Zu: Malte Dahrendorf - Lesesozialisation und Kinder- und Jugendliteratur


Seminararbeit, 2003

22 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
- Was ist Sozialisation?
- Einführung ins Thema nach M. Dahrendorf

B. Hauptteil
1. Thesen des Aufsatzes „Lesesozialisation und KJL“
2. Sprachbildung im Vorschulalter
3. Bedingungen der Lesesozialisation
C. Schluss
Mein persönliches Statement

D. Literaturverzeichnis

A. Einleitung

Bei der Erarbeitung meiner Hausarbeit stellt sich für mich als Erstes die Frage:

Was ist Sozialisation?

Sozialisation (lat. sociare verbinden, vereinigen; engl. socialization). Prozess, in dessen lebenslangen Verlauf ein Individuum über die kulturspezifischen Regulationen seiner Bedürfnisbefriedigung, den alltäglichen Umgang mit Familienangehörigen und anderen Bezugspersonen, über Lernprozesse im System der gesellschaftlichen Instanzen sowie als Teil bzw. Nutzer von gesellschaftlichen Institutionen die mehrheitlich anerkannten Kriterien für erfolgreiches bzw. erwünschtes und weniger erfolgreiches bzw. unerwünschtes Verhalten, die wesentlichen Verständigungsmittel und ein daran orientiertes Repertoire von Einstellungen und Verhaltensmustern erwirbt. Aufgrund dieser vielfältigen Erfahrungen und Lernprozesse wird das Individuum zum Mitträger einer Kultur, so dass das alltägliche Verhalten für die meisten Lebenssituationen im Einzelnen überwiegend sozial programmiert ist. Dies stabilisiert Individuum und Gesellschaft und sichert außerdem Kommunikation und Kontinuität. Das Individuum wird zur soziokulturellen Persönlichkeit. Die Sozialpsychologen sprechen von der Internalisierung einer Kultur. Mit zunehmendem Alter wächst durch subjektive Spontaneität und äußere Anregungen die Ausbildung der individuellen Urteilskraft, also das Vermögen des Individuums, den Prozess der kulturellen Regelung und Stabilisierung seines Verhaltens zu reflektieren, Alternativen, Widersprüche und Wandlungen zu erkennen, Konflikte zwischen sozialen Erwartungen und subjektiven Standards zu fällen. Im Sozialisationsprozess ist das Individuum folglich nicht Objekt der soziokulturellen Beeinflussungen, vielmehr ist es von Anbeginn an der Gestaltung seiner soziokulturellen Persönlichkeit beteiligt. Diese wachsende aktive Teilnahme der Individuen an der Sozialisation ist unabdingbare Voraussetzung für jeden kulturellen Wandel. Die Sozialwissenschaften betrachten den Prozess der Sozialisation differenziert (Soziabilisierung, Enkulturation, Personalisation, Akkulturation). Erziehung wird als absichtlicher, formalisierter und kontrollierter Teilprozess der Sozialisation verstanden.[1]

Einführung ins Thema nach M. Dahrendorf

Seit 15 bis 20 Jahren befasst man sich nun mit dem Thema der Leseförderung. Der gefürchtete Rückgang der „Lesekultur“ aufgrund einer ungünstigen Konsumhaltung und der neuen elektronischen Medien ist hierfür der Grund.

Die Frage, die gestellt wird lautet: „Warum lohnt es sich, sich für das Lesen einzusetzen und wie sind die Chancen am besten um zum „Leser“ zu werden. Bei der Beantwortung dieser Frage muss man stets im Auge behalten, dass es geschlechtsspezifische Ursachen gibt, die nicht veränderbar sind.

Natürlich hegt man die Hoffnung, dass Mädchen und Jungen ihre Lesefähigkeit nutzen, um fiktionale und poetische Literatur zu rezipieren.

Im folgenden geht M. Dahrendorf näher darauf ein, was Lesesozialisation heißt, welche Bedeutung dabei der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) zukommt und ob man die historischen Hintergründe nutzen kann, um die heutige Situation zu verstehen.

Danach werde ich weiter auf den Schlussaspekt von M. Dahrendorf eingehen. Nämlich auf die Frage welche Rolle Eltern/Familie und Schule in der Lesesozialisation spielen.

B. Hauptteil

1. Thesen des Aufsatzes „Lesesozialisation und Kinder- und Jugendliteratur“

Lesekultur im Zivilisationsprozess

Lesekultur ist ein Teil der Schriftkultur. Sie setzte sich zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert durch. Man muss also die Veränderungen in dieser Zeit betrachten, wenn man die Entwicklung verstehen möchte.

