Verwendungsweisen des Wortes "ein" und seine englischen und ungarischen Entsprechungen


Diplomarbeit, 2010

85 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Traditionelle Ansichten zu ein
2.1. Zahlwort, unbestimmter Artikel und Pronomen
2.2. Ein im „Worterbuch" von Hermann Paul
2.3. Ein in neuen deutschen Grammatiken
2.4. One in englischen Grammatiken
2.5. Egy in ungarischen Grammatiken
2.6. Gemeinsamkeiten in den drei Sprachen

3. Etymologischer Exkurs zu one

4. Textgrammatische Verwendung von ein

5. Ein in der Duden-Grammatik

6. Erganzung von Verwendungsweisen von ein
6.1. Dieser eine
6.2. Ein als Nomen
6.3. Die Pluralform von ein
6.4. Vergleichende Ausdrucke mit ein
6.5. Typische Phraseologismen mit ein
6.6. Kurzformen von ein
6.7. Ein und nicht spezifisch verwendete Substantive
6.8. Zu Numeralartikel und Reduzierbarkeit

7. Der unbestimmte Artikel beim Sprachlernen des Kindes
7.1. Jean Piaget uber die Sprache des Kleinkindes
7.2. Textgrammatik in der Schule

8. Statistische Auswertung der Verwendungsweisen von ein, anhand des Romans „Das Parfum" von Patrick Suskind

9. Zusammenfassung

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In den meisten Sprachen gibt es keine Artikel. Im Deutschen, Ungarischen und Englischen gibt es sie aber. In diesen Sprachen unterscheidet man auch noch zwischen dem bestimmten und unbestimmten Artikel, was noch seltener ist. Was aber sehr bemerkenswert und interessant hierbei ist, ist, dass man den Artikelwortern mehrere, zum Teil nicht definierte Verwendungsweisen zuschreiben kann. Das vielleicht Vielfaltigste von allen ist das Wort ein. In den traditionellen Grammatiken ist unter diesem Wort meist nur der unbestimmte Artikel, das Pronomen und das Zahlwort aufgelistet. In manchen neueren Ausgaben wurde diese Liste schon erweitert, wie in der neuesten Duden-Grammatik, aber auch diese kann noch, wie ich in dieser Arbeit zeigen werde, mit zahlreichen Erscheinungsformen erganzt werden. Ziel dieser Arbeit ist aber nicht, alle moglichen Verwendungsweisen von ein zusammenzutragen, sondern lediglich die alt bekannte These zu problematisieren, das ein nur als Artikel, oder Zahlwort oder Pronomen fungieren kann.

Da fur mich kontrastive Grammatik schon immer am spannendsten war und um ein umfassenderes Bild dieses Themas zu liefern, werde ich an Stellen, wo es mir moglich ist, eine kontrastive Betrachtungsweise bevorzugen. Da ich neben meiner ungarischen Muttersprache uber ausreichende Englischkenntnisse verfuge, habe ich mich fur eine deutsch- ungarisch-englische Herangehensweise entschieden. So mochte ich an den entsprechenden Stellen auch die englischen und die ungarischen Aquivalente nennen und soweit es im Rahmen dieser Arbeit moglich ist, sie auch erklaren bzw. begrunden.

Im ersten Teil dieser Arbeit mochte ich eine Ubersicht uber die - fur mich erreichbare - Fachliteratur liefern, damit wir die Gemeinsamkeiten und eventuelle Unvollkommenheiten in den einzelnen Grammatiken zum Thema ,Verwendungsweisen von ein' zusammenfassen konnen. Deshalb mochte ich mich auch mit diesem Thema kontrastiv befassen und so die Werke ungarischer und englischer Autoren nicht aufter Acht lassen. Da wir in den verschiedenen deutschen, ungarischen und englischen Grammatiken eine relativ beschrankte und homogene Palette von Verwendungsweisen auffinden werden, ist es auch im Rahmen dieser Arbeit moglich, eine etwas ausfuhrlichere Beschreibung dieser Verwendungsweisen zu liefern. Im nachsten Kapitel meiner Arbeit mochte ich eine sprachhistorische Analyse des Wortes ein vorfuhren. Wie wir sehen werden, sind in allen drei Sprachen, im Deutschen, Englischen und auch im Ungarischen die indefiniten Artikel, etymologisch gesehen, aus dem Zahlwort ein entstanden. Hierbei werde ich mehrere Quellen analysieren, um eventuelle Fehler und Unterschiede aufzudecken und ein umfassenderes Bild zu liefern. Im darauffolgenden Teil dieser Arbeit werde ich das Wort ein im textgrammatischen Kontext untersuchen. In diesem Fall werden wir auch grofte Ahnlichkeit mit dem englischen a und dem ungarischen egy feststellen konnen, namlich, dass diese in Kombination mit einem Gattungsnamen als typische Substituenda fungieren. Wieso das so ist, werde ich noch spater in dieser Arbeit klaren. Selbstverstandlich werde ich auch hier verschiedene Grammatiken zum Thema miteinander vergleichen, um Ubereinstimmungen und Unterschiede zu zeigen.

