Welche Bedeutung hat das Angebot der pränatalen Diagnostik für die Schwangere


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

25 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt:

Einleitung
Methoden der pränatalen Diagnostik
Beratung zur pränatalen Diagnostik
Rechtliche Aspekte

Einflussfaktoren, die auf die einzelne Frau bei Entscheidungsprozessen im Rahmen der pränatalen Diagnostik einwirken
1.Faktoren auf der Seite der schwangeren Frau
a) Schwangerschaftsverlauf und eventuelle Wechselwirkungen zwischen pränataler Diagnostik und Schwangerschaftserleben
b) Die Angst vor einem behinderten Kind
2. Bedeutung der Mikroumwelt für die Angst vor einem behinderten Kind und für die Teilnahme an der Amniozentese
3. Bedeutung der Makroumwelt für die Angst vor einem behinderten Kind und für die Teilnahme an der Amniozentese

Schluss

Einleitung:

Bevor ich auf mein eigentliches Thema eingehe, ist es notwendig, die Methoden der pränatalen Diagnostik kurz vorzustellen, sowie darauf einzugehen, nach welchen Grundsätzen beraten wird und welche rechtlichen Aspekte von Bedeutung sind.

Methoden der pränatalen Diagnostik

Jede schwangere Frau in Deutschland muss sich heute in der ärztlichen Geburtsvorsorge mit einem breiten Spektrum von pränatalen Untersuchungsmethoden auseinander setzen, die neben der Kontrolle des allgemeinen Schwangerschaftsverlaufs auch die gezielte Suche nach Fehlbildungen des Fötus beinhalten.[1]

Folgende Methoden werden im Rahmen der Pränataldiagnostik häufig angewandt:

Nichtinvasive Methoden:

Ultraschall:

Erkennen von morphologischen Fehlentwicklungen (z.B. Anencephalie = Fehlen des kindlichen Großhirns).

Die Darstellungsmöglichkeiten des Ultraschalls wurden in den letzten Jahren verbessert,

was dazu führte, dass eine verdickte Nackenfalte beim Fötus immer häufiger als Indikator

für eine Chromosomenanomalie Bedeutung erhält.

Triple-Test (auch Alpha-Feto-Protein-Test genannt):

Der schwangeren Frau wird zwischen der 16. und 18. Schwangerschaftswoche Blut abgenommen. Dann wird das Verhältnis der Konzentration von 3 Stoffen zueinander untersucht, und zwar von Alpha-Feto-Protein, einem Eiweiß, das der Fötus ausscheidet und das über das Fruchtwasser ins Blut der Mutter gelangt, und von den Hormonen humanes Choriongonadotropin und Östriol.

Der Test lässt eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage zu bezüglich des Risikos für

Down-Syndrom und andere Chromosomenanomalien, sowie für Neuralrohrdefekte.

Allerdings besteht nur eine „Zuverlässigkeit von 60-65%“[2].

Als nichtinvasive Methode wird dieser Test immer mehr zur Routineuntersuchung und ermöglicht die Ausdehnung des Angebots der pränatalen Diagnostik auch auf Schwangere ohne spezielle Indikation (s.u.), da nicht abgewogen werden muss zwischen einem Risiko durch die Untersuchung und der Wahrscheinlichkeit eines positiven Befunds. (vgl. BZgA Forum 1/2-2000).

Invasive Methoden:

Amniozentese:

Diese Untersuchung wird meist zwischen der 15. und der 17. Schwangerschaftswoche vorgenommen. Unter Ultraschallkontrolle wird mit einer

Hohlnadel durch die Bauchdecke der Frau Fruchtwasser aus der Fruchtblase entnommen. In diesem schwimmen Zellen des Fötus, die dann einer Chromosomen- und eventuell einer DNA-Analyse unterzogen werden. Das Ergebnis liegt normalerweise zwischen der 17. und der 22. Schwangerschaftswoche vor. Auf diese Weise sind Chromosomenanomalien (z.B. Trisomien (z.B. 13, 18 und 21 (=Down-Syndrom)) und Anomalien der Geschlechtschromosomen (z.B. Turner-Syndrom)) und Muskel- sowie Stoffwechselkrankheiten (z.B. Phenylketonurie, Mukoviszidose) diagnostizierbar.