- Das Maschinenwesen und die Industrie entsteht.
- Die Familienstruktur und das Kindheitsbild ändern sich grundlegend.
- Es entwickeln sich sprunghafte Fortschritte im Zivilisationsprozess, wodurch sich auch verschiedene Einstellungen und Wertvorstellungen verschieben.

Dieser Prozess ist ein Zweischneidiger, da der Fortschritt auch Verluste bringt:

- Verlust von Unmittelbarkeit, Nähe, Spontaneität und Sinnlichkeit.
- Die Oralkultur – Fähigkeit des Erzählens – geht deutlich zurück.

Was also hat die Schriftsprache gebracht?
- Die Sprache wurde zum bewussten Gestaltungsmittel.
- Dieser reflexive Gebrauch erklärt die kognitivierende Wirkung der Schrift, ohne die das Zweckmäßigkeitsdenken der Aufklärung undenkbar gewesen wäre.
- Schriftsprache fördert die individuellen Entwicklungschancen und die Emanzipation.

Lesen heißt Abstand nehmen zu realen Prozessen und Eintauchen in die Distanz zur Realität, um Kritik zu ermöglichen. Allerdings erfordert es auch Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle.

Durch die Lesefähigkeit erhoffte man sich eine zivilisierende Funktion und tatsächlich wurde Lesen zu einem wesentlichen Element des Zivilisationsprozesses.

Lesen in der Mediengesellschaft

Schriftlichkeit heißt sich etwas vorstellen, mit Gedanken und Vorstellungen Bildern entgehen. Wenn man also auf unmittelbare „Befriedigung“ angewiesen ist, so wird man wohl durch die elektronischen Medien einfacher und schneller „befriedigt“, als durch das Lesen eines Textes oder Buches.

Neil Postman (1985) fragt in diesem Zusammenhang, ob wir uns nicht „zu Tode“ amüsieren und Elisabeth Noelle-Neumann (1978) stellt aufgrund des von ihr beobachteten Wertewandels der westdeutschen Gesellschaft fest: Wir werden alle Proletarier – es gibt keine Bereitschaft zu warten, wodurch auch die Bereitschaft zu Lesen nachlässt.

Forscher der Studie zur Lesesozialisation stellen fest, dass sich das Verhalten dahingehend verändert, dass wir uns wieder der vor-aufklärerischen oralkulturellen Unmittelbarkeit nähern.

Bonfadelli/Fritz und Köcher haben allerdings das Lesen als Basiskompetenz bezeichnet, da ohne das Lesen auch das Nutzen der neuen Medien nicht möglich ist. Die neuen Medien bieten zwar größere „Ausweichmöglichkeiten“ an, doch das Lesen wird in unterschiedlichem Maße doch zu einer wichtigen Basis.

Neil Postman beklagt ein „Verschwinden der Kindheit“, was er auf die immense Reichweite der neuen Medien zurückführt. Zwar haben diese auch Kinder aus ihrem Ghetto geholt, doch bewirken sie auch eine Angleichung der Generationen auf Kosten der kognitiv-moralischen Reife.

Um vor dieser Entwicklung zu einer geistig zurückgebliebenen Gesellschaft zu schützen, muss das Lesen also schnellstens gefördert werden.

Erhaltung der Lesekultur ist nicht nur für die individuellen Entfaltungschancen wichtig sondern auch von immenser gesamtgesellschaftlichter Bedeutung.

An dieser Stelle möchte ich M. Dahrendorf zitieren:

„Lesefähigkeit – zerlegt in die beiden Komponenten Kompetenz und Motivation – ist, so kann ich zusammenfassen, auch und gerade heute noch grundlegend, um dem Einzelnen aufgeklärtes Verhalten und Emanzipation zu ermöglichen, um zu einem aktiven, selbstbestimmenden, distanzierten, zur Kritik fähigen Mediengebrauch zu führen und den gesamtgesellschaftlichen Demokratisierungsprozess zu fördern.“

Viele Sozialhistoriker haben die Tatsache, dass nur „Anspruchsvolles Lesen“ akzeptiert wurde und mit dem Aufkommen des Lesens auch alles gleich literaturdidaktisch auseinanderdividiert wurde, dafür verantwortlich gemacht, dass Lesen niemals wirklich populär wurde.

Es wurde nicht für das Lesen an sich, sondern für das Lesen von bestimmten Texten geworben. Das lustvolle Lesen war also verpönt.

Diesem Lustaspekt kommen die heutigen Medien besser nach, denn sie sind mit weniger „Mühe, Pflicht und Anstrengung“ verbunden, als das Lesen, was eine weitaus größere Motivation hervorbringt.

Kinder- und Jugendliteratur in der Lesesozialisation

Kinder- und Jugendliteratur ist Zielgruppenliteratur – speziell für Kinder und Jugendliche verfasst oder aus nicht KJL entstanden – sie wurde und wird auch intentionale KJL genannt.

