„Lilla rosa och långa leda“ – Eine Märchenanalyse nach Max Lüthi


Seminararbeit, 2008

14 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der literarischen Gattung Märchen. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Untersuchungen von Max Lüthi, genauer: auf seinen Erkenntnissen über Form und Wesen des europäischen Volksmärchens. Lüthi begründet seine Forschungen auf Quellen aus 15 Sprachbereichen Europas. „Es soll versucht werden, die Wesenszüge des europäischen Volksmärchens zu zeichnen. Dabei wird nicht eine vergleichende Charakteristik der einzelnen völkischen Ausprägungen angestrebt, sondern im Gegenteil die Grundform gesucht, die ihnen allen gemeinsam ist. […] Wir suchen das, was das Märchen zum Märchen macht. Der Typus kommt in der Wirklichkeit nie rein vor.“ (Max Lüthi: Das europäische Volksmärchen, S. 7. Im Folgenden werden Zitate unter der Sigle „EVM“ im Text nachgewiesen).

Ich werde zunächst kurz auf die von Lüthi herausgearbeiteten Stilelemente Eindimensionalität und Flächenhaftigkeit sowie Isolation und Allverbundenheit eingehen, die unter dem Begriff abstrakter Stil zusammengefasst werden können. Im Verlauf der Arbeit werden auch die zwei Strukturmerkmale Einsträngigkeit und Mehrgliedrigkeit der Handlung dargestellt.

Im Hauptteil der Arbeit soll die Theorie Anwendung in der Praxis finden. Ich werde ein Märchen dahingehend analysieren, inwiefern sein Stil und seine Elemente den von Lüthi postulierten entsprechen.

2. Das europäische Volksmärchen

Lüthi scheidet das Märchen in seinem Wesen und seiner Intention von Sage und Legende. Er stellt fest, dass die Faszination des Märchens in seiner Art und Weise liegt, Motive und Stoffe aneinanderzufügen. Nicht der Inhalt macht das Märchen aus, sondern die Form, die „Gestalt“ (vgl. ebd. S. 6). Lüthi möchte das Märchen daher als Kunstform verstanden wissen, der eine Autonomie der Komposition eigen ist. Die Eigenarten, die diese Kunstform ausmachen, also die Gemeinsamkeiten, die alle europäischen Märchen aufweisen, hat Lüthi festgehalten und erläutert. Dies sind grundlegende Struktur- und Stilmerkmale, sowie inhaltliche Elemente, die zum Teil sehr eng miteinander zusammenhängen, sich gegenseitig unterstreichen und ineinander übergehen. Lüthi stützt seine Untersuchungen auf Volksmärchen aus im weitesten Sinn europäischem Raum.

Eindimensionalität ist einer der Hauptbegriffe: es gibt im Märchen nur eine Welt, zu der auch das Jenseits gehört; das Numinose ist das Selbstverständliche, nur räumlich Ferne (vgl. ebd. S. 8 - 12). Im Märchen bewegen sich Menschen und „Jenseitige“ in derselben Dimension, sie begegnen Ihnen nicht mit Staunen oder Erschrecken. Auch Neugier, wie und warum die Wesen anders sind, zaubern oder sprechen können, ist dem Märchenhelden und den Nebencharakteren fremd.

Flächenhaftigkeit zeichnet die Elemente des Märchens aus. Nicht nur Dinge und Körper werden flächenhaft gezeichnet, sondern auch die Darstellung der Innen- und Umwelt, der Beziehungen von Mensch und Tier, die der Zeit ist flächenhaft. Es gibt keine Tiefe, weder zeitlich noch psychologisch (vgl. ebd. S. 13 - 24).

Entscheidendes Wesensmerkmal des Märchens ist der abstrakte Stil. Das Märchen scheint, wenn auch phantasievoll, auf die Wirklichkeit zu referieren. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es in hohem Maße wirklichkeitsfern und abstrahiert ist. Dies betrifft unter anderem die Handlung: Es überwiegen Formeln, Extreme werden hervorgehoben, Wunder geschehen (vgl. ebd. S. 25 - 36).

Ebenso wesentlich und Ausdruck des abstrakten Stils ist die Doppelheit von Isolation und Allverbundenheit. Märchenfiguren berühren sich nur als Handelnde, darüber hinaus gibt es keine Beziehungen, weder zwischenmenschlich noch mit dem eigenen Inneren, auch nicht mit Vor- oder Nachzeitigem (vgl. ebd. S. 49). Scharfe Konturen unterstützen die Isolation. Das ergänzende Gegenstück der Isolation ist die Allverbundenheit. „Nur was nirgends verwurzelt, weder durch äußere Beziehung noch durch Bindung an das eigene Innere festgehalten ist, kann jederzeit beliebige Verbindungen eingehen und wieder lösen. Umgekehrt empfängt die Isolation erst ihren Sinn durch die allseitige Beziehungsfähigkeit, ohne sie müssten die äußerlich isolierten Elemente haltlos auseinanderflattern“ (ebd.).

Sublimation und Welthaltigkeit beschäftigt sich mit der Herkunft der Märchenmotive und wie im Märchen eine Entleerung und Umwandlung stattfindet (vgl. ebd. S. 63 – 75). Da dies jedoch weit über den Ereignishorizont der Handlung und über die Struktur des Märchens hinausgeht und tief in die Referenzialität der Motive hinein, würde dies hier zu weit führen und soll daher außen vor gelassen werden.

3. Lilla Rosa och långa Leda

Ich möchte nun untersuchen, inwiefern die Kriterien Lüthis auf ein bekanntes skandinavisches Märchen zutreffen und ziehe dazu das Märchen „Lilla Rosa och långa Leda“ heran. Ich lege einen schwedischen Primärtext zugrunde, da dieser aber nur in einer Ausgabe von 1976 verfügbar war, zum Vergleich eine deutsche Übersetzung von 1848.

Die Verschriftlichung, Ausarbeitungen und eventuelle Umgestaltungen, die der Text erfahren hat, beeinträchtigen dabei nicht seinen Grundcharakter als Märchen, so dass eine Anwendung der Ergebnisse von Lüthi auf den ausgewählten Text gerechtfertigt ist.

Den Anfang des Märchens könnte man als klassisch bezeichnen, er ist jedem, der mit Märchen vertraut ist, wohlbekannt. Er hat zugleich einen formelhaften Charakter: „Det var en gång en kung och en drottning, som hade en enda dotter.“ (Lilla Rosa och långa Leda, S. 54. Im Folgenden werden Zitate unter Verwendung der Sigle „LR“ im Text nachgewiesen). Die Einführung erfolgt in Kürze: die einzige Tochter Rosa, genannt lilla Rosa, ist sowohl schön als auch gut, ein jeder mag sie. Doch ihre Mutter stirbt und eine neue Königin zieht ein, mitsamt ihrer Tochter Leda, die das komplette Gegenteil von Rosa ist. Die Einführung des Milieus sowie die Beschreibung des Vorgangs der Wiederverheiratung sind stark verknappt. Was eigentlich Tod, Leid, Beerdigung, Trauerzeit usw. umfasst, findet in einem Satz Ausdruck. Weder zeitlich noch psychologisch geht die Beschreibung in die Tiefe, sondern bleibt an der Oberfläche. Die alten und neuen Umstände, die Umgebung und die und die Figuren werden bloß „benannt“ (vgl. EVM S. 26), an näherer Beschreibungen wird also gespart um sogleich zur Handlung überzugehen. Solches unterstreicht nach Lüthi die scharfen Konturen, die den Elementen des Märchens zueigen sind. Sie fransen nicht durch ausufernde Beschreibungen aus und stehen so klar und deutlich nebeneinander und sind so Teil der flächenhaften Darstellungen (vgl. ebd. S. 23) ebenso wie der Isolation (ebd. S. 37). Diese „Flächenhaftigkeit“ macht Lüthi auch für Gefühle und Persönlichkeitseigenschaften von Personen stark, die selten beim Namen genannt werden (ebd. S. 15). Die Königin und långa Leda werden wörtlich als „avundsjuka“ (LR S. 54) gegenüber lilla Rosa bezeichnet, doch das ist kein Widerspruch. Denn Gefühle und Eigenschaften werden genau dann benannt, wenn sie für die Handlung relevant sind. (EV S. 15) Auf der Eifersucht der Stiefmutter beruht in diesem Fall im Grunde die gesamte Handlung, sie ist nicht nur auslösendes, sondern auch vorwärtstreibendes Moment. Ebenso wichtig ist im weiteren Verlauf die immer wieder im Gegenzug angeführte Milde und Güte Rosas, die sie stets zeigt. Über Rosas innere Gefühle gegenüber der Situation erfahren wir jedoch nichts, nur über ihr gefälliges Verhalten, was die Königin umso mehr erzürnt. (LR S. 55) So schickt sie eines Tages - eine weitere Formel: „Det hände sig så en dag [...]“ (ebd.) - Rosa in den Wald, eine vergessene Axt zu holen. Was genau sie damit bezweckt, wird nicht klar. Wir kennen Ihren Antrieb, nicht aber den Zweck, den sie verfolgt. Will sie sie nur demütigen oder hofft sie, dass Rosa etwas zustößt? Die folgende Szene macht sehr schön gleich mehrere von Lüthis Märchenkriterien deutlich.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
„Lilla rosa och långa leda“ – Eine Märchenanalyse nach Max Lüthi
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Skandinavische Märchen
Note
2,0
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V159475
ISBN (eBook)
9783640721481
ISBN (Buch)
9783640721955
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Märchenanalyse, Lüthi
Arbeit zitieren
Anonym, 2008, „Lilla rosa och långa leda“ – Eine Märchenanalyse nach Max Lüthi, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159475

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