Area Studies im globalen Kontext


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

Die Area Studies erleben derzeit weltweit eine Revitalisierung, welche aus europäischen und amerikanischen Debatten um die Neugestaltung der Area Studies hervorgeht. Ein Hauptgrund für das „Wiederaufleben“ der Area Studies sind vielfältige Globalisierungsprozesse1 innerhalb derer genaue Kenntnisse lokaler, regionaler sowie transnationaler und transkultureller Beziehungen an Bedeutung gewinnen. Wesentliche Vorstellungen des Zusammenhangs von Raum und Kultur werden hinterfragt und zugleich Grenzen und Räume im wechselseitigen Verhältnis zwischen dem Globalen und dem Lokalen „reterritorialisiert“. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Wissenschaft wo sich das Verhältnis von Fachdisziplinen und Area Studies und die Weiterentwicklung von interdisziplinären Arbeitsformen verändert.2

„Even if still a debated domain, the extraordinary growth and worldwide coverage of Area Studies scholarship and teaching in the US has no equivalent elsewhere in the world. Paris and London have gathered numerous intellectuals from other parts of the globe, and many European universities have, or have had, comoarable centers or programs, but they are mostly focused on their colonial or ex-colonial possessions. (…) Only the US has numerous universities with multiple Area Studies Centers, Institutes, and Programs dealing simultaneously with several regions of the world.”3

Dieses Zitat soll ein Stück weit den Fokus der folgenden Arbeit verdeutlichen. In Abgrenzung zur Auseinandersetzung mit Entwicklung und Synthese der Area Studies in Deutschland, soll es in dieser Arbeit stellenweise auch um die für den deutschsprachigen Raum durchaus interessanten amerikanischen Entwicklungen bezüglich dieses Themas gehen. Denn die Area Studies sind nirgendwo so weit verbreitet, so gut institutionalisiert und, zumindest zeitweise, so sehr umstritten wie in den USA.

Zu Beginn dieser Arbeit soll das Konzept der Area Studies vorgestellt und im Anschluss daran wissenschaftsgeschichtliche Eckpfeiler erläutert werden. Dabei geht es vordergründig um die Frage warum gerade in Deutschland die Area Studies, bezüglich der universitären Ausprägung, wesentlich schwächer ausgebildet waren und sind als in den USA. Das Verhältnis von Fachdisziplinen und Area Studies soll nach einer Einführung am Beispiel der Geschichtswissenschaft erläutert werden. Dabei wird ein stärkerer Bezug auf die Afrikawissenschaft als Area Studies genommen und ein Für und Wider dieses Wissenschaftszweiges aufgezeigt. In diesem Zusammenhang soll versucht werden die folgende Frage zu beantworten: In welchem Verhältnis müssen Area Studies und Disziplinen stehen, um in einem umfangreichen Maße erkenntnisfördernd zu sein? Die folgende Arbeit wird ausschließlich Bezug auf die universitäre Ausprägung der Area Studies nehmen, weil darüber hinaus gehende Bezüge den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden.

2. Entwicklung und Synthese der Area Studies

2.1. Was zeichnet das Konzept der Area Studies aus?

Der Begriff Regionalstudien bzw. Regionalforschung hat sich in der deutschen Sprache analog zum Begriff der Area Studies im anglo-amerikanischen Bereich etabliert.4 In Deutschland ist das Konzept der Area Studies im Vergleich zu den USA, aber auch Frankreich und Großbritannien ein eher junges Diskussionsthema. Diese Tatsache hängt nicht zuletzt mit historischen Abläufen zusammen, welche im Folgenden näher erläutert werden.

Unter Area Studies oder Regionalstudien werden hier in erster Linie interdisziplinäre Kooperationen sowie Schwerpunkt-, Zentren- und Institutsbildungen verstanden, die sich auf bestimmte Regionen beziehen. Es ist also (mehr oder weniger dicht) organisierte, in der Regel trans- und interdisziplinäre Regionalforschung gemeint.5 Auf die weniger organisierte monodisziplinäre Forschung, die sich auch auf bestimmte Regionen beziehen kann, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen.

Birgit Schäbler fast das Konzept der Area Studies unter folgenden Gesichtspunkten zusammen:

1. Wissenschaftliche Erforschung einer Weltregion/Weltzivilisation, d.h. eines sowohl geografisch als auch epistemologisch definierten Terrains.
2. WissenschaftlerInnen lernen die Sprachen ihrer Weltregion und betreiben dort selbst über längere Zeit Feldforschung. Sie setzen sich mit der lokalen Geschichte, den verschiedenen lokalen Standpunkten, Materialien und Interpretationen gemäß ihrer jeweiligen Disziplin oder interdisziplinär auseinander.
3. Die meisten WissenschaftlerInnen bemühen sich ihre Beobachtungen und Ergebnisse in die allgemeinen Themen und Theorien ihrer Disziplin oder interdisziplinär einzubringen.
4. Area Studies sind tendenziell inter- oder multidisziplinär angelegt, eben weil sie sich auf „fremde Regionen“ außerhalb der eigenen Gesellschaft beziehen und für deren Verständnis die Instrumentarien nur einer Disziplin oft nicht ausreichen. Dies spiegelt sich vor allen Dingen in den Organisationsformen der Area Studies wieder.
5. Darüber hinaus leisten Area Studies eine Analyse der globalen Verflechtungen und kulturellen Austauschprozesse zwischen den Regionen. Regionale Einheiten selbst sind dabei keine statischen Einheiten, sondern unterliegen, bedingt durch unterschiedliche Prozesse und Bewegungen wie Globalisierung, Migration oder politische Zäsuren, einem steten Wandel. Außerdem wird die Konstruktion räumlicher Einheiten beeinflusst von den jeweiligen Prioritäten und Konjunkturen des Forschungsinteresses.6

Der soeben erläuterte Konzeptinhalt der Area Studies ist in abgewandelten Formen in einer Vielzahl einschlägiger Literatur zu finden und hat die Tendenz zum wissenschaftlichen Konsens. Es folgt zum besseren Verständnis des Themas ein Einblick in die Wissenschaftsgeschichte der Area Studies.

