Markenpolitik im schienengebundenen Personenverkehr

Eine qualitative Untersuchung aus der Perspektive des Unternehmens Thalys International SCRL


Masterarbeit, 2010

504 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung deutsch und englisch

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Markenpolitik
2.1 Homo Oeconomicus als Ausgangspunkt der Markenpolitik
2.2 Definition des Begriffs „Markenpolitik“
2.3 Definition des Begriffs „Marke“
2.4 Markenwahrnehmung und ihre Determinanten
2.4.1 Markenidentität und -image
2.4.1.1 Markenidentität
2.4.1.2 Behavioral Branding
2.4.1.3 Markenimage
2.4.2 Markenarchitektur
2.4.2.1 Einzelmarkenstrategie
2.4.2.2 Familienmarkenstrategie
2.4.2.3 Dachmarkenstrategie
2.4.2.4 Mehrmarkenstrategie
2.4.2.5 Markentransferstrategie
2.5 Kulturelle Implikationen der Markenpolitik
2.5.1 Machtdistanz
2.5.2 Individualismus vs. Kollektivismus
2.5.3 Maskulinität vs. Feminität
2.5.4 Unsicherheitsvermeidung
2.5.5 Langzeitorientierung vs. Kurzzeitorientierung
2.6 Besonderheiten der Markenpolitik im Dienstleistungsbereich
2.6.1 Konstitutive Merkmale von Dienstleistungen
2.6.2 Der Marketingmix im Dienstleistungsbereich (7 Ps)
2.6.2.1 Leistungspolitik (= Product & Process)
2.6.2.2 Preispolitik (= Price)
2.6.2.3 Distributionspolitik (= Place & Physical Facilities)
2.6.2.4 Kommunikationspolitik (= Promotion & Personnel)

3 Das Unternehmen Thalys International SCRL
3.1 Unternehmensrechtliche Aspekte
3.2 Das Streckennetz
3.3 Das Kundenprofil
3.4 Der Fuhrpark
3.5 Vorstellung der Dienstleistungsmarke „Thalys“ anhand der 7 Ps
3.5.1 Leistungspolitik (= Product & Process)
3.5.2 Preispolitik (= Price)
3.5.3 Distributionspolitik (= Place & Physical Facilities)
3.5.4 Kommunikationspolitik (= Promotion & Personnel)
3.6 Wettbewerbssituation des Unternehmens

4 Empirische Untersuchung der Markenwahrnehmung von Thalys
4.1 Problemaufriss
4.2 Die Critical Incident Technique
4.3 Aufbau des Interviewleitfadens
4.4 Stichprobenplan
4.5 Darlegung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
4.5.1 Leistungspolitik (= Product & Process)
4.5.2 Preispolitik (= Price)
4.5.3 Distributionspolitik (= Place & Physical Facilities)
4.5.4 Kommunikationspolitik (= Promotion & Personnel)
4.5.5 Allgemeine Beschreibung der Marke
4.5.6 Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse
4.5.6.1 Kundenzufriedenheit
4.5.6.2 Trennschärfe zur intramodalen Konkurrenz
4.5.6.3 Ergebnis im Hinblick auf die Kulturdimensionen

5 Kritische Würdigung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Markenwahrnehmung durch den Konsumenten

Abb. 2: Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagements

Abb. 3: Komponenten der Markenidentität

Abb. 4: Markenpersönlichkeit und menschliche Persönlichkeit

Abb. 5: Wertekette des Behavioral Branding

Abb. 6: Komponenten des Markenimages

Abb. 7: Drei Ebenen der Einzigartigkeit in der mentalen Programmierung des Menschen

Abb. 8: Das „Zwiebeldiagramm“: Manifestation der Kultur auf verschiedenen Tiefenebenen

Abb. 9: Verteilung der Eigenschaften bei Sach- und Dienstleistungen

Abb. 10: Konstitutive Merkmale von Dienstleistungen

Abb. 11: Besonderheiten der Markenpolitik für Dienstleistungen

Abb. 12: Die 4 Ps und die 7 Ps im Dienstleistungsmarketing

Abb. 13: Durchschnittliche Umsatzaufteilung Thalys nach den angeboten Strecken

Abb. 14: Bedeutende Kennzahlen von Thalys

Abb. 15: Übersicht des Hochgeschwindigkeitszugsangebots zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden

Abb. 16: Schienenverkehrsnetz in der Euregio Maas-Rhein

Abb. 17: GAP-Modell der Dienstleistungsqualität

Abb. 18: Altersstruktur der Stichprobe in absoluten Zahlen

Abb. 19 Reiseanlass der Stichprobe in absoluten Zahlen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Zusammenfassende Darstellung der relativen Ausprägungen der verschiedenen Kulturdimensionen in Prozent

Tab. 3: Preise & Konditionen der wichtigsten Thalys-Tarife

Tab. 4: Stichprobenzusammensetzung nach Geschlecht und Nationalität

Tab. 5: Stichprobenzusammensetzung nach Interviewart und Nationalität

Tab. 6: Allgemeine Assoziationen zur Leistungspolitik von Thalys

Tab. 7: Vor- und Nachteile der Leistungsdifferenzierung von Thalys in „Confort 1“ und „Confort 2“

Tab. 8: Vor- und Nachteile des Caterings in Confort 1

Tab. 9: Vor- und Nachteile der Lounges

Tab. 10: Vor- und Nachteile der Thalys-Bar

Tab. 11: Vor- und Nachteile der Zusatzreservierungen

Tab. 12: Vorteile einer Direktverbindung und Nachteile des Umsteigens

Tab. 13: Vor- und Nachteile der Prozessgestaltung

Tab. 14: Allgemeine Vor- und Nachteile der Preispolitik

Tab. 15: Vor- und Nachteile des Globalpreises

Tab. 16: Vor- und Nachteile der Erstattungsregelung von Thalys

Tab. 17: Genannte Tarife und zugehörige Konditionen von Thalys

Tab. 18: Vor- und Nachteile des Kundenbindungsprogramms Thalys – The Card

Tab. 19: Allgemeine Kritikpunkte an der Distribution

Tab. 20: Zur Verfügung stehende Websites sowie die zugehörig buchungsausführenden Websites der betrachteten Länder

Tab. 21: Vor- und Nachteile der internetbasierten Buchung

Tab. 22: Vor- und Nachteile der telefonischen Buchung

Tab. 23: Vor- und Nachteile der personal-ortsgebundenen Buchung

Tab. 24: Vor- und Nachteile der Buchung über den Fahrkartenautomat

Tab. 25: Vor- und Nachteile von ticketless

Tab. 26: Allgemeine Vor- und Nachteile der Ausstattung von Thalys

Tab. 27: Vor- und Nachteile der Ausstattung der Thalys-Bar

Tab. 28: Vor- und Nachteile der Ausstattung von Confort 2

Tab. 29: Allgemeine Kritikpunkte an der Kommunikation

Tab. 30: Vor- und Nachteile von Thalys.mobi

Tab. 31: Vor- und Nachteile des Bordmagazins Thalyscope

Tab. 32: Verbesserungsanregungen hinsichtlich der Kommunikation

Tab. 33: Vor- und Nachteile des Personal von Thalys

Tab. 34: Alleinstellungsmerkmale der Marke Thalys

Tab. 35: Allgemeine Vor- und Nachteile der Marke Thalys

Tab. 36: Abgrenzung Flug- und Schienenverkehr aus Sicht von Thalys

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Thalys ist eine Dienstleistungsmarke im schienengebundenen Personenverkehr. Das Unternehmen ist rechtlich gesehen ein Joint Venture der Deutschen Bahn (DB), der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS sowie der französischen Staatsbahnen SNCF. Die Deutsche Bahn (DB) sowie die französischen Staatsbahnen SNCF bieten unter den Marken ICE (DB) und TGV (SNCF) jedoch Dienstleistungen an, die sich mit denen der Marke Thalys teilweise überschneiden – die Strecke Brüssel-Köln beispielsweise wird sowohl durch den ICE als auch durch den Thalys bedient. Thalys, ICE und TGV stehen daher in einer Konkurrenzsituation. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nun die Frage, wie die Marke Thalys von den Kunden subjektiv wahrgenommen wird. Dies soll anhand einer qualitativen Befragung von Kunden des Thalys ermittelt werden und geschieht vor dem Hintergrund folgender Überlegung: Die Konkurrenzsituation ist aus Perspektive des Unternehmens Thalys suboptimal, eine Bündelung der Dienstleistungen aller drei Marken auf die eine Marke Thalys erscheint sinnvoll – jedoch nur dann, wenn die Marke Thalys als eigenständige Marke mit starker Überlegenheit bei der Erfüllung der Kundenbedürfnisse (= Superiorität) wahrgenommen wird. Davon ausgehend müsste also die Marke Thalys die Kundenbedürfnisse genauso gut oder besser erfüllen können als jede Marke für sich bzw. alle zusammen. Die wahrgenommene Superiorität der Marke Thalys wäre also die zwingend notwendige Voraussetzung, um eine Bündelung des heutigen Dienstleistungsangebots auf Thalys als wirtschaftlich sinnvoll ansehen zu können. Um die Frage nach der Superiorität der Marke Thalys prüfen zu können, wird die subjektive Wahrnehmung der Marke Thalys in dieser Arbeit anhand einer qualitativen Untersuchung ermittelt, die jedoch nur einen Vorstudiencharakter haben kann.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Hauptabschnitte: Der erste Hauptabschnitt ist Kapitel 2, in dem die theoretischen Grundlagen der Arbeit dargelegt werden. Im Zentrum der Darlegung stehen der Begriff „Markenpolitik“ sowie – im Hinblick auf die spätere Beschreibung der internationalen Dienstleistungsmarke Thalys – die kulturellen Implikationen der Markenpolitik (Kapitel 2.5) und die Besonderheiten der Markenpolitik im Dienstleistungsbereich (Kapitel 2.6). Zuvor wird in Kapitel 2.4 auf die Markenwahrnehmung und deren Determinanten eingegangen. Die Markenwahrnehmung wird durch die Markenpolitik wesentlich beeinflusst. Der zweite Hauptabschnitt ist Kapitel 3. Hier erfolgt die Vorstellung des Unternehmens Thalys International. Der dritte Hauptabschnitt ist Kapitel 4, welches sich der empirischen Untersuchung der aufgeworfenen Problematik widmet. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Würdigung der erlangten Erkenntnisse in Kapitel 5.

Die erste Leistung dieser Arbeit besteht in einer deskriptiven Synthese rezenter fachlicher Erkenntnisse zur Markenpolitik (Kapitel 2.1 bis 2.4), dies ist notwendig, um die Arbeit auf ein solides theoretisches Fundament zu stellen. Die zweite Leistung dieser Arbeit besteht darin, diese Erkenntnisse auf den kulturellen Bereich (Kapitel 2.5) sowie auf den Dienstleistungsbereich (Kapitel 2.6) zu übertragen. Dies erscheint notwendig, da die Übertragung in dieser Form in der Literatur bisher nicht erfolgt ist. Die dritte Leistung dieser Arbeit besteht darin, dass vor dem Hintergrund der theoretischen Darlegung das Unternehmen Thalys International beschrieben wird (Kapitel 3). Die vierte und wesentliche Leistung dieser Arbeit besteht darin, dass mit der Durchführung einer explorativen Feldstudie die subjektive Wahrnehmung der Marke Thalys ermittelt wird, um die Frage nach der Superiorität der Marke Thalys prüfen zu können (Kapitel 4).

2 Markenpolitik

Die Markenpolitik bildet den theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit und bedarf einer ausführlichen Darlegung, um die Arbeit auf ein solides theoretisches Fundament zu stellen. In der vorliegenden Arbeit wird, anders als teilweise in der Literatur, in der die Markenpolitik als Teil der Produktpolitik verstanden wird, die Markenpolitik auf den gesamten Marketingbereich bezogen. Daher werden die Ausführungen der Markenpolitik nicht nur auf ein „P“ der 7 Ps bezogen (nämlich auf die Produktpolitik), sondern auf die gesamten 7 Ps des Marketingmixes (siehe Kapitel 2.6). In Kapitel 2.1 wird zunächst – unter Rückgriff auf das Modell des Homo Oeconomicus – die heutige Bedeutung der Markenpolitik dargelegt. Hiervon ausgehend wird in Kapitel 2.2 der Begriff „Markenpolitik“ definiert, in Kapitel 2.3 der Begriff „Marke“. In Kapitel 2.4 werden die Determinanten der Markenwahrnehmung ausführlich behandelt. Die Anwendung der Markenpolitik im interkulturellen Dienstleistungsbereich weist einige Besonderheiten auf, die in Kapitel 2.5 und 2.6 dargelegt werden.

2.1 Homo Oeconomicus als Ausgangspunkt der Markenpolitik

Wenn man die Prämissen des Homo Oeconomicus als gegeben annimmt, die im Grundsatz davon ausgehen, dass der Mensch ausschließlich rational handelt, dann wäre das Marketing überflüssig, weil es darauf ausgerichtet ist, den Kunden emotional anzusprechen: „Alle sind sich einig [Marketing- und Werbepraxis], dass der Konsument nicht wie ein ‚Homo Oeconomicus‛, sondern ‚aus dem Bauch heraus‛ entscheidet.“ (Felser, 2007, S. 557). Daher lassen sich gerade aus der Diskrepanz zwischen diesem Modell und der Wirklichkeit die Ansatzpunkte des Markenkonstrukts ableiten. Ziel des Modells ist es, menschliches Verhalten begreif- und nachvollziehbar zu machen sowie es zu antizipieren. Es unterstellt ein streng rationales, statisches Reaktionsmuster, im Rahmen dessen der Mensch nur auf äußere Veränderungen reagiert, selbst jedoch nicht agiert. Sechs Postulate begründen das Modell des Homo Oeconomicus (Göbel, 2006):

(1) Individualprinzip

Ausgehend von seinen spezifisch statischen Präferenzen, die dem Individuum wiederum einen ganz individuellen, und somit nicht objektiv vergleichbaren, Nutzen stiften, erfolgt die Produktwahl hinsichtlich der persönlichen (Nutzen-)Präferenzen.

(2) Prinzip der Problemorientierung

Es wird unterstellt, dass das Individuum in vollkommener Kenntnis seiner Präferenzen und Alternativen ist und sein Entscheidungsmodell entsprechend valide modellieren kann.

(3) Prinzip der Trennung zwischen Präferenzen und Restriktionen

Während die Präferenzen des Individuums als stabil angenommen werden, ist von einer Veränderung der äußeren Gegebenheiten (Restriktionen) auszugehen. Verhaltensveränderungen sind somit eindeutig den veränderten äußeren Bedingungen anzulasten. Das Individuum ist bestrebt im Sinne des ökonomischen Maximierungsprinzips unter den gegebenen Umständen, diese für sich zu wählen.

(4) Rationalitätsprinzip

Ungeachtet der möglichen Folgen wählt das Individuum die subjektiv nutzenmaximierende Alternative. Die Rationalität bemisst sich also ausschließlich am subjektiven Nutzen, zur Charakterisierung des Homo Oeconomicus reiche ein „intendiert rationales oder eingeschränkt rationales Handeln“ (Göbel, 2006, S. 48) bereits aus.

(5) Prinzip der Nicht-Einzelfallbetrachtung

Ökonomische Modelle zielen auf die Erklärung allgemein beobachtbarer Phänomene ab und sollten sich auf eine größere Gesamtheit anwenden lassen, sprich eine entsprechende Validität aufweisen. Da die Nutzenstiftung jedoch von Individuum zu Individuum – ausgehend von seinen individuellen Bedürfnissen – divergiert, sind lediglich Aussagen über ein „tendenzielles Verhalten“ (Göbel, 2006, S. 48) zulässig.

(6) Prinzip des methodologischen Individualismus

Dieses Prinzip lehnt sich stark an die Kulturdimension des Individualismus an und postuliert, dass das Individuum stets seine eigenen Interessen verfolge und diese die Grundlage sozialer Interessen stifte. Während beispielsweise Hofstede & Hofstede (2006) feststellen, dass es kulturell gelernte Werte sind, die das Erstrebenswerte determinieren, wird hier davon ausgegangen, dass die Verfolgung gemeinsam getragener Ziele in den individuellen Zielen des Individuums begründet liege. Gleichzeitig erfordert dies jedoch eine gewisse Vereinbarkeit der individuellen Ziele, die in den kulturellen Werten begründet sein könnte, sodass auch eine wechselseitige Verflechtung nicht auszuschließen ist:

„In dieser Dimension [= Hofstedes Beschreibung von Werten] sind Werte allerdings kaum noch von Einstellungen zu unterscheiden. Während wir unter Einstellungen bewertende individuelle Überzeugungen verstehen, die sich in Form von Ablehnung oder Zustimmung auf konkrete Objekte bzw. Situationen beziehen, repräsentieren Werte kollektive Überzeugungen bezüglich der Wichtigkeit und Verbindlichkeit von Ordnungsprinzipien (wie Freiheit, Gleichheit, Leistung, etc.) für die Gestaltung aller oder ausgewählter Lebensbereiche.“ (Müller & Gelbrich, 2004, S. 302).

Es sind kollektiv geprägte Einstellungen, welche die Interessen des Individuums determinieren, sodass die vom Modell geforderte Hierarchie von individualistischen und kollektiven Werten nicht zu rechtfertigen ist. Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass eine hinreichende Validität des Modells die Institution des Marketings als überflüssig erscheinen lassen würde: Zwar lässt sich das Individualprinzip als solches – zumindest in individualistisch geprägten Ländern – nicht falsifizieren, statische Präferenzen können jedoch allein schon durch situative Einflüsse ausgeschlossen werden: So wird dasselbe Individuum, welches spontan einen Geschäftstermin in einer anderen Stadt (= Restriktion) wahrnehmen muss, einen höheren Preis zu zahlen bereit sein, als wenn es um einen privaten Besuch eines Freundes handelt, auch wenn die Transportleistung als solche die selbe bleibt. Eine weitere Frage stellt sich darin, ob die jeweils gewählte Alternative nutzenoptimierend ist. So kann im Voraus weder der Nutzen des Termins antizipiert werden, noch ist davon auszugehen, dass in einer Gesellschaft des Informationsüberflusses alle Alternativen bekannt sind und verarbeitet werden können. Dies impliziert die Problematik der suboptimalen Entscheidung im Kontext divergierender Präferenzen und Restriktionen. Es stellt sich ferner auch die Frage der Entscheidungsrelevanz, die nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit eine determinierende Wirkung auf das Involvement[1] des Konsumenten ausübt. Gerade bei geringem Involvement handelt das Individuum tendenziell zunehmend irrational und wird zunehmend empfänglicher für emotionale Einflüsse. Nur selten lassen sich diese – unter Kostengesichtspunkten - im Rahmen einer „One-to-one“- Vermarktung durchsetzen, sodass es sich empfiehlt relativ homogene Bedürfnisse zu clustern; gewissermaßen erfährt somit das Prinzip der Nicht-Einzelfallbetrachtung auch im Marketing Berücksichtigung. Genau hier setzt die Markenpolitik an, indem die Marke dem Individuum das Gefühl suggeriert, eine subjektiv plausible Entscheidung - im Sinne des Homo Oeconomicus - getroffen zu haben: Die bestehenden Diskrepanzen des Modells zur Wirklichkeit werden durch das Konstrukt Marke entschärft. So ist dem Individuum die Marke in der Regel bekannt, sodass er ihre Nutzenstiftung ex ante – hinsichtlich seiner nicht zwangsläufig statischen Präferenzen – beurteilen kann. Das Vertrauen in die Marke verschafft dem Individuum eine gewisse Sicherheit, die ein gefühlt rationales Verhalten bedingt. Die Rahmenbedingungen des Homo Oeconomicus wären somit tendenziell erfüllt, dies muss jedoch vor dem Einfluss einer weiteren, potenziellen Störvariablen betrachtet werden: Der (subjektiven) Markenwahrnehmung.

Um diese analysieren zu können, ist zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Konstrukt „Marke“ und seiner marketingtechnischen Nutzung (= Markenpolitik) erforderlich:

„Marketing und Markenmanagement will so komplizierte ‚Systeme‛ wie Menschen verstehen. Dabei ist der Mensch ein ‚Nischenwesen‛, ein Hybrid, der nicht nach einem Rezept allein funktioniert und bei dem es auf viele verschiedene Dinge ankommt. (…) Es hilft nicht, man muss sich die Mühe machen und nach den Bedingungen forschen, wann welches Verhalten zu erwarten ist, wann welches Verhalten zu erwarten und wann welche Entscheidungsstrategie Erfolg verspricht.“ (Felser, 2007, S. 568).

2.2 Definition des Begriffs „Markenpolitik“

Der Begriff „Markenpolitik“ bezeichnet das bewusste, zielgerichtete Führen einer Marke: Mit Markenpolitik sind sämtliche unternehmerischen und marketingspezifischen Entscheidungen gemeint, die auf die kurz-, mittel- und langfristige Führung einer Marke ausgerichtet sind. Im Wesentlichen geht es darum, einen Wettbewerbsvorteil durch eine trennscharfe Präsentation der Marke zu erzielen (Poth, Poth & Pradel, 2008). Ziel der Markenpolitik ist es daher, die Marke so zu positionieren, dass sie von den Kunden als einzigartig wahrgenommen wird. „Einzigartig“ meint in diesem Kontext, dass die Kundenbedürfnisse von einer spezifischen Marke in der Wahrnehmung der Kunden – aufgrund derer spezifischer Eigenschaften – besser bedient werden als von allen anderen Marken. Eine prägnante Beschreibung des Kerngedankens der Markenpolitik liefert Bergler (2007, S. 617): „Eine Marke ist mehr als das objektive Produkt; sie wird erst durch zusätzliche kommunizierte, praktizierte, glaubwürdige und attraktive psychologische Attribute (Illusionsgehalte) zu einer individuellen Markenpersönlichkeit.“. Gegen­stand der Markenpolitik ist daher die Bestimmung, wie die Marke am Markt wahrgenommen wird (= Ist-Position) und wie ihre Positionierung verbessert werden könnte (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003).

2.3 Definition des Begriffs „Marke“

Der Begriff der Marke wird in der Fachliteratur nicht durchgehend einheitlich definiert. Allen Definitionsansätzen ist jedoch gemein, dass davon ausgegangen wird, dass eine Marke in erster Linie eine Distinktionsfunktion erfüllt, die das Produkt bzw. die Leistung von seinesgleichen abhebt und einzigartig werden lässt (Esch, 2008), im Englischen mit „one of a kind“ treffend umschrieben. Diese Einzigartigkeit wird vom Kunden wahrgenommen (Poth, Poth & Pradel, 2008). Marken sind ein Teil der modernen Kultur. Ungeachtet des kulturellen Hintergrunds erfüllen sie, wie gesagt, eine Distinktionsfunktion. Indem der Kunde eine Marke wählt, will er seine Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen zutage tragen bzw. sich als Individuum profilieren und sich von anderen abgrenzen. Die Marke übernimmt gewissermaßen eine Markierungsfunktion – im Sinne einer Mittel-zum-Zweck-Relation –, gleichzeitig steht sie jedoch selbst für ein Ideal, dem man sich nähern, das man jedoch nie erreichen kann. „Je größer die Differenz zwischen Begehren und Einzigartigkeit, umso höher die Luxuspositionierung einer Marke.“ (Esch, 2008, S. 22). Besonders hinsichtlich der Identifikation übernimmt die Marke zunehmend eine Orientierungsfunktion, die oftmals mit einem Leuchtturm verglichen wird. Wie der Leuchtturm den Schiffen, weist die Marke ihren Verwendern den Weg zum Ziel, wodurch die Marke als Mittel der Zielerreichung angesehen wird: Sie ermöglicht die Transition vom Ist zum Soll. Eines dieser Ziele mag die Differenzierung selbst sein[2]. Esch (2008, S. 22) greift auf diesen Sachverhalt zurück und definiert die Marke (präziser) als „Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen“.

2.4 Markenwahrnehmung und ihre Determinanten

Entscheidend für den (wirtschaftlichen) Erfolg einer Marke ist deren (subjektive) Wahrnehmung seitens des Kunden: „Nicht das objektive Angebot bestimmt das Verhalten der Konsumenten, sondern das subjektiv wahrgenommene Angebot. Es genügt nicht objektive Leistungen anzubieten. Es muss auch dafür gesorgt werden, dass diese Leistungen von der Umwelt wahrgenommen werden.“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 270). Die Wahrnehmung kann – im Kontext eines Informationsüberangebots – als (Pre-)Selektion charakterisiert werden, welche durch die Aufmerksamkeit gesteuert wird. Mit Informationsüberangebot ist gemeint, dass das Angebot an Informationen größer ist als die zur Verfügung stehenden Verarbeitungskapazitäten: „Ein zentrales Phänomen ist die Informationsüberlastung in Gesellschaft und Wirtschaft. Darunter versteht man den Anteil der beobachteten Informationen am gesamten Informationsangebot.“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 125). Die Aufmerksamkeit fungiert somit als Filter auf die einströmende Informationsflut, indem nur ausgewählte Informationen verarbeitet werden und ist zugleich eine Reaktanz auf die Informationsüberbelastung. Durch die Aufmerksamkeit, d. h. die – mehr oder wenige – bewusste Attribution der Informationsverarbeitungskapazitäten – werden verschiedene Informationen nicht wahrgenommen. Kroeber-Riel & Weinberg (2003, S. 268 f.). definieren den Begriff wie folgt:

„Wahrnehmung ist ein Informationsverarbeitungsprozess, durch den das Individuum Kenntnis von sich selbst und von seiner Umwelt erhält. (…) Wahrnehmung ist nicht nur eine passive Aufnahme von Reizeindrücken, die ‚von außen‛ kommen, sie ist ein aktiver Vorgang der Informationsaufnahme und –verarbeitung, durch den sich der Einzelne seine subjektive Umwelt selbst konstruiert.“

Kroeber-Riel & Weinberg (2003) sehen die Markenwahrnehmung nur als erste Selektionsstufe, derer sich die Akzeptanzfrage anschließt, also die bewusste Entscheidung für bzw. gegen die Marke. Im Endeffekt beschränkt sich die Markenwahl dann auf die akzeptierten Marken. Diese drei Stufen des Auswahlprozesses werden in Abbildung 1 visualisiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Markenwahrnehmung durch den Konsumenten

(Quelle: Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 394; Grafik: S. Pannes)

Für die Markenwahrnehmung ist die Markenidentität, im Rahmen derer das gesamte Unternehmen die Entstehung eines kundenseitig kohärenten Markenimages generiert, ebenso entscheidend, wie die Präsentation des Produktes im Rahmen der Markenarchitektur auf dem Markt. So können beispielsweise Produkte von den Images bereits im Markt etablierter Marken profitieren, wenn diese als zusammengehörig präsentiert werden. Hierbei ist es wichtig, die kollektive Basis – ihres Zeichens die Kultur – als Chance und als Risiko zugleich zu begreifen, denn diese prägt die Persönlichkeit in ihren Einstellungen, die zugleich einen signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung haben. Zugleich bietet sie damit aber auch die Basis für den Aufbau eines kollektiv geteilten Vorstellungsbildes über die Marke. Dieser Logik folgend wird im Folgenden zunächst auf Markenidentität, Markenimage und auf das Behavioral Branding als Bindelglied eingegangen, bevor die sich hieraus ergebende Markenarchitektur erläutert wird: Bei der Markenarchitektur bedarf es eines Fit, d. h., die Marken – auch unterschiedlicher Hierarchieebenen – müssen vom Kunden als zueinander passend empfunden werden. Dieses Empfinden ist stark kulturell verwurzelt, sodass in einem Kapitel die kulturellen Implikationen der Markenwahrnehmung zu erläutern sind.

2.4.1 Markenidentität und -image

Markenidentität und Markenimage können als zwei Seiten derselben Medaille verstanden werden, die das Wesen der Marke prägen. Die Markenidentität (= Selbstbild) ist das Vorstellungsbild der Mitarbeiter über die Marke. Dieses Bild wird vom Personal an die Kunden gesendet. Das von den Kunden wahrgenommene Vorstellungsbild wird als Markenimage (= Fremdbild) bezeichnet:

„In Bezug auf die Auswahl der für die Leistungsbeurteilung wichtigen Bezugsgruppen wurden insbesondere Nachfrager (externe Zielgruppe) und Mitarbeiter (interne Zielgruppe) identifiziert [Joachimsthaler 2002; Keller 2003, zitiert nach Esch, 2008]. Nach dem
identitätsbasierten Ansatz bilden diese beiden Gruppen dem maßgeblichen Einfluss auf die Schaffung und Wahrnehmung der Marke.“ (Esch, 2008, S. 24)

Im Idealfall entsprechen Markenidentität und Markenimage ein und demselben Vorstellungsbild der Marke, d. h. die Marke wird von den Kunden genauso gesehen wie seitens des Unternehmens gewünscht. Esch (2008) weist darauf hin, dass das Vorwissen über eine Marke – die er auch als Form der Kategorie[3] versteht – die Verarbeitung neuer Informationen – nebst situativer Einfüsse – beeinträchtigt. Die Markenidentität erfreut sich erst kürzlicher Betrachtung und wurde erst mit der personellen Ressource, der ihm Dienstleistungsmarketing bereits einen integralen Bestandteil des Marketingmixes als eines der 7 P´s (= P ersonnel) zugedacht worden ist, entdeckt: „Aufgrund des intensiven Kundenkontakts ist die Bedeutung des Selbstbildes in der Dienstleistungsbranche für die Markenwahrnehmung weitaus bedeutender als im Konsumgüterbereich. (…) Das Fremdbild ergibt sich hingegen aus der Perspektive externer Anspruchsgruppen und wird mit dem Image gleichgesetzt.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 313). Entsprechend wird dort die Belegschaft als „interne Kunden“ bezeichnet, denen sich das interne Marketing – seines Zeichens Personalmarketing – widmet. Die Markenidentität beschreibt somit das Selbstbild der Markenvorstellung und wird durch das Fremdbild ergänzt. Letzteres – Markenimage genannt – beschreibt, wie sich die Kunden die Marke vorstellen[4]. Deren Vorstellung war lange Zeit alleiniger Ansatzpunkt des Marketings, wobei heute zunehmend die Bedeutung der internen Sichtweise erkannt und genutzt wird:

„Beim Selbstbild geht es um die Marke aus Unternehmenssicht, also der Perspektive des Markenbesitzers. Das Selbstbild ist maßgebend für die zielführende Gestaltung der Marketingmaßnahmen. Am Anfang jeder Markenbildung steht somit die Planung und Festlegung des Selbstbildes der Marke, das nach außen getragen werden soll. (…) Das Markenimage (Fremdbild) umfasst alle Vorstellungen, die von einem Konsumenten und weiteren Bezugsgruppen mit dem markierten Produkt, Dienstleistung oder Unternehmen verknüpft werden.“ (Herbst, 2005, Herbst 2007 & Herzig, 1991, zitiert nach Schimansky 2007, S. 442).