Nachdem wir das Thema aus historischer, textgrammatischer und traditioneller Perspektive behandelt haben, konnen wir mit dem eigentlichen Hauptteil beginnen. Einen wichtigen Ausgangspunkt meiner Recherche bildet eine sehr gut zum Thema passende, aber leider nicht vollstandige Tabelle in der 12. Ausgabe der Duden-Grammatik. Sie geht weit uber die traditionellen Ansichten hinaus und bringt zahlreiche andere, insgesamt 11, Beispiele fur die Verwendungsweisen von ein. Wie wir aber in dieser Arbeit sehen werden, konnen wir noch andere, zum Teil noch undokumentierte Verwendungen nennen. Da ich auf deutschsprachige Bekanntschaft verzichten muss, werde ich mich auf moderne Medien wie Rundfunk, Internet und naturlich auch auf traditionelle Medien wie Bucher und Zeitungen stutzen. Im Kapitel 6 werden wir also Ausdrucksweisen und neue Ansichten zu ein zusammentragen, die bis heute noch nicht in den Grammatiken berucksichtigt werden. Unter anderem werden wir darauf eingehen, ob es eine nominale Verwendung von ein im Deutschen und Ungarischen gibt. In diesem Kapitel werden wir auRerdem noch die Pluralform von ein behandeln, was, wie wir wissen, ein umstrittenes Thema der deutschen Grammatik darstellt. Um ein umfassenderes Bild des Themas zu liefern, werden wir noch darauf eingehen, wann ein im mundlichen Sprachumgang zu n' reduziert werden kann und wann die Vollform obligatorisch ist. Im Weiteren werden wir noch typische Phraseologismen, also Mehrworteinheiten mit ein behandeln. Im Kapitel 7 werden wir uns mit Textgrammatik und ihre Didaktik beschaftigen und zeigen mit welchen Aufgaben man Textgrammatik uben kann. Als Letztes werden wir noch eine kleine statistische Auswertung der einzelnen Verwendungsweisen von ein durchfuhren, um genau zu sehen, welches die haufigsten Gebrauchsformen und welches die weniger gebrauchten Verwendungsweisen von ein sind. Usualitat und grammatische Korrektheit werde ich als die zwei wichtigsten Kriterien betrachten, um ungebrauchliche und fehlerhafte Ausdrucke mit ein zu vermeiden.

Nachdem wir die oben genannten Ziele, Motivationen, und Arbeitsschritte geklart haben, konnen wir nun mit der eigentlichen Arbeit beginnen.

Traditionelle Ansichten zu ein

Um eine kleine Einfuhrung in das Thema zu geben, mussen wir zuerst die gangigen Ansichten zu den Funktionen von ein zusammentragen, die in den meisten (Schul)Grammatiken vertreten sind. Wenn wir einige dieser Grammatiken betrachten, konnen wir feststellen, dass sie relativ homogene Auffassungen zu ein aufweisen, die zum Teil seit mehreren Jahrzehnten nicht verandert wurden. Die klassische Dreiteilung der Funktionen von ein konnen wir schon in einem Worterbuch finden, die 1825 erschienen ist. Zuerst mussen wir aber die verwendeten Grundbegriffe dieser Arbeit klaren.