2.2. Wissenschaftsgeschichtlicher Abriss

Nimmt man die universitäre Ausprägung der Area Studies als Vergleichsgrundlage, so hat diese sich in Deutschland im Vergleich zu Frankreich, Großbritannien und den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich schwächer ausgebildet. Woran könnte es liegen, dass die Area Studies in Deutschland eine derartige Entwicklung erfahren haben und deswegen nur begrenzt im internationalen und globalen Rahmen konkurrenzfähig sind? Im Folgenden soll versucht werden eine Antwort auf diese Frage zu finden.

Die regionalwissenschaftliche Expertise entwickelte sich in den USA und in Deutschland in der ersten Hälfte des 20.Jhd. zunächst zeitgleich. Es gab in den 30ger und 40ger Jahren sowohl in Deutschland als auch in den USA und andernorts einen Entwicklungsschub dieses Wissenschaftszweiges. In Deutschland wurden allerdings die Auslandskunde bzw. Auslandswissenschaften von der Politik der Nationalsozialisten derart vereinnahmt, dass jede Kritik unterdrückt werden konnte. Diese Tatsache ist besonders und unterscheidet die Area Studies in Deutschland von denen der USA wesentlich. Die enge Verknüpfung der Auslandswissenschaften mit den expansionistischen Interessenlagen innerhalb der NS-Zeit führte dazu, dass nach 1945 die Entwicklung der damaligen Auslandswissenschaften sehr stark vom schlechten Ruf selbiger beeinträchtigt waren. Es war undenkbar an die bestehenden Formen der Auslandskunde in großem Stil anzuknüpfen. Nach 1945 gab es eine entgegengesetzte Entwicklung der Area Studies, denn in Deutschland war eine Weiterführung der Auslandwissenschaften höchstens innerhalb weniger Teildisziplinen möglich und in den USA expandierten die Area Studies, geprägt von Interdisziplinarität, in den 40ger und 50ger Jahren. An dieser Stelle sind Felix Brahm und Jochen Meissner zu erwähnen die den Aspekt der vermeintlich geringeren Bedeutung der Kolonialbindung als Begründung für die schwächere Entwicklung der Regionalwissenschaften in Deutschland in Frage stellen. Sie verweisen auf verschiedene jüngere Studien die gezeigt haben „[...],dass die kulturellen und gesellschaftlichen Wirkungen des Kolonialismus keineswegs unterschätzt werden und nicht an der Bedeutung des tatsächlichen Kolonialbesitzes gemessen werden dürfen.“7 Das Jahr 1945 verursachte einen immensen Einbruch im Bereich der universitären Lehre in Deutschland, bezüglich der außereuropäischen Regionen, und ist vermutlich der Hauptgrund für die vergleichsweise schwache Entwicklung der Area Studies in Deutschland.8

[...]


1 Unter Globalisierung wird hier der Prozess der zunehmenden internationelen Verflechtungen in allen Bereichen (Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt, Kommunikation, etc.) verstanden. Diese Intensivierung der globalen Beziehungen geschieht auf der Ebene von Individuen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten. Als wesentliche Ursachen der Globalisierung gelten der technische Fortschritt sowie die politischen Entscheidungen zur Liberalisierung des Weltandels. Ab welchem Zeitpunkt von Globalisierung gesprochen werden kann ist umstritten.

2 Vgl. Tagungsbericht Die Zukunft der Area Studies in Deutschland. S.1.

3 David Szanton in: Birgit Schäbler. Area Studies und die Welt. S.11.

4 Der vielfach gedankenlos benutzte Terminus Regionalwissenschaft(en), oft auch in der Verbindung Regional- und Kulturwissenschaften, wird hier bewusst vermieden. Der Begriff der sog. Regionalwissenschaften kann falsche Frontstellungen nahe legen zwischen den „eigentlichen“ Wissenschaften (den Disziplinen) und regionalen Varianten, womöglich minderer Dignität, abseits vom mainstream der Fächer und mit vermeintlich anderen Fragen, Methoden und Prinzipien. Dies ist jedoch der Sache nicht angemessen, denn es gibt keine Regionalwissenschaften als eigene Wissenschaften. Die Wissenschaften der area studies sind und bleiben die Fachdisziplinen, und organisierte Regionalforschung führt diese im besten Fall trans- und interdisziplinär zusammen und bündelt sie unter einem regionalbezogenen und thematisch fokussierten Erkenntnisinteresse (Vgl. Wissenschaftsrat S. 8).

5 Vgl. Puhle, Hans-Jürgen, Area Sudies im Wandel. Zur Organisation von Regionalforschung in Deutschland. S.1-2.

6 Vgl. Birgit Schäbler. Area Studies und die Welt. S.12-13.

7 Felix Brahm/Jochen Meissner. Von den Auslandswissenschaften zu den area studies. S.264.

8 Vgl. Felix Brahm/Jochen Meissner. Von den Auslandswissenschaften zu den area studies. S. 263-279.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Area Studies im globalen Kontext
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Afrikawissenschaften)
Veranstaltung
Geschichte der Afrikaforschung im 20.Jhd.
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V161105
ISBN (eBook)
9783640747160
ISBN (Buch)
9783640747313
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Area, Studies, Kontext
Arbeit zitieren
Katharina Skerka (Autor:in), 2008, Area Studies im globalen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161105

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