Teilnahmemotivation von Ausdauersportlern


Magisterarbeit, 1999

124 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Theorie
1.1 Motivationspsychologie
1.1.1 Das hierarchische Modell der Motive nach Maslow
1.1.2 Theoretische Ansätze zur Erklärung motivierten Verhaltens
1.1.3 Zusammenfassung
1.2 Motivationspsychologische Begriffe
1.2.1 Motive
1.2.2 Klassifikation von Motiven
1.2.3 Motivation
1.2.4 Volition
1.2.5 Zusammenfassung
1.3 Handlungspsychologische Modelle
1.3.1 Motivations- und volitionspsychologische Richtung
1.3.2 Handlungsregulationstheorien
1.3.3 Integrierte Theorie des zielgerichteten Handelns nach von Cranach & Tschan (1998)
1.3.4 Zum Erklärungswert des integrierten Phasenmodells für sportliche Handlungen
1.4 Motive für die Teilnahme am Sport
1.4.1 Motive für die Teilnahme am Ausdauersport
1.4.2 Messung von Motiven
1.4.3 Zusammenfassung
1.4.4 Forschung zur Teilnahme am Ausdauersport
1.4.5 Zusammenfassung

2 Hypothesen

3 Untersuchungsmethoden
3.1 Stichproben
3.1.1 Soziodemographische Daten (Ironman-Triathleten)
3.1.2 Sportspezifische Daten
3.2 Meßinstrument: Motivationsfragebogen
3.2.1 gMOMS-s
3.2.2 Rothfragebogen
3.3 Untersuchungsdurchführung
3.4 Statistische Analyse

4 Ergebnisdarstellung: Untersuchung des gMOMS-s
4.1 Reliabilität des gMOMS-s
4.2 Analyse der Subskalen des gMOMS-s (Ironman-Triathleten)
4.3 Validität
4.4 Zusammenfassung

5 Ergebnisdarstellung: Hypothesenüberprüfungen
5.1 Teilnahmemotive von Ironman-Triathleten
5.2 Untersuchung der H1 (mögliche Veränderung der Motivstrukturen von Triathleten mit der Zeit)
5.2.1 Altersbezogene Motivunterschiede
5.2.1.1 Ergebnisse
5.2.1.2 Diskussion der Alterseffekte
5.2.1.3 Motivunterschiede abhängig von der Triathlonerfahrung
5.2.1.4 Ergebnisse
5.2.1.5 Diskussion der Erfahrungseffekte
5.2.1.6 Motivunterschiede abhängig von den Ironman-Teilnahmen
5.2.1.7 Ergebnisse
5.2.1.8 Diskussion der Teilnahmeeffekte
5.3 Untersuchung der H2 (sportartspezifische Unterschiede in den Motivstrukturen von Ironman-Triathleten und Langstreckenläufern im Vergleich)
5.3.1 Wettkampf und Anerkennung
5.3.2 Ergebnisse
5.3.3 Diskussion
5.3.4 Sinngebung, Zusammensein und Gewichtsregulation
5.3.5 Ergebnisse
5.3.6 Diskussion
5.3.7 Persönliche Zielerreichung, Allgemeine Gesundheitsorientierung, Selbstwert und Psychische Gesundheitsorientierung
5.3.8 Ergebnisse
5.3.9 Diskussion
5.4 Untersuchung der H3 (intensitätsbezogene Unterschiede in den Motivausprägungen von Ausdauersportlern)
5.4.1 Ergebnisse
5.4.2 Diskussion

6 Gesamtdiskussion

7 Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

In den letzten 30 Jahren hat sich der Freizeitsport stark verändert. Diese Entwicklung hat dabei in einem besonderem Maße auch die Ausdauersportarten erfaßt. Mittlerweile haben Marathonveranstaltungen mit Massencharakter schon eine gewisse Tradition.

Dementsprechend stehen psychologische Aspekte des Langstreckenlaufs nach Stoll, Würth und Ogles (1999) im Zentrum einer ganzen Reihe von empirischen Studien. Dies hängt einerseits damit zusammen, daß die Bewältigung etwa eines 42,195 km langen Marathons für einen Nichtsportler eine unglaubliche Leistung darstellt, andererseits drängt sich geradezu die Frage auf, warum Menschen so etwas tun.