2.1. Zahlwort, unbestimmter Artikel und Pronomen

Da wir in dieser Arbeit oft die Begriffe Zahlwort (oder Zahladjektiv), unbestimmter Artikel und Pronomen erwahnen werden - da das die meist gebrauchten Verwendungsweisen von ein sind - mussen wir naturlich zuerst eine Definition zu diesen liefern, um eventuellen Missverstandnissen vorzubeugen. Da diese Definitionen universal sind, ist es nicht von Noten, sie in alien drei Sprachen zu definieren, eine Sprache reicht vollig. Zu diesem Zweck werden wir also nur die Definitionen in Langenscheidts „Neue Deutsche Grammatik" untersuchen. Sehen wir uns also an, was in dieser Grammatik zu Zahladjektiv geschrieben ist.

Ein besonderer Typ von Adjektiven sind die Zahladjektive; nach ihrer Form und Leistung kann man zwei Gruppen von Zahlen unterscheiden:

1. die Grundzahlen; sie bezeichnen eine Anzahl und/oder eine Menge (Frage nach der Anzahl: wie viele?;und 2. die Ordnungszahlen (Ordinalzahlen); sie geben eine Reihenfolge an.[1]

Wenn wir also von einem Zahlwort oder Zahladjektiv sprechen, dann meinen wir eine Wortart, die entweder eine Anzahl, Menge oder Reihenfolge angibt. Da sich ein als Zahlwort und ein als unbestimmter Artikel formal und auch in syntaktischer Stellung gleichen, dient demnach zur Unterscheidung der beiden die Betonung.[2]

Sehen wir uns nun an, was wir unter,unbestimmter Artikel' verstehen:

Zur Wortart Artikel zahlen Worter, die in Verbindung mit einem Nomen stehen und dieses naher bestimmen. Es wird unterschieden zwischen bestimmtem Artikel, unbestimmtem Artikel sowie dem sogenannten Nullartikel (...) Der Artikel setzt das Gemeinte zum Horerwissen in Beziehung und markiert etwas als individuell bekannt („Gib mir mal die Uhr"), generell bekannt („die Sonne" als Unikum, „der Mensch" als Gattung), aktuell noch unbekannt („Ein Mann betrat die Kneipe") oder Exemplar einer Art („Ein Fisch hat Kiemen"). Artikel werden (...) zu den Determinativen/Determinanten gezahlt. Sie sind wesentlicher Bestandteil einer Nominalphrase. Grammatisch konnen im Deutschen Kasus, Genus und Numerus am Artikel angezeigt sein: „die Frau" im Nominativ und Akkusativ, „der Frau" im Genitiv und Dativ.[3]

Wie wir also sehen konnen, markiert der deutsche unbestimmte Artikel etwas als generell bekannt (hat also eine generische Verwendung) oder aber zeigt an, dass etwas zurzeit noch unbekannt ist. Daneben zeigt er auch noch die grammatischen Kategorien Kasus, Genus und Numerus an. Der englische und ungarische unbestimmte Artikel hat dieselben Funktionen wie der deutsche, mit dem Unterschied, dass bei ihm keine grammatischen Kategorien angezeigt werden. Ein anderer Unterschied zwischen den unbestimmten Artikeln der drei Sprachen besteht darin, dass der englische und ungarische unbestimmte Artikel nicht reduzierbar sind, wogegen der deutsche zu n' reduziert werden kann. Mit diesem Thema werden wir uns aber noch ausfuhrlicher im Kapitel 6 dieser Arbeit beschaftigen.

Eine andere interessante Eigenschaft des deutschen unbestimmten Artikels ist, dass er, im Gegensatz zu seiner ungarischen Entsprechung, mit kein negiert werden kann, wie auch im Englischen mit no. Zu diesem Zweck verwendet man einen sogenannten Negativ-, oder wie Eisenberg [2000:168] formuliert, einen Negationsartikel.

Zusammengefasst konnen also wir sagen, dass es aufterst fragwurdig ist, ob kein wirklich eine Negation des unbestimmten Artikels darstellt, zumindest aus textgrammatischer Sicht. Es kann aber auch, wie der (deutsche) unbestimmte Artikel flektiert werden und zeigt so auch grammatische Kategorien an. Kein hat auch eine Pluralform, namlich keine. Nachdem wir also eine Definition zu Zahlwort und Artikel gegeben haben, mussen wir nun klaren, was wir genau unter Pronomen verstehen. In der Langenscheidt-Grammatik steht Folgendes:

