Lou Andreas-Salome - Emanzipation durch Individualität


Seminararbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Eine ungewöhnliche Frau erkämpft sich ihre Freiheit

3. Weibliche Vielschichtigkeit im Werk der Lou Andreas-Salomé
3.1 Verarbeitung des Gottesverlust – Im Kampf um Gott
3.2 Kindbleiben um jeden Preis - Ruth
3.3 Frauenbefreiung vs. Frauenversklavung: Fenitschka/Eine Ausschweifung
3.4 Der Mensch als Weib

4. Emanzipation ohne Gleichberechtigung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen des Proseminars Literarische Darstellung und Selbstdarstellung von Frauen untersuchte ich das Leben und Werk der Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé, die zu ihrer Zeit innerhalb der Frauenbewegung eine wichtige Rolle spielte. Bei meiner Untersuchung ihres Frauenbildes zeigte sich, dass Lou Andreas-Salomé eine recht widersprüchliche Einstellung zur Emanzipation hatte, denn einerseits führte sie ein modernes Leben, finanziell unabhängig von ihrem Mann, andererseits stellte sie in manchen ihrer Werke ein geradezu rückständiges Bild der Weiblichkeit dar. Diese widersprüchliche Einstellung möchte ich in dieser Hausarbeit anhand von verschiedenen Werken, die auch Belege verschiedener Entwicklungsstufen der Schriftstellerin sind, aufzeigen und den Hintergrund beleuchten. Zur Unterstützung meiner Untersuchung beschäftigte ich mich mit den Werken Im Kampf um Gott, Ruth, Fenitschka/ Eine Ausschweifung, der Autobiographie Lebensrückblick sowie verschiedenen Biographien und Veröffentlichungen zu Lou Andreas-Salomé.

Um einen Einblick in das Leben der Schriftstellerin zu geben beginne ich die Hausarbeit mit einer kurzen Biographie. Im zweiten Kapitel gehe ich auf die bereits erwähnten Werke ein und analysiere die aufgezeigten Frauenfiguren. Die beiden Schlusskapitel bieten eine Zusammenfassung meiner Ergebnisse.

2. Eine ungewöhnliche Frau erkämpft sich ihre Freiheit

Louise von Salomé wurde am 12. Februar 1861 in Sankt Petersburg als einzige Tochter von insgesamt sechs Kindern eines russischen Generals geboren. Obwohl das Elternhaus zu den intellektuellen und vornehmen Kreisen gehörte, distanzierte sich Lou Andreas-Salomé, wie sie nach ihrer Hochzeit hieß, schon früh von der höheren Gesellschaft und zeigte kein Interesse am gesellschaftlichen Leben.

Bereits mit sechzehn Jahren trat Lou Andreas-Salomé aus Glaubensgründen aus der protestantischen Kirche aus, eine Folge ihrer Auseinandersetzung mit philosophischen und existentiellen Fragen. Dieser frühe Abfall vom Gottesglauben wird von Lou Andreas-Salomé in ihrem Lebensrückblick als das Trauma ihrer Kindheit bezeichnet. Auf der Suche nach Antworten lernte sie den liberalen Theologen Hendrik Gillot kennen, der zu ihrem Lehrmeister wurde.

Nach einem Heiratsantrag des wesentlich älteren Gillot, der Lou Andreas-Salomé entsetzte, fing sie 1880 ein Studium in Zürich an. Sie besuchte unter anderem Vorlesungen in den Fächern Religionsgeschichte sowie Theologie und wurde von ihren Professoren aufgrund ihres Lerneifers sehr geschätzt. Doch schon nach zwei Semestern musste sie das Studium abbrechen. Ihr Körper hielt der starken geistigen Belastung nicht stand und sie wurde schwer krank. Sie begann mit ihrer Mutter Reisen zu unternehmen, auf denen sie bekannte Persönlichkeiten kennen lernte, unter anderem Nietzsche. Mit Rée gründete sie in Berlin eine platonische Lebensgemeinschaft, die jahrelang bestand. Erst als sie sich 1886 in den Orientalisten Friedrich Carl Andreas verliebte und diesen bereits ein Jahr später heiratete, endete die Freundschaft zu Rée. Auch die Ehe zu Andreas blieb bis zum Ende rein platonisch, Andreas musste diese Bedingung akzeptieren, um Lou Andreas-Salomés Heiratsversprechen zu erhalten.