Das Fehlgeburtrisiko bei der Amniozentese liegt zwischen 0,5 und 2,4 %, auch besteht ein allerdings geringes Risiko, dass der Fötus bei der Untersuchung verletzt werden könnte (BZgA Forum 1/2-2000).Aus diesem Grunde soll die Untersuchung nur bei entsprechender Indikation durchgeführt werden. Diese liegt vor, wenn das Risiko für Chromosomenstörungen beim Kind erhöht ist, d.h., wenn die Schwangere über 35 Jahre alt ist, da mit dem Alter das Risiko für Chromosomenstörungen beim Kind steigt, wenn die Mutter Trägerin bestimmter Chromosomenveränderungen ist oder wenn andere Kinder der Schwangeren Chromosomenanomalien aufweisen. Eine Indikation liegt auch vor, wenn in der Familie vererbbare Muskel- oder Stoffwechselerkrankungen vorkommen.

Für Schwangere, für die keine dieser Indikationen zutrifft, die aber trotzdem unbedingt eine Fruchtwasseruntersuchung wünschen, kann die so genannte Angstindikation in Frage kommen. Die Amniozentese kann dann durchgeführt werden, um eine psychische Belastung der Mutter auszuräumen, die aufgrund der Ungewissheit besteht. Die Gruppe dieser Frauen wächst wie auch die Gruppe der Frauen, die sich bei vorliegender Indikation für die pränatale Diagnostik entscheiden, nicht zuletzt deshalb, weil das Risiko der Methoden pränataler Diagnostik sich durch den medizinischen Fortschritt immer mehr verringert, so dass in der Gesellschaft das Bild entsteht, dass die Inanspruchnahme derartiger Untersuchungen eine Verantwortung ist, die die Mutter für ihr Kind übernehmen sollte (s.u.).Vor allem durch neue nichtinvasive und damit risikoarme Methoden ist noch ein weiterer Zuwachs bei der Inanspruchnahme pränataler Diagnostik zu erwarten. Sicherlich ist bei der Zunahme der Gruppe von Frauen mit Angstindikation auch der Zuwachs an Kapazitäten für die Untersuchung von Bedeutung, sowie die zunehmende Verbreitung des Wissens über die Methoden durch die Medien, was dazu führt, dass Frauen zunehmend Druck auf die Frauenärzte ausüben (s.u.).

Chorionzottenbiopsie

Hier wird der Schwangeren durch die Bauchdecke oder durch die Scheide mit einer

Kanüle Gewebe aus den Chorionzotten entnommen. Dabei handelt es sich um den

kindlichen Anteil an dem Gewebe, aus dem sich später die Plazenta entwickelt. Die

Gewebeentnahme wird unter Ultraschallsicht durchgeführt. Es sind die gleichen Krank-

heiten und Behinderungen diagnostizierbar wie bei der Amniozentese.

Bei dieser Untersuchungsmethode kann aber eine Gewebeentnahme ab der 7. Schwanger-

schaftswoche durchgeführt werden, in der Regel findet sie zwischen der 9.-12. Woche

statt. Für eine Amniozentese ist zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht genügend

Fruchtwasser vorhanden. Bei der Analyse des entnommenen Gewebes besteht gegenüber

der Amniozentese der Vorteil, dass das Ergebnis der Analyse sehr schnell (in der Regel innerhalb einer Woche) vorgelegt werden kann, so dass die Wartezeit, die bei der

Amniozentese circa drei Wochen beträgt, sich erheblich verkürzt, was die psychische

Belastung der Schwangeren durch die Ungewissheit während des Wartens erheblich

verringert.