Pronomen sind ein Worttyp, dem von vornherein kein spezifischer Bedeutungsinhalt zugewiesen werden kann; denn Pronomen sind Bezugsworter, d. h., sie werden erst im Redezusammenhang mit Bedeutungsinhalten „aufgefullt". Andererseits aber sind Pronomen wichtige Funktionsworter, die im Satz besondere Aufgaben haben: so stellen sie den Bezug zu bereits Erwahntem, zu Bekanntem her, und sie erfullen im Satz Strukturaufgaben. Nach diesen Aufgaben unterscheidet man: Personal-, Reflexiv-, Frage-, Demonstrativ-, Relativ-, Possessiv- und unbestimmte Pronomen.[4]

Wie wir also sehen konnen, sind den Pronomen solche Worter zuzuordnen, die ihre Bedeutung erst im Kontext erhalten, wie am folgenden Beispiel zu sehen:

Peter kam heute vorbei. Er hat dir etwas mitgebracht.

Peter came along today. He brought you something Peter benezett ma hozzam. (0) hozott neked valamit.

Wie wir sehen konnen, verweist in diesem Satz er auf Peter; in einem anderen Satz aber hatte es eine andere Referenz. Wie an diesem Beispiel auch zu sehen ist, verweisen Pronomen meistens auf bekannte und schon erwahnte Dinge und sind so wichtige Folgenennungen in allen drei Sprachen.

2.2. Ein im „Worterbuch" von Hermann Paul

Nachdem wir ausfuhrlich geklart haben, was Zahlwort, unbestimmter Artikel und Pronomen sind, sehen wir uns einmal an, was in dem fast 200 Jahre alten Worterbuch von Hermann Paul bei ein zu finden ist:

1 Den Charakter eines Zahlwortes behauptet es deutlich, solange es im Ggs. zu anderen Zahlen oder auch zu kein steht, wobei es immer volltonig ist; (...) als Uhrzeitangabe in der Funktion eines Adjektivs (...) kann der Fall eintreten, dass sich ein mit derselbe, der namliche, der gleiche beruhrt: „Sie sind an einem Tage geboren";

2 (...) hat den Charakter eines unbestimmten Pronomens. Substantivisch gebraucht, beruhrt sich mit jemand und man.(...) „Was soil einer dazu sagen?" (...) unsereiner i.S.v. >einer wie ich< (...) partitives Verhaltnis zu einem folgenden Substantiv (einer der Manner) (...)

3 (...) im adjektivischen Gebrauch, was man den unbestimmten Artikel zu nennen pflegt. Dieser hat kein volles Tongewicht, sondern ordnet sich dem dazugehorigen Substantiv unter. (...) hat doppelte Funktion, (...) bezieht sich entweder auf ein einzelnes (...) bestimmtes Exemplar der Gattung, oder auf ein beliebiges Exemplar derselben: ein Kind begegnete uns - ein Kind kann das noch nicht begreifen.[5]

Wie wir diesem Worterbuchartikel entnehmen konnen, ist die Dreiteilung der Verwendungsweisen von ein - also dass ein als Artikel, Zahlwort und Pronomen fungiert - keine neue Entdeckung. Doch obwohl der oben zitierte Artikel sehr gut ausgearbeitet ist, ist er nicht umfassend und verlangt deshalb nach einer Erganzung. Bei der pronominalen Verwendung wird hier, wie wir auch im Kapitel 4 bei der Duden-Grammatik sehen werden, nur das Indefinitpronomen gebracht, und die nominale Verwendung fehlt auch hier. Dass diese langst uberfalligen Erganzungen seit mehr als 200 Jahren nicht stattgefunden haben, werden wir im nachsten Teil dieser Arbeit sehen, am Beispiel der Langenscheidt- Grammatik.

2.3. Ein in neuen deutschen Grammatiken

Sehen wir uns zuerst mehrere deutsche Grammatiken an. Wenn man in der Langenscheidt-Grammatik unter ein nachschlagt, kann man Folgendes finden:

Ein- dient als unbestimmter Artikel; der unbestimmte Artikel steht vor Nomen und ihren vorangestellten Attributen; ist stets unbetont und lehnt sich im mundlichen Ausdruck eng an das folgende Wort an; (...) der unbestimmte Artikel hat keinen Plural; das Nomen steht in Plural ohne Artikel; (...) es ist das „verblasste" Zahladjektiv ein-; signalisiert, dass das folgende Nomen eine unbekannte, noch nicht genannte Person/Sache ist, die mit dem folgenden Nomen sachlich eingeordnet, klassifiziert wird.

