deutsche Recht definiert in § 13 BGB den Verbraucher als jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Rechtsgeschäfte, welche in den Bereich der unselbstständigen Tätigkeit fallen, erfüllen demnach die Vorraussetzungen des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB15. Das deutsche Recht geht somit deutlich über die Bestimmungen des EuGVÜ und weiterer EG-Richtlinien hinaus, welche schon bei dem Vorliegen irgendeiner beruflichen Tätigkeit die Verbrauchereigenschaft verneinen. Eine solche Abweichung vom Gemeinschaftsrecht ist durch die in allen Verbraucherschutzrichtlinien der EG enthaltenen Mindestklauseln gedeckt, die eine Etablierung eines höheren Verbraucherschutzniveaus gestatten16, da das europäische Verbraucherschutzrecht nur Mindest-standards setzen will. Eine Ausdehnung des Verbraucherschutzes im nationalen Recht ist somit ausdrücklich gestattet.

bb) Lieferer

Die Fernabsatzrichtlinie verwendet den Begriff des Unternehmers nicht direkt, sondern definiert stattdessen den Begriff des Lieferers in Art. 2 Nr. 3 FARL. "Lieferer" ist danach jede natürliche oder juristische Person, die beim Abschluss von Verträgen im Sinne der FARL im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt. Lieferer haben also, wie in 1a) bereits angerissen, Erfahrung im Treffen wirtschaftlicher Entscheidungen und im Tragen von Verantwortung und verfügen über eine entsprechend umfangreiche Marktübersicht, so dass sie nicht in besonderem Maße schutzbedürftig sind17. Für den gemeinschaftsrechtlichen Unternehmerbegriff, mit dem der Begriff des Lieferers gleichzusetzen ist18, gilt das unabhängig davon, in welcher Rechtsform das Unternehmen auftritt19. Es kommt also einerseits darauf an, ob im Rahmen einer gewerblichern oder beruflichen Tätigkeit und damit mit einer entsprechenden Markterfahrung gehandelt wird, ferner ist die Frage, ob eine Person Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft besitzt, nach ihrer Position innerhalb des konkreten Vertragsverhältnisses mit Bezug auf dessen Natur und Zielsetzung, aber nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person zu beantworten20. In diesem Zusammenhang betont der Europäische Gerichtshof, dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Vorgänge als Verbraucher, jedoch im Rahmen anderer Vorgänge als Unternehmer angesehen werden kann21. Entscheidend für die Bestimmung des Vertragszwecks sind also auch die Umstände, die aus der Sicht des Vertragspartners des Verbrauchers objektiv erkennbar sind22. Der innere Wille des Leistungsempfängers ist also irrelevant, vielmehr kommt es auf den Blickwinkel des Leitungsschuldners an23.

Somit ist auch ein Existenzgründer, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit entschieden hat und für diese vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt, kein Verbraucher sondern Unternehmer. Ein Existenzgründer agiert nicht mehr "von seiner Rolle als Verbraucher her", vielmehr gibt er dem Rechtsverkehr zu erkennen, dass er sich nunmehr dem Recht für Unternehmer unterwerfen und dieses seinerseits auch in Anspruch nehmen will.24

Bezogen auf das Internet soll zudem Unternehmer sein, wer stetig Gegenstände ankauft, um sie über das Internet weiter zu vertreiben. Allein aus der Tatsache, dass jemand eine Vielzahl von Rechtsgeschäften über eine Auktionsplattform im Internet tätigt, soll noch nicht auf seine Unternehmereigenschaft geschlossen worden. Es bestehe nämlich noch die Möglichkeit, dass es sich lediglich um private Rechtsgeschäfte handle25. So genannte Power-Seller bei „ebay“, die in größerem Umfang neue und gebrauchte Waren verkaufen, treten in der Regel aus Unternehmer im Rechtsverkehr auf26.