Die Verbindung von Selbst- und Fremdbild ergibt sich direkt aus der Marken-Kunden-Beziehung. So kann das Selbstbild als gesendete Nachricht verstanden werden, welche das Markennutzenversprechen und das Markenverhalten zum Inhalt haben. Ersteres muss die Markenerwartungen erfüllen und Letzteres das Markenerlebnis generieren. Dieser Zusammenhang wird durch Abbildung 2 visualisiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagements

(Quelle: Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 4; Grafik: S. Pannes)

Im Folgenden wird in Kapitel 2.4.1.1 zunächst näher auf die Markenidentität eingegangen, da diese das Markenimage wesentlich beeinflusst. Im Rahmen dieser Arbeit wird außerdem das Behavioral Branding (Kapitel 2.4.1.2) erläutert, weil es für das spätere Beispiel der Marke Thalys bedeutsam ist: Ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der Superiorität der Marke Thalys ist der Umstand, dass das Auftreten des Personals die Wahrnehmung der Kunden und deren Zufriedenheit beeinflusst. Denn das Personal wird aufgrund der Immaterialität der Dienstleistung von den Kunden als Qualitätsindikator für die Güte der Leistung herangezogen. Das Markenimage wird in Kapitel 2.4.1.3 vorgestellt.

2.4.1.1 Markenidentität

Die Markenidentität basiert auf drei wesentlichen Säulen: Auf den Werten, der Persönlichkeit und den Kompetenzen der Marke (siehe Grafik). Die Persönlichkeit einer Marke ist stark durch die Werte der Marke beeinflusst, die Kompetenzen durch die Herkunft. Die Werte, die Persönlichkeit und die Kompetenzen der Marke machen die Leistungen der Marke aus. Den dargestellten Zusammenhang visualisiert Abbildung 3:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Komponenten der Markenidentität

(Quelle: Burmann, Meffert & Feddersen, 2007 S. 5; Grafik: S. Pannes)

Die identitätsbasierte Markenführung, die sich – nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit – in der Praxis zunehmend durchsetzt, ist holistisch zu verstehen, als eine von innen nach außen greifende – und nicht in umgekehrter Richtung – erfolgende Markenführung. Somit nimmt das Selbstbild[5], gewissermaßen als strategische Ausgangsposition, eine besondere Rolle ein. Das Markenimage wäre demzufolge der operativen Ebene zuzuordnen und Diskrepanzen zwischen Ist-Fremdbild und Soll-Fremdbild wären auf Schwächen in der operativen Umsetzung zurückzuführen.[6]

„Die Markenidentität dient als Ausgangspunkt für die Markenpositionierung. Diese soll die Identität unter relevanter Markt- und Kommunikationsbedingungen durch eine klare Fokussierung auf für Anspruchsgruppen wichtige und von der Konkurrenz differenzierende Eigenschaften wirksam umsetzen. Das Markenimage ist schließlich die Maßgröße für den mehr oder weniger erfolgreichen Transfer durch die Positionierung der Marke im Markt.“ (Esch, 2008, S. 90).

Esch (2008) erläutert die strategische Bedeutung der Markenidentität, der Klärung bedarf jedoch ihre Definition, da die Markenidentität nur bei vollständigem Verständnis ihrer selbst als Instrument einer strategischen Markenführung und -positionierung eigesetzt werden kann. Es gilt die holistische Vision, über die zukünftige Positionierung der Marke zunächst der internen Mitarbeiter (= Markenmitarbeiter) zu vermitteln. Die internen Mitarbeiter tragen diese wiederum nach außen zu den Kunden: Auch Grundlage des von ihnen verstandenen Selbstbildes (= Markenidentität) entwickelt sich kundenseitig das Fremdbild (= Markenimage) (Burmann, Blinda & Nitschke, 2003, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2007). Burmann, Meffert & Feddersen (2007; S. 3 f.) führen ihren Gedankengang wie folgt aus:

„Mit Hilfe der Markenidentität können demnach die Art der Beziehungen der Markenmitarbeiter untereinander und deren Interaktionen zu externen Markenzielgruppen erklärt werden. Über die Erklärung des Mitarbeiterverhaltens kann die Markenidentität im weiteren Sinne somit als ein Führungsinstrument des Markenmanagements interpretiert werden, welches zwei Ziele verfolgt: die ausgerichtete Kommunikation des Markennutzenversprechens im Sinne einer Soll-Positionierung gerichtete Umsetzung und finale Einlösung dieses Verhaltens aller an der Erbringung beteiligten Personen. Im Mittelpunkt der Markenidentität im weiteren Sinne steht somit die Formulierung eines relevanten Kundennutzens, den die Marke aus Sicht des Anbieters erfüllen soll, der in den spezifischen (Kern-)Kompetenzen der Marke verankert ist und im täglichen Verhalten der Mitarbeiter gelebt wird.“

Die gelebte Markenidentität ist – wie im weiteren Verlauf der Ausführungen erkenntlich werden wird – Gegenstandsbereich des Behavioral Branding . Gemäß Burmann, Meffert und Feddersen (2007) setzt sich diese aus sechs Komponenten zusammen, deren Kenntnis für eine identitätsbasierte Markenführung unabdingbar ist. Zu diesen sechs Komponenten zählen Markenherkunft, Markenführungskompetenz, Markenvision, Markenwerte, Markenpersönlichkeit und Markenleistungen:

(a) Markenherkunft

Analog der Pflanze ist die Wurzel auch für Mensch und Marke Ausgangspunkt der Selbstfindungsphase und zugleich jeglicher strategischen Planung. Die Herkunft der Marke stellt das „Fundament der Markenidentität“ dar (= „Woher komme ich?“):

„Die Markenherkunft ist für die Markenführung von hoher Relevanz, da eine Marke von den internen und externen Zielgruppen zunächst im Kontext ihres Ursprungs wahrgenommen und interpretiert wird. [Sie kann] als eine langfristig gestaltbare Identitätskomponente bezeichnet werden. Durch sie kann allen anderen Aktivitäten des Markenmanagements ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Authenzität verliehen werden.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 6).

(b) Markenführungskompetenz

Bestandteil jeglicher strategischen Planung, wozu auch die identitätsbasierte Markenführung zählt, ist – neben der Bestimmung der Ausgangsposition (= Ist-Zustand) – die Festlegung eines Sollzustands, denn eine ziellose Führung führt ins Nirwana (= effektive Führung). Um diese Transition effizient gestalten zu können, ist die Kenntnis der Markenführungskompetenzen[7] unabdingbar:

Der „identitätsbasierte Markenführungsansatz [versteht] die Marke letztlich als Ergebnis der richtigen Kombination von Unternehmensressourcen (…). Wurde in diesem Sinne eine Marke geschaffen, kann sie selbst wiederum als Ressource des Unternehmens interpretiert werden. (…) Sie [Markenführungskompetenzen] können ‚als wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln[8] geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotenziale einer markenführenden Organisation, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Markenführung dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsvorteile der marktführenden Organisation dienen‛ [Freiling und Welling 2005, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 7] definiert werden.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 7).

(c) Markenvision

Die strategische Planung geht zwar vom Ist-Zustand aus, jedoch über die Definition des – potenziell erreichbaren – Soll-Zustands hinaus; sie ist daher um die Markenvision zu ergänzen. Wird das Beispiel auf die Markenmitarbeiter bezogen, wird hier lediglich eine Vision vermittelt, die stark (intrinsisch) motivierend wirkt, deren Soll-Zustand jedoch ebenso unklar wie die konkrete Ausgangsposition bleibt. Sie ist – im Vergleich zum Ist- und Soll-Zustand-Gleichnis – nur sehr vage, d. h. wenig konkretisiert und auf einen langen, unbestimmten Zeithorizont bezogen. Dennoch ist auch die Markenvision für die strategische Planung – somit auch für die identitätsbasierte Markenführung – von elementarer Bedeutung, da ihre langfristige Ausrichtung den Sollzustand als Meilenstein zu einer längerfristigen, höherwertigen Zielerreichung werden lässt. Ein konkret definierter Sollzustand lässt naturgemäß weniger (individuelle) Freiheitsgrade zu und kann somit keinesfalls im selben Maße wie eine Vision (intrinsisch) motivieren. Sowohl innen- als auch außengerichtet sollte die Markenvision die Markenfunktion beschreiben: „Die Markenvision übernimmt eine Koordinationsfunktion und dient somit der Sicherstellung eines unternehmensweiten konformen Handelns. (…) Bestandteile der Markenvision sollten die grundlegenden Differenzierungsmerkmale den Wettbewerbern und die anvisierten Marktsegmente sein.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 7). Eine Vision ist die vage Vorstellung dessen, was subjektiv als gut bewertet wird.

(d) Markenwerten

Je mehr sich die Wertvorstellungen der Markenmitarbeiter intersubjektiv ähneln, desto eher kann von der Existenz einer – mehr oder weniger – kollektiv geteilten Vision ausgegangen werden, sodass den Markenwerten [9] – im Rahmen der Markenidentität – ein hoher Stellenwert zuteil wird: „Die Markenwerte repräsentieren Grundüberzeugungen von Management und Mitarbeitern. (…) Fokussiert auf wenige Aussagen sollen sie einen Bezug zu dem durch die Marke versprochenen vor allem symbolischen Kundennutzen aufweisen.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 8).

(e) Markenpersönlichkeit

Das Vorstellungsbild über die Marke generiert zunehmend zu einer Vermenschlichung derselbigen und das sowohl seitens der Mitarbeiter als auch der Kunden[10] (Esch, 2008, S. 107 f.): „Aufgrund der Erfahrungen mit einer Marke und den durch Kommunikation initiierten Lernprozessen verbinden Konsumenten mit einer Vielzahl von Marken Persönlichkeitseigenschaften. (…) Marken stellen für eine Vielzahl von Konsumenten lebendige und demnach aktive Beziehungspartner dar.“.

Dabei ist sowohl die kulturelle, als auch die persönliche Ebene mit einzubeziehen, die letztlich als zielführend in der Ausgestaltung der Einzigartigkeit der Marke zu sehen ist: „Diese für Marken relevante Persönlichkeitsmerkmale finden ihren Ausdruck im verbalen und nonverbalen Kommunikationsstil (‚Wie treten wir auf?‛). Der markenspezifische Kommunikationsstil wird sowohl von Mitarbeitern, Führungskräften und anderen typischen Repräsentanten einer Marke als auch von der Herkunft der Marke geprägt.“ (Aaker 1997; Burmann, Blinda & Nitschke 2003, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2008, S. 8). Definiert werden kann die Markenpersönlichkeit gemäß Azoulay & Kapferer (2003, zitiert nach Esch, 2008, S. 8) als „set of human personality traits that are both applicable and relevant for brands”. Eine vergleichbare Definition geht auf Aaker (1997, S. 168) zurück, welche die „Markenpersönlichkeit als Gesamtheit menschlicher Eigenschaften bezeichnet, die mit der Marke verbunden sind.“. Aaker (1997) argumentiert, dass die Ausstattung der Marken mit menschlichen Persönlichkeitseigenschaften dem Verwender einen Zusatznutzen stifte. Ferner weist sie darauf hin, dass der Fit[11] zwischen Marke und den Eigenschaften des (idealen) Ich eine deterministische Wirkung auf die Markenpräferenz ausübt[12] : Die „Präferenz für eine Marke [nimmt zu], je stärker die Marke mit Eigenschaften assoziiert wird, die das tatsächliche oder ideale Ich von Menschen assoziiert wird.“ (Aaker, 1997, S. 168): Analog den „Big Five“ zur Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit[13] konnte Aaker (1997) fünf Dimensionen der Markenpersönlichkeit extrahieren, namentlich Erregung/Spannung, Aufrichtigkeit, Kompetenz, Kultiviertheit und Robustheit. Hinsichtlich möglicher Überschneidungen zwischen menschlicher Persönlichkeit und Markenpersönlichkeit kann eine Korrespondenz zwischen Erregung/Spannung <-> Extraversion, Aufrichtigkeit <-> Verträglichkeit und Kompetenz <-> Gewissenhaftigkeit konstatiert werden; eklatante Diskrepanzen finden sich den Dimensionen Kultiviertheit <-> Neurotizismus sowie Robustheit <-> Offenheit für Erfahrungen (Florack & Scarabis, 2007). Visualisiert werden diese Zusammenhänge durch Abbildung 4:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Markenpersönlichkeit und menschliche Persönlichkeit

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Florack & Scarabis, 2007a, S. 178; Grafik: S. Pannes)

Letztere Aussage findet sich analog bei Esch (2008, S. 22), der über die Begehrlichkeit auf den Wert einer Marke schließt: „Je größer die Differenz zwischen Begehren und Erreichbarkeit, umso höher die Luxusposition einer Marke.“. Auch Burmann, Meffert & Feddersen (2007, S. 8) stützen diese Interpretation Aakers empirischer Befunde: „Vor allem über die Markenpersönlichkeit und die Markenwerte kann die Beziehung zwischen der Marke und den Nachfragern emotional aufgeladen und gefestigt werden.“. Florack & Scarabis (2007a) weisen zudem darauf hin, dass die Studie Aakers nicht zu klären vermag, welche Funktion die Persönlichkeit der Marke für den Kunden hat (Florack & Scarabis, 2007a). Esch (2008) unterstreicht Aakers Trennung zwischen der Kern-Identität und der erweiterten Identität; während sich Erstere durch ihre längerfristige Gültigkeit auszeichnet, ist Letztere durch ihre relativ starke Variabilität charakterisiert. Innerhalb der Kernidentität ist auf die Markenessenz hinzuweisen, ein prägnanter Satz, der vom Markenclaim abzugrenzen ist.

(f) Markenleistung

Neben der Markenherkunft, -führungskompetenz, -wissen und -persönlichkeit bildet die Markenleistung den sechsten und letzten Bestandteil der Markenidentität: „Die Entscheidung über die im Markt anzubietenden Marktleistungen ist eine unmittelbare Manifestation des funktionalen und symbolischen Kundennutzens einer Marke und bildet somit das zentrale Verbindungselement zwischen der Markenidentität und dem angestrebten Soll-Image einer Marke.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 8). Die Verfasser verweisen auf die paritäre Bedeutung der Markenleistung für die Markenidentität und Markenimage, obgleich sie vorrangig im Rahmen der Markenidentität zu behandeln ist: Die wahrgenommene Leistung muss nicht unbedingt der tatsächlichen entsprechen. Wahrgenommen wird seitens der Kunden, was kommuniziert, d. h. vom Unternehmen in Form einer Nachricht gesendet wird. Daraus – und nur daraus – wird das Image in den Köpfen der Kunden konstruiert:

„Die Markenattribute repräsentieren sämtliche vom Nachfrager wahrgenommenen Eigenschaften einer Marke. Die Wahrnehmung typischer Käufer oder Verwender der Marke ist Bestandteil der Markenattribute und prägt potenziell das Markenimage. Die Gesamtheit der Markenattribute wird vom Nachfrager verdichtet und bewertet. Das Ergebnis dieses Prozesses im Kopf der Nachfrager ist der wahrgenommene funktionale und symbolische Nutzen einer Marke.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 10).

Auch wenn die einzelnen Bestandteile für spezifische Produkte und Leistungen unterschiedlich gewichtet sein können, so ist die Markenleistung Ausgangspunkt des Marketings. Entsprechend bedarf es bereits im Rahmen der Markenidentität einer Klärung der Nutzenkomponente im Sinne der Markenleistung: „Im Marketing bezeichnet der Terminus ‚Nutzen‛ den Grad der Befriedigung von Bedürfnissen, den das Objekt aus all seinen Merkmalen für den Nachfrager erbringt“ (Diller, 1992; Perrey, 1998, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 3). Der Nutzen kann als Grund bzw. Rechtfertigung des Konsums verstanden werden. Ausgangspunkt sind dabei die zu befriedigenden Kundenbedürfnisse. Vom Nutzen wird gesprochen, wenn das Produkt oder die Dienstleistung in der Lage ist, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen: Der Nutzen liegt in der Bedürfnisbefriedigung. Je nach Intensität der Bedürfnisbefriedigung differiert der Nutzen; je höher der gestiftete Nutzen, desto höher ist die Bedürfnisbefriedigung und desto höher ist auch die aus der Bedürfnisbefriedigung resultierende Kundenzufriedenheit:[14] „Zufriedenheit resultiert (…) aus der Erfüllung bzw. Übererfüllung der Kundenerwartungen und beschreibt das bewertbare Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleichs bereits realisierter Transaktionen.“ (Nießing, 2006, S. 61). Den Nutzenbegriff erklären Poth, Poth & Pradel (2008, S. 299) wie folgt: „Nutzen, größtmögliche Befriedigung von Bedürfnissen bei einem gegebenen Mitteleinsatz. Unterschieden werden Grundnutzen und Zusatznutzen.“. Der Nutzen setzt sich dabei stets aus einem Grund- und einem Zusatznutzen zusammen. Der – aus der Kernleistung („core service“; Meffert & Bruhn, 2000, S. 280) resultierende – Grundnutzen kann als funktionaler Nutzen verstanden werden (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007). Thommen & Achleitner (2003) sehen den Produktkern für die Generierung des (funktionalen) Grundnutzens verantwortlich.

Speziell auf Marken bezogen, sehen Burmann, Meffert & Feddersen (2007) den Grundnutzen der Marke vorrangig in ihrer Funktion als Entscheidungshilfe. Palmer & Cole (Palmer & Cole, 1995, zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000, S. 280 f.) weisen jedoch auf das beschränkte Distinguierungspotenzial des Grundnutzens hin: So „ist jedoch zu beachten, daß die Herausstellung des Grundnutzens (…) zur Profilierung eines Anbieters vielfach nicht mehr ausreicht. (…) Ausgehend von der angestrebten Einzigartigkeit der Leistung können die Zusatzleistungen (…) entwickelt werden.“. Nitschke (2006, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2007) weißt zudem darauf hin, dass der Zusatznutzen stets affektiv, emotionaler Kultur ist. Gerade dieser symbolische Zusatznutzen ist für den Wettbewerb von Interesse. Letztlich wird die Entscheidung für eine Marke gegen eine andere aufgrund derer Zusatznutzen getroffen, da der Grundnutzen zumeist indifferent ist[15] (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007; Schimansky, 2007). Kroeber-Riel & Weinberg (2003, S. 127) räumen den Zusatznutzen sogar eine Spitzenstellung ein: „Wir können geradezu von einer Entmaterialisierung des Konsums sprechen, weil die Konsumenten die angebotenen Produkte und Dienstleistungen (…) immer mehr wegen ihres immateriellen Nutzens kaufen.“ Schimansky (2007) sieht den Zusatznutzen als Markenstärke an, die Markenmacht generieren kann, wenn seitens der Kunden ein einheitlich geteiltes Markenimage etabliert werden kann. Letzteres kann nur generiert werden, wenn es dem Unternehmen gelingt, die notwendige Infrastruktur im Sinne einer geteilten Markenidentität zu schaffen. Ein wichtiges Instrument zur Implementierung der Markenidentität stellt in diesem Kontext das Behavioral Branding dar.

2.4.1.2 Behavioral Branding

Das Behavioral Branding ist vor allem im Dienstleistungsbereich relevant und kann als bewusster Versuch des Unternehmens verstanden werden, über die Markenidentität das Markenimage zu steuern, indem bewusst eine Botschaft, deren Kern die Markenidentität bildet, an die Kunden versendet wird. Unter Behavioral Branding ist das an der Markenidentität ausgerichtete Mitarbeiterverhalten zu verstehen (= interne Markenstärke). Dreh- und Angelpunkt des Behavioral Brandings ist das Brand Commitment der Mitarbeiter (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007): Nur wenn sich die Mitarbeiter der Marke verbunden fühlen, können sie die Markenidentität leben. Esch (2008, S. 125) definiert das Behavioral Branding entsprechend als interne Durchsetzung der Markenidentität:

„Nur wenn die Marke auch im Unternehmen gelebt wird, kann sie ihre volle Kraft entfalten. (…) Die Durchsetzung einer Corporate Brand nach außen reicht demnach bei weitem nicht aus. Man muss auch ein Brand Engagement Programm nach innen umsetzen. (…) Hier [Dienstleistungs- und B2B-Unternehmen] steht und fällt die Umsetzung einer Markenidentität damit, ob die Mitarbeiter diese auch tatsächlich leben. Vor allem Mitarbeiter im Kontakt zu Kunden machen den Unterschied.“.

Dem Behavioral Branding wird damit die Aufgabe zuteil, die Unternehmensidentität – mittels „Instrumentalisierung“ der Belegschaft – nach außen zu senden und so das Markenimage positiv zu beeinflussen. Behavioral Branding ist nach Esch, Strädter & Fischer (2006, zitiert nach Esch, 2008) in vier Schritten zu implementieren:

(1) Markenbezogenes Wissen generieren

Markenbezogenes Wissen kann als notwendige, jedoch nicht hinreichende, Bedingung für ein markenkonformes Auftreten angesehen werden.

(2) Identifikation mit der Marke

Erst wenn Markenwissen generiert worden ist, können die Mitarbeiter entscheiden, ob „sie die charakteristischen und wesensprägenden Merkmale der Marke für gut empfinden.“ (Esch, 2008, S. 128).

(3) Markencommitment

Unter „Markencommitment“ ist die Bindung der Mitarbeiter an die Marke zu verstehen: „Das Markencommitment beschreibt eine langfristige, durch Einstellung und Verhalten geprägte Bindung der Anspruchsgruppen an das Unternehmen und die Marke.“ (Meyer & Allen, 1991; 1997; Chaudhuri & Holbrook, 2001, zitiert nach Esch, 2008, S. 128). Esch (2008) unterscheidet zwischen der rationalen, affektiven und normativen Ebene des Commitments. Das rationale Commitment zeichnet sich dadurch aus, dass Kosten des Verlassens der Unternehmung für den Mitarbeiter so hoch sind, dass er sich an das Unternehmen gebunden fühlt. Die (extrinsische) Motivation des Mitarbeiters, sich markenkonform zu verhalten, besteht in einem Abwenden etwaiger Bestrafungen bzw. einer Erhöhung etwaiger Belohnungen. Innerlich fühlt er sich jedoch nicht der Marke verbunden. Das affektive Commitment beschreibt hingegen die emotionale Verbundenheit des Mitarbeiters mit der Marke. Der Mitarbeiter ist (intrinsisch) motiviert, im Unternehmen zu verweilen, weil es ihm dort gefällt. Komplettiert wird der Dreiklang des Commitments durch das normative Commitment. Wie aus dem Begriff der Norm erkenntlich wird, setzt diese Form des Commitments bereits auf kultureller Ebene an, sodass sich die Frage der Ge- und Verbundenheit gar nicht erst stellt. Es besteht aus Sicht des Mitarbeiters die moralische Verpflichtung der Verinnerlichung der unternehmerischen Leitwerte, die mehr oder weniger unreflektiert übernommen werden. Dennoch ist festzuhalten, dass im letzteren Falle die persönliche Ebene – anders als im Falle des affektiven Commitments – nicht mit einbezogen ist. Vom affektiven Commitment gehen daher die stärksten Wirkungen aus (Esch, 2008). Festzuhalten bleibt jedoch global, dass das „Commitment (…) zu einer höheren Leistungsbereitschaft, größerem Eifer und weniger Fehlzeiten [führt].“ (Esch, 2008, S. 128).

(4) Steigerung des markenkonformen Verhaltens

Markenkonformes Verhalten kann als Präsentation der Marke „aus einem Guss“ (Esch, 2008, S. 128) verstanden werden. Die Wirkung des (gesteigerten) markenkonformen Verhaltens sollte sich in einem gesteigerten Markenwert widerspiegeln. Die Vorgehensweise des Behavioral Branding kann wie folgt beschrieben werden: „Die markenspezifischen Inhalte müssen für die Mitarbeiter operationalisiert und in konkrete Aktionen umgesetzt werden. (…) Schließlich muss man den Mitarbeitern zeigen, wann sie ein vorgegebenes Ziel erreicht haben und dieses auch messen.“ (De Chematony, 2001; Tosti & Stotz, 2001, zitiert nach Esch, 2008, S. 125 f.). Vom Effekt des Behavioral Brandings können die internen und externen Kunden gleichermaßen profitieren: „Durch Behavioral Branding kann [somit] ein positives Erleben des Markenversprechens sichergestellt werden, wobei jeder Kundenkontakt auf das Markenkonto einzahlt.“ (Esch, Ruthenberg, Strödter & Vallaster 2005, zitiert nach Kilian, 2007, S. 387). Einen Überblick über die erläuterten Schritte des Behavioral Brandings gibt Abbildung 5:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Wertekette des Behavioral Branding

(Quelle: Esch, 2008, S. 128; Grafik: S. Pannes)

2.4.1.3 Markenimage

Wie eingangs erwähnt, wird das „Markenimage“ als Fremdbild, d. h. das von der relevanten Zielgruppe geteilte Vorstellungsbild über die Marke verstanden. Das Fremdbild ist gewissermaßen die Subsumption externer Einflüsse: Es setzt sich aus empfangenen Nachrichten, die wahrgenommen und verarbeitet worden sind, zusammen:„Beim Markenimage handelt es sich um ein Einstellungskonstrukt [Trommsdorff 2004; Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 9], welches das in der Psyche relevanter Zielgruppen fest verankerte, verdichtete Vorstellungsbild von einer Marke wiedergibt. Das Markenimage ist das Ergebnis der individuellen, subjektiven Wahrnehmung und Dekodierung aller vom Nutzenbündel Marke ausgehenden Signale. Insbesondere bezieht sich dies auf die subjektiv wahrgenommene Eignung zur Befriedigung individueller Bedürfnisse.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 9).

Für den Empfänger der Nachricht – und damit verbunden auch für die Kreation bzw. Pflege des Markenimages – stellt sich jedoch das Problem des Informationsüberschusses (Esch, 2008): Es werden heute mehr Nachrichten gesendet als der Empfänger verarbeiten kann. Er ist zur Selektion gezwungen, die mehr oder weniger (un)bewusst durch seine Aufmerksamkeit steuert:

„Aufmerksamkeit ist ein Zustand der Fokussierung auf eine Teilmenge der verfügbaren, wahrnehmbaren Informationen aus der Umwelt [Zimbardo & Gerrig, 2004, zitiert nach Scarabis & Florack, 2007, S. 465]. Die menschlichen Aufmerksamkeitsressourcen sind begrenzt. Der Mensch blendet also bestimmte Reize aus der Umwelt aus und betrachtet nur einen Ausschnitt. Diese Selektion erfolgt unter anderem aufgrund unterschiedlich empfundener Auffälligkeit (Salienz) des Reizes in seiner Umgebung oder aufgrund des Vorwissens und der inneren Bedürfnislage des Wahrnehmenden.“ (Scarabis & Florack, 2007, S. 465).

Esch (2008) spricht in diesem Kontext vom Dilemma der selbstauferlegten Wahlbeschränkung: Um sich selbst von der Informationsflut zu schützen, ist das Individuum gezwungen, die eigene Wahlfreiheit zu beschränken. Diese ausgewählten Marken sind die, welche der Kunde wahrnimmt. Damit stehen die Unternehmen vor einem klassischen Optimierungsproblem: Die Marke als solche soll dem Kunden die Kaufentscheidung vereinfachen, indem er auf vorhandenes, durch das Markenimage angereichertes Wissen zurückgreifen kann. Dem Aufbau bzw. der Pflege des Markenimages stellt sich jedoch ein, in den beschränkten, kundenseitigen Aufmerksamkeitskapazitäten in Erscheinung tretendes, Restriktionsproblem. Die gesendete Nachricht – die letztlich erst durch ihre empfangsseitige Verarbeitung zu einer wirklichen Information wird – sollte daher möglichst an vorhandene Wissensstrukturen anknüpfen. Somit kann die „Markenbekanntheit“ als notwendige Voraussetzung des Markenimages verstanden werden (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007; Esch, 2008). Sie beinhaltet die Kenntnis der Markenattribute, respektive den Nutzeneigenschaften. Die Markenattribute stiften dem Kunden einen funktionalen (Grund-)Nutzen und einen symbolischen (Zusatz-)Nutzen, der letztendlich kaufentscheidend ist. Den dargelegten Zusammenhang gibt Abbildung 6 wieder:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Komponenten des Markenimages

(Quelle: Burmann, Meffert & Feddersen, 2007; S. 9; Grafik: S. Pannes)

Esch (2008) differenziert zwischen Tiefe und Breite der Markenbekanntheit: Erstere die Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit der Simplizität an eine spezifische Marke zu denken (= Bekanntheitsstrukturen) und Letztere die Kauf- und Verwendungssituationen, die der Kunde mit der Marke assoziiert (= Bekanntheitsfacetten):

„Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht entsteht der Wert einer Marke in den Köpfen der Konsumenten: Dieses Markenwissen ist durch die Markenbekanntheit und das Image einer Marke operationalisierbar [Keller, 1993; Esch, 1993, zitiert nach Esch, 2008, S. 58 f.]. Diese beiden Größen schaffen Markenpräferenzen und sorgen für den ökonomischen Erfolg der Marke [Esch/Wicke/Rempel, 2005, S. 43, zitiert nach Esch, 2008, S. 58 f.].“ (Esch, 2008, S. 58 f.).