Diese Frage stellt sich dann noch viel mehr, wenn Triathleten die Ironman-Distanz zurücklegen. Schließlich stecken dahinter nicht „nur“ die 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und das abschließende Absolvieren eines Marathonlaufes, sondern vor allen Dingen unzählige Stunden regelmäßigen Trainings, die erst das erfolgreiche Bewältigen dieser Distanz ermöglichen.

Ziel dieser Arbeit ist es daher, die möglichen Gründe für dieses extensive Sporttreiben näher zu untersuchen. Triathleten sind Exoten innerhalb einer Gesellschaft, die eher durch Bewegungsarmut gekennzeichnet ist. „Schuld“ daran hat wohl die veränderte durch Automatisierungsprozesse gekennzeichnete Arbeitswelt. Dadurch verlagert sich die mögliche körperliche Betätigung zunehmend in den, allerdings einen größeren zeitlichen Raum einnehmenden, Freizeitbereich. Dieser ist definitionsgemäß durch Freiwilligkeit geprägt. Menschen können mittlerweile zwischen einer immer weiter steigenden Anzahl an Beschäftigungsalternativen wählen. Die Frage ist also: Warum entscheiden sich Menschen für eine Sportart, die ihnen augenscheinlich alles abverlangt? Warum tasten sich Menschen immer mehr an die Grenzen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit heran?

Mittlerweile gibt es beim Ironman Europe in Roth eine Teilnahmebeschränkung. Etwa 4.000 Athleten bewerben sich um einen der begehrten 2.500 Startplätze. Zumal in Roth - wie in weiteren 5 Orten - um die Qualifikation für den berühmtesten Triathlon auf Hawaii gekämpft werden kann. Dort wurde 1978 der erste „Ironman“ mit gerade einmal 15 Teilnehmern ausgetragen. 1987 waren es bei 200 Veranstaltungen schon ca. 50.000 Starter. Aschwer (1999) schätzt die Zahl der triathlontreibenden Athleten derzeit auf ca. 300.000 weltweit und spricht in dem Zusammenhang von einer weiter anhaltenden explosionsartigen Entwicklung des Triathlonsports.

Dabei handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um reine Amateure, die dann aber um diese Distanz überhaupt schaffen zu können, Trainingsleistungen erbringen müssen, die teilweise schon sehr profihaft erscheinen und zeitlich in der Größenordnung eines Halbtagsjobs liegen. In den auf eigenen Erfahrungsberichten basierenden Triathlonpublikationen, wie etwa von Aschwer (1999), wird davon berichtet, daß das regelmäßige Training so wie das Essen und Trinken in den Tages- und Wochenablauf eingebaut wird.

Es muß schon eine besondere Faszination von einer Sportart ausgehen, damit sie einen derart wichtigen Stellenwert in der Lebensplanung eines Menschen einnehmen kann. Als Hauptgrund für den Freizeitsport wird in den Medien häufig der Gesundheitsaspekt genannt. Derartige Leistungen gehen jedoch weit über die für die Gesundheit nötigen Betätigungs­grenzen hinaus. Aschwer beschreibt seinen „Triathlondrang“ unter anderem mit der besonderen Herausforderung des Extremabenteuers Wettkampf, aber auch mit den günstigen Auswirkungen des Ausdauersports auf die physische und psychische Gesundheit.

In verschiedenen, eher populärwissenschaftlichen Publikationen wird speziell die Laufverbundenheit auf suchtartiges Verhalten zurückgeführt. Dies soll auf euphorische Stimmungszustände zurückzuführen sein, die durch die Ausschüttung von ß-Endorphinen während des Laufens ausgelöst werden. Dieser Annahme folgend müßten derartige „Rauschzustände“ in einem verstärktem Maß bei Ironman-Triathleten auftreten. Vor allen Dingen Stoll & Stoll (1996) und Stoll (1997) kritisieren jedoch die bisherigen Unter­suchungen und beschreiben damit den Niedergang eines „Mythos“.