Da das Ergebnis der Chorionzottenbiopsie früher vorliegt als das der Amniozentese kann eine Abtreibung (falls sich die Frau bei positivem Befund zu dieser entschließt) hier in der Regel vor dem Ablauf der 14. Schwangerschaftswoche in Form einer Ausschabung, die unter Narkose erfolgt, vorgenommen werden. Bei einer Entscheidung zum Abbruch nach der Amniozentese ist dies nicht mehr möglich. Zu diesem Zeitpunkt muss zur Abtreibung eine Fehlgeburt eingeleitet werden. (vgl. Reif 1990). „D.h., die Schwangere, die vielleicht bereits Bewegungen ihres Kindes spürt, erlebt eine Geburt, bei der das Kind keine Überlebenschance hat“[3]. Da es nach der neuen gesetzlichen Regelung (s.u.) keine Frist mehr gibt, innerhalb derer ein Abbruch aufgrund medizinischer Indikation (s.u.) stattfinden muss (früher gab es eine Grenze bei der 22. Schwangerschaftswoche), verstärkt sich die besondere Brisanz des späten Schwangerschaftsabbruchs noch weiter, „wenn bedacht wird, daß das Überleben Frühgeborener ab der 24. Schwangerschaftswoche möglich erscheint.“[4]

Allerdings ist die Chorionzottenbiopsie wegen der Risiken und Nachteilen umstritten und wird weniger häufig vorgenommen. „Das Fehlgeburtenrisiko liegt bei 0,6-0,8%, das Risiko für Frühgeburten bei 9%. Die Chorionbiopsie kann zu Fehlbildungen an Fingern, Zehen, Zunge und Unterkiefer führen. Die Untersuchung wird von vielen Frauen als ausgesprochen unangenehm und schmerzhaft empfunden“[5]

Wichtig ist es, im Blick zu behalten, dass die Schwangere durch die Methoden pränataler Diagnostik und ihre möglichen Konsequenzen eine Behinderung ihres Kindes (z.B. durch eine perinatale Schädigung) nicht ausschließen kann, denn „nur 10% aller Behinderungen sind genetisch bedingt“[6].

Beratung zur pränatalen Diagnostik

Die entscheidende Gemeinsamkeit dieser Untersuchungen besteht darin, dass sie Krankheiten und Behinderungen vorgeburtlich diagnostizierbar machen, die in der Mehrzahl durch Therapie nicht geheilt oder verhindert werden können. Deshalb „geht es letztlich zumeist darum, bei einem auffälligen Befund über einen Abbruch der Schwangerschaft oder aber bewusst über die Austragung eines möglicherweise behinderten Kindes zu entscheiden“[7].Die pränatale Diagnostik bekommt dadurch einen selektiven Charakter und „die betroffenen Frauen und Paare, aber auch die [...] beteiligten Berufsgruppen sind [...] mit ethischen Grenzsituationen [...] konfrontiert“[8]. Aus diesen Gründen sollte die pränatale Diagnostik so konzipiert sein, dass vor der Untersuchung und bei Mitteilung eine positiven Befunds eine ausführliche Information und Beratung der Schwangeren erfolgt. Diese Beratung soll den Eltern eine selbstverantwortliche Entscheidung ermöglichen. Ein wichtiges Prinzip dieser genetischen Beratung ist daher die „Nichtdirektivität“, ein Konzept, das „von der prinzipiellen Entscheidungsautonomie des Patienten bzw. Klienten hinsichtlich der Inanspruchnahme von genetischer Beratung und Diagnostik sowie hinsichtlich der persönlichen Lebens- und Familienplanung aus[geht]“[9]. Der Berater wird „zu umfassender Information und individueller Beratung unter Berücksichtigung von Kenntnisstand, emotionalem Zustand sowie moralischen Einstellungen seines Patienten bzw. Klienten unter Verzicht auf überindividuelle Ziele und Vermeidung jedes direkten oder indirekten Zwanges“[10] verpflichtet. Damit ist genetische Beratung ein „kommunikative[r] Entscheidungsprozeß auf der Grundlage einer möglichst umfassenden Bewertung einer individuellen Situation“[11]. Die Ratsuchenden sind als „handelnde Subjekte sowohl in der Beratungssituation als auch bei den Entscheidungen über Familienplanung und diagnostische Maßnahmen“[12] zu betrachten. Eine so verstandene Beratung schließt immer auch „das Recht auf Nicht-Wissen“[13] ein, d.h. die Betroffenen sollen die Möglichkeit haben, zu bestimmen, inwieweit sie informiert werden wollen. Allerdings kann dieses Recht nicht davor schützen, zur pränatalen Diagnostik persönlich Stellung zu beziehen, denn es gibt keine Möglichkeit mehr, die Augen vor diesem Thema zu verschließen, so dass jede Handlung in Bezug auf diesen Themenkomplex letztlich eine Stellungnahme ist. Durch das Prinzip der Nichtdirektivität ist niemand da, der der Frau, bzw. dem betroffenen Paar die Entscheidung abnimmt, d.h., es besteht die Möglichkeit, autonom zu entscheiden, aber diese Möglichkeit ist gleichzeitig auch ein Zwang, selbst eine Entscheidung zu treffen. Damit muss das „Belastungs- und Konfliktpotential“ der „ethischen Grenzsituationen“ „vorwiegend individuell er- und ausgetragen werden“[14]. Beck- Gernsheim spricht von einem „Handlungs- und Verantwortungsdruck [, der hinein]führt in eine sich selbst steigernde Spirale von Ansprüchen und Erwartungen“[15].