cc) Fazit

Die Definitionen für den „Verbraucher“ und den „Lieferer“ haben sich im europäischen Rechtsverkehr sowie im nationalen Recht absolut bewährt. Weder gab es Einwände der Kommission bei der Überprüfung der FARL27, noch gab es Einwendungen von Handels28 - oder Verbraucherverbänden bzw. waren die Begriffe seitdem Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzung, so dass von einer geeigneten Begrifflichkeit und einer gelungenen Umsetzung ins deutsche Recht zu sprechen ist. Weder Verbraucher noch Unternehmer werden durch die Begrifflichkeiten benachteiligt.

b) Sachlicher Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie

Gem. Art. 1 FARL sind Hauptregelungsgegenstand der Richtlinie die Vertragsschlüsse im Fernabsatz. Nach Art. 2 Nr. 1 FARL ist das jeder eine Ware oder Dienstleistung betreffende Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird. Für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsschlusses selbst, dürfen ausschließlich Fernkommunikationstechniken verwendet werden. Diese Rechtsbegriffe gilt es zunächst zu definieren.

aa) Waren und Dienstleistungen

Fernabsatzverträge nach Art. 2 Nr. 1 FARL und § 312b Abs. 1 BGB müssen also zunächst auf die Lieferung von Waren und Dienstleistungen gerichtet sein. Waren i.S.d. FARL sind alle beweglichen Güter, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können29. Im Bezug auf im Fernabsatz bestellte Waren, will die FARL den Verbraucher vor der besonderen Situation im Fernabsatz schützen, die sich dadurch kennzeichnet, dass sich der Anbieter und Verbraucher nicht physisch begegnen und der Verbraucher die Ware vor dem Vertragsschluss regelmäßig nicht in Augenschein nehmen kann30. Dem Verbraucher stehen nur verringerte Rückfragemöglichkeiten zu und er kann sich nur eingeschränkt ein Bild von der Seriosität seines Vertragespartners machen31.

Eine Dienstleistung ist hingegen alles, was weder dem Bereich des freien Waren- und Kapitalverkehrs noch der Niederlassungsfreiheit zugeordnet werden kann32. Unter diesen gemeinschaftsrechtlich geprägten Begriff fallen somit auch Werk- und Geschäftsbesorgungsverträge, insofern sie nicht die Lieferung einer Ware an sich als zentralen Vertragsgegenstand haben. Zwar offenbart sich bei „normalen“ Werk- und Geschäftsbesorgungsverträgen auch nicht sofort detailliert, wie die Leistung genau ausgeführt wird. Im Gegensatz zum Vertragsabschluss im Fernabsatz kann der Verbraucher aber seinen Vertragspartner, die örtlichen Gegebenheiten sowie das fertiggestellte Werk in Augenschein nehmen und sich aus diesen Umständen sein Bilder von der Dienstleistung machen, was die Anwendung der FARL auf solche Verträge notwendig macht.

Der Begriff der Ware wurde fast identisch ins deutsche Recht umgesetzt. Man versteht unter dem Begriff der Ware eine bewegliche und körperliche Sache des Handelsverkehrs33. Unter einer Dienstleistung versteht man im deutschen Recht die Leistung, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses i.S.d. § 611 BGB erbracht wurde34. Allerdings ist der Begriff der Dienstleistung wie stets in europarechtlich geprägten Normen weit auszulegen35, was ebenfalls zu einer Einbeziehung von Werk- und Werklieferungsverträgen (§§ 632, 651 BGB) und Geschäftsbesorgungsverträgen (§ 675 BGB) führt36.