Ziel dieser Arbeit ist es daher, die möglichen Beweggründe von Ironman-Triathleten genauer zu untersuchen. Dazu erscheint es sinnvoll, im theoretischen Teil der Arbeit motivationspsychologische Begriffe zu definieren und in einen entsprechenden theoretischen Rahmen zu stellen, um ihre Bedeutung für das menschliche Verhalten allgemein und später sportspezifisch genauer zu beleuchten. Den Hauptteil dieser Arbeit stellt eine empirische Studie dar, deren Ergebnisse diskutiert und in den vorher erarbeiteten theoretischen Rahmen eingeordnet werden sollen. Abschließend sollen in einem Ausblick Anregungen dafür gegeben werden, die aus dieser Arbeit resultierenden Ergebnisse für zukünftige, weiterführende Forschungen zu nutzen.

1 Theorie

1.1 Motivationspsychologie

Beweggründe für das menschliche Handeln werden in der Psychologie unter anderem Motive genannt. Wenn man also versucht, die möglichen Teilnahmemotive für den Triathlonsport näher zu untersuchen, erscheint es sinnvoll, vorab allgemein die Funktion und Bedeutung der Motive für das menschliche Handeln zu beleuchten und in einen motivationspsycholgischen Rahmen zu stellen.

1.1.1 Das hierarchische Modell der Motive nach Maslow

Um einen ersten Einstieg in das weite Feld der Motivationspsychologie zu ermöglichen, wird an dieser Stelle die Maslowsche Bedürfnispyramide (vgl. Abb. 1.1) vorgestellt. Auf diese Weise soll die Problematik der Verhaltenserklärung anhand des folgenden Modells verdeutlicht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Physiologische Bedürfnisse

(Hunger, Durst, Atmung, Schlafen)

Abbildung 1 . 1 : Das hierarchische Modell der Motive nach Maslow (1954)

Zentrales Anliegen dieses Konzeptes ist die Annahme, daß menschliche Motive nicht nebeneinander stehen, sondern hierarchisch geordnet sind. Unbefriedigte Bedürfnisse werden hierbei als Motivation zum Handeln interpretiert. Wenn also die langfristige Befriedigung eines Motivs sichergestellt ist, wird das nächsthöhere verhaltenswirksam. Der Grundgedanke von Maslows Klassifikation ist nach Heckhausen (1989) das Prinzip der relativen Vorrangigkeit in der Motivanregung. Demnach müssen zunächst die Bedürfnisse der niederen Gruppe befriedigt sein, ehe ein höheres Bedürfnis überhaupt aktiviert wird und das Handeln bestimmen kann. Dabei stellen die vier unteren Motivgruppen Defizitmotive dar, die bei langfristiger Frustration nach Maslow zu Krankheit führen. Ihre Befriedigung führt dagegen zu Gesundheit. Die Erfüllung der Wachstumsmotivation ist daher nur auf dieser Grundlage denkbar, sie ermöglicht erst die Selbstverwirklichung, die niemals als Ergebnis sondern nur als Prozeß zu verstehen ist.

Kritische Anmerkungen

Innerhalb der Bedürfnispyramide ist die Abgrenzung zwischen den einzelnen Ebenen schwer nachzuvollziehen. Schon an einfachsten Beispielen zeigt sich, daß sie zumindest in der heutigen Gesellschaft in dieser stringenten Form keine allgemeine Gültigkeit haben kann. Die Sportaktivität läßt sich dementsprechend auch nicht so recht in dieses Modell einbauen. Wenn man beispielsweise einen Athleten fragt, ob er sich mit der Ausübung seiner Sportart selbst verwirklicht, wird er diese Frage sicherlich bejahen. Das würde innerhalb des Modells bedeuten, daß die vier hierarchisch unteren Bedürfnisse dauerhaft befriedigt wären. Bekommt ein Sportler aber nicht gerade wegen seiner sportlich erzielten Leistungen auch eine gewisse Anerkennung? Profisportler sichern sich mit dem Sport ihre Existenz (Sicherheitsmotiv). Können sie sich damit nicht auch selbstverwirklichen und sind es nicht gerade auch die „Sportheroen“, denen unsere Bewunderung gilt?

Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang, ob Bedürfnisse starr in eine hierarchisch festgelegte Reihenfolge gepackt und damit auch als relativ situationsunabhängig beschrieben werden können. Interessant ist auf jeden Fall dieses Prinzip der relativen Vorrangigkeit von bestimmten Motiven gegenüber anderen (zur Zeit nicht verhaltenswirksamen) (vgl. Heckhausen 1989).

Deutlich werden in diesem Zusammenhang einige wichtige Fragestellungen und Problemgebiete der Motivationspsychologie. Es scheint also verschiedene Arten von Gründen für das menschliche Handeln zu geben. Fraglich ist aber, welche Motive letztendlich wie angeregt werden und wie man sie überhaupt messen kann. Wie werden Handlungen schließlich in Gang gebracht? Dazu erscheint es notwendig, den Motivbegriff konkreter zu definieren und von verwandten Begriffen abzugrenzen. In einem ersten Schritt ist es aber sinnvoll, den entsprechenden theoretischen Hintergrund zu betrachten. Bei dem hierarchischen Modell der Motive nach Maslow (1954) werden durch die persönlichkeitszentrierte Betrachtungsweise die Situationsgebundenheit des Handelns sowie seine sozialen und ökonomischen Realisierungsmöglichkeiten vernachlässigt (vgl. Heckhausen 1989). Die Maslowsche Bedürfnispyramide scheint damit den Anforderungen einer Motivationstheorie nicht ausreichend zu genügen. Daher werden die unterschiedlichen theoretische Ansätze zur Erklärung motivierten Verhaltens kurz eingeführt, um darauf aufbauend einen thematisch adäquaten Ansatz bestimmen und eine exaktere Begriffsbestimmung vornehmen zu können.

1.1.2 Theoretische Ansätze zur Erklärung motivierten Verhaltens

Nach Gabler (1986, 65ff) gibt es sechs entsprechende Gruppen von theoretischen Ansätzen, die in unterschiedlichem Maße auch in der Sportpsychologie zur Erklärung motivierten Handelns berücksichtigt wurden. Das sind im einzelnen biologisch-physiologische, ethologisch-instinkttheoretische, tiefenpsychologisch-triebtheoretische, behavioristisch-lerntheoretische, persönlichkeitstheoretische und kognitiv-handlungstheoretische Ansätze.

Biologisch-physiologischen Ansätze gehen davon aus, das „interne Milieu des Organismus“ im Sinne eines Gleichgewichts aufrechtzuerhalten. Motiviertes Verhalten ist in diesem Sinne eine Reaktion auf einen Mangelzustand im Organismus. Aber selbst wenn kein derartiger biologischer Mangelzustand gegeben ist, kann das zentralnervöse Aktivierungssystem motiviertes Verhalten auslösen. Neurophysiologisch lassen sich beispielsweise anhand von EEG-Kurven verschiedene Aktivierungszustände von Schläfrigkeit bis zu hochgradiger Aufgeregtheit darstellen (vgl. Birbaumer & Schmidt 1990).

Ethologisch-instinkttheoretische Ansätze begründen ihre Annahmen auf Grundlage der Analyse des Verhaltens von Tieren. Innerhalb der Motivationsforschung ist dabei der Instinktbegriff von Bedeutung. Demnach reagiert ein nervöser Mechanismus auf bestimmte innere und äußere Impulse mit wohlkoordinierten, lebens- und arterhaltenden Bewegungen.

Im Rahmen der tiefenpsychologisch-triebtheoretischen Ansätze werden, ausgehend von Freud, psychische Prozesse als Ergebnis von inneren Kräften und Konflikten verstanden. Verhalten wird hierbei durch unbewußte, triebhafte Impulse erklärt. Abweichend vom instinkttheoretischen Ansatz enthält der Triebbegriff auch psychologische Qualitäten. Innerhalb der Person wird ein ständiger Konflikt insbesondere zwischen Triebwünschen und Gewissensansprüchen angenommen.