Problematisch ist, dass die Beratungsleistungen besonders vor der pränatalen Diagnostik mit der zunehmenden Selbstverständlichkeit dieser Untersuchungen immer weniger erbracht werden. Das führt dazu, dass „die wenigsten Frauen [...] heute noch vor der PD qualifiziert genetisch beraten“[16] werden. „Immer mehr scheint die Tatsache aus dem Blickfeld zu geraten, dass die Entscheidung über eine Inanspruchnahme genetischer Tests in der PD allein bei der Schwangeren liegt, dass PD nicht automatisch zu erfolgen hat, sondern eine informierte Entscheidung [...] der Schwangeren Vorbedingung für die Durchführung ist“[17].

[...]


[1] (BZgA Forum 1/2-2000; 22)

[2] (Ebenda; 54)

[3] (Reif 1990; 13)

[4] (Willenbring 1999; 32f.)

[5] (BZgA Forum 1/2-2000; 55)

[6] (Lanz- Zumstein in: Neuer-Miebach und Tarneden (Hrsg.) 1994; 103)

[7] (BZgA Forum 1/2-2000; 22)

[8] ( Ebenda)

[9] (Wolff in Zwierlein (Hrsg.) 1996; 98)

[10] (Ebenda; 98f.)

[11] (Ebenda; 100)

[12] (Ebenda)

[13] (Ebenda)

[14] (BZgA Forum 1/2-2000; 22)

[15] (Beck-Gernsheim in: Heil und Albert (Hrsg.) 1990; 67)

[16] (BZgA Forum 1/2-2000;15)

[17] (Ebenda; 15 f)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Welche Bedeutung hat das Angebot der pränatalen Diagnostik für die Schwangere
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Fakultät für Sonderpädagogik)
Veranstaltung
Seminar: Familien mit einem Kind mit geistiger Behinderung: Zur Situation der Mütter, Väter und Geschwister
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V16067
ISBN (eBook)
9783638210164
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Welche, Bedeutung, Angebot, Diagnostik, Schwangere, Seminar, Familien, Kind, Behinderung, Situation, Mütter, Väter, Geschwister
Arbeit zitieren
Christiane Böckelmann (Autor:in), 2003, Welche Bedeutung hat das Angebot der pränatalen Diagnostik für die Schwangere, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16067

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Welche Bedeutung hat das Angebot der pränatalen Diagnostik für die Schwangere



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden