Der Schutz von Sonn- und Feiertagen im Grundgesetz und im Verfassungsrecht der Länder


Seminararbeit, 2002

27 Seiten, Note: gut - 13 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Teil 1 Historischer Überblick

Teil 2 Sonn- und Feiertagsschutz im Grundgesetz
A. „Der Sonntag und staatlich anerkannte Feiertage“ – Sachbereich der Norm
I. Der Sonntag
II. Die Feiertage
Exkurs: Die Abschaffung des Buß- und Bettages
B. „als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ – Zweck der Norm
I. Feiertagsgarantie als Ausdruck von Menschenwürde und Sozialstaatsprinzip
II. Feiertagsgarantie als Faktor der gesamt-gesellschaftlichen Integration
III. Feiertagsgarantie als Ausdruck der „hinkenden Trennung“ von Kirche und Staat
C. „bleiben gesetzlich geschützt“ – Inhalt und Ausmaß der Norm
I. Institutionsgarantie und ihr Umfang
1. Art. 139 WRV als Gesetzgebungsauftrag für Bund und Land
2. Verfassungsrechtliche Vorgaben an den Gesetzgeber
3. Verfassungsrechtlich zulässige Ausnahmen von der Feiertagsruhe
a) Arbeit trotz Sonntag
b) Arbeit für den Sonntag
c) Allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausnahmetatbestände
II. Subjektives Recht aus Art. 140 GG/ 139 WRV ?
1. Ablehnende Ansichten
2. Zustimmende Ansichten
D. Art. 139 WRV im Verhältnis zu den Grundrechten
I. Art. 4 GG – Religionsfreiheit
II. Art. 6 GG – Familie
III. Art. 8 GG – Versammlungsfreiheit
IV. Art. 9 GG – Vereinigungsfreiheit
V. Art. 12 GG – Berufsfreiheit
VI. Art. 139 WRV und der „status positivus“ der Grundrechte

Teil 3 Sonn- und Feiertagsschutz in den Verfassungen der Länder
A. Übernahme des Wortlautes aus GG/WRV
B. Ergänzungen zum Grundgesetz
I. Motivation des Sonn- und Feiertagsschutzes
II. Maßgeblichkeit der christlichen Überlieferung bei der Festsetzung der Feiertag
III. Festlegung des 1. Mai als Feiertag

Teil 4 Herausforderungen für den Sonn- und Feiertagsschutz im Licht des gesellschaftlichen Wandels
A. Normative Kraft des Grundgesetzes
B. Verfassungspolitische Diskussion – Änderung des Art. 139 WRV ?
I. Ökonomische Kosten des Sonntages
II. Änderung des Freizeitverhaltens

Problemaufriss

Die Zeiten, in denen der staatliche Schutz der Sonn- und Feiertage in der Bundesrepublik unumstritten war und den Wünschen der politisch einflussreichen Kräfte entsprechen, sind vergangen. Einerseits drängen Industriezweige mit dem Argument der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie in einer globalisierten Weltwirtschaft auf eine möglichst ununterbrochene 7-Tage-Produktion. Andererseits verlangt das ausgeprägte Unterhaltungsbedürfnis der sog. „Spaßgesellschaft“ bzw. des vielzitierten „kollektiven Freizeitparks“ danach, auch an Sonn- und Feiertagen frische Brötchen kaufen, Videos ausleihen, Solarien benutzen oder shoppen zu können. Dazu kommt die schwindende Bindung weiter Bevölkerungskreise an die Kirche, die den Sonntag nicht mehr als „Tag des Herrn“ anerkennt, sondern schlicht als arbeitsfreien Tag ansieht. Diese Entwicklung wird durch die Tatsache verschärft, dass in den neuen Bundesländern der Anteil der Konfessionslosen weit überdurchschnittlich hoch ist und sich die anfänglichen Hoffnungen auf eine erfolgreiche Re-Christianisierung zerschlagen haben. Dass diese Entwicklungen auch vor der rechtlichen Beurteilung des Sonn- und Feiertagsschutzes nicht halt machen, soll nur an zwei Beispielen verdeutlicht werden: Bei der Einführung der Pflegeversicherung als weiteres Standbein des Sozialversicherungssystems wurde der Buß- und Bettag als arbeitsfreier Feiertag schlichtweg abgeschafft. Die Verwaltungen ostdeutscher Länder versuchten im Jahre 1999 durch die extensive Auslegung feiertagsrechtlicher Vorschriften dem Einzelhandel die Öffnung am Sonntag durch Ausnahmegenehmigungen zu gestatten. Dieser offensichtliche Rechtsbruch wurde zwischenzeitlich durch eine klare Verwaltungsrechtsprechung eingedämmt. Nichtsdestotrotz scheint es nicht übertrieben, von einer Krise des Sonn- und Feiertagsschutzes zu sprechen. Vor diesem Hintergrund lohnt der Blick auf den verfassungsrechtlichen Status des Sonntages und der Feiertage.