Behavioristisch-lerntheoretischer Ansätze beschränken sich weitestgehend auf das objektiv beobachtbare und meßbare Verhalten. Daher werden Inhalte, die nur durch Introspektion (Selbstbeobachtung) zugänglich sind, wie Wahrnehmung, Denken und Fühlen, außer Betracht gelassen. Aber auch in diesen Ansätzen spielt der Triebbegriff eine wichtige Rolle. Zumal das Verhalten als durch Erfahrung gelernt verstanden wird und durch die Befriedigung (bspw. des Hungers) eine bekräftigende bzw. verstärkende Wirkung erfährt. Motiviertes Verhalten wird aus dieser Sicht als Folge von Reiz-Reaktions-Einheiten (Gewohnheitsreaktionen) beschrieben (vgl. Gabler 1986).

Persönlichkeitstheoretische Ansätze versuchen, die Persönlichkeit als umfassendes Konzept der Individualität des Menschen zu erfassen. Mittels Verhaltensbeobachtung werden Eigenschaften (z.B. Leistungsbereitschaft) bestimmt, denen Dispositionen im Sinne von Bereitschaften zugeordnet werden. Daraus wird gefolgert, daß Personen mit bestimmten Eigenschaften bestrebt sind, konkrete Leistungen zu erbringen und Kontakte zu suchen, wenn es die entsprechenden Situationen erlauben (vgl. Gabler 1986).

Im kognitiv-handlungstheoretisch orientierten Ansatz wird der Mensch als ein planendes, auf die Zukunft gerichtetes und sich entscheidendes Wesen gesehen. „Er setzt sich Ziele und handelt, um diese Ziele zu erreichen. Seine Handlungen haben für ihn einen subjektiven Sinn; sie sind zweckrational und durch Bewußtseinsprozesse gekennzeichnet. Da ihm mehr oder weniger Handlungsspielräume zu Verfügung stehen, muß er Entscheidungen treffen und die getroffenen Entscheidungen verantworten. Dies gelingt ihm, weil er zu Selbstreflexion seines Tuns fähig ist.“ (Gabler 1986, 71).

1.1.3 Zusammenfassung

Gabler (1986) betont, daß Motivation in den ersten fünf Ansätzen als Oberbegriff für alle personeninternen Zustände und Prozesse verstanden wurde, die das „Warum“ und „Wozu“ menschlichen Verhaltens klären sollten. Entsprechend der theoretischen Position wurden unterschiedliche Begriffe zur Erklärung des motivierten Verhaltens verwendet, unter anderem optimale Aktivierung im biologisch-physiologischen Ansatz, Instinkt im ethologischen, Trieb beim tiefenpsychologischen, Bedürfnis und Gewohnheit beim behavioristisch-lerntheoretischen und etwa Disposition und Antriebserlebnisse beim persönlichkeitstheoretischem Ansatz.

Die Entscheidung über die Teilnahme an bestimmten sportlichen Aktivitäten wie etwa das Marathon- bzw. Ultramarathonlaufen basiert nach Schöne (1998) sowie Stoll, Würth und Ogles (1999) auf „willkürlichen und bewußten Planungs- und Entscheidungsprozessen“. Dementsprechend wird im folgenden auf den kognitiv-handlungstheoretischen Ansatz zurückgegriffen, obwohl auch dessen Reichweite begrenzt ist. Denn „eher „unwillkürliche“ Aktivitäten wie Tagträume, reflexive Reaktionen und Routinetätigkeiten, zu deren Ursachenerhellung sich die Frage nach dem „Warum“ anbietet bleiben außer Betracht. Routinetätigkeiten (wie z.B. das Gehen) werden in der Regel nicht geplant und kognitiv bewertet.“ (Gabler 1986, S.71).

Allerdings wird davon ausgegangen, daß die Teilnahme an Ausdauersportarten insgesamt nicht zu diesen „unwillkürlichen“ Aktivitäten gehört. Derartige Aktivitäten treten zwar auch beim Sport auf, jedoch auf einer untergeordneten Ebene, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sein soll.

In den folgenden Abschnitten soll deshalb im Sinne des kognitiv-handlungstheoretischen Ansatzes argumentiert werden, daher werden auch die entsprechenden Begriffe benutzt.