Bless, Greiteneder & Wänke (2007, S. 31) verweisen an dieser Stelle darauf, dass die Kette der von einer Marke ausgelösten psychologischen Prozesse (= Wahrnehmung der Produkte, Erinnerungs- und Schlussfolgerungsprozesse, resultierendes Kaufverhalten) „durch das mit der Marke einhergehende ‚Markenimage‛ (Brand Beliefs) oder markenspezifische[s] Vorwissen stark beeinflusst“ wird. Die Verfasser betonen zudem die hohe Bedeutung des Vorwissens:

„Insbesondere kann der Konsument auf Basis des Markenwissens Schlussfolgerungen anstellen, die trotz der fehlenden Wahrnehmbarkeit Aussagen über das Produkt ermöglichen. (…) Gerade in solchen Situationen hoher Unsicherheit bietet das Vorwissen in Form des Markenimages eine starke Orientierungshilfe, was die Bedeutung des Markenimages unterstreicht. (…) Weiterhin ist auch davon auszugehen, dass das Vorwissen auch dann verstärkt herangezogen wird, wenn eine Beurteilung auf Basis der Produkteigenschaften nicht möglich ist.“ (Bless, Greiteneder & Wänke, 2007, S. 33 f.).

Gemäß Burmann, Meffert & Feddersen, 2007 sind – aus Perspektive des identitätsbasierten Führungsansatzes – drei Komponenten für das Markenimage von Interesse; hierarchisch – im Sinne einer steigenden Relevanz – geordnet:

(1) Wissen des Nachfragers zu den Markenattributen
(2) Darauf aufbauende Assoziationen zum funktionalen Nutzen
(3) Darauf aufbauende Assoziationen zum symbolischen Nutzen

Wie zu Beginn erwähnt, kann das Markenimage stark von der Markenidentität abweichen, was möglicherweise mit der spezifischen Persönlichkeit des Kunden zu erklären ist: „Konsumenten konstruieren als Reaktion auf ihre Erfahrungen mit dem Produkt ein Markenbild, welches sich durchaus von dem unterscheiden kann, welches durch die Marketingmaßnahmen intendiert war.“ (Hanby, 1999; King, 1970; King, 1973, zitiert nach Renz & Kirchler, 2007, S. 42).

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Ansatz von Döring & Moser (2007, S. 139), der (indirekt) weitergehend erklärt, wie eine Divergenz des Markenbildes zustande kommen kann: „Auf welche Weise Verbraucher letztendlich Ähnlichkeitsurteile treffen und welche Kriterien sie dabei in Betracht ziehen, ist bis heute nicht vollständig geklärt.“ Wänke & Greifeneder (2007) weisen jedoch daraufhin, dass die angesprochene Informationsflut nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für den Kunden ein Problem, respektive durch Überforderung bzw. in Form von Entscheidungsängsten, darstellen kann. Das Markenimage kann hierbei eine Orientierungsfunktion einnehmen und die Komplexität kundenseits durch Markentreue reduziert werden:

„Eine Möglichkeit sich als Verbraucher gegen Überforderung und Entscheidungsängste zu schützen, ist die Treue zu einer als positiv erlebten Marke. Markentreue bedeutet demnach nicht nur eine positive Einstellung oder eine tiefere affektive Bindung zu einer Marke, sondern kann schlicht und einfach der Faulheit entspringen, andere Alternativen nicht prüfen zu wollen.“ (Wänke & Friese, 2005, zitiert nach Wänke & Greifeneder, 2007, S. 156).

2.4.2 Markenarchitektur

Wie bereits dargelegt ist das Markenimage, respektive die Markenbekanntheit, erfolgskritisch: Auf vorhandenes Wissen zurückzugreifen bedeutet, den Sender die Verarbeitung der Nachricht zu erleichtern und dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Gegen­stand der Markenarchitektur ist daher die Frage, wie die Marke dem Kunden präsentiert werden soll: Allein oder in einem Markenverbund? Erfolgt die Entscheidung für einen Markenverbund, gilt es zu klären, wie die Beziehung der Marken untereinander zu gestalten ist, da dies letztlich entscheidend für die kundenseitigen Assoziationen der Marke ist, d. h. den „Einbau“ der Marke in sein spezifisches Netzwerk determiniert. Die Marken sind dabei so zu präsentieren, dass sie jeweils vom Image der simultan präsentierten Marke – idealerweise wechselseitig – profitieren, diesem jedoch keinesfalls schaden. Je enger jedoch das Beziehungsgeflecht, desto stärker sind zwar die Intermarkeneffekte[16], jedoch auch die Interdependenzen, sodass es zunehmend schwierig wird, ein eigenständiges Markenimage aufzubauen und zu pflegen, ohne dass davon auch die assoziierten Marken beeinflusst werden. Die Entscheidung über die Markenarchitektur ist somit eine zentrale Determinante der Markenwahrnehmung. Esch (2008, S. 14) weist in diesem Kontext darauf hin, dass die Bedeutung der Markenarchitektur in der unternehmerischen Praxis noch vielfach unterschätzt und mehr oder weniger dem Zufall überlassen wird: „Die Markenarchitektur ist in der Praxis oft eher das ‚zufällige‛ Ergebnis internen und vor allem externen Wachstums. Eine identitätsbasierte und mit der Unternehmensstrategie konforme Gestaltung von Markenarchitekturen findet hingegen bei vielen Unternehmen bisher kaum statt.“ Esch (2008) unterteilt die Markenarchitektur in drei Ebenen. Auf der vertikal, hierarchischen Ebene wird das Verhältnis der Marke zur Unternehmensmarke diskutiert: Auf horizontaler Ebene stellt sich die Frage, mit wie vielen Marken der Markt bedient werden soll; auf handelsgerichteter Ebene gilt es zu klären, ob der Handel mit Hersteller- und/oder auch mit Handelsmarken bedient werden soll. Sowohl Esch (2008) als auch Meffert & Bruhn (2000)[17] unterscheiden – auf der vertikal, hierarchischen Ebene – zwischen der Einzel-, Familien- und Dachmarkenstrategie. Hierbei kann die Unternehmensmarke sowohl als Dach- als auch als Familienmarke in Erscheinung treten, die Produktmarke (eigentlich) nur als Einzelmarke. Der Begriff der Einzelmarkenstrategie findet zudem auch auf horizontaler Ebene – in Abgrenzung zur Mehrmarkenstrategie – Anwendung. Bruhn und Meffert (2000) erweitern ihr Konzept der Markenarchitektur – verglichen mit dem von Esch (2008) – um die Mehrmarken- und Markentransferstrategie[18]. Die Markentransferstrategie versteht Esch (2008) als Markendehnung und ergänzt sein Konzept zudem um die Markenallianz, wobei er die beiden Letzteren als Sonderformen – und nicht als Strategieoptionen – verstanden haben möchte. Im Folgenden werden die drei Grundformen der Markenarchitektur, und zwar die Einzel- (Kapitel 2.4.2.1), Familien- (Kapitel 2.4.2.2) und Dachmarkenstrategie (Kapitel 2.4.2.3) erläutert. Weitergehend werden die Mehrmarkenstrategie (Kapitel 2.4.2.4) – als Erweiterung der Einzelmarkenstrategie – und die Markentransferstrategie (Kapitel 2.4.2.5) genauer erläutert, beide Strategien sind für die Beschreibung der Marke Thalys von Bedeutung.

2.4.2.1 Einzelmarkenstrategie

Die Einzelmarkenstrategie sieht die Positionierung der Produkt- bzw. der Unternehmensmarke durch ein eigenständiges Image vor, wobei dieses durchaus vom Image der Dach- bzw. Familienmarke profitieren kann. Entscheidend für diese Strategie ist jedoch, dass die Produktmarke – ungeachtet einer etwaigen Dominanz bzw. Rezessivität gegenüber der Unternehmensmarke – als solche von den Kunden wahrgenommen wird bzw. werden soll:

„Bei einer Einzelmarken-Strategie werden für die Produkte eines Anbieters jeweils eigene Marken geschaffen und im Markt durchgesetzt. Das Prinzip lautet: Eine Marke = ein Produkt = ein Produktversprechen. (…) Die Einzelmarkenstrategie ist auf die Schaffung einer klaren, unverwechselbaren Markenidentität gerichtet (…) Dies kann sich sowohl in einem Preispremium als auch in einem Mengenpremium äußern. Einzelmarken bieten sich vor allem dann an, wenn ein Unternehmen sich mit heterogenen Produkten an verschiedene Kundengruppen und -segmente richtet.“ (Esch, 2008, S. 346).

2.4.2.2 Familienmarkenstrategie

Anders als in der Kombination von Dachmarke – die nicht selten zugleich die Unternehmensmarke[19] ist – und Einzelmarke ist die Beziehung zwischen Familien- und Einzelmarke enger verflochten. Esch (2008, S. 348) spricht ihr eine „Zwitterstellung zwischen Einzel- und Dachmarke“, da die Familienmarkenstrategie einerseits die Nutzung von Synergieeffekten offeriert, anderseits jedoch die Bildung eines mit dem der Einzelmarken vergleichbaren, eigenen Images ermögliche: „Allen Familienmarken-Strategien ist gemein, dass die angebotenen Produkte vom aufgebauten bzw. erweiterten Markenimage profitieren.“. Esch (2008) führt weiter aus, dass sie in der Familienmarke zwangsläufig die gleiche Grundpositionierung innehaben. Meffert & Bruhn (2000, S. 320) weisen weitergehend darauf hin, dass „innerhalb eines Unternehmens durchaus mehrere Markenfamilien nebeneinander existieren können“. Esch (2008, S. 349) weist jedoch auf die notwendige Beschränkung der Produktlinie – innerhalb der Familienmarke – hin: „Zunehmende Anpassungen bei der Markendehnung (...) an produktspezifische Erfordernisse (…) führen oft zur Verwässerung des Markenimages der Familienmarke!““[20]. Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen „Subbrand“ – im Sinne einer Produktlinienerweiterung (= line extension) – einer Familienmarke: Wird eine Produktlinie erweitert, wird zunächst nur von einer „Subbrand“ gesprochen. Erst mit Zunahme der Produkte bzw. Dienstleistungen innerhalb der Produktlinie wird von einer Markenfamilie gesprochen. Die Unterscheidung zwischen Markenfamilie und „Subbrand“ ist also rein quantitativer – nicht jedoch qualitativer - Natur.

2.4.2.3 Dachmarkenstrategie

Im Falle einer Dachmarkenstrategie ist die (Unternehmens-)Marke mit mehreren Produkten vertreten: „Im Rahmen einer Dachmarkenstrategie werden sämtliche Leistungen eines Unternehmens unter einer Marke zusammengefasst.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 320). Becker (2005, zitiert nach Esch, 2008) weist darauf hin, dass es im Falle der Dachmarkenstrategie darum ginge, das Unternehmen und dessen Kompetenz in den Vordergrund zu stellen. Dies kann zutreffend sein, muss aber nicht: Im Rahmen der Dach- und Einzelmarken kann die Einzelmarke auch gänzlich ohne die sichtbare Dachmarke in Erscheinung treten:

„Dachmarken werden vor allem dann gewählt, wenn der Umfang des Produkt- bzw. Dienstleistungsprogramms zu groß für eine sinnvolle Einzelmarkenstrategie ist (…), sich Zielgruppen bzw. Positionierung der Programmteile nicht oder nicht wesentlich voneinander unterscheiden (…) oder das Produktprogramm bzw. wesentliche Teile davon starken Markschwankungen unterliegen“ (Becker, 2005, zitiert nach Esch, 2008, S. 353).

Wie bereits erwähnt ist die Grenze zur Familienmarke fließend und bestenfalls über die Intensität der Beziehung zwischen der hierarchisch höhergestellten zur Einzelmarke auszumachen: „Je homogener das Produkt- und Dienstleistungsprogramm ist, desto spitzer kann sich eine Dachmarke positionieren. Im Kern entspricht sie dann in ihrem Wesen einer Familienmarken-Strategie.“ (Esch, 2008, S. 354).

2.4.2.4 Mehrmarkenstrategie

Die Mehrmarkenstrategie sieht die Bearbeitung desselben Markensegments durch mehrere, zueinander durchaus in Konkurrenz stehender, Einzelmarken vor. Esch (2008, S. 359) weist darauf hin, dass „Unternehmen teilweise Überschneidungen in Kauf [nehmen], weil es immer noch besser ist, wenn unternehmenseigene Marken sich gegenseitig kannibalisieren, als wenn dies durch die Konkurrenz erfolgt.“. Meffert & Bruhn (2000, S. 321) fassen das Wesen der Mehrmarkenstrategie wie folgt zusammen: „Wesentliches Charakteristikum der Mehrmarkenstrategie ist die Ausrichtung der Marken des Markenportfolios auf einen gemeinsamen Gesamtmarkt. Dabei unterscheiden sich die Marken durch ihre heterogene Positionierung, welche aus einer Differenzierung der unter den Marken angebotenen Dienstleistungen und weiterer zentraler Leistungsmerkmale bzw. der Ausgestaltung der Marketinginstrumente resultiert.“ Die Autoren schreiben der Mehrmarkenstrategie zudem die besondere Eignung für eine differenzierte Marktbearbeitung zu, da sie eine differenzierte Bearbeitung einzelner Markt segmente – im Sinne einer Einzelmarkenstrategie – ermöglichen (Meffert & Bruhn, 2000).

2.4.2.5 Markentransferstrategie

Bei der Markentransferstrategie, welche de facto einer Markendehnung entspricht, gilt es, das aufgebaute Image einer Marke durch einen Transfer auf eine andere Leistung zu „kapitalisieren“: „Markenimage und Bekanntheitsgrad sollen von den bestehenden Angeboten auf andere Angebotskategorien ausgedehnt werden.“ (Meffert & Heinemann, 1990, zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000). Gemäß Esch (2008) sollen Investitionen in die Marke durch ein breiteres Angebot und/oder einen strategischen Vorteil – wobei Letzterer im Imagetransfer selbst begründet liegt – einen höheren Return on Investment sicherstellen und die Investitionen in den (ursprünglichen) Markenaufbau (über)kompensieren. Bruhn & Meffert (2000, S. 348 f.) merken hierzu an:

„Dies ist nicht verwunderlich, weil Unternehmen aufgrund der hohen Einführungskosten von neuen Einzelmarken und den damit verbundenen Floprisiken zunehmend vorhandene Marken durch Markendehnung kapitalisieren. Aus einer solchen Markendehnung, bei der man einen positiven Imagetransfer einer Marke auf ein neues Produkt bewirken möchte, ergeben sich zwangsläufig mehr oder weniger große Markenfamilien.“

Esch (2008) differenziert innerhalb der Markendehnung zwischen Produktlinien- und Markenerweiterung; Ersteres beinhaltet die Erschließung eines neuen Marktsegmentes innerhalb desselben Anwendungsfeldes, während die Markenerweiterung die Nutzung des Markennamens für ein völlig fremdes Betätigungsfeld vorsieht.[21] Basis des Markentransfers ist ein Fit zwischen der zu übertragenden Marke und dem imageempfangenden Produkt, um der Gefahr einer Markenverwässerung entgegenwirken zu können: „Der Markenkern und das Markenimage der Stammmarke begrenzen die Dehnungsoptionen.“ (Esch, 2008, S. 352 f.). Eine Möglichkeit, dieser potenziellen Verwässerung entgegenzuwirken, stellt die Markenallianz dar, im Rahmen derer die Marken dem Kunden paritär gemeinsam präsentiert werden: Es werden Kompetenzen gebündelt in dem Sinne, dass beide Markenimages vollends übertragen und summiert werden. Die so neu geschaffene Markenkomposition verfügt zugleich über die Kompetenz beider Stammmarken und beiden allein überlegen:

„Durch eine Markenallianz wird die Kraft von mindestens zwei Marken gebündelt. (…) Dadurch sollen positive Gedächtnisvorstellungen beider Marken auf ein mit diesen Marken gekennzeichnetes Angebot übertragen werden. Im Vergleich zu einer Markendehnung sind Markenallianzen dann vorteilhaft, wenn der Imagetransfer auf ein Angebot durch Nutzung mehrerer Marken effektiver und effizienter ist, als bei dem Transfer einer einzigen Marke.“ (Esch, 2008, S. 441 ff.)

Redler (2003, zitiert nach Esch, Redler & Honal, 2007, S. 61) verweist auf das eigenständige Leistungsangebot der Allianz: „Bei Markenallianzen werden mehrere Marken gegenüber dem Kunden mit einem eigenständigen Leistungsangebot angeboten.“ Neben der „einfachen“ Markenallianz ist weitergehend zwischen den sogenannten „Mega-Brands“ (Esch, 2008) und dem „Joint Ventures als schärfste Variante der Markenallianzen.“ (Blachett & Russel, 1999, zitiert nach Esch, 2008, S. 442) zu unterscheiden. Abschließend sei festzustellen, dass es bei der Markearchitektur eines „Fit“ bedarf, d. h., die Marken – auch unterschiedlicher Hierarchieebenen – müssen vom Kunden als zueinander passend empfunden werden. Dieses Empfinden ist stark kulturell verwurzelt, sodass im folgenden Kapitel die kulturellen Implikationen der Markenwahrnehmung zu erläutern sind.

2.5 Kulturelle Implikationen der Markenpolitik

Bereits in Kapitel 2.3, in dem der Begriff „Marke“ definiert wurde, zeigte sich, dass dieser – und damit verbunden auch die gesamte Markenpolitik – nicht ohne Berücksichtigung des Konstrukts „Kultur“ betrachtet werden kann: Es gilt daher – vor allem in internationalen Kontext – zu hinterfragen, welchen Einfluss eine spezifische (Landes-)Kultur auf die Marke ausübt:

„Auf internationalen Märkten erfüllen Marken prinzipiell dieselben Funktionen wie auf nationalen Märkten: Hier wie dort kann sich ein Unternehmen mit ihrer Hilfe von den Wettbewerbern angrenzen. Universell ist weiterhin das in den Prinzipien der menschlichen Informationsverarbeitung begründete Phänomen, dass Verbraucher auf einfache, leicht zugängliche Merkmale wie den Markennamen vertrauen. Sie vereinfachen dadurch die von ihnen zu treffenden Kaufentscheidungen und reduzieren die damit verbundene Unsicherheit. Allerdings variiert das Ausmaß beider Funktionen je nach Zielmarkt erheblich, da potentielle Käufer eine Marke in Abhängigkeit von ihrem kulturellen Hintergrund bewerten.“ (Müller & Gelbrich, 2004, S. 570 f.)

Großes Ansehen in der kulturwissenschaftlichen Forschung genießen die Studien Geert Hofstedes, seines Zeichens promovierter Psychologe und Anthropologe: „Die in der Betriebswirtschafts- und Managementlehre wohl bekannteste Studie der Kulturforschung stellt die Untersuchung von Hofstede dar (…), weil Hofstede (...) die managementorientierte Kulturforschung besonders stark geprägt hat.“ (Kutschker & Schmid, 2005, S. 710). Hofstede & Hofstede (2006, S. 4 f.) grenzen die Kultur einerseits von der „menschlichen Natur“ und von der „Persönlichkeit“ ab. Die Kultur bildet deren Bindeglied: „Man sollte die Kultur unterscheiden von der menschlichen Natur einerseits und von der Persönlichkeit eines Individuums andererseits“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4 f.). Sie sprechen in diesem Kontext von den „Drei Ebenen der Einzigartigkeit in der mentalen Programmierung des Menschen“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4). Der Begriff der „Einzigartigkeit“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4) ist wiederum eines der Charakteristika – um nicht zu sagen das wesentliche Charakteristikum – der Marke. Den dargestellten Zusammenhang visualisiert Abbildung 7:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Drei Ebenen der Einzigartigkeit in der mentalen Programmierung des Menschen

(Quelle: Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4; Grafik: S. Pannes)

Hofstede & Hofstede (2006, S. 5) beschreiben die menschliche Natur als „Betriebsystem“, welche durch ihre universelle Vererbung auszeichnet. Sie ist bei allen Menschen kulturübergreifend gleich. Die Kultur hingegen bezeichnen sie konträr als „software of the mind“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 3), wobei beide Begriffe als Metaphern zu verstehen sind: Letztendlich sind auch Computer Massenware, wobei sich die einzelnen Modelle durch ihre Softwarekonfigurationen unterscheiden. Analog ist die Kultur gruppen- bzw. kategorienspezifisch erlernt, anders als die menschliche Natur jedoch nicht angeboren (Hofstede & Hofstede, 2006). Treffend formuliert dies die Redewendung „Alle Teammitglieder sind gleich [= Ebene der menschlichen Natur], aber einige sind ‚gleicher‛ als andere [= kulturelle Ebene]“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 38). Komplettiert wird die Triangulation durch die individuumsspezifische Persönlichkeit, die – wie auch die Kultur – erlernt ist; dies jedoch nur zum Teil und zum anderen Teil erlebt (Hofstede & Hofstede, 2006). Den Begriff der Kultur definiert Hofstede & Hofstede (2006, S. 4) im Sinne gruppenspezifisch geteilter Grundüberzeugungen: „Kultur ist (…) die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet.“

Hofstede (1983, zitiert nach Kutschker & Schmid, 2005, S. 711) postuliert, dass sich Kultur zunächst in Grundannahmen manifestieren, die ihrerseits wieder als Basis für die Sicht der Welt darstellen: „Characterizing a national culture does not mean that every individual is mentally programmed in the same way. The national culture found is a kind of average pattern of beliefs and values, around which individuals in the country may vary.”.

Hofstede & Hofstede (2006) zufolge manifestiert eine Kultur auf zwei Ebenen: Den Kern einer Kultur stellen die Werte dar, während die als Praktiken zusammengefassten Symbole, Helden und Rituale die äußeren Schichten einer Kultur darstellen. Hofstede & Hofstede (2006) stellen diese in Form einer Zwiebel dar, um auszudrücken, dass ein Verständnis der äußeren Schichten vonnöten ist, um auch die darunterliegenden Schichten hinsichtlich ihrer Bedeutung begreifen zu können. Gleichzeitig wird dadurch auch dem Einfluss der inneren auf die äußeren Schichten Ausdruck verliehen (Hofstede & Hofstede, 2006). Symbole, Helden und Rituale zählen zu den Praktiken und sind von den Werten abzugrenzen: „Als solche [Praktiken] sind sie für einen außenstehenden Beobachter sichtbar, aber ihre kulturelle Bedeutung ist nicht sichtbar; sie liegt genau und ausschließlich in der Art und Weise, wie diese Praktiken von Insidern interpretiert werden.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 9). Symbole haben für die Kultur dieselbe Bedeutung wie für die Marke. Im Falle der Marke können Symbole sogar als deren Wesen bezeichnet werden, wird ihnen doch letztlich eine Markierungsfunktion zuteil.[22] Symbole zeugen von einer Gruppenzugehörigkeit, die von Außenstehenden zwar wahrgenommen wird, deren Bedeutung sich ihnen jedoch nicht erschließt. Sie sind zeitlich relativ instabil und bilden die äußerste Schicht einer Kultur (Hofstede & Hofstede, 2006): „Symbole sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte, die eine bestimmte Bedeutung haben, welche nur von denjenigen als solche erkannt wird, die der gleichen Kultur angehören.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 7). Hofstede & Hofstede (2006) weisen darauf hin, dass Symbole leicht nachzuahmen sind und daher die äußerste Schicht einer Kultur bilden. Eine Aussage, die sich abermals auf die Marke ausweiten lässt und in der Marketingpraxis durchaus Anwendung findet. Hierarchisch übergeordnet – und im Modell physisch untergeordnet – bilden die Helden das Bindeglied zwischen den Symbolen und Ritualen: „Helden sind Personen, tot oder lebend, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, welche in einer Kultur hoch angesehen sind; sie dienen daher als Verhaltensvorbilder.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 8).

Nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit können Helden als eine besondere Form der Stereotype angesehen werden: Selbst wenn es sich um echte Personen handelt, gilt die allgemeine Bestrebung der Idealisierung ihrer Helden. Es werden die geschätzten Eigenschaften herausgestellt, während die weniger geschätzten Eigenschaften „unterschlagen“ werden. Rituale sind die tiefste äußere Schicht Praktiken und der Kultur zugleich: „Rituale sind kollektive Tätigkeiten, die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer aber als sozial notwendig gelten: sie werden daher um ihrer selbst willen ausgeübt.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 8). Zu den Praktiken kann zusammenfassend gesagt werden, dass sie zwar – mehr oder weniger – erlernt werden können, ihr Verständnis bedarf jedoch einer Internalisierung der spezifischen Werte einer Kultur. Mit anderen Worten: Praktiken können nur mithilfe kultureller Schemata analysiert werden. Hofstede weist darauf hin, dass man zunächst ebendiese ablegen muss, um andere zu erlernen und weist darauf hin, dass dieser Prozess schwieriger ist als derer des ersten Erlernens (Hofstede & Hofstede, 2006): Es werden neue kulturelle Eindrücke aufgenommen, die in Kontrast zum bisherigen Wissen stehen und eine Relativierung desselbigen erfordern. Man unterliegt vorübergehend einer kognitiven Dissonanz, die wiederum nicht eintritt, wenn etwas neu erlernt wird, d. h. noch kein potenziell kontrastierendes Wissen vorhanden ist. Usunier & Walliser (1993, zitiert nach Kutschker & Schmid, 2005) argumentieren, dass sich die interkulturell divergierenden Annahmen über die effektivste und effizienteste Bewältigung grundlegender Probleme dreidimensional darstellen lassen: Berücksichtigt werden müssten dabei die kognitive („So funktioniert es“), die affektive („So mögen wir es“, „Das ist unsere Art“) und die konative Dimension („So werden wir es machen“). Dies wirft die Frage auf, was falsch und was richtig ist, ohne dass diese je gänzlich begründet werden kann. Vielmehr ist ein Gefühl, dass etwas richtig und etwas anderes falsch ist. Diese Frage wird kulturell verschieden beantwortet. Sie ist nicht (mehr) durch die Praktiken zu erklären, resultieren diese doch selbst aus der Beantwortung. Entsprechend gilt es, die kulturellen Werte zu hinterfragen, die metaphorisch als Kompass interpretiert werden können, der eine ungefähre Orientierung – im Sinne des richtigen Gefühls – weist: „Den Kern der Kultur (…) bilden die Werte. Als Werte bezeichnet man die allgemeine Neigung, bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Werte sind Gefühle mit einer Orientierung zum Plus- oder zum Minuspol hin.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 9). Hofstede selbst stellt den Aufbau der Kultur in Form einer Zwiebel dar, deren Kern die Werte und deren Schichten die Praktiken bilden. Die innerste Schicht der Praktiken bilden die Rituale, gefolgt von den Helden und die Symbole bilden die äußerste Schicht. Diesen Zusammenhang verdeutlicht Abbildung 8:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Das „Zwiebeldiagramm“: Manifestation der Kultur auf verschiedenen Tiefenebenen

(Quelle: Hofstede & Hofstede, 2006, S. 8; Grafik: S. Pannes)

Spätestens wenn von der „Unternehmenskultur“ die Rede ist, dürfte sich die Verwandtschaft der Begriffe „Markenidentität“ – die wesentlich durch die Unternehmenskultur geprägt wird – und „Markenimage“ deutlich werden. Als schwierig erweist sich jedoch die Abgrenzung zur Ebene der Persönlichkeit, weil die Markenpersönlichkeit Teil der – auf kultureller Ebene angesiedelten – Unternehmenskultur ist. Kontrastiert Aaker (1997) die „Big Five“ mit den fünf Dimensionen der Markenpersönlichkeit, verwischen die Grenzen zwischen Persönlichkeit und Kultur. Hofstede & Hofstede (2006, S. 5) merken jedoch an, dass hier keine klare Grenze gezogen werden könne: „doch wo genau die Grenzen zwischen Kultur und Persönlichkeit liegen, ist unter Sozialwissenschaftlern umstritten.“. Es wird dort weiter ausgeführt: „Ergebnisse aus demselben Persönlichkeitstest (NEO-PI-R, mit dem die ‚Großen Fünf‛ Persönlichkeitsdimensionen gemessen werden) in verschiedenen Ländern belegen, dass die ‚Durchschnitts‛- bzw. ‚normale‛ Persönlichkeit sich nach der Kultur richtet.“ (Hofstede & McCrae, 2004, zitiert nach Hofstede & Hofstede, 2006, S. 48). Kutschker & Schmid (2005, S. 712) verweisen weiterhin auf die relativ hohe Bedeutung der Hofstedschen Erkenntnisse für die interkulturelle marketingtechnische Praxis: „Die Berücksichtigung einzelner Länder fällt bei Hofstede [relativ leicht], schließlich hat Hofstede explizit mit seiner groß angelegten Studie die Kulturunterschiede von zahlreichen Ländern untersucht“. Hofstedes Studien (Hofstede & Hofstede, 2006) brachten zunächst vier Dimensionen zur Messung kultureller Unterschiede hervor, die er später durch eine fünfte ergänzte. Die Kulturdimensionen „Machtdistanz“ (Kapitel 2.5.1), „Individualismus vs. Kollektivismus“ (Kapitel 2.5.2), „Maskulinität vs. Feminität“ (Kapitel 2.5.3), „Unsicherheitsvermeidung“ (Kapitel 2.5.4) und endet mit der Dimension „Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung“ (Kapitel 2.5.5) werden im Folgenden vorgestellt.