Das Zahladjektiv eins ist mit dem unbestimmten Artikel ein- formal identisch; es unterscheidet sich lediglich in mundlichen AuRerungen; (...) es nimmt Kasuszeichen oder Attributzeichen an und (...) richtet sich nach dem naturlichen Geschlecht der Person(...).[6]

Wie wir also aus dieser Definition entnehmen konnen, steht der unbestimmte Artikel vor Nomen, ist immer unbetont, hat keinen Plural und ist aus dem verblassten Zahladjektiv entstanden. Aufterdem hat ein die Funktion, noch nicht Bekanntes oder nicht Genanntes anzuzeigen. Zu der letzteren, textgrammatischen Funktion, namlich, dass der unbestimmte Artikel als einleitendes Element in Kombination mit anderen Elementen fungiert, kommen wir noch spater im Kapitel 3 zuruck. Die anderen, im Zitat genannten Eigenschaften konnen wir aber gut anhand der folgenden Beispiele veranschaulichen:

a) Ich mochte eine neue grune Jacke.
b) Das schenke ich einem Freund.
c) Ich mochte neue grune Stifte.
d) Ich mochte einen neuen grunen Stift.

Am Beispiel a) konnen wir sehr gut sehen, dass obwohl der Artikel und das Substantiv untrennbar sind, zwischen ihnen noch verschiedene Adjektive und andere Erganzungen stehen konnen, die sich auf das Nomen beziehen. Anhand des Beispiels b) kann man sehen, das ein- nicht nur die grammatische Kategorie Genus, sondern auch Kasus anzeigt. Wie wir bei Beispiel c) feststellen konnen, ist das Nomen im Plural artikellos, steht also mit einem Nullartikel. In seltenen Fallen aber kann man einen Artikel bei Nomen im Plural feststellen, wo ein auch eine Pluralform aufweist. Und eben dieses Phanomen wird von der Langenscheidt-Grammatik nicht hervorgehoben bzw. gesehen. Wir kommen darauf noch im Kapitel 5.1 zuruck.

Am Beispiel d) konnen wir veranschaulichen, dass ein in demselben Satz als Artikel und als Zahlwort fungieren kann. Die Unterscheidung zwischen den beiden liegt in der Betonung[7], es kann aber in einigen Fallen auch vom Kontext her entschieden werden. Wird auf die Frage geantwortet

A: Wie viele neue grune Stifte mochtest du?
B: Ich mochte einen.,

kann man mit Sicherheit sagen, dass es sich bei einen um ein Zahlwort handelt. Wird aber die Frage gestellt

A: Ich gehe einkaufen; willst du, dass ich dir etwas mitbringe?
B: Ich mochte einen grunen Stift.,

kann man, auch ohne auf die Betonung zu achten, feststellen, dass es sich bei diesem ein um einen Artikel handelt. Auf diese (falsche) Aussage werden wir aber noch spater zuruckkommen.

Da die Langenscheidt-Grammatik ein representatives Buch der deutschen Gegenwartsgrammatik ist, konnen wir behaupten, dass die obigen Ansichten sie herrschende Meinung wiedergeben.

In Langenscheidts Neue Deutsche Grammatik konnen wir unter dem Eintrag ein- aufter dem unbestimmten Artikel und Grundzahlwort (oder nach der Langenscheidt-Grammatik Zahladjektiv) auch noch das Pronomen finden:

„ein- usw., bezieht sich als Pronomen auf zuvor genannte Personen/Sachen und wird nur als Satzglied verwendet; es nimmt das Kasuszeichen an, das seiner Funktion in einer vorgegebenen Satzstruktur entspricht. (...) Wird zuvor keine Person/Sache genannt, bezieht sich das Pronomen ein- nur auf Personen. Bei der neutralen Genusklasse bezieht sich ein- auf Sachverhalte (...)."