Teil 1 Historischer Überblick

Die ersten Entwürfe für eine Deutsche Reichsverfassung im Jahre 1919 enthielten keine Bestimmung über den Schutz der Feiertage. Erst auf Forderung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses hin wurde eine solche Vorschrift in der noch heute gültigen Fassung in den Entwurf der Verfassung vom 17. Juni 1919 eingefügt. Da sowohl die sozialistischen Parteien darin den erwünschen arbeitsfreien Wochentag garantiert, als auch die bürgerlichen Parteien ihre Forderung nach dem Fortbestand der christlichen Feiertage und des Sonntags erfüllt sahen, konnte die Vorschrift ohne größere Diskussion in die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 aufgenommen werden[1]. Auch in den Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Ausgestaltung des Grundgesetzes gab es keine ausführliche Diskussion über die Vorschrift. Zusammen mit den anderen staatskirchlichen Bestimmungen wurde Art. 139 WRV in das Grundgesetz übernommen. Schließlich blieb die Vorschrift bei den Überlegungen zu einer grundsätzlichen Umgestaltung des Grundgesetzes im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung unangetastet.

Teil 2 Sonn- und Feiertagsschutz im Grundgesetz

Art. 140 GG lautet:

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Daraus folgt, dass die inkorporierten staatskirchenrechtlichen Bestimmungen vollgültiges Verfassungsrecht sind und nicht etwa Verfassungsrecht minderen Ranges darstellen[2]. Art. 139 WRV bestimmt:

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

A. „Der Sonntag und staatlich anerkannte Feiertage“ – Sachbereich der Norm

I. Der Sonntag

Art. 139 WRV garantiert von Verfassungs wegen die Institution „Sonntag“, also den durch den Gregorianischen Kalender[3] vorgegebenen und festgelegten Lebensrhythmus. Mit dem Schutz des Sonntages wird die 7-Tage-Woche verfassungsrechtlich verankert. Der Sonntag muss als status quo erhalten bleiben.

II. Die Feiertage

Anders als der Sonntag sind die Feiertage nicht im einzelnen geschützt. Der Gesetzgeber ist frei, alte Feiertage abzuschaffen oder neue einzuführen. Es besteht kein Bestandsschutz der Feiertage, die zu einem bestimmten Stichtag, sei es der 11.August 1919 (WRV) oder der 23. Mai 1949 (GG), anerkannt waren[4]. Insbesondere im Blick auf die „zweiten“ Feiertage (Pfingstmontag, Ostermontag, 2. Weihnachtsfeiertag) besteht ein Spielraum des Gesetzgebers, so dass ihre Abschaffung nicht die Garantie der Feiertagsinstitution aus Art. 139 WRV verletzen würde[5]. Eine angemessene Anzahl muss es allerdings geben, um den Feiertagsschutz nicht sinnlos werden zu lassen. Die verfassungsmäßige Grenze des staatlichen Gestaltungsspielraums bei der Festlegung von Feiertagen ist überschritten, wenn die Institution „Feiertag“ leer liefe, sozusagen „auf Null reduziert“ wäre[6]. Dementsprechend hat auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof aufgrund von Art. 147 LV Bayern – der mit Art. 139 WRV wortlautgleich übereinstimmt – festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist: „eine angemessene Zahl kirchlicher Feiertage entsprechend der in Bayern bestehenden Tradition anzuerkennen und durch gesetzliche Regelung zu gewährleisten, dass sie als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung dienen können“[7].