2.5.1 Machtdistanz

„Machtdistanz“ thematisiert den Umgang einer Gesellschaft mit ungleicher Verteilung von Macht: „Machtdistanz kann (…) definiert werden als ‚das Ausmaß, bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleich verteilt ist.‛“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 59). Hofstede & Hofstede (2006) unterstreichen in ihren Ausführungen die hohe Bedeutung des Akzeptanzbegriffs, denn „Autorität kann nur dort bestehen, wo sie auf Gehorsam trifft.“ (Hofstede & Hofstede, 2006). Kutschker & Schmid (2005, S. 712) folgen Hofstedes Gedankengang:

„Führt man sich die Definition und die zur Messung von Machtdistanz herangezogenen Fragen etwas genauer vor Augen, so erkennt man, dass man eigentlich besser von Machtunterschiedstoleranz bzw. Machtunterschiedsakzeptanz sprechen sollte. Gefragt wird nicht so sehr nach der tatsächlichen Machtdistanz, sondern der Bereitschaft, Machtdistanz zu tolerieren bzw. akzeptieren.“.

Machtdistanz wird über den Machtdistanzindex (MDI) gemessen. Je höher dessen Wert, desto stärker ist die Machtdistanz in der jeweiligen Kultur ausgeprägt, wobei Malaysia mit 104 den höchsten und Österreich mit 11 den niedrigsten Punktwert erreicht (Hofstede & Hofstede, 2006). Auf das Unternehmen bezogen lässt sich die Zahl der Hierarchieebenen als Indikatoren für Machtdistanz heranziehen, da Machtdistanz und die Zahl der Hierarchieebenen positiv miteinander korreliert sind (Hofstede & Hofstede, 2006). Die Unternehmung ist sehr gut zu koordinieren und überschaubar, jedoch relativ inflexibel, da jegliche Entscheidungen auf relativ hoher Ebene getroffen werden. Dies kostet viel Zeit, ermöglicht jedoch eine hohe Einflussnahme auf die Markenidentität. Das Markenimage kann dadurch relativ stabil gehalten werden, auf Trends kann das Unternehmen – aufgrund der mangelnden Flexibilität – nur erschwert reagieren, was negative Auswirkungen auf das Markenimage mit sich bringt. Müller & Gelbrich (2004, S. 574) charakterisieren die Rolle der Marke in Kulturen mit einem hohen MDI-Wert wie folgt:

„Kulturen, welche Machtdistanz akzeptieren, sind in hohem Maße statusorientiert. Folglich wiegt das soziale besonders schwer (‚Was werden meine Nachbarn sagen?‛). In solchen Märkten erfüllt die Marke mehr als anderswo eine starke soziale Funktion. Sie weist ihren Besitzer als Mitglied der ‚in group‛ aus und unterscheidet ihn von der ‚out group‛.“.

Durch den Konsum wird nochmals der Status bzw. eine gewisse Einzigartigkeit betont; Eigenschaften, die dem Wesen der Marke immanent sein müssen.

2.5.2 Individualismus vs. Kollektivismus

Zwei der fünf Hofstedschen Kulturdimensionen – „Machtdistanz“ und „Unsicherheitsvermeidung“ – sind entweder stark oder schwach ausgeprägt. Im Falle der Dimension „Individualismus vs. Kollektivismus“ werden zwei konträre Teildimensionen beschrieben, die beide zugleich mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Sie thematisieren beide das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe hinsichtlich der Priorität, d. h. ob den Zielen des Individuums (= individualistische Prägung) oder den Zielen der Gruppe (= kollektivistische Prägung der Vorrang) eingeräumt:[23]

Der „Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind; man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und für seine unmittelbare Familie sorgt. Sein Gegenstück, der Kollektivismus, beschreibt Gesellschaften, in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn ein Leben lang schützen und dafür bedingungslose Loyalität verlangen.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 102).

Gemessen wird der Individualismus – nicht der Kollektivismus – anhand des Individualismus-Indexwerts (IDV). Der Kollektivismus lässt reziprok aus dem IDV ableiten, d. h. ein niedriger IDV zeugt von einer starken, ein hoher IDV zeugt entsprechend von einer niedrigen kollektivistischen Prägung. Jede Kultur ist entweder eher individualistisch oder kollektivistisch geprägt, weist jedoch zumeist Elemente beider Teildimensionen simultan auf. Sehr interessant ist in diesem Kontext der Ansatz von Müller & Gelbrich (2004): Die Autoren argumentieren, dass in individualistischen Kulturen – wie bereits im Verlauf dieser Arbeit undifferenziert dargelegt – einzigartige Marken präferieren, während in kollektivistischen Kulturen ein relativ starker Massendruck herrscht. Es werden die Marken gekauft, die dort jeder kauft. Hofstede & Hofstede (2006, S. 100) weisen darauf hin, dass die „überwiegende Mehrheit der Menschen in unserer Welt (…) in Gesellschaften [lebt], in denen das Interesse der Gruppe dem Interesse des Individuums übergeordnet ist.“. Diesem Umstand wird im Marketing somit eine hohe Relevanz zuteil, hinsichtlich der Frage nach der Standardisierung vs. Differenzierung. Müller & Kornmeier (1995, zitiert nach Müller & Gelbrich, 2004) schlagen die Verfolgung der Strategie einer differenzierten Standardisierung vor, im Rahmen derer die vorhandenen Gemeinsamkeiten maximal genutzt werden (= Standardisierung), aber dennoch – soweit erforderlich – eine Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten erfolgt (= Differenzierung). So ist ausgehend von Porters Ansatz der Kosten- vs. Qualitätsführerschaft – den die Autoren als eher national relevant einschätzen (Müller & Gelbrich, 2004) – im interkulturellen Kontext zu fragen, in welchem Ausmaß die Marke dem Markt angepasst werden muss. Letztendlich darf die Gefahr der Markenverwässerung nicht übersehen werden, die in einer zu starken Differenzierung – unter gänzlichen Verzicht auf interkulturell geteilte Markenidentitäts- und Markenimageelemente (= Standardisierung) – zu sehen ist. Müller & Gelbrich (2004) thematisieren den Grad der notwendigen Anpassung im Rahmen der Dimension „Lokalisierung“, die unter anderem den „Nationalstolz“ zugrunde legt und der Dimension „Individualismus vs. Kollektivismus“ untergeordnet ist: Eine starke Lokalisierung zeugt von kultureller Prägung[24], eine geringe Lokalisierung zeugt von einer starken globalen Prägung; die Kunden sind relativ wenig in der eigenen Kultur verwurzelt (Müller & Gelbrich, 2004). Beide Formen der Lokalisierung zeigen sich gleichermaßen in individualistischen sowie in kollektivistischen Kulturen. Der Grad der Lokalisierung ist für die Dimension Individualismus vs. Kollektivismus von relativ hoher Bedeutung. Globale Individualisten[25] empfinden kaum Nationalstolz und schätzen ihre kulturelle Identität nur wenig (Müller & Gelbrich, 2004). Stark ausgeprägt – und entsprechend dominant – ist die Ebene der Persönlichkeit; es besteht das starke Bedürfnis sich von der Masse abzuheben. Marken, die für Unabhängigkeit, Autonomie und Einzigartigkeit haben daher bessere Chancen, wahrgenommen und als qualifizierter für die Bedürfnisbefriedigung bewertet zu werden. Die kulturellen Individualisten[26] zeichnen sich hingegen durch einen relativ stark ausgeprägten Nationalstolz und Konsumpatriotismus aus. Nationale Leistungen werden tendenziell eher wahrgenommen und als subjektiv geeigneter bewertet. Marken dienen kulturellen Individualisten als Mittel zur Selbstentfaltung (Müller & Gelbrich, 2004). Den „Markenerfolg [erzielen sie] durch Thematisierung der Identität des individuellen Staatsbürgers (‚Ich als Franzose‛).“ (Müller & Gelbrich, 2004, S. 572). Kulturelle Kollektivisten empfinden Nationalstolz, wenn dieser auch Kollektiv untergeordnet wird (Müller & Gelbrich, 2004). Es gilt die eigene Gruppe durch Marken – innerhalb der eigenen Kultur – von anderen Gruppen abzugrenzen. Die Marke wird vorrangig als Mittel zur Markierung – bzw. der Selbstdarstellung – verstanden. Sie ist das Symbol der Gruppenzugehörigkeit. Erfolgreiche Marken in kulturell kollektivistischen Kulturen sind lokal verortet und gemeinschaftlich anerkannt. Im Falle der globalen Kollektivisten beschränkt sich Abgrenzung nicht auf die kulturell-nationale Gemeinschaft. Es dominiert eine starke, transnationale Gemeinschaft die kulturelle Verwurzelung. Entsprechend hoch ist die Wahrnehmung und Bewertung kosmopolitisch, ausländischer Marken, die jedoch gemeinschaftlich anerkannt sein müssen.

2.5.3 Maskulinität vs. Feminität

Sowohl bei der Dimension „Individualismus vs. Kollektivismus“ als auch bei der Dimension „Maskulinität vs. Feminität“ handelt es sich um zwei reziprok verhaltende Teildimensionen: Je stärker die Orientierung zum einen der beiden Pole, desto schwächer ist die zum konträren. Thematisiert wird die Affinität zu einer relativ „kalten“ Geschlechtertrennung (= Maskulinität), die den Geschlechterstereotypen vollends entspricht und einer relativ sensiblen Gesellschaft, in derer sowohl Frauen als auch Männer ihren Gefühlen Ausdruck verleihen dürfen, ohne Scham oder gar gesellschaftliche Sanktionen befürchten zu müssen:[27]

„Eine Gesellschaft bezeichnet man als maskulin, wenn die Rollen der Geschlechter emotional klar gegeneinander abgegrenzt sind: Männer haben bestimmt, hart und materiell orientiert zu sein, Frauen dagegen müssen bescheidener, sensibler sein und Wert auf Lebensqualität legen. Als feminin bezeichnet man eine Gesellschaft, wenn sich die Rolle der Geschlechter emotional überschneiden: sowohl Frauen als auch Männer sollen bescheiden und feinfühlig sein und Wert auf Lebensqualität legen.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 165).

Die Ausprägung der Maskulinität innerhalb einer Kultur wird durch den Maskulinitätsindex (MAS) gemessen. Je höher dessen Wert, desto stärker maskulin – und desto schwächer feminin – ist die Kultur geprägt. Ein geringer MAS-Wert spricht für eine relativ starke Feminität. Der Grad an Feminität bzw. Maskulinität beeinflusst das Auftreten und die Wahrnehmung desselbigen erheblich: So wird ein Individuum einer eher maskulin geprägten Kultur einen zurückhaltenden, bescheidenen und ruhigen Menschen eher als unsicher einschätzen und daher einen eher negativen Eindruck gewinnen, während jedoch gerade diese Eigenschaften in dessen Kulturkreis geschätzt werden (Hofstede & Hofstede, 2006). Entsprechendes gilt für die Marke als Pseudointeraktionspartner: Der Markenauftritt muss die kulturelle Prägung berücksichtigen, um eine entsprechend (subjektiv) positive Wahrnehmung beim potenziellen Kunden überhaupt erst ermöglichen zu können. Während im Falle von „Individualismus vs. Kollektivismus“ gefragt wird, wer der Markeninteraktionspartner (= Individuum vs. Gruppe) ist – andernfalls ist die kundenseitige Wahrnehmung nicht hinreichend sicher –, gilt es im Falle von „Maskulinität vs. Feminität“ um das marktseitige Auftreten der Marke zu determinieren. Es muss ein Fit zwischen den Markeneigenschaften und den (idealisierten) Eigenschaften des Konsumenten bestehen, damit dieser die Marke überhaupt wahrnimmt (= Leuchturmfunktion der Marke).

2.5.4 Unsicherheitsvermeidung

„Unsicherheitsvermeidung“ könnte – analog zur Dimension „Machtdistanz“ – als Ungewissheitstoleranz bezeichnet werden und charakterisiert den Umgang einer Kultur mit bzw. das Aushalten von Ungewissheit:

„Unsicherheitsvermeidung lässt sich (…) definieren als der Grad bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich durch uneindeutige oder unbekannte Dimensionen bedroht fühlen. Dieses Gefühl drückt sich u. a. in nervösem Stress und einem Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit aus: ein Bedürfnis nach geschriebenen und ungeschriebenen Regeln.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 233).

Gemessen wird die Unsicherheitsvermeidung durch den Unsicherheitsvermeidungsindex (UVI): Ein hoher UVI-Wert steht für ein starkes Bestreben nach Schaffung der größtmöglichen Sicherheit; ein geringer Wert bedeutet, dass eine hohe Akzeptanz von Unsicherheit besteht. Generell kann der Marke eine höhere Bedeutung in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung bescheinigt werden, da Markentreue – bedingt durch Erfahrungswerte – Wissen generiert und somit die Ungewissheit reduziert:

„Marken und andere Qualitätssignale helfen, das Kaufrisiko zu mindern. Auf den Käufer wirken sie wie ein glaubwürdiges Versprechen, dass er die versprochene bzw. erwartete Qualität auch tatsächlich erhalten wird. Diese Qualitätsgarantie sollte vor allem in Märkten wirken, in denen Menschen einen Wunsch haben: keine Ungewissheit!“ (Müller & Gelbrich, 2004, S. 140).

Es kann somit festgehalten werden, dass eine hohe Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung – bedingt durch das relativ hohe kognitive Involvement – einerseits eine hohe Aufmerksamkeit bzw. Informationswahrnehmung generiert, der Kunde jedoch diese selektiv auf ihre Eignung zur Unsicherheitsreduktion analysiert bzw. bekannten Marken den Vorrang gewährt: Die negative Motivation der Ungewissheit kompensiert somit – mehr oder weniger – den Vorteil der erhöhten Wahrnehmungskapazität, bietet jedoch zugleich die in der Markentreue begründete Chance der (langfristigen) Kundenbindung und Stärkung der Marke.

2.5.5 Langzeitorientierung vs. Kurzzeitorientierung

„Langzeitorientierung vs. Kurzzeitorientierung“ befasst sich mit der Auslegung der Zeit: Während in kurzzeitorientierten Kulturen eher das „hier und heute“ dominiert, ist die langzeitorientierte Perspektive klar durch zukünftige Folgen dominiert; Bemühungen werden der langfristigen Sinnhaftigkeit und nicht des kurzfristigen Ertrags wegen unternommen:

„Langzeitorientierung steht für das Hegen von Tugenden, die auf künftigen Erfolg hin ausgerichtet sind, insbesondere Beharrlichkeit und Sparsamkeit. Das Gegenteil, die Kurzzeitorientierung, steht für das Hegen von Tugenden, die mit der Vergangenheit und der Gegenwart in Verbindung stehen, insbesondere Respekt für Traditionen, Wahrung des ‚Gesichts‛ und die Erfüllung sozialer Pflichten.“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 292 f.).

Gemessen wird die Langzeitorientierung über den Langzeitorientierungsindex (= LZO). Je höher dessen Wert, desto stärker die Langzeitorientierung bzw. desto niedriger die Kurzzeitorientierung und vice versa. Der Visualisierung wegen wurden die fünf für das im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorzustellende Unternehmen relevanten Kulturen nicht mit ihren jeweils erreichten Punktwerten, sondern prozentual auf Basis der höchsten erreichten Punktwerte[28] dargestellt. Eklatante Unterschiede zeigen sich vor allem hinsichtlich der Dimension „Machtdistanz“ (R = 31,73 %), die u. a. die Rahmenbedingungen der Markenkonsumentenbeziehung entscheidend determiniert sowie hinsichtlich der Dimension „Unsicherheitsvermeidung“ (R = 28,57 %). Hinsichtlich der Dimension „Maskulinität vs. Feminität“ (R = 47,27 %) ist dieser Umstand durch die stark feminin geprägten Niederlande (MAS = 12,73 %) zu relativieren; die Spannweite relativiert sich entsprechend, wenn die Niederlande ausgelassen werden (R = 20,91 %). Alle betrachteten Kulturen sind stark individualistisch geprägt (R = 14,28 %) und kurzzeitorientiert (R = 11,02 %). Visualisiert werden die genannten Ausführungen in Tabelle 1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Zusammenfassende Darstellung der relativen Ausprägungen
der verschiedenen Kulturdimensionen in Prozent

(Quelle: Eigene Darstellung)

Aus den kulturellen Implikationen der fünf vorgestellten Kulturdimensionen lassen sich zwar keine konkreten Handlungsalternativen ableiten, aber sie geben Anhaltspunkte über wesentliche Faktoren der Markenidentität, die der Verfasser dieser Arbeit verstanden haben möchte. Letztendlich ist die Markenidentität als gesendete Nachricht integraler Bestandteil der kundenseitigen Markenwahrnehmung, gemäß dem Sprichwort: „Wie Du kommst gegangen, so Du wirst empfangen“. Gerade im interkulturellen Kontext ist es von erfolgskritischer Bedeutung, die Markenwahrnehmung so zu beeinflussen, dass sie einerseits als konsistent wahrgenommen wird, andererseits eine Respektierung der kulturspezifischen Besonderheiten zum Ausdruck bringt. Genau jener Problematik hat sich Howard Perlmutter im Rahmen seines sogenannten EPRG-Modells angenommen. EPRG ist als Akronym der vier möglichen Handlungsalternativen zu verstehen. Perlmutter selbst diskutierte mit seinem Modell die Beziehung zwischen Stammhaus und den ausländischen Tochtergesellschaften: Es wird diskutiert, ob und inwieweit kulturelle Einflüsse der jeweiligen Tochtergesellschaften zugelassen werden. Es wird somit die Unternehmens- und Markenidentität diskutiert. Die Hofstedschen Kulturdimensionen lassen – unter Heranziehung der Indexwerte – Schlussfolgerungen über den Grad der Heterogenität der relevanten Kulturen zu und dienen als Entscheidungshilfe für die Wahl des geeignetsten Ansatzes der Markenpositionierung, die maßgeblich die kundenseitige Marktwahrnehmung beeinflusst und somit zur kritischen Variable des (interkulturellen) Markenerfolgs wird. Es stellen sich vier Handlungsalternativen. Die ethnozentrische Orientierung geht von der Superiorität der Muttergesellschaft und wird auch als „home country attitude“ (Kutschker & Schmid, 2004, S. 279) bezeichnet. Führungspositionen in der Tochtergesellschaft werden mit Führungskräften aus dem Stammland besetzt. Entsprechend wird die Unternehmens- und Markenidentität standardisiert in allen Tochtergesellschaften implementiert. Das Markenimage in den Ländermärkten ist sehr homogen, jedoch nicht an lokale Gegebenheiten angepasst. Die kundenseitige Wahrnehmung der Leistung hängt in diesem Fall sehr stark von der nationalen Verwurzelung der Kunden ab.[29] Das Gegenstück, die polyzentrische Orientierung, sieht die uneingeschränkte Anpassung an die kulturellen Gegebenheiten vor; marketingtechnisch ist von einer Differenzierung der Leistung zu sprechen. Führungspositionen werden in den Tochtergesellschaften mit einheimischen Führungskräften besetzt [= „host country orientation“ (Kutschker & Schmid, 2004, S. 280)]. Es entwickelt sich eine eigenständige Unternehmens- und Markenidentität, sodass das Image vollkommen divergiert und die Marke von Kultur zu Kultur verschiedenartig wahrgenommen wird. Dennoch ist diese Strategie im Falle sehr heterogener Kulturen potenziell erfolgversprechend, birgt jedoch zugleich die Gefahr der Markenverwässerung, da das Markenimage einer relativ starken Dehnung standhalten muss. Mit der regiozentrischen Orientierung trägt Perlmutter dem Umstand Rechnung, dass einige Kulturen in sich homogener sind als andere. Die polyzentrische Orientierung wird auf Kulturregionen ausgeweitet, um so Synergieeffekte nutzen zu können, sich zugleich aber den kulturellen Gegebenheiten anpassen zu können. Führungspositionen in der Tochtergesellschaft werden mit einheimischen und ausländischen Führungskräften besetzt. Die geozentrische Orientierung [= „world oriented orientation“ (Kutschker & Schmid, 2004, S. 280)] ist als vollkommene Standardisierung zu verstehen. Der regiozentrische Ansatz wird auf den Weltmarkt ausgeweitet. Es entwickelt sich eine völlig neue Unternehmens- und Markenidentität, die sich aus den verschiedenen kulturellen Hintergründen der Belegschaft zusammensetzt. Die Marke wird als „global brand“ wahrgenommen und „umschifft“ hierdurch das Problem des „Not invented here“-Syndroms: Weder als heimisch noch als fremd wird die Leistung wahrgenommen und ist den Kunden dennoch vertraut. Diese Handlungsalternative birgt den Vorteil der Standardisierung, ohne jedoch eine Verfremdungsgefahr eingehen zu müssen. Interdependenzen werden so entschärft und Synergien genutzt. Gleichzeitig erschweren sich hierdurch die Möglichkeiten der Adaption der Marke, sie verliert potenziell ihren einzigartigen Nutzencharakter in den Augen des Kunden, sodass zunehmend konkurrierende Marken wahrgenommen werden.

2.6 Besonderheiten der Markenpolitik im Dienstleistungsbereich

Aufgrund der hohen Unsicherheit von Dienstleistungen erhält die Markenpolitik in diesem Bereich ein ungleich stärkeres Gewicht als im Konsumgüterbereich. Dieser Umstand ist jedoch – wie Baumgarth (2008) anmerkt – bislang weder in der Wissenschaft noch in der Praxis hinreichend berücksichtigt worden. So bescheinigt Baumgarth (2008) der Dienstleistungsmarkenforschung – trotz ihrer hohen Bedeutung – eine unzureichende wissenschaftliche Diskussion. Die bisherigen Ausführungen zur Markenpolitik bezogen sich daher auch vornehmlich auf den Konsumgüterbereich. Im Folgenden werden diese Ausführungen in Bezug zu den Besonderheiten des Dienstleistungsmarketings gesetzt. Nach einer allgemeinen Einführung werden in Kapitel 2.6.1 die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen vorgestellt. Der Marketingmix im Dienstleistungsbereich (die 7 Ps) wird in Kapitel 2.6.2 vorgestellt. Die 7 Ps bilden im empirischen Teil der Arbeit die Grundlage für die Interviews und deren Auswertung. Die Besonderheiten einer Dienstleistungsmarke ergeben sich aus den Besonderheiten der Gattung „Dienstleistung“:

„Dienstleistungen sind selbstständig, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung (z. B. Versicherungsleistungen) und/oder Einsatz von Leistungsfähigkeiten (z. B. Friseursalon) verbunden sind (Potentialorientierung). Interne (…) und externe Faktoren (…) werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozeßorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt an den externen Faktoren, an Menschen (…) oder deren Objekten (…) nutzenstiftende Wirkungen (…) zu erzielen (Ergebnisorientierung).“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 30).

Aus dieser Thematik ist bereits das dienstleistungsspezifische Problem einer kontinuierlich als gleichwertig wahrgenommenen Qualität ersichtlich. Die Marke steht für ein Qualitätsversprechen. Dem hohen Involvement gepaart mit dem kundeseitig nicht vorhandenen Wissen Rechnung tragend, ist es Aufgabe der Marke, Wissen durch Vertrauen zu substituieren – Vertrauen in die Qualität der Marke (Meffert & Bruhn, 2000). Aus diesen Besonderheiten ergeben sich spezifische Anforderungen an die Markenpolitik, die von den Anforderungen des (physischen) Produktmarketings stark abweichen (können): „Entscheidungen hinsichtlich der Markenpolitik im Dienstleistungsbereich [weisen] deutliche Unterschiede zu den bekannten Ansätzen des Konsumgütermarketing[s auf]. Aufgrund der marktübergreifenden Wirkungen der Markenpolitik sind hierbei die Interdependenzen zu anderen Instrumenten zu berücksichtigen.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 284). Das Fehlen physisch wahrnehmbarer Eigenschaften verhindert eine ex ante Beurteilung der Qualität[30] : Dies stellt die Dienstleistungsproduktion vor das Problem, eine als subjektiv konstant wahrgenommene Qualität zu gewährleisten. Baumgarth (2008) sieht hierbei vor allem das Personal als kritisch an, dessen dem Kunden gelieferte Leistung nur durch eine stringente Qualitätsphilosophie umzusetzen ist. Auch Corsten (1986b, zitiert nach Corsten, 2001, S. 152) sieht Qualitätsschwankungen im internen Faktor (= Personal) begründet:

„Es ist damit nicht sicherzustellen, daß der Nachfrager immer eine qualitativ gleiche Leistung erhält, weil inter- und intraindividuelle Schwankungen auf seiten des Anbieters sowie wechselwirkungsbedingte Schwankungen aufgrund der Interaktion zwischen Personal und Nachfrager, der Nachfrager untereinander und zwischen Personal auftreten können.“

Corsten (2001) weist weitergehend auf die schlechte Beurteilungsmöglichkeit, der schwer konstant zu haltenden Qualität hin: Aufgrund der Immaterialität der Dienstleistung ist diese nicht ex ante, sondern nur ex nunc, d. h. während der Produktion bzw. des Konsums und im Nachhinein ex post zu beurteilen. Berekoven (1981, zitiert nach Corsten, 2001, S. 294) spricht in diesem Kontext von der „Informationsarmut“ des Dienstleistungskunden. Dieses Wissen gilt es, durch Vertrauen zu substituieren, um so die wahrgenommene Unsicherheit – die potenziell zu Reaktanz (= Ausbleiben des Kaufs) führen kann – zu reduzieren. Das Involvement der Kunden ist entsprechend hoch, sodass die Unsicherheit zugleich auch die Chance einer sehr effizienten Kommunikationspolitik bietet. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Kontext für Dienstleistungen die kognitive Dissonanz[31], die sich in der Dienstleistungsforschung durch die mangelnde Kenntnis der Alternativen begründen lässt: Es ist unklar, welche Vorteile man gezogen und welche Nachteile man im Falle einer anderen Alternative hätte „ertragen“ müssen. Es wird daher von Opportunitätskosten im Sinne eines potenziell entgangenen Nutzens gesprochen. Entsprechend ist sich der Kunde sowohl vor, während und nach der Dienstleistungsproduktion nicht sicher, ob er die (subjektiv) nutzenmaximierendste Alternative gewählt hat. Nur durch Erfahrungswerte, d. h. den Konsum der Alternativen, ist ein hinreichendes Wissen zu generieren; wobei auch diese Möglichkeit nicht für alle Dienstleistungen gegeben ist. Die von Corsten (2001) angesprochene – und als entscheidende Variable der wahrgenommenen Unsicherheit – zu sehende Informationsasymmetrie thematisieren auch Meffert & Bruhn (2000, S. 65): „Mit steigendem Anteil der Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften nimmt der Grad an Informationsdefiziten und an Unsicherheit zu.“ Corsten (2001) thematisiert worauf sich die Aufmerksamkeit der Kunden fokussiert:[32]

(a) Vertrauenseigenschaften (credence qualities)

Dem Markenkonstrukt wird – als „Leistungsversprechen (…), das Gegenstand eines jeden Leistungsvertrages zwischen Dienstleistungsanbieter und -nachfrager ist“ (Corsten, 2001, S. 22) – eine relativ hohe Bedeutung zuteil im Kontext hoher Wahrnehmungskapazitäten der hoch involvierten Kundschaft: Im Kontext einer relativ hohen Markenaffinität. Marken reduzieren die wahrgenommene Unsicherheit durch Vertrauen (Kenning, 2001, zitiert nach Kenning, 2007). Vertrauen kann als Substitution von Wissen verstanden werden, denn auch wenn Vertrauen kein Wissen zu generieren vermag, wird die (subjektiv) wahrgenommene Unsicherheit vermindert. Die tatsächliche Unsicherheit ändert sich nicht, lediglich der Umgang mit ihr:

Vertrauenseigenschaften „entziehen sich letztlich einer faktischen Beurteilung durch den Nachfrager, d. h., er vermag auch nach Inanspruchnahme einer Dienstleistung diese Qualitätsdimension nicht zu beurteilen, da er entweder nicht fachlich kompetent ist [oder] das Ergebnis erst in unbestimmter Zeit eintritt (z. B. medizinische Behandlung). Der Nachfrager kann folglich nur darauf vertrauen, daß die Eigenschaften auch tatsächlich vorhanden sind.“ (Corsten, 2001, S. 293).

Meffert & Bruhn (2000) weisen darauf hin, dass die Leistungsqualität im Falle von Vertrauensgütern möglicherweise nie beurteiltet werden können.

(b) Erfahrungseigenschaften (experience qualities)

Erfahrungseigenschaften sind ein aus der Leistungsverwendung generiertes Wissen: „Eine Beurteilung dieser Eigenschaften vermag der Nachfrager erst nach der Inanspruchnahme einer Leistung zu vollziehen, und zwar auf Basis der gemachten Erfahrungen.“ (Corsten, 2001, S. 293). Corsten (2001) definiert Erfahrungseigenschaften ergebnisorientiert, indem er Sie als Wissen für den späteren Konsum versteht. Dieser Standpunkt ist deswegen so interessant, da Meffert & Bruhn (2000) zwar Corstens Standpunkt teilen, jedoch auch die prozessuale Dimension, d. h. das „Machen“ der Erfahrung heranziehen.

(c) Sucheigenschaften (search qualities)

Sucheigenschaften können als Prüfelemente verstanden werden: Es sind die Kriterien, die hinsichtlich der Kundenerwartungen zu erfüllen sind, damit sich der Kauf überhaupt vollzieht:

„Sucheigenschaften liegen dann vor, wenn die Eigenschaften der Leistung bereits vor Vertragsabschluß beurteilt werden können. Streng genommen ist dieser Fall bei Dienstleistungen undenkbar, da die Leistung ja erst nach Vertragsabschluß entsteht. Es lassen sich allerdings eine Reihe von Leistungen identifizieren, die bereits einen hohen Anteil an Sucheigenschaften aufweisen.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 65).