Diese Aussage wird naturlich weitergefuhrt und erganzt mit speziellen Fallen und speziellen Funktionen, die aber fur uns in diesem Kontext unwichtig sind. Es muss aber auf jeden Fall angemerkt werden, dass diese Definition ungenau und auch irrefuhrend ist. Erst einmal muss hervorgehoben werden, dass ein- als Pronomen, wenn zuvor keine Person oder Sache genannt wird, sich nicht nur auf Personen bezieht, was etwa in dem Beispiel

Die Jungen haben nur das eine / eines im Sinn, FuBballspielen.

deutlich wird. Abgesehen davon konnen wir noch einen weiteren Mangel feststellen, namlich dass nicht erwahnt wird, dass syntaktisch gesehen Pronomen, und so auch ein- als Pronomen, nicht nur fur Nomen, sondern meist fur Nominalphrasen und auch fur ganze Satzglieder stehen.[8] Das wird besonders klar, wenn wir uns die in dem Buch aufgelisteten Beispiele ansehen:

A: Hast du einen Fuller? B: Ja ich habe einen.

A: Dort liegen Bucher. B: Das eine davon gehort mir.

Ich sage dir eins, dem Erich darfst du nicht vertrauen.

Beim ersten Beispiel konnen wir klar sehen, dass einen nicht nur fur Fuller steht, sondern fur einen Fuller. Hier ersetzt also das Pronomen ein eine ganze Nominalphrase. Wurde es aber heiften

Hast du einen roten Fuller mit gelber Miene? Ja ich habe einen.

wurde man mit Recht zogern, einen als Ersetzung von einen Fuller zu bezeichnen. In diesem Falle ist es, denke ich, klar, dass einen roten Fuller mit gelber Miene ersetzt wurde.

Im zweiten Fall ersetzt aber eine auch nicht nur Bucher, sondern eine von den Buchern und steht somit wiederum nicht nur anstelle eines Nomens. Alle Nomina konnen auRerdem noch verschiedene Erganzungen haben, zum Beispiel rote. Wenn ein Nomen mit Erganzungen auftritt, dann ersetzt ein den ganzen Ausdruck, zum Beispiel eines der roten Bucher.

Beim dritten Beispiel ist die Tatsache, dass ein meistens nicht nur fur ein Nomen steht, am besten zu sehen. In diesem Fall steht ein namlich fur einen ganzen Teilsatz. Und eben diese Erscheinung ist in der Langenscheidt-Grammatik nicht angesprochen, obwohl sie viel ofter vorkommt als die Ersetzung eines einzigen alleinstehenden Nomens durch ein Pronomen. Es muss also auf jeden Fall hinzugefugt werden, dass ein und so auch Pronomen im Allgemeinen in den meisten Fallen nicht nur anstelle eines einzigen Nomens stehen, sondern auch fur Phrasen und sogar fur ganze Satze und Teilsatze.

In den deutschen Grammatiken ist anscheinend Nichts uber eine nominale Verwendung von ein vorhanden. Wenn wir aber nachdenken, existiert sie trotzdem, genau wie im Englischen. In der Alltagssprache wird das Eine oft als Synonym fur Geschlechtsverkehr verwendet, wie am folgenden Beispiel zu sehen:

Es ist aufterdem noch ein philosophischer Grundbegriff[9]. Zu dieser nominalen Verwendung kommen wir aber noch im Kapitel 5 zuruck.

2.4. One in englischen Grammatiken

Wenn wir unter one in einigen englischen Grammatiken oder Worterbuchern nachschlagen, werden wir feststellen, dass dessen Funktionen denen des deutschen ein stark ahneln. Es ist auch kein Wunder, das one dieselben Funktionen hat wie ein, da das Deutsche und Englische zu derselben germanischen Sprachfamilie gehoren. Im Longman­Dictionary zum Beispiel konnen wir unter dem Eintrag one Folgendes finden:

One: Number: "They had one daughter."(...) Pronoun: (Plural ones) used to mean someone or something has already been mentioned or is known about (...) determiner: used to emphasize a particular person or thing (...) adjective: meaning 'only'(...) noun: paper money (...) one dollar.

Wie wir also sehen konnen, fehlt im Englischen die Verwendung von one als unbestimmter Artikel im klassischen Sinne. Als Grundzahlwort ist die Verwendung aber mit dem deutschen ein vollig identisch:

A: How many children do you have? B: I have one boy. (Wie viele Kinder hast du? Ich habe einen Jungen.)

Als Pronomen wird one wie auch ein dann verwendet, wenn es um etwas Bekanntes geht, wie auch am Beispiel a) zu sehen ist. Es wird aber auch oft in der Bedeutung von man als Pronomen gebraucht, wie im Beispiel b). Im Beispielsatz c) konnen wir den Plural von one beobachten, was auch ins Deutsche mit dem Plural einen ubersetzt wird:

a) There were several men involved in the fight. One was heavily injured.