bb) Fernkommunikationstechniken

Gem. Art. 2 Nr. 1 FARL und § 312b Abs. 1 BGB müssen beim Vertragsschluss Fernkommunikationstechniken verwendet werden. Als Fernkommunikationstechniken sind gem. Art. 2 Nr. 4 FARL solche Kommunikationsmittel zu zählen, die zum Abschluss des Vertrages ohne gleichzeitig körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können37. Dazu zählen laut Anlage I FARL z.B. Drucksachen, Pressewerbung mit Bestellschein, Kataloge, Kommunikation via Telefon, Hörfunk, Bildtelefon, E-Mail oder Teleshopping. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend38, da der europäische Richtliniengeber gerade auch neue, in Zukunft entstehende Absatzformen in den Anwendungsbereich der FARL ziehen wollte, um so einen möglichst umfassenden Schutz der Verbraucher in Zukunft gewährleisten zu können39. Maßgeblich bei den genannten Kommunikationsformen ist, dass der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung und den Unternehmer vor bzw. bei Vertragsschluss nicht in Augenschein nehmen kann. Somit fallen auch Verträge, die im Internet zwischen den Parteien ohne körperliche Begegnung angebahnt und geschlossen werden, unter den Begriff der Fernkommunikationstechnik i.S.d. Art. 2 Nr. 4 FARL.

In § 312b Abs. 2 BGB wurde der Art. 2 Nr. 4 FARL wiederum fast identisch ins deutsche Recht umgesetzt. Fernkommunikationsmittel sind danach solche Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden.

cc) Ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln

Gem. Art. 2 Nr. 1 FARL dürfen „für den Vertrag und bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsschlusses selbst“ ausschließlich Fernkommunikationsmittel eingesetzt werden. Das bedeutet, dass auf allen Stufen bis zum Abschluss, also auch bei der Anbahnung des Vertrages, Fernkommunikationsmittel verwendet werden müssen40.

Werden Fernkommunikationstechniken mit Formen des Direktmarketing vermischt, ist der Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie nicht eröffnet41. Sobald ein persönlicher Kontakt zwischen Unternehmer und Verbraucher besteht, egal in welchem Stadium, also z.B. in einem Werbegespräch oder in einem Verkaufsgespräch, liegt kein Fernabsatz i.S.d. FARL mehr vor. Durch die Informationspflichten des Unternehmers und die Gewährung eines Widerrufsrechts soll die für den Verbraucher nachteilige Situation ausgeglichen werden, dass er weder Vertragspartner - noch Gegenstand in Augenschein nehmen kann42. Findet im Rahmen der Vertragsanbahnung oder beim Vertragsschluss selbst ein persönlicher Kontakt zwischen den Partien statt, so eröffnet sich für den Verbraucher ja gerade die Möglichkeit der Inaugenscheinnahme, weswegen er nicht mehr des speziellen Schutzes der Fernabsatzrichtlinie bedarf. Die Beweislast, ob vertragsrelevante Handlungen vorgenommen wurden, liegt beim Unternehmer43.

Kein persönlicher Kontakt sondern ein Fernabsatzgeschäft liegt vor, wenn der Unternehmer einen Boten einschaltet, der dem Verbraucher keine Angaben über den Vertragsinhalt machen kann und soll. Ein solcher Bote sei z.B. der Mitarbeiter der Deutschen Post AG, die der Unternehmer im Rahmen des sog. Postident244 -Verfahrens zur Einholung der Unterschrift hinzuziehe45. Schließlich soll der Zusteller nur die Identität des Empfängers überprüfen, zu den Leistungen des Unternehmens kann er jedoch in der Regel keinerlei Angaben machen. Zudem ist das Produkt verpackt und kann nicht in Augenschein genommen werden, daher besteht auch in dieser Konstellation die besondere Gefahrenlage des Verbrauchers46.

Das für den Fernabsatz erforderliche Kriterium der „aus-schließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ ist wortgleich in § 312b Abs. 1 BGB übernommen worden. Entsprechend Art. 2 Nr. 1 FARL gilt das gem. § 312b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB von der Anbahnung bis zum Vertragsschluss.

dd) Für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienst-leistungssystem

Gem. Art. 2 Nr. 1 FARL muss der Vertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen werden. Dieses Kriterium hat ausnahmsweise keine unmittelbare, den Verbraucher schützende Wirkung, sondern schützt den Unternehmer. Denn die umfangreiche Informationspflichten sowie das Widerrufsrecht, die durch die FARL und die Umsetzung ins deutsche Recht dem Unternehmer auferlegt wurden, sind nur gerechtfertigt, wenn der Unternehmer sich die Vorteile des Fernabsatzes systematisch zunutze macht. Tätigt er nur gelegentlich Geschäfte im Fernabsatz, sind sie ihm unzumutbar47.