Ein Beleg hierfür findet sich bei Corsten (2001, S. 293): „So kann der Nachfrager insbesondere die Potenzialfaktoren (Tennisplatz, Fitness-Studio etc.) vor der Inanspruchnahme inspizieren.“. Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Erfahrungseigenschaften sowohl für das Konsum- als auch für das Dienstleistungsmarketing eine vergleichbare Rolle spielen. Jedoch ergeben sich hinsichtlich der Such- und Vertrauenseigenschaften eklatante Unterschiede. Dies dürfte in den konstitutiven Merkmalen der Dienstleistungsgattung ihren Ursprung finden: Bei Konsumgütern bieten sich bessere Prüfmöglichkeiten und anders als bei Vertrauenseigenschaften – dieser Sachverhalt wurde bereits dargelegt – vermögen Sucheigenschaften Wissen zu generieren und so die tatsächliche Unsicherheit zu reduzieren. Im Falle der Dienstleistungen kann dieses Wissen nur bedingt bis überhaupt nicht generiert werden, sodass das Vertrauen in die Produkteigenschaften – mangels Wissen – die einzige Möglichkeit zur Reduktion des wahrgenommenen Risikos ist (Corsten, 2001). Dies dürfte die vergleichsweise hohe Treue zur Dienstleistungsmarke erklären (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Verteilung der Eigenschaften bei Sach- und Dienstleistungen

(Quelle: Corsten, 2001, S. 294; Grafik: S. Pannes)

Im Folgenden werden die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen vorgestellt (Kapitel 2.6.1).

2.6.1 Konstitutive Merkmale von Dienstleistungen

Die spezifischen Besonderheiten von Dienstleistungen sind zugleich deren konstitutive Merkmale:

„Unabhängig von der in der Literatur intensiv und kontrovers geführten Diskussion um konstitutive Merkmale von Dienstleistungen (…) lassen sich aus den (…) Definitionsansätzen die Merkmale Immaterialität (oder Intangibilität) und Simultanität von Produktion und Absatz, bedingt durch die Integration des externen Faktors, extrahieren.“ (Corsten, 2001, S. 27).

Die wesentlichen Unterschiede zwischen Sach- und Dienstleistungen wurden bereits oben dargestellt: Sie lassen sich drei Kategorien zuordnen, namentlich der Immaterialität, der Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters und der Integration des externen Faktors. Die Immaterialität schließt den Transport und die Lagerung aus, sie ist zudem imitierbar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Konstitutive Merkmale von Dienstleistungen

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die Immaterialität impliziert für die Dienstleistung drei spezifische Probleme im Vergleich zum Konsumgütermarketing. Dienstleistungen können nicht gelagert werden und sind folglich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu nutzen, andernfalls verfallen sie: „Die Nichttransportfähigkeit impliziert, daß der Konsument einer Dienstleistung diese nur in dem Moment in Anspruch nehmen kann, in dem sie produziert wird. (…) Diese Potentiale stehen zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung und verfallen, wenn sie nicht genutzt werden.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 51). Dienstleistungen können auch nicht transportiert werden, sodass keine physische Trennung zwischen Dienstleistungsanbieter und -nachfrager bestehen kann: Dies ergibt sich aus dem Uno-actu-Prinzip, das besagt, dass der Konsum mit der Dienstleistungsproduktion beginnt und endet. „Ferner impliziert die Immaterialität von Dienstleistungen ihre Nichttransportfähigkeit. Dienstleistungen können im Allgemeinen nicht an einem anderen Ort konsumiert werden als an demjenigen ihrer Erstellung. Produktion und Konsumtion der Dienstleistung erfolgen simultan (Uno-actu-Prinzip).“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 52). Dienstleistungen lassen sich – mangels physischer Charakteristika – nur erschwert schützen und sind daher der Imitationsgefahr ungleich stärker ausgesetzt als Konsumgüter und lässt der Dienstleistungsmarke – hinsichtlich der Unsicherheitsreduktion und der stärkeren Kundenbindung – einen wesentlichen Stellenwert zuteil werden:

„Dienstleistungen sind vergleichsweise leicht imitierbar. Darüber hinaus ist die Konsumtion für den Kunden mit Unsicherheiten verbunden. Vor diesem Hintergrund hat insbesondere die Markenpolitik zur Profilierung eines Anbieters beziehungsweise dessen Leistung und als Vertrauensanker einen hohen Stellenwert. Auch das Image einer Leistung beziehungsweise des Dienstleistungsanbieters gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 279).

Die Autoren weisen an späterer Stelle noch darauf hin, dass die relativ homogenen Dienstleistungen –, Entsprechendes gilt jedoch in etwas geringerem Maße auch für das Konsumgütermarketing – erst durch die Markierung eine Alleinstellung im Markt aufbauen können: „Dienstleistungsmarken können vor Nachahmungen schützen und zur Differenzierung des Angebots beitragen.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 311). Die Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters ist – durch deren Immaterialität bedingt – stark personen- bzw. personalgebunden (= interner Faktor). Entsprechend hängt die Güte der erstellten Leistung stark vom Potenzial des Personals ab und unterliegt damit potenziell stärkeren Schwankungen als Konsumgüter. Hieraus ergibt sich die Forderung nach Standardisierung der Dienstleistungen[33], um eine möglichst konstante Qualität gewährleisten zu können. Letztlich limitiert jedoch auch der Kunde (= externe Faktor) die Güte der erstellten Dienstleistung durch seine individuelle Beschaffenheit (z. B. Reaktionsvermögen bei Inanspruchnahme eines Tennislehrers). Des Weiteren weisen Meffert & Bruhn (2000, S. 58) darauf hin, dass der Kunde bereits während der Leistungserstellung mit anderen Kunden in Kontakt steht, die wiederum seine Wahrnehmung beeinflussen können:

„Die Integration des externen Faktors bewirkt, dass der Dienstleistungsprozeß oft unter Anwesenheit weiterer Dienstleistungsnachfrager erfolgt (zum Beispiel Kneipenbesuch, Urlaub, Sprachkurs). Die Wahrnehmung der Prozeßdimensionen der Dienstleistung durch den Kunden wird in diesem Fall auch entscheidend durch die Eigenschaften und das Verhalten der anderen Dienstleistungsnachfrager beeinflußt.“.

Nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit ist dieser Sachverhalt jedoch auch bei Konsumgütern gegeben. Die Argumentation könnte seiner Meinung nach jedoch dahingehend gestützt werden, dass das Involvement im Falle der Dienstleistungskonsumtion und das Informationsbedürfnis ungleich höher sind. Der Kunde ist daher tendenziell empfänglicher für Informationen Dritter, als es im Konsumgüterbereich der Fall ist. Einen zusammenfassenden Überblick über die konstitutiven Merkmale der Dienstleistungsmarke gibt Abbildung 11:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Besonderheiten der Markenpolitik für Dienstleistungen

(Quelle: Tomczak & Brakdorff, 2000, zitiert nach Baumgarth, 2008,

S. 344; Grafik: S. Pannes)

Hierbei wird auf die Thematisierung der Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsgebers verzichtet, was insofern zu rechtfertigen ist, als dass das Potenzial des Dienstleistungsanbieters – trotz aller dargelegten Schwierigkeiten – (intern) relativ gut gesteuert werden kann. Die Immaterialität ist stärker von kundenseitiger Relevanz und wesentlich für die Frage der wahrgenommenen Qualität. Die Integration des externen Faktors ist eine wesentliche Limitation der gelieferten Qualität. Im Folgenden wird der erweiterte Marketingmix im Dienstleistungsbereich vorgestellt.

2.6.2 Der Marketingmix im Dienstleistungsbereich (7 Ps)

Die sich aus den konstitutiven Merkmalen ergebenden Besonderheiten erfordern – und rechtfertigen zugleich – eine differenziertere Betrachtung des Marketingmix. Der klassische Marketingmix (im Konsumgüterbereich) setzt sich aus den 4 Ps, P roduct (= Produkt-/Leistungspolitik), P rice (= Preispolitik), P lace (= Distributionspolitik) und P romotion (= Kommunikationspolitik) zusammen. Für das Marketing im Dienstleistungsbereich werden die klassischen „4 Ps“ um die drei Elemente „Prozess“ (= P rocess Management), „Ausstattung“ (= P hysical Facilities) und „Personal“ (= P ersonnel) zu den 7 Ps erweitert. Die Ausweitung der klassischen 4 Ps auf die 7 Ps visualisiert Abbildung 12:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Die 4 Ps und die 7 Ps im Dienstleistungsmarketing

(Quelle: Karrenberg, 2010, S. 34; Grafik: S. Pannes)

Die drei zusätzlichen Ps des Dienstleistungsmarketings werden in der vorliegenden Arbeit jedoch folgendermaßen in die klassischen 4Ps integriert: „Prozess“ (= P rocess Management), wird als Teil der Produkt-/Leistungspolitik verstanden, „Ausstattung“ (= P hysical Facilities) als Teil der Distributionspolitik und „Personal“ (= P ersonnel) als Teil der Kommunikationspolitik: Im Rahmen der Leistungspolitik wird einerseits die Leistungspolitik im engeren Sinne (= P roduct) betrachtet, andererseits die Prozesspolitik (= P rocess Management) als weitere (Teil-)Dimension des Marketingmix hinzugefügt. Die beiden Dimensionen sind nicht getrennt zu betrachten und gemeinsam zu bearbeiten. Dies ergibt sich aus dem Uno-actu-Prinzip: Die Leistungserstellung – als Prozess – fällt mit deren Konsum zeitlich zusammen. Damit ist nicht eine Überschneidung im Sinne einer Schnittmenge gemeint, sondern der Konsum beginnt und endet mit der Leistungserstellung. Die Leistungspolitik weist im Dienstleistungsmarketing – nicht zuletzt mangels der Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen – zwar einige Besonderheiten auf, differiert allerdings in der Konzeption nicht von derer des Konsumgütermarketings. Es handelt bei der Preispolitik um die einzige Dimension, die sich im Dienstleistungsmarketing nicht eklatant vom Konsumgütermarketing unterscheidet. Analog zur Leistungspolitik kann auch im Falle der Distributionspolitik von einer Distributionspolitik im engeren Sinne (= P romotion) gesprochen werden. Fasst man den Begriff etwas weiter, ist – bedingt durch die Immaterialität der Dienstleistung – die Ausstattungspolitik (= P hysical Facilities): Mangels physischer Merkmale der Leistung wird die Ausstattung der Geschäftsräume als Qualitätssurrogat herangezogen. Sie dient als Indikator der nicht (direkt) beobachtbaren Leistungsgüte. Die Suche des Kunden nach Qualitätssurrogaten belegt seine Unsicherheit. Die Kommunikationspolitik – als Letztes der klassischen 4 Ps – setzt sich ebenfalls aus der Kommunikationspolitik im engeren Sinne (= P romotion) und der Personalpolitik (= P ersonnel[34] ) zusammen. Aus der besonderen Würdigung des Personals lässt sich die Bedeutung der Kommunikationspolitik für Dienstleistungen ableiten. Kommunikation soll die (empfundene) Unsicherheit der Kunden reduzieren und sie auf kognitiver und affektiver Ebene erreichen. Im Bereich der affektiven Kommunikation kann beispielsweise die Uniform des Personals genannt werden. Sie kommuniziert Werte des Unternehmens. Dies gilt mitunter auch für die Ausstattung, d. h. den physischen Umfeld der Dienstleistung (= P hysical Facilities). Es gilt jedoch zu beachten, dass die Kaufentscheidung zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme bereits gefallen ist, sodass der Ausstattungspolitik im Bereich der Distribution eine höhere Bedeutung zuteil wird als während bzw. nach der Dienstleistungserstellung. Im Folgenden wird der Marketingmix, ausgehend vom klassischen Ansatz der 4 Ps, erläutert. Entsprechend widmet sich Kapitel 2.6.2.1 der Leistungspolitik, die Preispolitik wird in Kapitel 2.6.2.2 diskutiert. Der Abschnitt schließt mit der Diskussion der Distributions- (Kapitel 2.6.2.3) und Kommunikationspolitik (Kapitel 2.6.2.4) ab.

2.6.2.1 Leistungspolitik (= Product & Process)

Kernstück des Marketings – dies gilt für Konsumgüter und Dienstleistungen – gleichermaßen ist die Ausgestaltung des Leistungsprogramms. Die Frage beginnt mit der Klärung der Nutzendimension: Welchen Nutzen soll die Leistung dem Kunden in funktioneller und emotionaler Hinsicht bringen? Eng verbunden mit dem Nutzen ist die Qualität, in der die Leistung angeboten wird, sowie die Frage des Leistungsumfangs: „Im Rahmen der Leistungsdifferenzierung (service customization) wird der Heterogenität der Konsumenten durch eine differenzierte Ausgestaltung des Leistungsprogramms und damit durch das Angebot zusätzlicher Wahloptionen Rechenschaft getragen.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 286). Eine entscheidende Variable hinsichtlich der Ausgestaltung des (Dienst-)Leistungsumfangs stellt das „Bundling“ (Meffert & Bruhn, 2000) dar: Es beschreibt die Bündelung von Teilleistungen zu einem „Leistungspaket“ und ermöglicht – bedingt – eine entsprechende Abgrenzung des eigenen Leistungsangebots von dessen der Konkurrenz. Das „Bundling“ beschränkt ferner die kundenseitige Preistransparenz. Dem Kunden fällt es zunehmend schwerer, den Wert der (Teil-)

Leistungen zu eruieren und sie mit den Preisen und Leistungen der Konkurrenz zu vergleichen. Es wird primär zwischen dem „Unbundling“ und dem „Pure Bundling“ differenziert: Im Falle des „Unbundling“ beschränkt sich die Leistungserstellung auf die Kernleistung; Zusatzleistungen können ergänzend erworben werden (z. B. 1.-Klasse-Zuschlag bei Transportmitteln). Das „Pure Bundling“ ist die Kombination einer Kernleistung, die durch anbieterseitig ausgewählte Zusatzleistungen pauschal vermarktet werden. Sie sind in der Regel nicht separat erwerblich. Meffert & Bruhn (2000, S. 290) merken jedoch an, dass der Kunde hierdurch auch mitunter Zusatzleistungen erwirbt, die ihm persönlich keinen zusätzlichen Nutzen stiften: „Hier besteht jedoch die langfristige Gefahr, daß die Zusatzleistungen für den Kunden keinen echten Wert darstellen und daß er diese bei freier Entscheidung nicht bezogen hätte.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 290). Entsprechend wird der Kunde das Opfer des Preises höher gewichten, da er die für ihn nicht nutzenstiftenden Zusatzleistungen wahrscheinlich nicht wahrnehmen bzw. schätzen wird. Mit dem „Mixed Bundling“ wird diese Problematik insofern umgangen, als dass der Kunde die Möglichkeit hat, das Leistungsbündel durch zahlungspflichtige Zusatzleistungen aufzuwerten (Meffert & Bruhn, 2000). Der psychologische Preis[35] dürfte hierbei stärker abgewertet werden, als die zusätzliche Leistung den Nutzen aufwertet. Somit werden die Risiken des „Bundling“ potenziell entschärft. Jedoch variieren der (wahrgenommene) Nutzen und der psychologische Preis von Individuum zu Individuum, sodass sich die Frage stellt, welche Teilleistungen vom Kunden und welche Teilleistungen vom Dienstleistungsanbieter erbracht werden können und sollten, um eine qualitativ vergleichbare Leistung zu generieren. Marketingtechnisch gesprochen ist der Grad der Externalisierung bzw. Internalisierung zu klären: Der Externalisierungsgrad diskutiert den Aufwand des externen Faktors (= Kunden) im Rahmen der Dienstleistungserstellung, der Internalisierungsgrad denjenigen des Anbieters:

„Bei einer Externalisierung erfolgt eine Übertragung menschlicher Arbeitsleistungen auf den Nachfrager. Hierdurch bedingt wird zwar auf der einen Seite der Input, der durch den Anbieter erbracht werden muß reduziert, auf der anderen Seite wird dadurch aber die Unsicherheit, die durch den Nachfrager in den Erstellungsprozeß hineingebracht wird, tendenziell erhöht. Eine Internalisierung geht einerseits mit einer Reduzierung der Kundenaktivitäten im Produktionsprozeß einher und vermindert damit die durch ihn induzierte Unsicherheit, andererseits erhöht sich dadurch der Aktivitätsumfang des Dienstleistungsanbieters, d. h., sein Input steigt.“ (Corsten, 2001, S. 161).

Corsten (2001) erbringt jedoch an anderer Stelle den Hinweis, dass – je nach Externalisierungs- bzw. Internalisierungsgrad – aufgrund der hohen, durch die Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters bzw. der Integration des externen Faktors bedingten Qualitätsschwankungen nicht (mehr) zwangsläufig von derselben Leistung gesprochen werden könne. Er weist ferner kritisch darauf hin, dass die Leistung je nach Grad der Einbindung des externen Faktors variiere und so nicht mehr von einer einheitlichen Leistung gesprochen werden könne.

2.6.2.2 Preispolitik (= Price)

Der Preispolitik kommt durch die Nichtlagerfähigkeit eine besondere Funktion zu: Die Preise müssen so ausgestaltet werden, dass der relativ hohe Anteil an Fixkosten gedeckt wird. Hierbei kommt bei mehr oder weniger allen Dienstleistungen dem Yield Management[36] eine besondere Bedeutung zu. Kroeber-Riel & Weinberg (2003) weisen in diesem Kontext auf die Rolle des Preises als Qualitätsindikator hin. So können gerade Preisgefälle, wie sie bei Anwendung des Yield Managements auftreten, die Preiswürdigkeit infrage stellen, da das eigene erbrachte preisliche Opfer – in der sozialen Relativierung durch den durch andere Kunden bezahlten Preis[37] – als zu hoch empfunden wird.

2.6.2.3 Distributionspolitik (= Place & Physical Facilities)

Gegenstand der Distributionspolitik ist die Entscheidung über die Art des Absatzes (= direkter oder indirekter Vertrieb), die Verfügbarkeit der Leistung (= exklusiv, selektiv oder ubiquitär) sowie die Gestaltung der räumlichen Elemente: „Die Distributionspolitik bezieht sich auf die Gesamtheit der Entscheidungen und Handlungen, die mit der
Übermittlung von Dienstleistungen zum Endabnehmer im Zusammenhang stehen.“ (Meffert 1998b, zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000, S. 435). Besonders aufgrund der fehlenden tangiblen Elemente wird besonders im Bereich der Distribution, in den auch die Kaufentscheidung fällt, die Ausstattung als Qualitätssurrogat herangezogen. Sie kann als Materialisierung der Marke verstanden werden, die als Prädiktor der zu erwartenden Leistung herangezogen werden.

2.6.2.4 Kommunikationspolitik (= Promotion & Personnel)

Bedingt durch das hohe kognitive Involvement (= hohes Wahrnehmungspotenzial) und die relativ hohe, mit dem Dienstleistungskonsum verbundene, Unsicherheit nimmt die Kommunikationspolitik einen sehr hohen Stellenwert im Dienstleistungsbereich ein und folgt hierarchisch der Leistungspolitik: „Die Kommunikationspolitik einer Dienstleistungsunternehmung umfaßt sämtliche unternehmensinternen und -externen Maßnahmen, die auf affektive (zum Beispiel Motive), kognitive (zum Beispiel Kenntnisse, Einstellungen) und konative Reaktionen (zum Beispiel Kaufentscheidung) von Marktteilnehmern einwirken.“ (Bruhn, 1999a, zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000, S. 320). Im Dienstleistungsmarketing ist es Aufgabe der Kommunikationspolitik, die Leistung verbal zu materialisieren und somit direkt auf die, aus der Immaterialität resultierende, Unsicherheit zu reagieren bzw. diese zu reduzieren:

„Anders als bei anderen Gütern können Dienstleistungen können Dienstleistungen in ihrer Gesamtheit dem Kunden nicht präsentiert oder dargestellt werden. Daher ist es die Aufgabe der Kommunikation, eine Materialisierung der Leistungen zu erreichen. Dies kann durch die Darstellung tangibler Elemente geschehen, zum Beispiel durch materielle Geschenke im Rahmen von Verkaufsförderungsaktionen.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 326).

Als Mittel zum Zweck wird hierbei oftmals die Marke gewählt, d. h. es werden bereits vorhandene Bilder über die „materialisierte“ Leistung – in Form des Markenbildes - abgerufen: „Im Rahmen der operativen Marketingplanung (…) sind als besondere Herausforderungen eines Dienstleistungsunternehmens beispielsweise die Markenpolitik im Dienstleistungsbereich beziehungsweise die Kommunikation der intangiblen Elemente zu nennen.“ (Meffert & Bruhn, 2000, S. 127). Bedingt durch das Uno-actu-Prinzip ist die Situation vor dem Kauf mit derer nach dem Kauf – von der Erfahrung des Leistungskonsums abgesehen – vergleichbar; es fehlt nach wie vor die Vergleichsmöglichkeit, sodass sich auch nach dem Konsum die Frage stellt, ob die richtige Alternative gewählt worden ist. Auch hier kann die Kommunikation die (empfundene) Unsicherheit reduzieren:

„Wenn aufgrund der Kaufsituation stärkere Nachkauf-Dissonanzen vorgesehen werden können (etwa bei Produkten von starker subjektiver Bedeutung), so kann ein Unternehmen versuchen, die Konsumenten zu beeinflussen, die Dissonanzen durch nachträgliche Höherschätzung der gekauften Produkte zu reduzieren und nicht auf andere, für das Unternehmen unerwünschte Weise.“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 187).

Die Kommunikation nach der Leistungserbringung ist für das Unternehmen essenziell, da auf diese Art und Weise der Marken-Kunden-Kontakt nicht abbricht, sondern im Idealfall bis zur nächsten Inanspruchnahme der Leistung aufrechterhalten wird. Zudem wird (nachträglich) die Zufriedenheit des Kunden sichergestellt. Zufriedene Kunden sind zudem ein wichtiger Werbeträger für Neukunden, denn die „persönliche Kommunikation spielt bei der Informationsbeschaffung mit Abstand die größte Rolle.“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 254). Auch Meffert & Bruhn (2000) räumen der Mund-zu-Mund-Kommunikation im Dienstleistungsbereich einen besonders hohen Stellenwert ein. Diese hohe Bedeutung der Kunden – nicht zuletzt als Multiplikator ihrer selbst – lässt deren Zufriedenheit eine elementare Rolle zuteil werden. Entsprechend ist die Personalpolitik als integraler Bestandteil der Kommunikationspolitik anzusehen, denn neben der non-verbalen Kommunikation (= durch ihr Auftreten und ihre Uniform) stehen sie im direkten Kontakt zum Kunden und stellen somit einen Kommunikationskanal zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden dar. Sie können eine Bestandsaufnahme des Grades der (wahrgenommenen) Bedürfnisbefriedigung aufnehmen, zugleich aber auch auf Missstände reagieren, mit dem Kunden – als Repräsentanten des Unternehmens – in Kontakt treten und so letztendlich die Kundenzufriedenheit aktiv steigern (Grönroos, Zeithaml, Parasuramen & Berry, 1992, zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000). Die Kundenbindung – durch Pflege der Kunden-Mitarbeiter-Beziehung – ist ein Kernelement der Kommunikationspolitik (Meffert & Bruhn, 2008). Zum einen stellt das Personal – hinsichtlich des mangelnden Standardisierungspotenzials – einen Risikofaktor dar, zugleich steht es jedoch im direkten Kundenkontakt und erfreut sich einer – im Vergleich zum Konsumgütermarketing – relativ starken Aufmerksamkeit. Ebenso wie die Ausstattung ist der Kunde geneigt, das Personal als Qualitätsindikator heranzuziehen. Als Teil der Marke ist das Personal nicht selten durch eine einheitliche Uniform gezeichnet, die wiederum auf die Marke schließen lässt.

3 Das Unternehmen Thalys International SCRL

In Kapitel 3.1 werden zunächst die unternehmensrechtlichen Aspekte vorgestellt, gefolgt vom Streckennetz (Kapitel 3.2). Kapitel 3.3 widmet sich dem Kundenprofil; Kapitel 3.4 dem Fuhrpark. Der Marketingmix des Unternehmens wird in Kapitel 3.5 vorgestellt. Der Abschnitt schließt mit Kapitel 3.6, in dem die Wettbewerbssituation des Unternehmens dargestellt wird.[38]

3.1 Unternehmensrechtliche Aspekte

Rechtlich gesehen ist Thalys ein Joint Venture der Deutschen Bahn (DB), der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS und der französischen Staatsbahnen SNCF, dessen Sitz sich in der „europäischen“ und zugleich belgischen Hauptstadt Brüssel befindet. Das Unternehmen firmiert als Genossenschaft mit beschränkter Haftung belgischen Rechts und verfügt über ein Eigenkapital von 315.000,00 EUR (Thalys International, 2010a). Die Anteile entfallen zu 62 % auf die französischen Staatsbahnen SNCF, weitere 28 % auf die belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS und die verbleibenden 10 % werden von der Deutschen Bahn gehalten (Thalys International, 2010b). Die niederländischen Eisenbahnen (NS) sind nicht an Thalys beteiligt, jedoch mit dem Unternehmen assoziiert. Die niederländischen Eisenbahnen (NS) haben zudem eine Tochtergesellschaft, NS Hispeed. NS Hispeed ist zugleich assoziiertes Mitglied von Thalys und unterhält ihrerseits die eine Tochtergesellschaft namens Thalys Nederland, welche die Marke Thalys in den Niederlanden vermarktet.

3.2 Das Streckennetz

Der Thalys verbindet primär die belgische und die französische Hauptstadt ohne Zwischenhalt – in einer Reisezeit von 1 Stunde, 25 Minuten – mit bis zu 25 täglichen Verbindungen miteinander. Amsterdam ist mit bis zu zehn täglichen Verbindungen von Brüssel und Paris aus erreichbar und Lüttich[39] mit bis zu sieben Verbindungen, von denen derzeit sechs weiter über Aachen nach Köln verkehren. Weiterhin bestehen „Nebenstrecken“ von Paris über Brüssel nach Ostende und von Paris über Mons, Charleroi und Namur nach Lüttich sowie saisonale Verbindungen. Die vorliegende Arbeit wird sich jedoch auf die beiden Hauptachsen Paris/Brüssel-Amsterdam und Paris/Brüssel-Köln beschränken. Dies scheint nach Meinung des Verfassers der vorliegenden Arbeit insofern gerechtfertigt und sinnvoll, als dass auf diesen Strecken über 88,70 % des Umsatzes erwirtschaftet werden. Die Umsatzaufteilung veranschaulicht Abbildung 13:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 13: Durchschnittliche Umsatzaufteilung Thalys nach den angeboten Strecken

(Quelle: Eigene Darstellung)

3.3 Das Kundenprofil

Im Folgenden wird das Kundenprofil von Thalys vorgestellt. Dies geschieht anhand der von Thylas im Internet bereitgestellten Daten.

Thalys strukturiert seine Kundschaft nach Reiseanlass („Geschäftlich“ oder „Freizeit“). Diese Information ist für die Ausgestaltung der Prozesspolitik – und damit verbunden des Leistungsumfangs – von fundamentaler Bedeutung. Die Geschäftsreisenden machen 48 %, die Freizeitreisenden 52 % des Klientel aus. Wenn man davon ausgeht, dass die Geschäftsreisenden mehr Komfort erwarten als die Freizeitreisenden, dann wäre im Hinblick auf diese Prozentzahlen mit einer fast paritären Auslastung der beiden Komfortklassen Confort 1 und Confort 2 zu rechnen. Die deutlich stärkere Frequentierung von Confort 2 (72 %) – vs. Confort 1 (28 %)[40] – lässt jedoch keinen direkten Zusammenhang zwischen Reiseanlass („Geschäftlich“ oder „Freizeit“) und Reisekomfort herleiten, d. h. der Reiseanlass kann nicht als Prädiktor des gewünschten bzw. benötigten Reisekomforts angesehen werden. Die Kundschaft von Thalys ist approximativ geschlechterparitär (56 % m vs. 44 % w).

39 % der Fahrgäste sind jünger als 35 Jahre. Hinsichtlich der globalen Zufriedenheit deklarierten sich 87 % der Kunden global zufrieden. Hierfür kann vor allem der Hygienefaktor[41] der Pünktlichkeit herangezogen werden: So waren in den vergangenen zwölf Monaten nur 18,50 % der Verbindungen verspätet (Thalys International, 2010d). Visualisiert werden die dargelegten Fakten in Abb. 14:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 14: Bedeutende Kennzahlen von Thalys

(Quelle: Eigene Darstellung)

3.4 Der Fuhrpark

Im Folgenden wird der Fuhrpark von Thalys vorgestellt, da er im Hinblick auf die 7Ps, genauer gesagt im Hinblick auf die „ P hysical Facilities“ – in dieser Arbeit unter die erweiterte Distributionspolitik gefasst –, von Bedeutung ist. Das operative Geschäft wird durch insgesamt 26 Thalys-Garnituren betrieben. Hierbei handelt es sich um – auf Basis des TGV konstruierter – Hochgeschwindigkeitszüge: Neun der 26 Züge – die erste Generation – werden als Thalys PBA bezeichnet, wobei das Akronym PBA für die Städte P aris, B rüssel und A msterdam steht. Diese Züge entstanden aus dem Umbau ehemaliger TGV Réseau-Garnituren, die mit dem belgischen Stromsystem kompatibel sind.[42] Diese Züge wurden mit einer Vorrichtung versehen, die ihnen auch ein Fahren mit dem in den Niederlanden üblichen 25 kv-Gleichstrom ermöglicht; in Deutschland können sie jedoch nicht verkehren[43]. Aus diesem Grunde wurde 1997 eine zweite mit dem TGV Duplex/POS vergleichbare Thalys-Generation hergestellt: Der Thalys PBKA (= P aris, B rüssel, K öln und A msterdam) ist mit allen vier Stromsystemen kompatibel und kann daher das gesamte Thalys-Streckennetz befahren. Die neun PBA -Garnituren befinden sich allesamt im Besitz der französischen Staatsbahnen SNCF, welcher ferner sechs PBKA -Garnituren gehören. Alle Garnituren der französischen Staatsbahnen SNCF sind in Le Landy, nördlich von Paris, beheimatet, die weiteren elf PBKA-Einheiten im Bahnhof von Brüssel Süd[44]. Zwei dieser elf Garnituren befinden sich im Eigentum der Deutschen Bahn (DB) bzw. der niederländischen Eisenbahnen NS; die restlichen sieben Garnituren im Eigentum der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS.

3.5 Vorstellung der Dienstleistungsmarke „Thalys“ anhand der 7 Ps

Die Dienstleistungsmarke Thalys weist eine sehr komplexe Markenarchitektur auf: Sie ist zum einem eine (Unternehmens-)Einzelmarke, zugleich aber auch – aus Sicht ihrer Muttergesellschaften – ein(e) Cobranding/Markenallianz. Auch wenn dies nicht im Markennamen verankert ist, wird dennoch kommuniziert, welche Unternehmen hinter der Marke Thalys stehen. Die im Folgenden beschriebenen Verflechtungen mit anderen (Mutter-)Gesellschaften und Marken im schienengebundenen Verkehr sind zu beachten, wenn es um die Beschreibung der Ausgestaltung des Marketingmixes geht. Thalys ist assoziiertes Mitglied der „freien“ Markenallianz Railteam, zu dessen Gründungsmitgliedern auch die Muttergesellschaften von Thalys, nämlich die Deutsche Bahn (DB), die belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS und die NS Hispeed, eine Tochter der niederländischen Eisenbahnen NS, zählen. Bemerkenswerterweise sind die französischen Staatsbahnen SNCF selbst kein Mitglied der (Marken-)Allianz, sehr wohl aber deren Marke TGV. Weitere Gründungsmitglieder sind das Unternehmen Eurostar, die schweizerische (= SBB-CFF-FFS) und die österreicherische Bundesbahn (= ÖBB). Neben Thalys tritt auch TGV Lyria als assoziiertes Mitglied auf, dessen Muttergesellschaft – die Schweizer Bundesbahn – vollwertiges Mitglied ist. Die beiden Railteam-Partner sind zudem beide Tochtergesellschaften der französischen Staatsbahnen SNCF, was erklären dürfte, warum sie keine vollwertigen Mitglieder sind. Dennoch ist zu beachten, dass der TGV das einzige Markenmitglied im Verbund darstellt. Sowohl das Railteam als auch Thalys und TGV Lyria sind Markenallianzen, dennoch ist Railteam kein Joint Venture, sondern ein Zweckverbund, der selbst kein operatives Geschäft betreibt, sondern lediglich Synergien bündelt – im Sinne des vorgestellten Bundling-Instrumentariums – und zu vermarkten gedenkt. Wie oben erwähnt, sind diese Verflechtungen im Wettbewerb unbedingt zu beachten, wenn es um die Beschreibung des Marketingmixes geht. Im Folgenden bedarf daher der Marketingmix von Thalys einer genaueren Betrachtung, die der Übersichtlichkeit halber anhand der 7 Ps gegliedert worden ist. Entsprechend widmet sich Kapitel 3.5.1 der Leistungspolitik, die Preispolitik wird in Kapitel 3.5.2 behandelt. Die Ausführungen schließen mit der Distributionspolitik (Kapitel 3.5.3) und Kommunikationspolitik (Kapitel 3.5.4).

3.5.1 Leistungspolitik (= Product & Process)

Im Rahmen der Leistungspolitik wird auf die zwei Ps „Product“ und „Process“ eingegangen. Die Kernleistung des Thalys besteht in der Direktverbindung zwischen den angefahrenen Metropolen. Nießing (2006, S. 88) verweist auf die hohe Bedeutung von Direktverbindungen für die Kundenzufriedenheit und schreibt, dass „die Zufriedenheit mit der Pünktlichkeit auch einen hohen Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Anbindung ausübt.“. Besonders im transnationalen Verkehr ergeben sich dabei oft Schnittstellenprobleme, die Thalys durch den grenzüberschreitenden Verkehr entschärft. Die Verbindungen sind so gewählt, dass ein Großteil der Fahrgäste keine Anschlusszüge benötigt bzw. die Endhaltepunkte über eine sehr dichte Zugfrequenz verfügen. Dies ist hoch innovativ, denn Nießing (2006, S. 88) sagt über herkömmliche Bahnverbindungen: „Bei mehr als 50 % der Bahnreisen müssen Fahrgäste mindestens einmal in einen Anschlusszug umsteigen. Somit kann eine Verspätung der Züge dazu führen, dass die Anschlusssicherheit anderer Züge für einige Reisende nicht mehr gewährleistet werden kann. “Bedingt durch das Globalpreissystem beinhalten jedoch alle Fahrscheine eine Sitzplatzreservierung und sind an einen bestimmten Zug gebunden[45], sodass es schwer fällt, im Falle von Thalys die Kernleistung separat zu betrachten. Marketingtechnisch gesprochen stellen somit alle Leistungen des Thalys ein „Pure Bundling“ dar, die mit dem Erwerb von Zusatzleistungen, z. B. durch Zubuchung des Internets[46] oder Nutzung der Thalys-Bar, zu einem „Mixed Bundling“ werden können. Die Leistung wird in zwei Varianten, Confort 1 (CF 1) und Confort 2 (CF 2), angeboten: CF 1 beinhaltet alle Elemente von CF 2 und bietet – auf Grundlage einer Preisdifferenz von ca. 50 % – bequemere, verstellbare Sitze, mehr Freiraum durch niedrigeren Sitzladefaktor[47], ein kostenfreies, internationales Zeitungsangebot, einen kostenfreien Internetzugang sowie ein kostenfreies Catering am Sitzplatz. Des Weiteren ermöglicht eine CF 1-Buchung den kostenfreien Zugang zu den Lounges von NS Hispeed an den niederländischen Zielen und derer der Deutschen Bahn (DB) in Köln[48] sowie einen Anspruch auf eine Taxibestellung über das Thalys-Personal zu den Bahnhöfen Brüssel Süd und Paris Nord. In CF 2 wird das Internet kostenpflichtig bereitgestellt und das Catering durch die zugeigene Thalys-Bar[49] ebenfalls kostenpflichtig gewährleistet. Für Brüssel, Paris und die Niederlande sind ÖPNV-Tickets in der Thalys-Bar erhältlich. Komplettiert wird das Leistungsangebot durch Thalys Connect: Das Programm, welches jeder Kunde automatisch – d. h. ohne vorherige Anmeldung und ungeachtet des Fahrkartentyps – nutzen kann, berechtigt den Kunden zur kostenfreien Weiterfahrt mit dem ÖPNV im Aachener Verkehrsverbund sowie im Kölner Stadtgebiet. Mitglieder des ticketless-Programms können mit ihrem Navigo-Pass auch den ÖPNV der Île-de-France nutzen (Thalys International, 2010f) Durch den Kooperationsverbund mit dem französischen Hotelkonzern Accor und dem – ebenfalls französischen – Autovermieter Europcar können neben der Fahrkarte über die unternehmenseigene Website www.thalys.com auch Hotels und Mietwagen gebucht werden. Des Weiteren sind die virtuellen Angebote Thalyseo und Thalys Second Life zu nennen. Thalyseo ist eine – gemeinsam mit der Firma Viadeo geführte – Kontaktplattform für Geschäftsreisende, die vor Reiseantritt den Kontakt aufnehmen und die Zugfahrt für den privaten und/oder professionellen Austausch nutzen können. Thalys Second Life wird gemeinsam mit der Firma Linden Lab angeboten und kann als virtuelles Rollenspiel verstanden werden (Thalys International, 2010c). Second Life könnte nach Meinung des Verfassers eine nicht unerhebliche Rolle bei der Markenbindung von jungen Kunden sein. In dieser Arbeit werden die beiden virtuellen Leistungen Thalys Second Life und Thalyseo nicht weiter berücksichtigt, da diese nur indirekt mit der eigentlichen Leistung in Verbindung stehen.

3.5.2 Preispolitik (= Price)

Die Preispolitik von Thalys mag im ersten Moment komplex erscheinen, erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als sehr strukturiert und durchdacht. Sie basiert auf einem Yield Management[50], von dem lediglich der Normalpreis ausgenommen ist.[51] Das Yield Management unterliegt einer Preisdifferenzierung, primär nach dem Kriterium Alter (= 4 – 11 Jahre; 12 – 25 Jahre; 26 – 59 Jahre; ab 60 Jahre)[52], sekundär nach der Zugauslastung zum Zeitpunkt der Buchung (= freie Kontingente) und tertiär der – ab dem Buchungszeitpunkt gemessenen – Dauer bis zum Reiseantritt. Ferner korrelieren Preis und Flexibilität positiv, wodurch dem hohen Fixkostenanteil, der durch den Leistungsverfall (= Nichtlagerfähigkeit) Rechnung getragen wird. Günstige Preise sollen den Kunden zum Erwerb der Fahrkarte anregen, zugleich aber auch ein Mindestumsatz für die spezifische Zugfahrt generieren, denn diese Fahrkarten sind nicht bzw. nur eingeschränkt umtauschbar (es wird nur ein Teilbetrag erstattet). Alle Tarife sind markiert und daher als Marken zu verstehen sowie jeweils für CF 1 und CF 2 verfügbar: Hi-Life ist der Normalpreis und weist keine Preisschwankungen auf. Er ist bis zur Auslastung des Zuges verfügbar. Zugleich ist er mitunter der flexibelste Tarif, da er unbegrenzt umtauschbar und – vor der Abfahrt des angegebenen Zuges – zu 100 % und danach zu 50 % erstattungsfähig ist.[53] Sein Pendant ist Smoove, der günstigst verfügbare Tarif (= ca. 1/3 des Preises von Hi-Life), der jedoch keinerlei Umtausch oder Erstattung ermöglicht. Für CF 2 weist dieser Tarif zwei Preisstufen auf, wovon die günstigste Preisstufe bis maximal 30 Tage vor dem Reisedatum, die zweitgünstigste Preisstufe bis maximal 15 Tage vor dem Reisedatum erfolgt. Der Wechsel zwischen den Preisstufen erfolgt – bei allen Tarifen – automatisch in Abhängigkeit der aktuellen Auslastung. In CF 1 gibt es nur eine, bis maximal zum Vorabend der Reise verfügbare Preisstufe. Optiway kann als Zwitter aus Hi-Life und Smoove verstanden werden: Er ist einmalig umtauschbar und zu 50 % erstattungsfähig[54]. Selbstredend weist der Tarif Smoove die geringsten Kontingente auf, wird jedoch allzu gern und oft als Referenzpreis in der (Werbe-) Kommunikation herangezogen. Nießing (2006) befasst sich mit einem vergleichbaren Angebot der Deutschen Bahn (DB) (= Dauerspezial) und weist in diesem Kontext auf folgende bemerkenswerte Problematik hin: „Ein zentraler Nachteil dieser Aktionen ist jedoch darin zu sehen, dass die Angebote aufgrund der strengen Kontingentierung sehr schnell vergriffen sind und bei bisherigen Kunden bei Nicht-Verfügbarkeit eines Angebots negative Effekte ausgelöst werden können.“ (Nießing, 2006, S. 194). Eine Erweiterung von Optiway stellt Adult & Co. dar, ein Festpreistarif (pro Kopf) für drei bis fünf Reisende; es finden die Konditionen von Optiway Anwendung. Während die bislang genannten Tarife keine Altersbeschränkung vorsehen, wurden für Kinder 4 - 11 Jahre) sowie deren Begleitperson(en), die junge Zielgruppe (12 - 25 Jahre) sowie die ältere Zielgruppe (ab 60 Jahre) spezielle Tarifangebote kreiert: Der Tarif Kid richtet sich an Kinder im Alter von 4 – 11 Jahren[55] und sieht jeweils zwei Preisstufen in CF 1 und CF 2 vor. Optional zubuchbar – und nur in dieser Kombination – ist der Tarif Kid & Co, der ein bis zwei erwachsenen Begleitpersonen ein ermäßigtes Ticket zum Festpreis (= eine Preisstufe) anbietet; auch hier wird die preisliche Differenz zwischen CF 1 und CF 2 aufrechterhalten. Für Reisende im Alter von 12 - 25 Jahren bzw. ab 60 Jahren bietet sich der Tarif Jeune/Junior bzw. Senior an. Beide Tarife gestatten einen einmaligen Umtausch und sind bis zur Abfahrt des Zuges[56] zu 100 % erstattungsfähig, nicht jedoch darüber hinaus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Preise und Konditionen der wichtigsten Thalys-Tarife

(Quelle: Eigene Darstellung)

Zu allen Tarifen ist für die belgischen Destinationen Brüssel sowie – aus Frankreich oder den Niederlanden kommend – Antwerpen und – aus Deutschland oder Frankreich kommend – Lüttich die Option „Toute Gare Belge“[57] (= TGB) zubuchbar. Der Aufpreis variiert und berechtigt zur Weiterfahrt zu jedem belgischen Bahnhof in Richtung des nicht durchfahrenen Streckenabschnitts (= keine Rück- und Rundfahrten); auch eine Unterbrechung der Fahrt ist zulässig (Thalys International, 2010h). Weiterhin weist das Tarifsortiment Sonderangebote[58] und Ermäßigungen für Gruppenreisen auf, deren Diskussion jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Erwähnt sei jedoch das Lys-Programm. Dabei handelt es sich um eine mit der Bahncard der Deutschen Bahn (DB) vergleichbaren Karte, die 50 % Nachlass auf den Normalpreis gewährt. Mit einer Gültigkeitsdauer von drei, sechs oder zwölf Monaten ist sie in drei Varianten – mit degressivem Preis – verfügbar (Thalys International, 2010e). Vergleichbar mit dem Miles & More-Programm der Lufthansa bzw. Bahn Comfort der Deutschen Bahn (DB) bietet Thalys mit Thalys – The Card ein eigenes Treueprogramm an, mit dem Meilen gesammelt und gegen Prämien, wie z. B. Freifahrten, eingetauscht werden können. Des Weiteren besteht Zugang zur Thalys Lounge im Bahnhof Brüssel Süd und zum Salon Grands Voyageurs im Bahnhof Paris Nord sowie zu allen Lounges des Railteam. Die Karte ist in drei Versionen erhältlich (Thalys International, 2010i). Abgerundet wird die Preispolitik durch eine relativ großzügige Erstattungs- und Entschädigungspolitik, die eine hohe Preiswürdigkeit suggeriert, indem sie sich im Hygienefaktor Pünktlichkeit manifestiert:

„Um Kunden zu entschädigen, die Unannehmlichkeiten in Folge einer Verspätung des Thalys in Kauf nehmen mussten, hat Thalys International ein Ausgleichsprogramm eingeführt. Darin ist vorgesehen, dass Thalys International für jede Verspätung des Thalys ab 30, 60 bzw. 120 Minuten – ausgenommen in Fällen höherer Gewalt – den Fahrgästen einen Ausgleich in Thalys-Gutscheinen (mit 12-monatiger Gültigkeit) im Wert von jeweils 20 %, 50 % oder 100 % des Ticketpreises leistet. Fahrgäste, die eine Zahlung zum Ausgleich wünschen, erhalten – ausgenommen in Fällen höherer Gewalt – ab der 60. oder der 120. Verspätungsminute 25 % bzw. 50 % des Ticketpreises per Überweisung. Es werden keine Entschädigungen unter 4,00 € geleistet.“ (Thalys International, 2010g).

3.5.3 Distributionspolitik (= Place & Physical Facilities)

Im Rahmen der Distributionspolitik wird auf die zwei Ps „Place“ und „Physical Facilities“ eingegangen. Thalys-Fahrkarten sind über vier Distributionskanäle[59] zu beschaffen: Der persönliche Verkauf an den Bahnhofsschaltern, Reisbüros und -agenturen, die Fahrkartenautomaten der (nationalen) Bahngesellschaften, die telefonische Buchung – innerhalb Belgiens und Frankreichs – über die Hotline von Thalys bzw. über die der nationalen Bahngesellschaften sowie über die unternehmenseigene Website und über Webseiten der Muttergesellschaften. Da die indirekten Absatzkanäle, damit sind Zwischenhändler/Absatzmittler gemeint, relativ hohe Provisionen berechnen, versucht Thalys, dies zu umgehen, indem die telefonische und internetbasierte Buchung zunehmend attraktiver gestaltet wird. Neben dem Treueprogramm Thalys – The Card, welches die telefonische und internetbasierte Buchung – durch die bereits gespeicherten Kundendaten – vereinfachen soll, wird ticketless eine besondere Bedeutung zuteil. Der papiergebundene Fahrschein wird – im Falle der Kombination mit der physischen Thalys – The Card – vollkommen überflüssig[60], d. h. ein Ausdruck der Bestätigungs-E-Mail mit dem zugehörigen Barcode ist nicht erforderlich. Als nachteilig ist jedoch die Personenbindung der ticketless-Buchungen sowie die fehlende Kombinationsmöglichkeit mit einigen Tarifen – z. B. mit der oben genannten Zusatzoption TGB – zu erwähnen. Neben der Kombination mit Thalys – The Card kann ticketless auch mit dem Navigo-Pass der ÖPNV-Region Île de France genutzt werden. Wird das Programm ticketless exklusiv genutzt, ist ein Ausdruck der Bestätigungs-E-Mail zwingend erforderlich.

Es kann festgehalten werden, dass Thalys versucht, die Distribution auf die Kanäle Internet und Telefon – beides in Verbindung mit ticketless – zu fokussieren. Dies könnte aber die Kundenzufriedenheit einschränken. Nießing (2006, S. 97) weist nämlich auf die hohe Bedeutung des multikanalen Absatzes für den Kunden hin:

„Eine empirische Untersuchung der Forschungsstelle Bahnmarketing konnte zeigen, dass etwa der Kunden im Durschnitt auf mehr als drei Vertriebskanäle zurückgreift.(…) So existieren Kunden, die sich im Internet über die Reise informieren, sich anschließend durch das Call-Center beraten lassen und den Fahrschein schließlich im Reisezentrum erwerben. (…) Das Angebot unterschiedlicher Kanäle für unterschiedliche Kunden kann bei vielen Kunden zu einem höheren Kundennutzen führen, der sich in steigenden Umsätzen niederschlägt.“.

Gerade wenn physische Elemente – wie unter anderem hier der papiergebundene Fahrschein – fehlen, wird den verbleibenden physischen Merkmalen eine besondere Bedeutung als Qualitätsindikator zuteil. Entsprechender Wert wird bei Thalys auf die Ausstattung der Züge gelegt, namentlich durch warme Farben und komfortable Sitze in beiden Klassen sowie die Klimatisierung des gesamten Zuges. Die behindertengerechte Ausstattung der Züge ist gegeben, außerdem ein Catering in der zugeigenen Thalys-Bar.

3.5.4 Kommunikationspolitik (= Promotion & Personnel)

Im Rahmen der Kommunikationspolitik wird auf die zwei Ps „Promotion“ und „Personnel“ eingegangen. Neben der kommerziellen (Print-)Werbung ist für Thalys vor allem die unternehmenseigene Website die Kommunikationsplattform schlechthin. Dort kann der Newsletter abonniert und die Software für Thalys.mobi (= Thalys Mobile) heruntergeladen werden. Der unternehmenseigene Kundenservice steht per E-Mail und Telefon bereit. An Bord steht der Train Manager zudem als persönlicher Kundenansprechpartner des Unternehmens bereit und hilft bei allen Fragen weiter. Auch der Uniform und dem Auftreten (= Behavioral Branding) des Train Manager und des weiteren Personals kommt im Rahmen der Corporate Identity (= CI) eine entscheidende Bedeutung zu, stellt dies doch die non-verbale Kommunikation dar. Ein weiteres Kommunikationsinstrument zwischen Kunde und Unternehmen stellt zudem das Bordmagazin Thalyscope dar:

3.6 Wettbewerbssituation des Unternehmens

Die Wettbewerbssituation von Thalys kann sowohl inter- als auch intramodal betrachtet werden. Die intramodale Betrachtung fokussiert den Wettbewerb innerhalb des Verkehrträgerbereichs (= Luft, Schiene oder Straße), während die intermodale Betrachtung den Wettbewerb aller drei Verkehrsträgerebenen fokussiert (= Luft, Schiene und Straße) (Nießing, 2006). Die intramodale Verkehrsträgerebene, im vorliegenden Fall die des schienengebundenen Personenverkehrs, ist bislang immer noch von den nationalen Bahnverkehrsunternehmen dominiert. In der folgenden Betrachtung des Wettbewerbs wird außerdem zwischen Nah- und Fernverkehr zu unterscheiden sein, denen eine unterschiedliche Rolle zuteil wird. Der Nahverkehr gewährleistet die Grundleistung des Transports, während der Fernverkehr – hierzu zählt auch Thalys – eine ergänzende Zusatzleistung darstellt, welcher die Distanzen schneller und komfortabler überbrückt. Zudem entfällt beim Fernverkehr durch den relativ langen Streckenverlauf oftmals das Umsteigen. Der Fernverkehr bietet zudem auf Strecken höherer Distanz[61] potenziell einen Zusatznutzen, da die Reisenden die Zeit im Zug aufgrund der besseren Ausstattung (siehe z. B. Internetanschluss) effizienter nutzen können. Für die Beschreibung der Wettbewerbssituation macht eine Dreiteilung des Streckennetzes Sinn, also eine separate Betrachtung der Abschnitte Brüssel-Paris, Brüssel-Amsterdam und Brüssel-Köln. Die folgende Karte gibt eine Übersicht aller derzeit bestehenden Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen den vier, in dieser Arbeit betrachteten Ländern:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 15: Übersicht des Hochgeschwindigkeitszugsangebots zwischen
Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden[62]

(Quelle: Eigene Darstellung; Grafik: S. Pannes)

(1) Brüssel-Paris

Zwischen Brüssel und Paris Nord bietet Thalys exklusiv eine Direktverbindung – ohne Zwischenhalt – an. Dennoch ist diese „Quasi-Monopolstellung“ zu relativieren, da Brüssel auch täglich von mehreren TGV bedient wird, welche Brüssel – mit oder ohne Zwischenhalt in Lille – mit dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle, mit Marne-la-Vallée (Disneyland) und mit Massy verbinden. Paris ist von den drei genannten Haltepunkten bequem zu erreichen. Mit Umstieg in Lille, welcher sowohl durch den TGV als auch durch den Eurostar zu erreichen ist, bieten sich zudem auch Anschlüsse nach Paris Nord. Mit Umstieg in Mons bzw. Brügge ist Lille von Brüssel aus auch ohne Hochgeschwindigkeitszüge erreichbar; Antwerpen und Lüttich unterhalten jeweils eine IC-Direktverbindung nach Lille. Ab Lille ist Paris auch ohne den TGV mit einmaligem bzw. zweimaligem Umsteigen – mit einem Zeitverlust von 1 ½ bis 3 ½ Stunden – zu erreichen.

(2) Brüssel-Amsterdam

Dieser Abschnitt wird derzeit – neben dem Thalys – auch durch einen belgisch-niederländischen IC bedient. Zwischen Antwerpen[63] und dem niederländischen Roosendaal verkehren weitere Nahverkehrszüge; von dort bestehen regelmäßige IC-Direktverbindungen nach Amsterdam. Voraussichtlich Ende 2010 wird der grenzüberschreitende Fernverkehr zwischen Amsterdam und Brüssel ganz auf den Hochgeschwindigkeitsverkehr umgestellt. Die heutigen IC-Verbindungen zwischen den beiden Städten werden durch den Fyra ersetzt, der – neben dem Thalys und den Angeboten des Nahverkehrs – Antwerpen mit den Niederlanden verbinden wird.

(3) Brüssel-Köln

Dieser Abschnitt weist nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit den stärksten Wettbewerb auf und bedarf daher einer differenzierten Betrachtung: Betrachtet wird dabei der grenzüberschreitende Verkehr, sodass der Abschnitt zwischen Lüttich und Aachen genauer betrachtet wird. Die Konkurrenz von Thalys, die sich auf diesem Abschnitt bietet, ist gleichermaßen auch für Reisende aus bzw. nach Brüssel und Köln von Interesse, da die inländischen Verbindungen zwischen Brüssel und Lüttich bzw. Aachen und Köln ein attraktives Grundangebot sichern. Für den Abschnitt Brüssel-Lüttich[64] beanspruchen Thalys und ICE[65] ca. 20 Minuten weniger als die IC-Linie A der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS; für den Abschnitt Köln-Aachen[66] – der neben Thalys und ICE ausschließlich durch den Nahverkehr bedient wird – liegt der Zeitvorteil von Thalys und ICE bei ca. 20 Minuten. Dies führt den starken Wettbewerb mit dem preislich oftmals attraktiveren Nahverkehr bzw. dem Fernverkehr vor Augen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 16: Schienenverkehrsnetz in der Euregio Maas-Rhein

(Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Aachener Verkehrsverbund (2010).

Schnellverkehrsplan EMR .

Verfügbar unter: http://www.avv.de/ressorts/euregio/die-euregio-maas-rhein/

(04.07.2010); Grafik: S. Pannes)[67]

Durch die neue innerbelgische Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hergenrath und Chênée benötigen ICE und Thalys nur 20 Minuten für den Abschnitt Aachen-Lüttich; die über die Wesertalstrecke verkehrenden Züge des Nah- und Fernverkehrs benötigen mindestens 30 Minuten mehr, sind jedoch aus preislicher Sicht attraktiver. Als Beispiel sei hier abermals die IC-Linie A der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS angeführt: Diese fuhr bis 2002 ab Welkenrath[68] alternierend in Richtung Eupen und Köln. Der „Kölner Ast“ wurde 2002 aufgegeben und durch drei tägliche – aus Frankfurt (Main) kommende – ICE-Garnituren mit Ziel Brüssel ersetzt. Seitdem verkehrt der IC A ausschließlich ab/nach Eupen. Als Ersatz für die wegfallende Direktverbindung von Verviers und Welkenrath nach Aachen verkehrt seit 2002 alle zwei Stunden der – in Belgien als IR q, in Deutschland als RE 29 geführte – EuregioAIXpress, der bereits ab/bis Lüttich eingesetzt wird. Durch die räumliche Nähe und – im Falle Eupens – eine direkte Busverbindung ab Aachen Hbf. wandern viele Aachener Fahrgäste nach Eupen und Welkenrath ab, um dort ihre belgischen Zielorte – ohne Nutzung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs – zu erreichen. Beiden Städten bietet sich durch den IC A eine Direktverbindung nach Brüssel und Lüttich an. So wurden auch entsprechende Bestrebungen der Stadt Aachen, den IC A ab Welkenrath wieder nach Aachen verkehren zu lassen, seitens der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS mit dem Verweis auf möglichen Wettbewerb mit Thalys abgelehnt (o. V., 2010).

4 Empirische Untersuchung der Markenwahrnehmung
von Thalys

Gegenstand des folgenden Abschnitts ist die empirische Untersuchung der Markenwahrnehmung von Thalys. Zunächst wird dazu in Kapitel 4.1 die zugrunde liegende Problematik erläutert, bevor in Kapitel 4.2 die Befragungsmethode erläutert wird. In Kapitel 4.3 wird der Aufbau des Interviewleitfadens erläutert, während in Kapitel 4.4 die Zusammensetzung der Stichprobe erläutert wird. In Kapitel 4.5 werden die anhand der 7 Ps ausgewerteten Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.

4.1 Problemaufriss

Die geführte Mehrmarkenpolitik, bei der die Marken Thalys, ICE und TGV gemeinsam auf dem Markt angeboten werden, könnte aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als suboptimal angesehen werden. Ein Lösungsansatz könnte darin bestehen, das Angebot dieser drei Marken zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden allein auf die Marke Thalys zu verdichten, um so Synergieeffekte besser nutzen zu können. Dies würde jedoch bedingen, dass die Marke Thalys als eigenständige Marke mit hoher Markenüberlegenheit wahrgenommen wird. Eine Superiorität der Marke Thalys wäre also die zwingend notwendige Voraussetzung, um eine Bündelung des heutigen Dienstleistungsangebots der Marken ICE, TGV und Thalys auf Thalys als wirtschaftlich sinnvoll ansehen zu können. Mit „Superiorität“ ist, wie bereits erwähnt, die Überlegenheit einer Marke hinsichtlich der Stiftung eines Kundennutzens zu verstehen: Die (Über-)Erfüllung seiner Bedürfnisse verschafft dem Kunden einen Nutzen, den er mit Kundenzufriedenheit honoriert. Je größer die Übererfüllung dieser Bedürfnisse, desto größer der Kundennutzen und damit verbunden die Zufriedenheit. Davon ausgehend müsste also die Marke Thalys die Kundenbedürfnisse genauso gut oder besser erfüllen können als jede Marke für sich bzw. alle zusammen. Um diese Annahme prüfen zu können, wird im Folgenden die subjektive Wahrnehmung der Marke Thalys durch den Kunden exploriert – und damit die durch den Kunden subjektiv wahrgenommene Leistung, die wiederum die Kundenzufriedenheit determiniert. Dies geschieht anhand von qualitativen Interviews, die anhand eines an den 7 Ps angelehnten halbstrukturierten Fragebogens die verschiedenen Leistungsattribute der Marke Thalys erfassen sollen. Betont sei nochmals der Vorstudiencharakter.

4.2 Die Critical Incident Technique

Die Critical Incident Technique ist für die empirische Untersuchung der Fragestellung besonders geeignet, da sie eventuelle Diskrepanzen zwischen Kundenerwartung und wahrgenommener Dienstleistungsqualität ermittelt. Sie wird in der Praxis bevorzugt in der quantitativen Kundenzufriedenheitsermittlung eingesetzt. In dieser Arbeit wird sie nun für eine qualitative Untersuchung angewendet.