Nach einigen Auseinandersetzungen in der Ehe begann Lou Andreas-Salomé allein auf zahlreiche Reisen zu gehen. Sie hatte Kontakt zu vielen intellektuellen Größen ihrer Zeit und wurde eine angesehene Schriftstellerin. 1897 lernte sie auf einer Reise nach München den damals 21-jährigen René Maria Rilke kennen, der sie bereits sehr bewunderte und schätzte. Es begann eine heimliche Liebesbeziehung. Lou Andreas-Salomé und Rilke unternahmen gemeinsame Reisen, unter anderem 1898 und 1899 nach Russland. Im Jahr 1903 zog das Ehepaar Andreas nach Göttingen, wo Lou Andreas-Salomé bis zu ihrem Tod lebte. Als Fünfzigjährige begleitete sie einen ihrer Liebhaber (Poul Bjerre) auf einen psychoanalytischen Kongress und

begegnete erstmals Sigmund Freud. Begeistert von dessen Tiefenpsychologie vertiefte sie sich in autodidaktische Studien der Psychoanalyse und wurde eine anerkannte und von Freud sehr geschätzte Mitarbeiterin. Die Arbeit als Psychoanalytikerin ging Lou Andreas-Salomé bis zu ihrem Lebensende nach. Sie starb 1937 in ihrem Haus in Göttingen an einem langjährigen Herzleiden.

3. Weibliche Vielschichtigkeit im Werk der Lou Andreas-Salomé

Lou Andreas-Salomé war zur Jahrhundertwende eine angesehene Schriftstellerin, die zahlreiche Texte verfasste und diese in hohen Auflagen verkaufte. Nach ihrem Tod verschwand sie vom Buchmarkt und wurde erst in den späten Siebzigern bzw. Anfang der Achtziger im Zusammenhang mit dem Feminismus wiederentdeckt. Allerdings wurde sie hierbei lediglich auf ihre Position in der Frauenbewegung hin analysiert und je nach Standpunkt des Autors/ der Autorin zur Antifeministin abgestempelt oder als Pionierin des Feminismus gefeiert.

Unabhängig davon, welche Position Lou Andreas-Salomé einnahm, muß man anerkennen, dass ihr Werk einen bemerkenswerten Umfang und große Vielfalt aufweist. Es umfasst belletristische und kunstkritische, kultur- und religionsphilosophische Arbeiten, unzählige Studien zur Psychoanalyse und Romane. Posthum erschien ihre Autobiographie Lebensrückblick [1].

Zentrales Thema ihrer Erzählungen und Romane ist das Problem des neuen weiblichen Selbstverständnisses, das von Lou Andreas-Salomé in vielen verschiedenen Varianten durchgespielt wird. Sie legt den Standpunkt ihrer Protagonistinnen nicht fest, es kommt sogar vor, dass sich innerhalb eines Romans die Meinung von einem Extrem ins andere entwickelt. Ein gutes Beispiel hierfür ist Eine Ausschweifung, worauf ich in dem Kapitel 3.3 näher eingehen werde. Auffällig ist, dass die meisten Protagonistinnen zumindest finanziell von ihren Männern unabhängig sind und oft zugunsten der Freiheit, ein eigenes Leben führen zu können, auf familiäres Glück verzichten. Trotzdem kann man nicht feststellen, dass der von Lou Andreas-Salomé beschriebene Frauentyp sich ständig wiederholt. Im Gegenteil sind es die unterschiedlichsten Erscheinungsformen von Frauenschicksalen, die ohne Bewertung dargestellt werden, denn sie will keine Idealfrau vorstellen, sondern auf die Fülle von Möglichkeiten hinweisen, die es für Frauen gibt, um ihre Ideale auszuleben.[2]

Auch wenn in ihren Werken völlig unterschiedliche Frauen vorkommen, mit Standpunkten, die alle Facetten zwischen Unterwerfung und Emanzipation abdecken, lassen sich oftmals autobiographische Zusammenhänge feststellen.