(Es waren mehrere Manner in den Kampf verwickelt. Einer wurde schwer verletzt.)

b) One can never know. (Man kann nie wissen.)

c) These are the ones, we are very proud of. (Das sind die, auf welche wir stolz sind.)

Wie auch das deutsche ein wird one auch fur Personen verwendet (meist in altmodischem britisch english), deren Verhalten sehramusant ist:

You are a one! (Du bist mir eine(r)! Pl.: Ihr seid mir welche[10] !)

Als Bestimmungswort (Determinator) wird es in manchen Fallen ahnlich wie der deutsche unbestimmte Artikel verwendet.

This was one thing I was worrying about. (Das war eine Sache, worum ich mir Sorgen machte.)

One morning it suddenly stopped raining. (An einem Morgen horte es plotzlich aufzu regnen.)

One wird auch vor den Namen solcher Personen benutzt, die man nicht personlich kennt oder von denen man noch nie gehort hat:

He was accused of stealing a horse from one Peter Wright.[11] (Er war des Diebstahls eines Pferdes von einem gewissen Peter Wright beschuldigt.)

Im Englischen ist eine Verwendung von one als (Zahl)Adjektiv auch moglich, ganz wie im Deutschen, wie am folgenden Beispiel zu sehen ist:

Her one concern was to run as fast as she could. (Ihr einziger Gedanke war es, so schnell zu laufen, wie sie nur konnte.)

Und schlieftlich kann one auch als Nomen im (amerikanischen) Englisch verwendet werden. Als solches fungiert es als Synonym fur „Ein-Dollar- Note". (Im Deutschen 1st ein ahnliches Nomen aus hundert entstanden, Hunni, das fur eine Hunderternote steht):

I don't have any ones. (Ich habe keine ein Dollar Scheine.)

2.5. Egy in ungarischen Grammatiken

Auch wenn wir egy in ungarischen Grammatiken und Worterbuchern nachschlagen, konnen wir Folgendes finden:

„egy: toszamnev (hangsulyos)(...) jelentes: teljesen: egy cseppig; osztatlan egesz: egy darabban; ugyanaz, azonos: egy velemenyen van; egy izben vagy rovid ideig: setal egyet"

„egy: hatarozatlan nevelo (hangsulytalan)(...) jelentes: meg nem emlitett vagy ismeretlen szemely/targy/dolog; idohatarozo elott hatarozatlansag kifejezesere: pl. egy este; hatarozatlan mennyiseget jelento szo elott: egy keves viz; fajfogalmat jelolo koznev elott: Egy kisgyermektol ezt ne vard; hasonlitast nem tartalmazo, nem nevszoi allitmany elott: O (egy) okos ember.[12]

Wie wir hieraus entnehmen konnen, sind auch in der ungarischen Sprache die beiden Hauptfunktionen von egy unbestimmter Artikel und Grundzahlwort. Einen Eintrag uber eine pronominale Verwendung konnte ich nicht finden, obwohl sie auch im Ungarischen existiert. Die Unterscheidung zwischen Grundzahlwort und Artikel findet, wie auch im Deutschen und Englischen anhand der Betonung statt; die syntaktische Stellung spielt aber im Ungarischen eine entscheidende Rolle, wie an folgenden Beispielen zu sehen ist:

Vettem egy orat.

Egy orat vettem.

Talalkoztam egy ismerossel a boltban.

Egy ismerossel talalkoztam a boltban.

In den ersten beiden Satzen ist egy eindeutig unbetont und demnach ein Artikel, wogegen es in den beiden letzteren betont ist, und somit - den traditionellen Grammatiken nach - ein Zahlwort.

Die Hauptfunktion von egy als Grundzahlwort ist naturlich, wie in alien Sprachen, die Indikation der Quantitat. Man kann es in dieser Funktion in Kombination mit verschiedenen MaReinheitenverwenden:

Egy orakor talalkozunk. (Wir treffen uns um ein Uhr.)

Egy kilo paprikat legyen szives! (Ein Kilo Paprika, bitte!)

Egy euroert vettem. (Ich habe es fur ein Euro gekauft.)