Die Diskussion über ihre Legitimität ist nach wie vor der Knackpunkt, denn es gibt da folgende Auffassung: „..., dass aus „Absichten“ keine „Literatur“ entstehen kann und dass man auf spezielle Leserschaften keine Rücksicht nehmen dürfte, sondern nur dem Werk und dem Gegenstand verpflichtet sei.“

Es gibt Autoren, wie z.B. Erich Kästner, die sowohl für junge, als auch für ältere Leser schreiben und hierbei auch deutliche Unterschiede erkennbar machen.

Die Frage, worauf man die KJL definiert, spitzt sich allerdings zu, wenn man den künstlerisch-literarischen Aspekt beider Bereiche miteinander vergleicht.

M. Dahrendorf geht nach Beleuchtung der Diskussion hier nun davon aus, dass KJL ein Bereich der Literatur mit Sonderstatus ist und somit auch spezielle Kriterien benötigt, was wiederum unmöglich ist ohne den Begriff der Kindheit und damit das Generationsverhältnis zu berücksichtigen. Hierbei eröffnet sich das Problem, dass es keine einheitliche Kindheitsvorstellung gibt und selbst wenn diese veränderbar ist, besonders im sozialen Wandel.

Was also ist KJL nun zusammengefasst nach M. Dahrendorf?

„KJL ist ein Produkt der verstärkten Zuwendung zur Kindheit und Jugend – wie überhaupt die Pädagogik; aber es wurden nicht nur Rücksichten genommen auf kindliche Bedürfnisse, sondern es wurde auch Kontrolle ausgeübt, erzieherisch Einfluss genommen, so dass zumindest immer die Gefahr einer „Schwarzen Pädagogik“ (Rutschky) bestand. KJL bezog sich auf Kinder und Jugendliche, war ohne sie nicht denkbar, half sie aber auch mit prägen und mit hervorbringen.“

Heute ist man der Meinung, dass Kinder- und Jugendliteratur den Einstieg in die Literatur ermöglicht, da sie ein Kompromiss aus Oralität und Literalität ist.

Die authentische Wirklichkeit wird von KJL Autoren immer wieder betont. Durch langsames Abstrahieren der Handlung wollen sie den unerfahrenen Leser Stück für Stück dazu bringen das Phantastische der Erwachsenenliteratur zu begreifen.

„Kästner vermischt zum Beispiel seine reale Person derart mit seiner Erfindung „Emil und die Detektive“, dass der ungeübte Leser annehmen muss, der Autor habe seine Geschichte tatsächlich „auf der Straße“ gefunden.“

Man kann nicht verschweigen, dass sich hinter all dem ein Wertedilemma versteckt, denn KJL heißt im Lesen Ungeübte ansprechen, was dazu führt, dass das Produkt nicht von sehr hohem literarischen Rang sein kann.

Kritikern muss allerdings immer wieder vor Augen gehalten werden, dass KJL nicht auf hohe Maßstäbe achtet, sondern auf die Funktion. Die da wäre: Jungen Leuten eine Brücke zum Lesen zu bauen.

Dies unterstützend hat Bettina Hurrelmann in der Studie „Lesesozialisation“ herausgefunden, dass unter dem Aspekt des Gewinns von Leseinteresse die „literarische Qualität der Bücher [...] nahezu irrelevant“ sei (S. 33, s.a. S. 44 und S. 79, auch Bd. II, S. 320).

Das Fazit dieser Überlegungen ist für Malte Dahrendorf folgendes:

„Für die Lesesozialisation ist es daher wichtiger, dass es die KJL überhaupt gibt, dass es die in vielen Anspruchs- und Schwierigkeitsstufen gibt und dass sich die verschiedenen Entwicklungsstufen auf der Leserseite darin wiederfinden (...). Das heißt, dass nach Abschluss des möglichst zugleich motivierenden Leselernprozesses Erreichbares und Interessantes zur Verfügung steht, um die gewonnene Kompetenz erproben zu können.“

[...]


[1] Vgl. Begriff „Sozialisation“. In: H. Schaub & K. G. Zenke: Wörterbuch Pädagogik. München 20004.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Zu: Malte Dahrendorf - Lesesozialisation und Kinder- und Jugendliteratur
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Deutsch)
Veranstaltung
Proseminar: Kinder- und Jugendliteratur
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V16008
ISBN (eBook)
9783638209694
ISBN (Buch)
9783656205722
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Malte, Dahrendorf, Lesesozialisation, Kinder-, Jugendliteratur, Proseminar, Kinder-, Jugendliteratur
Arbeit zitieren
Madeleine Wagner (Autor:in), 2003, Zu: Malte Dahrendorf - Lesesozialisation und Kinder- und Jugendliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16008

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