3.1 Verarbeitung des Gottesverlustes: Im Kampf um Gott

In der Erzählung Im Kampf um Gott [3] sind starke autobiographische Bezüge vorhanden, obwohl die Hauptfigur männlich ist. Lou Andreas-Salomé schrieb es unter dem Pseudonym Henri Lou, in Anlehnung an Hendrik Gillot, damit ihre Familie nicht „mit hineingezogen werde“[4]. Zentrales Thema ist der Glaubensverlust, den der Protagonist Kuno schon als Jugendlicher erleidet. Auf dem Weg der Selbstfindung befreit er sich von den Traditionen seiner Religion und den moralischen Zwängen seiner Umgebung. Auch sonstige für Lou Andreas-Salomés Seelenleben relevante Themen sind in diesem Buch enthalten, weshalb Linde Salber es als „Vorgestalt der späteren Erzählungen und Essays“[5] einschätzt.

Interessant sind die drei Frauenschicksale, die in Kunos Leben wichtige Rollen spielen: die Jugendfreundin Jane, die Studentin Margherita und seine Tochter Marie.

Jane ist eine „tugendhafte Frau von natürlicher Weisheit“, die über den „tradierten Wirkungskreis der Frau [hinausdrängt], ohne jedoch einen neuen zu finden“[6]. In der Biographie von Peters wird Jane als fanatische Idealistin“ bezeichnet, in deren Natur es liegt, „ein Ideal zu bewundern, zu verehren, zu vergöttern, darin sieht sie die Religion des Weibes“[7]. Sie wird von ihrem Ehemann verlassen und stürzt sich in die Liebe zu Kuno. Bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Marie stirbt sie. Sie ist der Prototyp der masochistischen Frau, die sich völlig von der Liebe eines Mannes abhängig macht und ohne diese nicht leben kann.

[...]


[1] Lou Andreas-Salomé: Lebensrückblick. Grundriss einiger Lebenserinnerungen, fünfte Auflage, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel-Verlag, 1968.

[2] Heidi Gidion, Brigitte Rempp, Inge Weber: Lou Andreas-Salomé – vom Gehen auf eigenen Füßen. Wirkung, Leben, Werk und Bedeutung der Schriftstellerin und Psychoanalytikerin. Vortrag vom 26. Oktober 1989 im niedersächsischen Landtag, hrsg. Der Präsident des Niedersächsischen Landtages, Druck: Hahn-Druckerei, Hannover März 1990

[3] Henri Lou: Im Kampf um Gott, zitiert nach Christophe Solioz: Literarische und psychoanalytische Seelenforschung bei Lou Andreas-Salomé. Genf 1998, in: http://www.christophesolioz.ch/1992avant

[4] Andreas-Salomé, Lebensrückblick, S. 88

[5] Linde Salber: Lou Andreas-Salomé. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1990, S. 39

[6] Salber, Lou Andreas-Salomé, S. 39

[7] H.F. Peters: Lou. Das Leben der Lou Andreas-Salomé, München: Kindler Verlag, 1962 S. 144

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Lou Andreas-Salome - Emanzipation durch Individualität
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Philologie 1)
Veranstaltung
Thematisches Proseminar
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V15852
ISBN (eBook)
9783638208604
ISBN (Buch)
9783638686884
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Andreas-Salome, Emanzipation, Individualität, Thematisches, Proseminar
Arbeit zitieren
Natacha Olbrich (Autor:in), 2002, Lou Andreas-Salome - Emanzipation durch Individualität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15852

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