Die Critical Incident Technique ist aus dem GAP-Modell abgeleitet, welches im Folgenden vorgestellt werden soll: Im Rahmen des GAP-Modelles von Zeithaml, Parasurman & Berry (1992, zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000) zur Messung der Dienstleistungsqualität werden insgesamt vier Ansatzpunkte zwischen Erwartungen und der wahrgenommenen Leistung: So thematisiert GAP 1 die unzureichende Wahrnehmung der Kundenerwartungen durch das Management. Diese bereits fehlerbehaftet wahrgenommenen Kundenerwartungen werden ihrerseits wiederum unzureichend spezifiziert (= GAP 2). Letztlich wird die tatsächlich erstellte Leistung von diesen Spezifikationen abweichen (= GAP 3). GAP 4 seinerseits thematisiert die ungenaue, kundenseitige Kommunikation dieser Dienstleistung. GAP 5 resultiert aus den vorangegangenen und beschreibt die Diskrepanz zwischen wahrgenommener und erwarteter Leistung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 17: GAP-Modell der Dienstleistungsqualität

(Quelle: Parasuraman, Zeithaml & Berry, 1985,

zitiert nach Meffert & Bruhn, 2000, S. 243; Grafik: S. Pannes)

Die Critical Incident Technique setzt explizit am GAP-Modell an und versucht die vorgestellten Diskrepanzen zu analysieren: „Critical-Incident-Methode, Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit. Mittels offener Fragen werden die Kunden nach kritischen Erlebnissen befragt. Die Befragungsergebnisse sind eine nützliche Hilfe für das systematische Beschwerdemanagement und das Servicemarketing.“ (Poth, Poth & Pradel, 2008, S. 64). Die Critical Incident Technique weist einen relativ starken Fokussierungsgrad auf, insofern sie sich auf kritische Ereignisse fokussiert, zugleich diese den Interviewpartner aber relativ frei berichten lässt. Da es sich bei einer Transportleistung im Sinne des Thalys um eine relativ stark standardisierte Dienstleistung handelt, wurde ein halbstandardisierter Interviewleitfaden entwickelt, der sich an den 7 Ps orientiert. In den Interviews gilt es, die Probanden zum freien Reden zu animieren, zugleich jedoch eine gesonderte Betrachtung einzelner Teilleistungen zu gewährleisten, und zwar mithilfe der 7 Ps. Gemäß der Critical Incident Technique wird seitens des Interviewers auf kritische Ereignisse vertiefend eingegangen. Weil die Interviews halbstandardisiert sind, kann der Proband den Inhalt des Interviews relativ frei gestalten und somit selbst die für ihn kritischen Ereignisse ansprechen. Diese Ereignisse können sowohl negativer als auch positiver Natur sein. Werden negative Ereignisse erwähnt, geht der Interviewer darauf nochmals gesondert, z. B. durch Nachfragen, darauf ein. Dies geschieht, um die Diskrepanz zwischen der Leistungserwartungen der wahrgenommenen Leistung zu ermitteln.

4.3 Aufbau des Interviewleitfadens

(1) Leistungspolitik (= P roduct & P rocess)

Die Fragen im Bereich „Leistungspolitik“ sind folgendermaßen untergliedert:

- Was fällt Ihnen zum Leistungsangebot von Thalys ein?
- Haben Sie Präferenzen hinsichtlich Confort 1 und Confort 2 ?
- Falls Confort 1: Wo nutzen Sie die Lounges und wie gefallen sie Ihnen?
- Welchen Eindruck haben Sie von der Thalys-Bar ?
- Nutzen Sie die von Thalys angebotenen Zusatzangebote
(= z. B. Fahrzeug- und Hotelreservierung)? Wie bewerten Sie diese?
- Welche Bedeutungen haben für Sie Direktverbindungen?
- Wie beeinträchtigt Sie ein notwendiges Umsteigen?

Mit den Fragen soll geklärt werden, was der Kunde aus dem Leistungsangebot von Thalys wahrnimmt und wie er dies bewertet. Dies beinhaltet die Leistungsdifferenzierung in Confort 1 und Confort 2 bzw. wie er diese Leistungsdifferierung wahrnimmt. Außerdem wird nach der zugeigenen Thalys-Bar gefragt, die ein entscheidendes Ausstattungsmerkmal ist, welches den Fern- vom Nahverkehr abgrenzt. Des Weiteren wird nach den Zusatzangeboten von Thalys gefragt. Weiterhin wird gefragt, welche Bedeutung Direktverbindungen für den Probanden haben. Hier wird davon ausgegangen, dass Direktverbindungen die Kundenzufriedenheit erhöhen.

(2) Preispolitik (= P rice)

Die Fragen im Bereich „Preispolitik“ sind folgendermaßen untergliedert:

- Was fällt Ihnen zum Tarifsystem ein
(= allgemeine Wahrnehmung inklusive Verbesserungsvorschläge)?
- Welchen Tarif nutzen Sie (bevorzugt)?
- Wie beurteilen Sie das Konzept des Globalpreises
(= Fahrschein inklusive Sitzplatzreservierung; Zugbindung)?
- Welchen Eindruck haben Sie von der Erstattungs- und Entschädigungspolitik des Thalys gewinnen können?
- Wie informieren Sie sich im Vorfeld über die verschiedenen Tarife und Preise?
- Welche Tarife und zugehörigen Konditionen sind Ihnen bekannt?
- Wie beurteilen Sie die Tariftransparenz von Thalys?
- Sind Sie Inhaber einer Thalys-Card (= Treueprogramm)?
- Wie gefällt Ihnen das Programm?

Mit den aufgeführten Fragen soll ermittelt werden, welche Tarife der Kunde in Betracht zieht und wie ausführlich er sich mit der Preispolitik auseinandergesetzt hat. Gerade im Rahmen der Flexibilität kann das Globalpreissystem – bedingt durch die Zugbindung – als unangenehm, zugleich aber – durch den zugesicherten Sitzplatz – als angenehm empfunden werden. Thalys wirbt mit seiner großzügigen und kostenaufwendigen Erstattungs- und Entschädigungspolitik, sodass sich die Frage nach deren Kundenwahrnehmung bzw. deren Rolle für den Kunden auftut. Über Thalys – The Card wird zudem versucht, Vielfahrer – durch Prämien – an das Unternehmen zu binden und so der Dialog zum Kunden gesucht. Es dürfte von Interesse sein, die kundenseitige Wahrnehmung des Programms zu hinterfragen.

(3) Distributionspolitik (= P lace & P hysical Facilities)

Die Fragen im Bereich „Distributionspolitik“ sind folgendermaßen untergliedert:

(a) Wie beziehen Sie Ihre Thalys-Fahrkarte?

- Welche Erfahrungen haben Sie mit der internetbasierten Buchung gemacht?
- Über welche Website erfolgte die Buchung?
- Haben Sie bereits die Website von Thalys (= www.thalys.com) besucht?
- In welcher/n Sprache(n) nutzen Sie diese Seite und wofür?
- Wie empfinden Sie deren Benutzerfreundlichkeit?
- Welche Erfahrungen haben Sie mit der telefonischen Buchung gemacht?
- Wie beurteilen Sie den Schalterverkauf an den Bahnhöfen bzw. in den Boutiquen und Reisebüros?
- Welche Erfahrungen haben Sie den Fahrkartenautomaten gemacht?

(b) Welche Erfahrungen haben Sie mit der papierlosen Fahrkarte (= ticketless) gemacht?

- Welche Vor- und Nachteile sehen Sie im Vergleich zu papiergebundenen Fahrscheinen?

(c) Wie gefällt Ihnen die Ausstattung von Thalys?

- Wie würden Sie mir Confort 2 beschreiben?
- Welche Unterschiede zeigen sich in Bezug auf Confort 1 ?
- Wie ist die Thalys-Bar zu beschreiben?

Im Rahmen der Distributions- und Ausstattungspolitik gilt es zu klären, welche Absatzorgane die Probanden bevorzugt nutzen und warum sie dies tun. Hierbei wird unterstellt, dass das Ambiente des Absatzkanals – ob nun der Schalter am Bahnhof oder der heimische Schreibtisch – die Wahl des Absatzkanals entscheidend beeinflusst. Außerdem wird gezielt nach den vier oben genannten Vertriebskanälen von Thalys gefragt und gegebenenfalls auf sich ereignende Schwierigkeiten eingegangen. Es gilt zu klären, welche Absatzorgane wann und wie wahrgenommen werden, um die wahrgenommene Qualität optimieren und den Absatz so effizient wie möglich gestalten zu können. Der Ausstattung wird ein weiterer Fragenkomplex gewidmet: Der Ausstattung wird im Dienstleistungsbereich eine hohe Bedeutung zuteil, weil sie von den Kunden als physischer Ersatz der Dienstleistungsqualität wahrgenommen werden kann.

(4) Kommunikationspolitik (= P romotion & P ersonnel)

Die Fragen im Bereich „Kommunikationspolitik“ sind folgendermaßen untergliedert:

(a) Wie steht Thalys mit Ihnen in Kontakt?

- Wo und wie nehmen Sie Informationen über Thalys wahr?
- Wie wird das Leistungsangebot kommuniziert?
- Wie beurteilen Sie das Bordmagazin Thalyscope ?
- Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Thalys-SMS-Service gemacht?
- Was müsste hinsichtlich der Kommunikation verbessert werden?

(b) Was fällt Ihnen zum Personal von Thalys ein?

- Wie beurteilen Sie dessen Auftreten?

Hier geht es darum zu ermitteln, welche Informationen der Kunde wann und wie empfängt bzw. wahrnimmt. Aufgrund der empfangenen Informationen wird sich der Kunde ein individuelles Bild machen. Dezidiert wird zudem nach der Wahrnehmung des Personals; vorrangig an Bord, da oftmals der Kontakt im Vorfeld auf die Absatzmittler beschränkt ist. Ganz im Sinne des Behavioral Brandings wird untersucht, inwieweit eine unternehmenseigene Markenidentität – bzw. deren Bedeutung für das Markenimage – von den Kunden wahrgenommen wird.

(5) Allgemeine Beschreibung der Marke

Abgerundet wird die anhand der 7 Ps untersuchte Markenwahrnehmung durch zwei offene allgemeine Fragen, die ihrerseits sicherstellen sollen, dass der Proband die Möglichkeit hat, alle für ihn relevanten Aspekte anzusprechen. Hierbei wird bewusst die durch die Trennung in die 7 Ps eingeführte (Teil-)Standardisierung – zugunsten eines narrativen Resümees – verlassen.

(a) Beschreiben Sie bitte eine Reise mit Thalys!

(b) Was ist für Sie „typisch Thalys“ ?

Zielsetzung ist, dass der Proband den Leistungserstellungsprozess Revue passieren lässt und so die eigenen Wahrnehmungen beschreiben und reflektieren kann. Er übernimmt dabei selbst die Gesprächsführung, um so für ihn wichtige Sachverhalte zur Sprache bringen.

Die letzte Frage ist vor allem unter Markengesichtspunkten, d. h. hinsichtlich der angestrebten Einzigartigkeit, von Interesse. Der Proband hat im Laufe des Interviews sehr viel über die Marke Thalys reflektiert und ist nun aufgefordert, zu beschreiben, was für ihn die Einzigartigkeit der Marke Thalys ausmacht. Durch „typisch Thalys“ wird der Proband genötigt, Thalys kognitiv von dessen potenziellen Alternativen – respektive ICE und TGV – zu trennen. Marketingtechnisch gesprochen tritt dabei zutage, welche Brandingelemente auf den Kunden gewirkt haben, d. h. welche er wahrgenommen hat.

4.4 Stichprobenplan

Als qualitative Stichprobe wurden insgesamt 30 Probanden – geschlechterparitär – rekrutiert, die alle bereits den Thalys „genutzt“ haben bzw. aktive Nutzer sind. Die Stichprobe setzt sich aus acht Belgiern, zwölf Deutschen, fünf Franzosen und fünf Niederländern zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Stichprobenzusammensetzung nach Geschlecht und Nationalität

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die Probanden wurden auf insgesamt acht Dyaden und 14 Einzelinterviews verteilt. Alle Dyaden sind gemischtgeschlechtliche Ehe- oder Lebensgemeinschaften und – mit Ausnahme einer franco-belgischen Dyade – identischer Nationalität.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 4: Stichprobenzusammensetzung nach Interviewart und Nationalität

(Quelle: Eigene Darstellung)

Das Durchschnittsalter der Stichprobe beträgt 37 Jahre (= 36,73) und weist bei Frauen (= 36,80) und Männern (= 36,67) keine nennenswerten Unterschiede auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 18: Altersstruktur der Stichprobe in absoluten Zahlen

(Quelle: Eigene Darstellung)

Gefragt nach der Art der Reise gaben 20 Probanden (= 66, 67 %) an, ausschließlich privat zu reisen, neun Probanden (30 %) gaben an, den Thalys sowohl geschäftlich als auch privat zu nutzen und ein Proband (= 3,33 %) erklärte, den Thalys ausschließlich geschäftlich zu nutzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 19: Reiseanlass der Stichprobe in absoluten Zahlen

(Quelle: Eigene Darstellung)

4.5 Darlegung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Im Folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse der empirischen Untersuchung dargestellt. Die Analyse der empirischen, qualitativen Daten erfolgte im Hinblick auf zwei Fragen, von denen die erste lautet: Wie nehmen die Kunden die Leistungen von Thalys wahr – ist z. B. eine wahrgenommene (Über-)Erfüllung der Kundenerwartungen festzustellen? Die (Über-)Erfüllung der Kundenerwartungen – so wurde bereits argumentiert – kann als notwendige Bedingung für eine Superiorität der Marke Thalys angesehen werden. Die zweite Frage lautet: Ist die Wahrnehmung der Marke Thalys hinsichtlich der intramodalen Konkurrenz trennscharf? Dies ist ebenfalls notwendige Bedingung für eine Superiorität der Marke Thalys. Bei der Analyse wurde so vorgegangen, dass in drei aufeinanderfolgenden Schritten die Aussagen der Probanden herausgefiltert wurden, die im Hinblick auf die Fragestellungen relevant sind. Der Schritt diente dazu, einen Gesamtüberblick über die getätigten Aussagen zu bekommen. Im zweiten Schritt wurden die Kernaussagen herausgefiltert. Im dritten Schritt wurden die Aussagen den Fragen als „Antworten“ zugeordnet. Der Aussagewert wurde in „Positiv“ oder „Negativ“ eingeteilt. Ferner wurden die Kulturdimensionen Hofstedes (Hofstede & Hofstede, 2006) als Analysekriterium eingesetzt, weil sie dazu geeignet sind, die Wahrnehmung der Marke Thalys durch das interkulturelle Klientel im Hinblick auf deren kulturellen Hintergrund zu bewerten. Die Ergebnisse der Interviews werden in Tabellen aufgeführt und entsprechend des Aussagewertes der Spalte „Positiv“ oder der Spalte „Negativ“ zugeordnet. Diejenigen Aussagen, die im Hinblick auf die oben genannten Fragen („Kundenzufriedenheit“ und „Trennschärfe Konkurrenz“) wesentlich sind, werden im Text kommentiert. Zur besseren Orientierung werden bei den einzelnen Punkten die Fragen aus dem Fragebogen erneut aufgeführt.

4.5.1 Leistungspolitik (= Product & Process)

Mit den Fragen zur Leistungspolitik sollte geklärt werden, was der Kunde aus dem Leistungsangebot von Thalys wahrnimmt und wie er dies bewertet. Die Ergebnisse, die nachfolgend anhand der einzelnen Fragen näher ausgeführt werden, zeigen, dass die Kundenerwartungen im Bereich der Leistungspolitik hinreichend erfüllt, jedoch nicht übererfüllt werden. Die Elemente Preis, Qualität, Reisedauer und Pünktlichkeit konnten als kritische Faktoren herauskristallisiert werden. Auch Nießing (2006) sieht diese Punkte als kritische Faktoren an. Im Hinblick auf die Trennschärfe der Marke Thalys hinsichtlich der intramodalen Konkurrenz ist festzuhalten, dass sich bereits zu Beginn der Interviews im Rahmen der allgemeinen Fragen zur Leistungspolitik eine hohe Tendenz zum Vergleich mit der intra- und intermodalen Konkurrenz zeigt. Zum Vergleich werden oftmals intramodal die nationalen Schieneverkehrsgesellschaften und intermodal der Flugverkehr herangezogen. Im Hinblick auf die Kulturdimensionen von Hofstede (Hofstede & Hofstede, 2006) lässt sich aus der Tatsache, dass die Probanden mit Thalys im Zusammenhang mit Reisedauer Pünktlichkeit und Schnelligkeit assoziieren, eine hohe Ausprägung der Dimension „Unsicherheitsvermeidung“ bei allen Probanden ablesen. Nachfolgend werden die Ergebnisse anhand der einzelnen Fragen näher ausgeführt.

Frage an Probanden: „Was fällt Ihnen zum Leistungsangebot von Thalys ein?“

Zur Leistung von Thalys befragt, erwähnten die Probanden folgende Elemente, die sie offenbar mit der Leistung von Thalys assoziieren: „Preis“, „Qualität“ sowie „Reisedauer“ in Verbindung mit „Pünktlichkeit“. In Verbindung mit Reisedauer und Pünktlichkeit wurde „Schnelligkeit“ genannt. Es kann gefolgert werden, dass damit zum einen eine kurze Reisedauer und zum anderen Pünktlichkeit assoziiert werden, da schnelles Fahren eine Reduktion des Prozess der Raumüberbrückung bedeutet und mit der Einhaltung des Fahrplans gleichgesetzt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 5: Allgemeine Assoziationen zur Leistungspolitik von Thalys

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Haben Sie Präferenzen hinsichtlich Confort 1 und Confort 2 ?

Der wesentliche Punkt der Leistungspolitik ist die Differenzierung des Leistungsumfangs in die beiden Komfortklassen „Confort 1“ und „Confort 2“. Ein höherer Leistungsumfang beinhaltet eine zusätzliche Nutzenstiftung, die durch einen höheren Preis gerechtfertigt werden kann. Es geht folglich darum, zu klären, ob die beiden Komfortklassen erstens trennscharf wahrgenommen werden und zweitens eine bzw. die applizierte Preisdifferenz subjektiv rechtfertigen. Auf der Grundlage der Auswertung dieser empirischen Untersuchung kann eine trennscharfe Wahrnehmung zwischen „Confort 1“ und „Confort 2“ – weitreichend – konstatiert werden, auch wird der zusätzliche Nutzen von „Confort 1“ gewürdigt, nur beschränkt sich dieser – aus Sicht der Probanden – zumeist auf die Mahlzeit und rechtfertige die Preisdifferenz nicht. „Confort 1“ wird somit vielfach – im Gegensatz zu Confort 2 – als „nicht preiswürdig“ wahrgenommen. Entsprechende Details finden sich in Tabelle 6:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 6: Vor- und Nachteile der Leistungsdifferenzierung von Thalys in „Confort 1“ und „Confort 2“

(Quelle: Eigene Darstellung)

Das Catering – in der ersten Klasse – auf den grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitszugfahrten nach Frankreich wird folgendermaßen bewertet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 7: Vor- und Nachteile des Caterings in Confort 1

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Wo nutzen Sie die Lounges und wie gefallen sie Ihnen?

Die Confort 1-Kunden haben die Möglichkeit die DB-Lounge in Köln bzw. die Lounges von NS Highspeed in den Niederlanden – nebst weiteren Lounges des „Railteam“ - kostenfrei zu nutzen. Der Zutritt zum Salon Grands Voyageurs und die unternehmenseigene Lounge im Bahnhof Brüssel Süd sind hingegen nur für Inhaber der „Thalys – The Card“ zugänglich. Die Beurteilung der Lounges findet sich in Tabelle 8:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 8: Vor- und Nachteile der Lounges

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Welchen Eindruck haben Sie von der Thalys-Bar ?

Als weitere wichtige Zusatzleistung ist auf die Thalys-Bar hinzuweisen, die sich im Wesentlichen für das Catering während der Fahrt verantwortlich zeigt, aber auch die Möglichkeit bietet, ÖPNV-Fahrscheine käuflich zu erwerben. Für die Reisenden ist die Thalys-Bar ein kostenpflichtiges Zusatzangebot. Der Thalys-Bar kann der Auswertung zufolge ein großes – wenngleich auch ausbaufähiges – Sortiment zugesprochen werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Frequentierung steigt bei einigen Probanden mit der Dauer der Reise. Die Erwartungen der Kunden werden zwar erfüllt, dennoch bleiben Wünsche nach einer warmen Mahlzeit offen. Ferner wünschen sich die Probanden mehr frisch zubereitete Speisen und weniger Fertiggerichtverköstigung. Es kann also keinesfalls von einer Übererfüllung der Kundenerwartungen die Rede sein. Außerdem sehen die Probanden die Thalys-Bar als gewöhnliche Zugbar und nicht als Restaurant, sodass hier nicht auf die Superiorität der Marke eingezahlt wird, wie anhand von Tabelle 9 ersichtlich wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 9: Vor- und Nachteile der Thalys-Bar

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Nutzen Sie die von Thalys angebotenen Zusatzangebote? Wie bewerten Sie diese?

Dem Kunden steht über die unternehmenseigene Website offen, einen Mietwagen am Zielort via Europcar und/oder eine Hotelzimmer in einem Hotel der Accor-Gruppe zu reservieren. Kunden, die in Confort 1, können zudem bereits im Zug ein Taxi zum Brüsseler Süd- bzw. Pariser Nordbahnhof im Zug selbst reservieren. Die Beurteilung dieser zusätzlichen – unternehmensextern – geleisteten Dienste findet sich in Tabelle 10:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 11: Vorteile einer Direktverbindung und Nachteile des Umsteigens

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die Tatsache, dass alle Probanden eine klare Präferenz für Direktverbindungen äußerten, lässt sich mit einer Komfortorientierung erklären. Bezogen auf die Kulturdimensionen von Hofstede (Hofstede & Hofstede, 2006) ist dies auf eine starke feminine kulturelle Prägung des interkulturellen Klientels zurückzuführen. Eine Direktverbindung bedeutet jedoch auch eine Nutzenmaximierung in dem Sinne, als dass die mit der Reise verbundenen Anstrengungen minimiert werden (z. B. Koffertragen beim Umsteigen entfällt). Die Reisezeit kann so effizienter genutzt werden. Dies ist im Sinne Hofstedes (Hofstede & Hofstede, 2006) mit einer eher maskulinen Prägung zurückzuführen. Weiterhin zeigte sich auch in diesem Zusammenhang die Unsicherheitsvermeidung: So wurde mehrfach das Problem etwaig verpasster Anschlusszüge aufgrund von Unpünktlichkeit angeführt. Die Pünktlichkeit hat in Kulturen mit einer hohen Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung einen hohen Stellenwert, da Pünktlichkeit Gewissheit verschafft (z. B., dass man den Anschlusszug bekommen wird). So äußerten auch einige Probanden, ein Umsteigen in Kauf nehmen zu können, wenn die Wartezeit pauschal ¼ bis ½ Stunde nicht übersteige (= Komfortorientierung) bzw. die Anschlüsse sicher gewährleistet wären (= Unsicherheitsvermeidung).

Frage an Probanden: Obwohl keine expliziten Fragen zur Prozessgestaltung gestellt wurden, haben die Probanden in ihren Ausführungen Bezug auf die Gestaltung des Reiseprozesses genommen.

Die Thalys-Fahrt als solche wurde vom Großteil der Probanden als entspannend und als Zeitgewinn, z. B. durch Nutzung der Fahrt zum Arbeiten, empfunden. Viele Probanden erwähnten zudem die attraktiven Fahrzeiten. Bezogen auf die Kulturdimensionen von Hofstede (Hofstede & Hofstede, 2006) ist das auf Entspannung zurückzuführende Komfortempfinden dem femininen Pol zuzurechnen. Die Nutzenmaximierung, die in einer Minimierung der Fahrzeit und in einer Nutzung dieser für andere Aktivitäten (z. B. Arbeiten) besteht, ist dem maskulinen Pol zuzurechnen. Im Hinblick auf Kundenzufriedenheit wirken die Punkte „Komfortempfinden“ und „Nutzenmaximierung“ positiv. Mehrmalige Kontrollen, Überbelegung bei vorhegendem Ausfall eines Zuges und wahrgenommene Sprachbarrieren im Personal-Kunden-Kontakt wirken negativ.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 12: Vor- und Nachteile der Prozessgestaltung

(Quelle: Eigene Darstellung)

4.5.2 Preispolitik (= Price)

Mit den Fragen zur Preispolitik sollte ermittelt werden, wie die Probanden die Tarife wahrnehmen. Neben dem allgemeinem Eindruck vom Tarifsystem sollten die Wahrnehmung von Thalys – The Card, die als Instrument der Kundenbindung[69] im Dienstleistungsbereich besonders wichtig ist, sowie die Wahrnehmung der Tarif- und Erstattungskonditionen ermittelt werden. Die Ergebnisse, die nachfolgend anhand der einzelnen Fragen näher ausgeführt werden, zeigen, dass die Kundenerwartungen im Bereich der Preispolitik erfüllt werden, und zwar im Hinblick darauf, dass Thalys als Marke wahrgenommen wird, die zahlreich günstige Angebote bereitstellt. Allgemein wird das Tarifsystem als positiv bzw. gut durchdacht wahrgenommen. Die Übertragbarkeit der Fahrscheine wird positiv hervorgehoben. Die Tariftransparenz von den Probanden als gut und durchschaubar beurteilt. Eingeschränkt wird die Kundenzufriedenheit dadurch, dass das Preisgefälle zwischen den einzelnen Preisstufen bei gleicher Leistung als sehr hoch wahrgenommen wird. Die Preiswürdigkeit wird dadurch herabgesetzt, sodass Kunden, die alternierend die verschiedenen Preisstufen zahlen, das Gefühl bekommen, zu viel für ein und dieselbe Leistung gezahlt zu haben. Das Problem liegt nach Meinung des Verfassers darin begründet, dass Smoove – statt dem Normalpreis Hi-Life – als Referenzpreis herangezogen wird. Dieser wird (indirekt) stark umworben, indem die Fahrscheine beispielsweise für den Abschnitt Köln-Paris ab 29,00 EUR beworben werden: Smoove ist in Confort 2 in der günstigsten Preisstufe für 29,00 EUR zu erwerben. Bemängelt wird weiterhin, dass die Tarif-Kontingente im (papiergebundenen) Vertrieb von Muttergesellschaft zu Muttergesellschaft variieren. Anzumerken ist, dass trotz starker Markierung der Tarife[70] den Probanden die zugehörigen Preisstufen bekannter sind:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 13: Allgemeine Vor- und Nachteile der Preispolitik

(Quelle: Eigene Darstellung)

Im Hinblick auf die Trennschärfe der Marke Thalys hinsichtlich der intramodalen Konkurrenz ist festzuhalten, dass Thalys günstiger als beispielsweise der ICE dargestellt wird. Die Tarife werden überzufällig häufig mit denen der französischen Staatsbahnen SNCF verwechselt. Im Hinblick auf die Kulturdimensionen von Hofstede (Hofstede & Hofstede, 2006) kann gesagt werden, dass der Preis bei allen Kulturen eine Rolle spielt und diesbezüglich keine kulturellen Unterschiede festzustellen sind. Allgemein ist also eine hohe Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung zu verzeichnen. Nachfolgend werden die Ergebnisse anhand der einzelnen Fragen näher ausgeführt.[71]

Frage an Probanden: Was fällt Ihnen zum Tarifsystem ein? [Welchen Tarif nutzen Sie (bevorzugt)?]

Bemerkenswerterweise führte diese Frage zu relativ einheitlichen Antwortschemata: Bekannt war vor allem der Smoove-Tarif. Der Frage nach Verbesserung wurde entsprechend häufig eine Ausweitung der Kontingente entgegengebracht. Nur wenige Probanden gaben an, bereits einmal ein höherpreisiges Ticket gelöst zu haben (z. B. Optiway). Der hohe Bekanntheitsgrad könnte aber auch auf die hohe Umwerbung des zugehörigen Preises zurückzuführen sein: Nicht wenige Probanden nannten den Preis des Smoove-Tarifs bzw. dessen Konditionen, ohne ihn namentlich benennen zu können.

Frage an Probanden: Wie beurteilen Sie das Konzept des Globalpreises ?

Teil der Leistungspolitik von Thalys ist der Globalpreis mit dem eine Sitzplatzreservierung und eine Zugbindung verbunden sind. Die Zugbindung ergibt sich dabei stets aus der Sicherplatzreservierung. In der Luftverkehrsträgerebene ist sie aus Sicherheitsgründen obligatorisch, im Bahnverkehr wird die Sitzplatzreservierung oftmals als Zusatzoption – so beispielsweise im Falle des ICE[72] – angeboten. Auf der Grundlage der ausgewerteten Interviews zeigte sich mehrheitlich eine Präferenz für das Globalpreissystem, bei dem viele Probanden das Gefühl hatten, der Aufpreis für eine separate Sitzplatzreservierung sei zu hoch. Im Hinblick auf die Kulturdimensionen Hofstedes (Hofstede & Hofstede, 2006) ist zu sagen, dass sich die Unsicherheit somit bei Nichtanwendung des Globalpreises manifestiert: Einerseits in der Angst, einen zu hohen Aufpreis für den Sitzplatz zu zahlen und andererseits keinen freien Sitzplatz vorzufinden. Beides dürfte im genannten interkulturellen Klientel – innerhalb derer in vier der fünf betrachteten Kulturen eine schwach bis stark überdurchschnittlich hohe Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung vorherrscht – nicht verwunderlich erscheinen. Bemerkenswert ist ferner, dass einige Probanden den Globalpreis als solchen zunächst – durch die der Zugbindung immanenten Flexibilitätsbeschränkung – ablehnten, denn letztendlich können sie damit nicht mehr so flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren, sodass die Zugbindung als solche mit dem Grad an Unsicherheitsvermeidung negativ korreliert ist, jedoch von den Probanden die Sicherheit des Sitzplatzes zumeist als wichtiger angesehen wurde. Nur wenige Probanden zogen den Fahrschein ohne Sitzplatzreservierung vor, verwiesen zugleich aber darauf, immer einen Sitzplatz vorzufinden.