Ahnlich dem Deutschen und Englischem zeigt egy eine Art Vollkommenheit in der Quantitat bzw. Stuckzahl an, in dem Sinne, dass die Menge vollkommen verbraucht ist:

A harcosok egy szalig odavesztek. (Die Krieger sind bis auf bis auf das letzte Mann gefallen.)

Egy (darab) sem hianyzott. (Kein Stuck fehlte.)

Egy gomboc se maradt nekem. (Mir blieb kein Knodel ubrig.)

Eine andere Verwendung von egy als Grundzahlwort im Ungarischen ist, dass es in Kombination mit darabban (in einem Stuck) anzeigt, dass das besprochene Objekt oder Person unbeschadigt und heil ist.

Egy darabban erkezett meg a lampa. (Die Lampe kam heil an.)

Nekem egy darabban gyere haza. (Komm mir (ja) heil nach Hause.)

In anderen Kontexten hat egy die Funktion anzuzeigen, dass es sich um dasselbe Objekt, dieselbe Sache usw. handelt. Diese Funktion ist ubrigens, wie schon erwahnt, im Deutschen und Englischen auch zu beobachten:

Egy szobaban lakunk a kollegiumban. (Wir wohnen in einem (=ein und demselben) Zimmer im Studentenheim.)

Egyre gondoltunk. (Wir dachten an eines (=ein und dasselbe).)

Egy csonakban evezunk. (Wir sitzen in einem (=ein und demselben) Boot.)

Egy nyelvet beszelunk. (Wir sprechen eine (=ein und dieselbe) Sprache.)

Egy als Grundzahlwort kann auch anzeigen, dass etwas, meist eine Freizeitbeschaftigung auf kurzere Zeitdauer stattfindet:

Megyek, focizok egyet. (Ich gehe (mal) FuRballspielen.)

Gyorsan uszott egyet ebed elott. (Er ging noch schnell schwimmen vor dem Mittagessen.)

Die Hauptfunktion von egy als unbestimmter Artikel ist, wie bei dem deutschen und englischen unbestimmten Artikel, anzuzeigen, dass die besprochene Person/Sache noch nicht erwahnt oder unbekannt ist:[13]

Tegnap este egy szarvas atugrott a keritesen. Szerencsere sikerult elzavarni a szarvast mielott kart tett volna a kertben.(Gestern Abend sprang ein Hirsch uber den Zaun. Glucklicherweise gelang es uns den Hirsch wegzuscheuchen, bevor er Schaden anrichten konnte.)

[...]


[1] Griesbach 1990, S. 309

[2] Dass zur Unterscheidung von Zahlwort und Artikel die Betonung dient, werden wir noch im Kapitel 6.8 widerlegen, zunachst bleiben wir aber bei dieser These.

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_%28Wortart%29 (gesehen am: 08.02.2010)

[4] Griesbach 1990, S. 325

[5] Paul 2002, S. 251-252

Griesbach 1990, S. 352-353

[7] Diese Behauptung der traditionellen Grammatiken werden wir spater in dieser Arbeit problematisieren, ohne uns hier damit auseinanderzusetzen.

[8] vgl. Canisius 2008, S. 34

[9] vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Eine

[10] Hierbei handelt es sich auch um die Pluralform von ein.

[11] Longman Dictionary S. 354

[12] vgl. Magyar Ertelmezo Nagyszotar, S. 1322

[13] Wenn die besprochene Person/Sache schon bekannt ist oder im Text wieder aufgenommen wird, so verwendet man den bestimmten Artikel a. Zu dieser Funktion ausfuhrlicher im Kapitel 3.

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Details

Titel
Verwendungsweisen des Wortes "ein" und seine englischen und ungarischen Entsprechungen
Hochschule
Pécsi Tudományegyetem  (Philosophische Fakultät - Lehrstuhl für germanistische Sprachwissenschaft)
Veranstaltung
Kontrastive Linguistik
Note
1
Autor
Jahr
2010
Seiten
85
Katalognummer
V160597
ISBN (eBook)
9783640768653
ISBN (Buch)
9783640769056
Dateigröße
791 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kontrastiv, Zahlwörter, ein, Artikel, one, Pronomen
Arbeit zitieren
Milán Győrfi (Autor:in), 2010, Verwendungsweisen des Wortes "ein" und seine englischen und ungarischen Entsprechungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160597

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