[...]


1 vzbv Berlin, Dossier zum Weltverbrauchertag 2005.

2 Studie des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels in http://www.einzelhandel.de (17.12.2006).

3 Studie von Gartner G 2 in http://www.golem.de/0203/18943.html (17.12.2006).

4 RL 1997/7/EG des Europäischen Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 04.06.1997.

5 RL 200/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 08.06.2000.

6 Roth, JZ 2001, S. 479.

7 RL 1999/44/EG vom 25.05.1999.

8 sog. Zahlungsverzugsrichtlinie RL 2000/35/EG.

9 Artz, JuS 2002. S. 528.

10 Im Folgenden als FARL bezeichnet.

11 Meents, Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet.

12 Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, S. 37 ff.

13 Ausführlich dazu Kapitel IV.

14 Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 323.

15 so auch Däubler, NZA 2001, 1329ff.

16 z.B. Art 15 - RL 87/102 vom 22.12.1986 , Art. 8 - RL 85/577 vom 20.12.1985, Art. 8 - RL 93/13/EWG vom 05.04.1993.

17 Meents, Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet, S. 177.

18 Begründung zum Entwurf des FernAG, BT-Drs. 14/2658, S. 30.

19 MüKo - Micklitz, Bd. 1, § 14 BGB, Rn. 9.

20 Horn, MMR 2002, 213.

21 EuGH, Urteil vom 3.7.1997, AZ: C-269/95 = RIW 1997, S. 777.

22 Palandt, BGB, Art. 29 EGBGB, Rn. 3.

23 Geimer / Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 13 EuGVÜ, Rn. 18.

24 Staudinger - Weick, BGB, § 13, Rn. 55.

25 LG Hof, 29.8.2003, AZ: 22 S 28/03.

26 LG Mainz vom 6.7.2005, AZ: 3 O 184/04 .

27 Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der RL 1997/7/EG vom 20. Mai 1997, S. 6 u. S. 18.

28 Stellungnahme der Handelsverbände, S. 2.

29 EuGH, Rs. 7/68, Slg. 1968, S. 672.

30 Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 10.

31 MüKo / Wendehorst, vor §312b Rn. 4.

32 Thorn, IPRax 1999, S. 1.

33 Palandt - Heinrichs, § 312b BGB, Rn. 10.

34 Palandt - Putzo, § 611 BGB, Rn. 24.

35 BGHZ 123, 380 = Aktenzeichen: XI ZR 42/93 vom 26.10.1993.

36 Begründung zum Entwurf des FernAG, BT-Drs. 14/2658, S. 30.

37 Palandt - Heinrichs, § 312b BGB, Rn. 7.

38 Reich, EuZW 1997, S. 581f.

39 Erwägungsgrund (19) FARL.

40 MüKo - Wendehorst, Bd. 2a, § 312b BGB, Rn. 46.

41 MüKo - Wendehorst, Bd. 2a, § 312b BGB, Rn. 43.

42 Erwägungsgrund (14) FARL.

43 Palandt - Heinrichs, § 312b BGB, Rn. 8 a.E.

44 Bei "PostIdent2" kommt ein Kaufvertrag erst zustande, nachdem ein Zusteller die Identität des Kunden prüft und dessen Unterschrift einholt.

45 BGHZ 160, 393 = NJW 2004, S. 3699 - 3701.

46 OLG Schleswig, 28.8.2003 - AZ: 7 U 240/01.

47 Meents, Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet, S. 184.

Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Verbraucherschutz im Internet
Untertitel
Hypertrophie oder marktgerechte Lösungen
Hochschule
Universität Passau
Note
10,00
Autor
Jahr
2007
Seiten
68
Katalognummer
V161121
ISBN (eBook)
9783640759606
ISBN (Buch)
9783640760008
Dateigröße
760 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verbraucherschutz, Internet, Hypertrophie, Lösungen
Arbeit zitieren
Martin Bernhard Bauer (Autor:in), 2007, Verbraucherschutz im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161121

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