Keiner der befragten Probanden gab explizit an, bereit zu sein, auf einen Sitzplatz zu verzichten. Im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit zeigte sich, dass überfüllte Züge einen Hygienefaktor darstellen: Überfüllte Züge sind für die Kundenzufriedenheit abträglich. Für den Thalys gilt, dass der Globalpreis von den Probanden als Mittel gegen überfüllte Züge angesehen wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 14: Vor- und Nachteile des Globalpreises

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Welchen Eindruck haben Sie von der Erstattungs- und Entschädigungspolitik des Thalys gewinnen können?

Den Aussagen der Probanden zur Folge, ist Thalys primär um Pünktlichkeit bemüht, sodass die Erstattungsfrage (hier: Erstattung wegen Unpünktlichkeit) generell nicht zur Debatte steht; sofern doch eine bemerkenswerte Verspätung eintritt, sei man jedoch sehr um Pünktlichkeit bemüht. Die praktizierte Erstattungsregelung sei ferner kundenfreundlicher als gesetzlich vorgeschrieben. Thalys kann – auf der Grundlage dieser Daten – eine wahrgenommene Übererfüllung der Kundenerwartungen attestiert werden. Dabei wird die Kundenzufriedenheit dadurch generiert, dass erstens Pünktlichkeit – und damit Sicherheit – versprochen wird, also Ungewissheit vermieden wird, und zweitens der erlittene Schaden einer Verspätung durch die Erstattung – als positiver Nutzen – (über-)kompensiert wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 15: Vor- und Nachteile der Erstattungsregelung von Thalys

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Wie informieren Sie sich im Vorfeld über die verschiedenen Tarife und Preise? (Welche Tarife und zugehörigen Konditionen sind Ihnen bekannt?)

Hinsichtlich der Tarife und den zugehörigen Konditionen ist allgemein eine ziemliche Unkenntnis seitens der Probanden zu konstatieren. Am bekanntesten ist der Tarif Smoove, dessen Konditionen gleichermaßen. Optiway folgt auf Platz zwei; die Probanden wussten die Konditionen einigermaßen wiederzugeben. Dennoch lässt sich festhalten, dass im Falle der bekannten Tarife deren Konditionen zumeist korrekt genannt wurden. Dies ist insofern erstaunlich, als dass Dienstleistungen als High-Involvement-„Produkte“ ohnehin eine hohe Unsicherheit immanent ist. Bezug nehmend auf die Kulturdimensionen von Hofstede (Hofstede & Hofstede, 2006) ist der Preis ein entscheidendes Kriterium, zumal der Großteil des betrachteten Kulturclusters eine hohe Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung hat. Das Wissen um die Konditionen verschafft eine gewisse Sicherheit, wenn z. B. der Fahrschein erstattungsfähig ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 16: Genannte Tarife und zugehörige Konditionen von Thalys

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Sind Sie Inhaber einer Thalys-Card ? (Wie gefällt Ihnen das Programm?)

Ein wichtiges Element der Preispolitik von Thalys ist das Kundenbindungsprogramm Thalys – The Card. Dieses Treueprogramm war vielen der befragten Probanden gänzlich unbekannt, obwohl nicht wenige ihr Interesse an einer Teilnahme bekundeten. Diejenigen, die es kannten und – in der Regel – auch nutzen, gaben an, mit dem Programm Punkte – in Form von Meilen zu sammeln, die sie dann gegen Fahrscheine o. Ä. eintauschen. Es wurde berichtet, dass man – bei Kombination mit ticketless – weitere Sonderpunkte bekäme; ferner wurde das Programm auch als Bonus zum „Normalpreis“ deklariert. Eine für die Probanden als wesentlich wahrgenommene Leistung ist der exklusive Zugang zur Thalys-Lounge in Brüssel bzw. zum Salon Grands Voyageurs im Bahnhof Paris Nord. Dort stünden ihnen Getränke, Zeitungen und eine Internetverbindung kostenfrei zur Verfügung. Als großer Nachteil wurde die erschwerte Kombinationsmöglichkeit mit dem papiergebundenem Fahrschein angesprochen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 17: Vor- und Nachteile des Kundenbindungsprogramms Thalys – The Card

(Quelle: Eigene Darstellung)

4.5.3 Distributionspolitik (= Place & Physical Facilities)

Mit den Fragen zur Distributionspolitik sollte ermittelt werden, welche Absatzorgane die Probanden bevorzugt nutzen, warum sie dies tun und wie sie diese Absatzorgane wahrnehmen. Die Ergebnisse, die nachfolgend anhand der einzelnen Fragen näher ausgeführt werden, zeigen Folgendes: Die Kundenerwartungen im Bereich der Distributionspolitik werden im Falle der direkten Distribution (mit Kontakt zu dem Unternehmen Thalys) teilweise, bei der indirekten Distribution (ohne Kontakt zu dem Unternehmen Thalys) weniger erfüllt. Hier besteht noch viel Potenzial an Verbesserungsmöglichkeiten. Bei der Ausstattungspolitik werden die Kundenerwartungen erfüllt, jedoch nicht übererfüllt. Im Hinblick auf die Trennschärfe der Marke Thalys hinsichtlich der intramodalen Konkurrenz ist Folgendes festzuhalten: Im Bereich der Distributionspolitik gibt es keine Trennschärfe, da die Absatzkanäle der Muttergesellschaften genutzt werden. Im Bereich der Ausstattungspolitik wird der TGV als schlechter und der ICE als besser wahrgenommen. Im Hinblick auf die Kulturdimensionen von Hofstede (Hofstede & Hofstede, 2006) lassen sie sich nicht zu einer zusammenfassenden Aussage subsumieren, spezifische Aussagen sind jedoch möglich. Diese werden im Folgenden im Text aufgeführt. Nachfolgend werden die Ergebnisse anhand der einzelnen Fragen näher ausgeführt.

Frage an Probanden: Wie beziehen Sie Ihre Thalys-Fahrkarte?

Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage wurden allgemeine Kritikpunkte geäußert. Zu bedenken ist hier, dass nicht Thalys selbst, sondern auf die in deren Auftrag handelnden Absatzmittler im Mittelpunkt der Kritik stehen. Eine Ausnahme stellt dabei der telefonische und internetbasierte Kundendienst dar, der teilweise von Thalys selbst geleistet und – sofern mit ticketless verbunden – gänzlich ohne Absatzmittler gewährleistet wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 18: Allgemeine Kritikpunkte an der Distribution

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Welche Erfahrungen haben Sie mit der internetbasierten Buchung gemacht? Über welche Website erfolgte die Buchung? Haben Sie bereits die Website von Thalys (= www.thalys.com) besucht? In welcher/n Sprache(n) nutzen Sie diese Seite und wofür? Wie empfinden Sie deren Benutzerfreundlichkeit? Die internetbasierte Buchung papiergebundener Fahrscheine kann – in Frankreich über zwei, in Belgien und Deutschland über drei, in den Niederlanden über sechs – verschiedene Websites erfolgen. Die eigentliche Buchung erfolgt – ungeachtet der aufgerufenen Website – entweder über die französischen Staatsbahnen SNCF (= www.tgv-europe.com; verlinkt mit www.voyages-sncf.com) oder über den Internetauftritt der nationalen Bahngesellschaft. Erfolgt die Buchung – formal – über www.thalys.com wird die Buchung – je nach Wohnort des Ausstellers – über die Website der nationalen Bahngesellschaft abgewickelt. Die einzige Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang die Deutsche Bahn (DB) dar, die nicht in das Vertriebsnetzwerk von Thalys integriert ist. Deutsche Kunden werden über die französischen Staatsbahnen SNCF bedient, die zudem über eine eigene, in Köln ansässige, Filiale auf dem deutschen Markt vertreten ist. Eine Buchung über die Website der Deutsche Bahn (DB) ist jedoch ebenfalls möglich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 19: Zur Verfügung stehende Websites sowie die zugehörig
buchungsausführenden Websites der betrachteten Länder

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die internetbasierte Buchung erfreut sich hoher Popularität, sodass in den Interviews nur mäßig Kritik geübt wurde. So wurde – z. B. von deutschsprachigen Probanden – bemängelt, dass die Website www.thalys.com im Laufe der Buchung in den französischen Sprachmodus wechsle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 20: Vor- und Nachteile der internetbasierten Buchung

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Welche Erfahrungen haben Sie mit der telefonischen Buchung gemacht?

Relativ wenig Schätzung erfreut sich die telefonische Distribution, da diesem – potenziell – Warteschleifen und Sprachbarrieren immanent sind. Zudem wurde mehrfach auf die schlechte telefonische Erreichbarkeit des unternehmenseigenen Kundendienstes verwiesen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 21: Vor- und Nachteile der telefonischen Buchung

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Wie beurteilen Sie den Schalterverkauf an den Bahnhöfen bzw. in den Boutiquen und Reisebüros?

Wie bereits eingangs erwähnt, wurde der personal-ortsgebundene Verkauf über die Schalter in den Bahnhöfen, über Reisebüros und Boutiquen[73] komprimiert betrachtet. Trotz der reellen Präferenz für den Vertriebskanal Internet, sprachen viele Probanden von einem generell größeren Nutzen des personal-ortsgebundenen Verkaufs, da man sowohl von der fachkompetenten Beratung als auch von differenzierteren Suchmöglichkeiten profitiere. Im Hinblick auf die Kulturdimensionen von Hofstede und Hofstede (2006) kann gesagt werden, dass die angesprochene Nutzenmaximierung aus maskuliner bzw. der Komfort aus femininer Perspektive durch den höheren Servicegrad – im Sinne einer Internalisierung des Buchungsvorgangs – als bedürfnisbefriedigend wahrgenommen werden dürfte.

Ein weiterer Vorteil des personal-ortsgebundenen Verkaufs wird darin gesehen, dass die Herausgabe des (papiergebundenen) Fahrscheins mit der Zahlung zeitlich zusammenfällt und so die Unsicherheit des Nichterhalts bzw. des nicht rechtzeitigen Erhalts der Fahrkarte kompensiert werde. Als sehr positiv wurden vor allem die Boutique SNCF der französischen Staatsbahnen SNCF wahrgenommen, da man sich dort die nötige Zeit nehme und sehr hilfsbereit sei. Bezogen auf die Kulturdimensionen nach Geert Hofstede schneidet Frankreich beim personal-ortsgebundenen Verkauf „feminin“ ab. Dies impliziert eine relativ hohe Komfortorientierung, sodass das Konzept der Boutique SNCF den Bedürfnissen der französischen Klientel in besonderer Weise entsprechen dürfte. Durch den direkten Kontakt zum Personal der nationalen Bahngesellschaft – wird außerdem Unsicherheit reduziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 22: Vor- und Nachteile der personal-ortsgebundenen Buchung

(Quelle: Eigene Darstellung)

Frage an Probanden: Welche Erfahrungen haben Sie mit den Fahrkartenautomaten gemacht?

Durchweg kristallisierte sich heraus, dass mit dem Erwerb des Fahrscheins auch ein Informationsbedürfnis gestillt werden sollte. Dies ist nach Meinung der Probanden durch den Fahrkartenautomat am wenigsten zu ermöglichen.[74] Entsprechend sei dieser Distributionsweg von Interesse, wenn man keine Beratung benötige. Jedoch wussten viele Probanden nicht, dass auch internationale Bahnfahrkarten über Fahrkartenautomaten zu erwerben sind.

[...]


[1] „Involvement ist die Bereitschaft eines Rezipienten sich mit einem Informationsgegenstand zu befassen. (…) Bei niedrigem Involvement können daher nur wenige, kurze, einfache, bildhafte, schlaglichtartige Botschaften vermittelt werden, diese können und sollten aber oft wiederholt werden, damit sie schließlich haften bleiben und in die Schemata des Zielkunden integriert werden. Bei hohem Involvement genügt oft schon ein intensiver Kontakt, und hier können längere, anspruchsvollere, komplexere, textlich oder quantitativ argumentative Botschaften vermittelt werden.“ (Lachmann & Trommsdorff, 2007, S. 165).

[2] Auch in diesem Falle dient die Marke als Mittel zum Zweck der Differenzierung. Derartige Mittel (mean) zum Ziel (end) Beziehungen werden in den Marketingwissenschaften mit dem Verfahren der Means-End-Theorie diskutiert. Diesem Verfahren zur Folge nimmt der Kunde „Marken als ein Bündel von Eigenschaften (Means) [wahr] (…), mit dem Ziel wünschenswerte Zustände (Ends) zu erreichen. Als Zwischenstufe ist der erwartete Nutzen zu sehen.“ (Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 10).

[3] „Aus psychologischer Sicht lassen sich Markennamen beziehungsweise Markensymbole als Zusammenfassung einzelner Merkmale zu Kategorien verstehen.“ (Esch, 2008, S. 32).

[4] „Das Markenimage ist (…) als ein Markenwirkungskonzept zu interpretieren. Es stellt kein Managementkonzept dar, denn um im Markt positiv bewertet und akzeptiert zu werden, muss die Marke zunächst konzipiert und identitätskonform geführt werden.“ (Kapferer, 1992, zitiert nach Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S. 5).

[5] Wie bereits dargelegt, sei der Leser nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass die Begriffe „Selbstbild“ und „Markenidentität“ als synonym zu betrachten sind; selbiges gilt analog für „Fremdbild“ und Markenimage“

[6] Hierbei wird aus holistischer Sichtweise argumentiert; auch innerhalb des Selbstbildes ist formal zwischen einer strategischen und operativen Ebene zu unterscheiden, d. h. dem Soll-Selbstbild (= strategisch, innengerichtete Ebene) und dem Ist-Selbstbild (= operative, innengerichtete Ebene). Der Verfasser unterstellt in der hier als holistisch dargestellten Sichtweise ceteris paribus eine vollkommene Übereinstimmung zwischen IST- und Soll-Selbstbild, die in dieser Form in der Praxis höchstwahrscheinlich nicht zu konstatieren ist (= Modellcharakter). Auch werden qualitative Aspekte der strategischen Planung bewusst außer acht gelassen.

[7] Gemeint sind hier die Kompetenzen der „Markeninstitution“, des Markeninhabers, sodass de facto von den Kompetenzen der Unternehmung ausgegangen werden kann.

[8] Auch hier lässt das gewählte Vokabular – „Regeln“ – Rückschlüsse auf den Kulturbegriff zu.

[9] Burmann, Meffert & Feddersen (2007) weisen zudem auf die besondere Bedeutung der Markenwerte für die Authenzität hin, denn diese solle – ganz im Sinne des Behavioral Branding – durch die Mitarbeiter „gelebt“ werden.

[10] Es gilt hierbei die einseitige Wirkungsbeziehung Personal – Kunde zu beachten. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungsmarken, bei denen das Personal nicht selten als elementares Qualitätssurrogat herangezogen wird. Aktiv genutzt wird diese Eigenschaft des Personals im Rahmen des „Behavioral Branding“, welches letztlich auf das Konstrukt der Markenidentität zurückgeführt werden kann. (Bruhn & Eichen, 2007).

[11] „Definiert wird Fit (…) als der vom Kunden subjektiv wahrgenommene Zusammenhang zwischen den in der Marke gespeicherten Informationen und den für die Beurteilung eines konkreten Angebots relevanten und wünschenswerten Eigenschaften.“ (Strebinger, 2007, S. 94 f.).

[12] Es wäre hier zu hinterfragen, ob die Marke die Rolle einer Selbstwertergänzung zuteil wird, was bedeuten würde, dass der symbolische Markennutzen den funktionalen überkompensieren würde. Dies könnte bspw. bei Produkten der Marke Fairtrade unterstellt werden, da der rein funktionale Verbrauchernutzen auch durch die Konkurrenz in selbiger Güte erfüllt wird.

[13] Das Modell der „Big Five“ zur Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit setzt sich aus den fünf Dimensionen Neurotizismus , Extraversion , Offenheit für Erfahrungen , Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit zusammen.

[14] Jedoch ist der Nutzen immer subjektiv, sodass Markenleistungen potenziell auch nicht immer nutzenstiftend sein müssen.

[15] In diesem Kontext fällt oft der Begriff des „Qualitätspatt“.

[16] Wirkungen der Marken untereinander.

[17] Der Leser möge dem Umstand Rechnung tragen, dass Esch (2008) sich allgemein auf Marken – und damit vorrangig Sachgütermarken – bezieht, während Meffert & Bruhn (2000) speziell auf Dienstleistungsmarken eingehen.

[18] Der Verfasser dieser Arbeit verzichtet jedoch auf eine Darlegung der in der Praxis sehr unüblichen – und entsprechend wenig bekannten – Tandemmarkenstrategie. Der Leser sei auf Bruhn & Meffert (2000) verwiesen.

[19] Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass die Unternehmensmarke zugleich als Dach- und Familienmarke fungieren kann.

[20] Esch (2008) versteht die Familienmarkenstrategie als Resultante der Markendehnung; in Anlehnung an Meffert & Bruhn (2000) wird die Markendehnung als „Markentransferstrategie“ als eigenständige Strategieoption behandelt, sodass die Risiken der Familienmarkenstrategie im Rahmen der Markentransferstrategie diskutiert werden.

[21] Eine Entsprechung für die „Produktlinienerweiterung“ findet sich in der Ansoff-Matrix: „Marktdurchdringung“ bedeutet mit vorhandenen Produkten gegenwärtige Marktsegmente zu erschließen. Als „Markterweiterung“ bezeichnet Ansoff die „Produktinnovation“: Dieselben Märkte werden mit neuen Produkten bedient (Meffert & Bruhn, 2000).

[22] Der Leser an den eingangs erwähnten Begriff „Brand“ bzw. „Gebrandmarkt“ – im Sinne von „Gezeichnet“- erinnert, der als Basis für die Definition des Begriffs der Marke herangezogen worden ist.

[23] Der sich hier anmutende Verdacht, dass „Machtdistanz“ und „Kollektivismus“ zwangsläufig gepaart auftreten, wird durch Frankreich widerlegt. Das Land weist einen MDI von 68 (= zum Vergleich: Deutschland erzielte einen MDI-Wert von 35); mit einem IDV-Wert von 71 ist Frankreich jedoch als individualistisch zu bezeichnen(= zum Vergleich: Deutschland erzielte einen MDI-Wert von 67). Dennoch zeigt sich die Paarung von stark ausgeprägter „Machtdistanz“ und „Kollektivismus“ überzufällig häufig (Hofstede & Hofstede, 2006).

[24] Mit „kultureller Prägung“ ist hier ausschließlich die Prägung durch die „eigene“ Kultur gemeint.

[25] Hierzu zählen u. a. Belgien, Deutschland und die Niederlande (Müller & Gelbrich, 2004).

[26] Hierzu zählen u. a. Frankreich und Großbritannien (Müller & Gelbrich, 2004).

[27] Hofstede & Hofstede (2006) weisen deutlich auf die notwendige Unterscheidung zwischen „Feminität“ und „Feminismus“ hin, da es sich bei letzterem um eine zielgerichtete Ideologie handle.

[28] Es sei darauf verwiesen, dass die genannten Dimensionen formal keine obere Grenze im Sinne eines maximal erreichbaren Punktwerts haben.

[29] Beachte hierzu die Ausführungen zum Konstrukt „Nationalstolz“ unter Individualismus – Kollektivismus.

[30] Der Begriff „Qualität“ beschreibt die Beschaffenheit einer Leistung und ist weder positiv noch negativ konnotiert; dennoch ist der Begriff auch in der Fachliteratur zum Synonym für (hohe) Güte einer Leistung avanciert.

[31] Kognitive Dissonanz thematisiert die fehlende Passung zweier Kognitionen. Ist eine Entscheidung für eine Alternative gefallen, müssen auch deren Nachteile hingenommen werden und auf die (sich) potenziell bietenden Vorteile anderer Alternativen verzichtet werden. Im Konsumgütermarketing thematisiert die kognitive Dissonanz jedoch stärker das Leiden des Individuums um die wissentlich entgangenen Vorteile der nicht gewählten Alternative. Dieser Konflikt wird durch die höherwertige Einschätzung der gewählten und der Herabsetzung der nicht gewählten Alternativen entschärft (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003).

[32] Meffert & Bruhn sprechen in diesem Kontext von einem leistungsbezogenen Informationsproblem (Meffert & Bruhn, 2000): Thematisiert wird dies im Rahmen der Principal-Agent-Theorie, im Rahmen derer postuliert wird, dass die beschriebene Unsicherheit einem einseitig opportunistischen Verhalten entspringe.

[33] Im Kontext der Dienstleistungsstandardisierung ist auf das Instrument der Modularisierung zu verweisen. Dies beinhaltet die Zerlegung des Dienstleistungsprozesses in kleinste, in sich geschlossene Teilschritte (= Teilmodule). Hierdurch soll der Einfluss des spezifischen Mitarbeiters minimiert werden.

[34] Personalpolitik wird mit „ P ersonnel“ oder – synonym – mit „ P eople“ bezeichnet.

[35] Gemeint ist der Preis, der subjektiv durch die Nutzengenerierung der Leistung gerechtfertigt erscheint.

[36] Der Nichtlagerfähigkeit – und damit verbunden deren Verfall bei Nichtinanspruchnahme – Rechnung tragend, spielt das Yield Management im Dienstleistungsbereich eine besonders große Rolle. Das Preis-/Nachfrageverhalten wird IT-gestützt optimiert, in dem sich der Preis nach den noch zur Verfügung stehenden Kontigenten – und damit verbunden – der Nachfrage richtet. Je geringer die Nachfrage, desto niedriger der Preis. Ein Verfall der Leistung wird somit weitestgehend abgewendet (Poth, Poth & Pradel, 2008).

[37] Selber Leistungsumfang unterstellt.

[38] SCRL = Genossenschaft mit beschränkter Haftung belgischen Rechts

[39] Weiterhin besteht eine tägliche Verbindung morgens von Lüttich nach Paris und abends in umgekehrter Richtung. Statt Brüssel werden jedoch Mons, Charleroi und Namur bedient; die Fahrzeit zwischen Lüttich und Paris verlängert sich dabei um jeweils um 30 Minuten. Hinsichtlich des Fahrpreises sind – trotz der längeren Fahrtzeit – keine Unterschiede festzustellen.

[40] Confort 1 und Confort 2 sind Leistungsdifferenzierung, die Thalys anbietet.

[41] Mit Hygienefaktor ist hier ein Umstand gemeint, der gegeben sein muss, damit die Kundenzufriedenheit nicht beeinträchtigt wird. (Thommen & Achleitner, 2003).

[42] Alle vier Thalys-Länder haben ein eigenes Stromsystem (= B: 3 kv Gleichstrom; D: 15 kv Gleichstrom; F: 1,5 kv Gleichstrom; NL: 25 kv Gleichstrom).

[43] Daher konnten Aachen und Köln auch erst 1997 in das Thalys-Streckennetz integriert werden.

[44] Der offizielle Name des Bahnhofs lautet „Bruxelles-Midi“ (franz.) bzw. „Brussel-Zuid“ (niederl.).

[45] Sitzplatzreservierungen sind auch in den meisten Fernverkehrszügen eine kostenpflichtige Zusatzleistung. Im französischen Staatsgebiet sind sie sie im Hochgeschwindigkeitsverkehr obligatorisch, ebenso im Flugverkehr. Da im letzteren jedoch kein Stehplatz angeboten werden kann, gehört dort die Sitzplatzreservierung zur Kernleistung.

[46] Nur in CF 2 erforderlich; in CF 1 bereits inklusive.

[47] Mit Sitzladefaktor ist die Anzahl der Sitze pro Wagen gemeint.

[48] In Aachen existiert keine Lounge.

[49] Die „Thalys-Bar“ ist aber auch für Fahrgäste von CF 1 zugänglich.

[50] Yield Management ist ein Instrument zur Steuerung Preis/Nachfrageverhaltens.

[51] Bedingt durch die erforderliche – und automatisch inbegriffene – Sitzplatzreservierung unterliegt jedoch auch der Normalpreis einer Kontingentierung: Sind alle Sitzplätze belegt, ist der Zug – analog zum Flugzeug – nicht mehr verfügbar.

[52] Kinder unter vier Jahren reisen kostenlos, sofern kein Sitzplatz benötigt wird.

[53] Im Abfahrtbahnhof ist das Ticket noch bis zu einer Stunde nach Abfahrt des Zuges zu 100 % erstattungsfähig; danach muss eine Beantragung der Erstattung – in Höhe von 50 % - innerhalb von sechs Monaten erfolgen.

[54] Im Abfahrtbahnhof ist das Ticket noch bis zu einer Stunde nach Abfahrt des Zuges zu 100 % erstattungsfähig; darüber hinaus ist keine Erstattung mehr möglich.

[55] Bzw. Kinder unter vier Jahren, für die ein eigener Sitzplatz benötigt wird.

[56] Bzw. eine Stunde nach Abfahrt im Abfahrtsbahnhof.

[57] Offizielle Übersetzung: „Jeder Belgische Bahnhof“ (= ehemals „Alle belgischen Bahnhöfe“); keine Kombination mit „ticketless“ möglich

[58] Z. B. „Thalys Day“ (= zwischen Brüssel und Paris), „Thalys Night“, sowie saisonale Angebote.

[59] Nießing (2006) unterscheidet – rein auf die DB bezogen – sieben Absatzkanäle, indem er den persönlichen Verkauf in Reisezentrum und Reisebüro unterteilt, sowie den telefonischen Verkauf in Call- und Abo-Center unterteilt. Weitergehend zählt er den Zugbegleiter als Absatzkanal hinzu. Im Falle Thalys ist jedoch der Zugbegleiter als „Notoption“ anzusehen, da mit dem Fahrkartenverkauf im Zug nicht der volle Leistungsumfang gewährleistet ist (z. B. keine Sitzplatzgarantie) gewährleistet ist. Der Kunde muss zudem einen pauschalen Bordzuschlag von EUR 10,00 leisten.

[60] Sitzplatz wird per SMS mitgeteilt und die Buchungskontrolle mit der physischen Thalys – The Card abgeglichen.

[61] Der Begriff bedarf der Klärung durch den Einzelfall.

[62] Bewusst ausgelassen wurden die TGV-Verbindungen Brüssel-Frankreich, da diese Betrachtung die Arbeit sprengen würde.

[63] Antwerpen ist von Brüssel aus durch den regen innerbelgischen Nahverkehr und Fernverkehr ohne Umstieg zu und mit hoher Frequenz zu erreichen.

[64] Die Strecke von Brüssel nach Lüttich spaltet sich in Löwen: Von dort aus kann Lüttich erstens über Tienen und Landen, zweitens über die u. a. von ICE und Thalys genutzte Hochgeschwindigkeitsstrecke, sowie drittens über Hasselt und Tongeren erreicht werden.

[65] Vergleichsdaten beziehen sich auf die genannte Hochgeschwindigkeitsstrecke. Zu beachten ist, dass der IC zusätzlich in Brüssel Nord und Brüssel Central hält; einige Kurse auch in Löwen.

[66] Die Strecke Köln-Aachen ist keine Hochgeschwindigkeitsstrecke – wenn auch für Geschwindigkeiten von 250 km/h ertüchtigt – und wird vom Nah-, Fern- und Güterverkehr gleichermaßen genutzt.

[67] Es wurden nur die für die vorliegende Arbeit relevanten Strecken abgetragen.

[68] Stadt im frankophilen Belgien, gelegen im Städtedreieck Aachen – Eupen – Verviers.

[69] Die (Dienst-)Leistung als solche ist – im Vergleich zu Konsumgütern – relativ leicht zu imitieren, sodass der Kundenbindung – im Dienstleistungsmarketing – eine vergleichsweise höhere Rolle zuteil wird. Aus diesem Grunde sind Marken für die Dienstleistungsbranche von besonderer Bedeutung.

[70] Man kann diese praktisch selbst schon als Marken betrachten (z. B. Hi-Life, Optiway und Smoove).

[71] Folgende Frage wurde nicht explizit beantwortet und wird daher nicht aufgeführt: Wie beurteilen Sie die Tariftransparenz von Thalys? Eine Antwort auf diese Frage findet sich aber im einleitenden Teil dieses Unterkapitels.

[72] Eine Ausnahme stellt hier Frankreich da. Selbst im ICE findet auf Fahrten nach bzw. innerhalb Frankreichs der Globalpreis Anwendung. Ferner findet der Globalpreis auf allen über die französischen Staatsbahnen gebuchten Fahrkarten Anwendung.

[73] Z. B. die Kette „Boutique SNCF“ der französischen Staatsbahnen SNCF, die über die unternehmenseigene Tochtergesellschaft „Raileurope“ auch Boutiquen im Ausland (z. B. im deutschen Köln) unterhalten.

[74] So sieht man auch häufig an beiden deutschen Thalys-Haltepunkten, Aachen und Köln Hbf., Servicepersonal, dass den Fahrgästen den Gebrauch der Fahrkartenautomaten – obwohl diese eigentlich selbsterklärend sein sollten und nach Meinung des Verfassers dieser Arbeit auch sind – erklärt wird. Diese Form des Direktmarketing ermöglicht es, dass bestehende Unsicherheit des ersten Nutzung zu brechen, und so die Schlangen des Schalterverkaufs zu umgehen.

Ende der Leseprobe aus 504 Seiten

Details

Titel
Markenpolitik im schienengebundenen Personenverkehr
Untertitel
Eine qualitative Untersuchung aus der Perspektive des Unternehmens Thalys International SCRL
Hochschule
Hochschule Fresenius; Köln
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
504
Katalognummer
V158489
ISBN (eBook)
9783640708741
ISBN (Buch)
9783640708864
Dateigröße
4103 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Anhang enthält einige Interviews auf französisch.
Schlagworte
Markenpolitik, Personenverkehr, Eine, Untersuchung, Perspektive, Unternehmens, Thalys, International, SCRL
Arbeit zitieren
Tobias Klein (Autor:in), 2010, Markenpolitik im schienengebundenen Personenverkehr, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158489

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