Die Formulierung „staatlich anerkannt“ – also nicht etwa „staatlich bestimmt“ – weist auch darauf hin, dass der Staat bei der einfachgesetzlichen Festlegung nicht willkürlich Feiertage bestimmen kann, sondern auf Traditionen zurückgreift. Dabei ist es selbstverständlich und widerspricht auch nicht dem Gebot der religiösen Neutralität, dass in einem herkömmlich christlichen Land, das von keiner anderen Religion ebenso sehr geprägt wurde und wird, der christlichen Tradition ein besonderes Gewicht zukommt. Ausdrücklich hat dies seinen Niederschlag gefunden in Art. 3 I 2,3 LV BW:

Die staatlich anerkannten Feiertage werden durch Gesetz bestimmt. Hierbei ist die christliche Überlieferung zu wahren.

Exkurs: Die Abschaffung des Buß- und Bettages

Die Frage nach der Gestaltungsfreiheit der Landesgesetzgeber bei der Anerkennung und Abschaffung der Feiertage ist erst vor kurzem virulent geworden. Im Zusammenhang mit der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) wurde der Buß- und Bettag in allen Bundesländern (mit Ausnahme Sachsens) ersatzlos abgeschafft. Damit sollte die wirtschaftliche Belastung der Arbeitgeber durch die zusätzlichen Sozialabgaben kompensiert und das Prinzip der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufrecht erhalten werden. Ein Angehöriger der evangelisch-lutherischen Kirche klagte dagegen beim Bundesverfassungsgericht. Die zuständige Kammer nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG waren nicht erfüllt. In seiner Ablehnungsbegründung hat das BVerfG aber ausgeführt, dass Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV nicht das Fortbestehen der staatlichen Anerkennung bestimmter Feiertage und keinen Bestandsschutz für einen konkreten Feiertag umfasst. Der Gesetzgeber sei lediglich verpflichtet, eine angemessene Zahl kirchlicher Feiertage staatlich anzuerkennen und durch gesetzliche Regelungen zu gewährleisten, dass sie als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung dienen können[8]. Auch andere Klagen bei Verfassungsgerichten der Länder blieben mit Hinblick auf den Gestaltungsspielraum der Landesgesetzgeber erfolglos[9].

Die Kompetenz für die Anerkennung der Feiertage liegt im vor allem bei den Landesgesetzgebern, die in ihren Feiertagsgesetzen im wesentlichen die gleichen öffentlichen Feiertage gesetzlich anerkannt haben. In allen Bundesländern geschützt sind als traditionell kirchliche Feiertage: Karfreitag – Ostermontag – Christi Himmelfahrt – Pfingstmontag – 1. u. 2. Weihnachtsfeiertag

Staatliche Feiertage ohne christliche Bedeutung sind außerdem:

Neujahrstag 1. Mai – Tag der Arbeit 17. Juni – Tag der Deutschen Einheit (ersetzt durch:)

3. Oktober – Tag der Deutschen Einheit Diese Feiertage wurden vom Bund aufgrund seiner Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 (Arbeitsrecht) sowie Kraft Natur der Sache (Tag der Deutschen Einheit) festgelegt.

In einigen Bundesländer sind darüber hinaus folgende kirchliche Feiertage auch staatlich geschützt:

Hl. Drei Könige (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt)

Fronleichnam (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, z.T. Sachsen, Thüringen)

Mariä Himmelfahrt (Saarland, z.T. Bayern)

Reformationstag (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen)

Allerheiligen (Baden-Württemberg, Bayern, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland)

Buß- und Bettag (seit 1996 nur Sachsen).

Die Bundesländer haben damit zwischen 9 und 13 Feiertage staatlich anerkannt.

Darüber hinaus gibt es „kirchliche Feiertage“, die einen Sonderstatus genießen:

So z.B. in Baden-Württemberg nach §§ 2, 4 Feiertagsgesetz BW:

Gründonnerstag – Reformationsfest – Buß- und Bettag.

Diese Tage sind nicht gesetzliche Feiertage. Hier geht es vor allem darum konfessionsgebundenen Arbeitnehmern die Teilnahme am Gottesdienst dadurch zu ermöglichen, dass ihnen ein gesetzlicher Anspruch auf (unentgeltliche !) Arbeitsbefreiung zugebilligt wird.

Als dritte Kategorie von Feiertagen gibt es schließlich noch die „stillen Tage“ – etwa den Karfreitag und Totensonntag – für die besondere Bestimmungen gelten, die den betont ernsten Charakter dieser Tage schützen sollen.

B. „als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ – Zweck der Norm

I. Feiertagsgarantie als Ausdruck von Menschenwürde und Sozialstaatsprinzip

Der Schutz der Feiertage folgt zunächst sozialpolitischen Überlegungen. Das folgt schon aus der besonderen Betonung der „Arbeitsruhe“. Er ist Ausdruck des Sozialstaatsprinzips und soll dem Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Erholung und Freizeit auch verfassungsrechtlich garantieren. Die Zwängen des Arbeitslebens sollen entfallen. Dieser Schutzzweck speist sich aus der Erkenntnis, dass der Mensch kein Mittel zum Zweck ist und dass Arbeit nicht der einzige Inhalt und das höchste Ziel des Menschen ist. Insofern ist der Sonntagsschutz letztlich auch Ausdruck der Menschenwürde, Art. 1 GG.

[...]


[1] v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Art. 140/Art. 139 WRV, Rz. 2.

[2] Ständige Rspr. seit BVerfGE 19, 206, 219, zuletzt: BVerfGE 70, 138, 167.

[3] Dieser geht auf die „Inter gravissimas“ von Papst Gregor XIII. vom 24.02.1582 zurück und wurde – nach der Bestätigung durch verschiedene protestantische Ständeversammlungen und Reichstage –

endgültig am 23.09.1699 eingeführt.

[4] Kästner, ZevKR 1996, 272, 304.

[5] Kästner, NVwZ 1993, 151.

[6] Hollerbach, in: HbStR VI, § 140 Rz. 62.

[7] BayVerfGH, NJW 1982, 2656.

[8] BVerfG, NJW 1995, 3378; auch Kästner verneint einen Eingriff in den Kernbereich des Art. 139 WRV durch die Abschaffung des Buß- und Bettages, ZevKR 1996, 272, 306.

[9] Z.B. in Bayern, BayVerfGH, BayVbl. 1996, 305, ähnlich für Berlin, BerlVerfGH, NJW 1995, 3379.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der Schutz von Sonn- und Feiertagen im Grundgesetz und im Verfassungsrecht der Länder
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Öffentliches Recht)
Veranstaltung
Seminar für Staatsrecht und Staatskirchenrecht
Note
gut - 13 Punkte
Autor
Jahr
2002
Seiten
27
Katalognummer
V15761
ISBN (eBook)
9783638207829
ISBN (Buch)
9783638644235
Dateigröße
643 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Umfassender Überblick über die verfassungsrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Art. 139 WRV/ 140 GG.
Schlagworte
Schutz, Sonn-, Feiertagen, Grundgesetz, Verfassungsrecht, Länder, Seminar, Staatsrecht, Staatskirchenrecht
Arbeit zitieren
Thomas Traub (Autor:in), 2002, Der Schutz von Sonn- und Feiertagen im Grundgesetz und im Verfassungsrecht der Länder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15761

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