1.2 Motivationspsychologische Begriffe

In diesem Abschnitt sollen die für den folgenden Teil der Arbeit relevanten Begriffe der Motivationspsychologie eingeführt und voneinander abgegrenzt werden.

Heckhausen (1989, 4) unterscheidet dabei drei Problemgebiete, in die man die gesamte Motivationspsychologie aufteilen kann: (1.) des Motivs, (2.) der Motivation und (3.) der Volition (Bildung einer Intention sowie die postintentionalen Phasen vor und nach der Handlung). Diese drei Problemgebiete beschreiben jeweils begriffsbestimmende Anlässe für Motivationsfragen, die nun beschrieben werden sollen.

1.2.1 Motiv e

Die erste Art des Anlasses, Motivationsfragen zu stellen, liegt nach Heckhausen (1989) dann vor, wenn Individuen in bestimmten Situationen anders handeln, als es die meisten tun oder als es üblich und angebracht erscheint. Gabler (1986) geht davon aus, daß verschiedene Personen in gleichen Situationen unterschiedlich handeln und diese „objektiv gleichen“ Situationen im Blick auf ihre Handlungsziele unterschiedlich interpretieren können. Wenn dann dieselbe Person in unterschiedlichen Situationen gleich handelt, kann jedoch angenommen werden, daß die individuelle Bewertung der Situation durch den Handelnden gleich ausfiel. Es wird davon ausgegangen, daß „in“ der Person Dispositionen existieren, also bestimmte Bereitschaften im Sinne von Handlungstendenzen, Situationen in individueller Weise zu bewerten (Wertungsdisposition) und dementsprechend zu handeln. „Diese überdauernden Persönlichkeitsdimensionen für situationsüberdauerndes, zeitlich überdauerndes und individuelles Handeln werden Motive genannt.“ (Gabler 1986, 72).

Diesem Ansatz folgend entstehen aktuelle Handlungen aus der Wechselwirkung zwischen derartigen personeninternen Persönlichkeitsdispositionen und situativen Bedingungen der Umwelt . Die Person steht demnach nicht einfach der Situation gegenüber, d.h., die situativen Bedingungen wirken nicht nach „objektiven“ Gesichtspunkten (wie sie gegebenenfalls von anderen Personen in gleicher Weise beschrieben werden), sondern sie wirken danach, wie sie im Wahrnehmen und Erleben desjenigen aufgefaßt werden, der sich mit ihnen kognitiv auseinandersetzt. Die Person befindet sich in der Situation und handelt aktiv (Gabler 1986, 72).

„Interaktion in diesem Sinne läßt auch von der Vorstellung Abschied nehmen, Situation sei immer das zeitlich Vorauslaufende und damit Unbeeinflußte, worauf die Person dann reagiere. Das Folge- und Abhängigkeitsverhältnis ist auch umgekehrt zu denken. Denn Personen suchen die ihren Dispositionen entsprechenden Situationen auf, und sie gestalten sogar vorliegende Situationen nach ihren Dispositionen“ (Heckhausen 1980, 22).

„Jedes einzelne Motiv umfaßt eine definierte Inhaltsklasse von Handlungszielen (angestrebte Folgen des eigenen Handelns). Motive werden heute auf solche Inhaltsklassen von Handlungszielen eingegrenzt, die in Form überdauernder und relativ konstanter Wertungsdispositionen vorliegen. Diese Wertungsdispositionen sind „höherer“ Art, d.h. für die Aufrechterhaltung der Funktionen des Organismus nicht entscheidend, sie sind nicht angeboren und entwickeln sich erst im Laufe der Ontogenese; sie unterliegen einer Sozialisation und somit den sozialen Normen der ontogenetischen Entwicklungsumwelt.“ (Heckhausen 1989, 9f).

Physiologisch bedingte Bedürfnisse wie etwa die des Hungers oder des Schlafes werden von Heckhausen (1989) vom Motivbegriff ausgegrenzt.

Abweichende Begriffsbestimmungen

Schultheiss & Brunstein (1998) unterscheiden scharf zwischen Motiven und Zielen. Motive werden als biologisch fundiert und auf belohnend und lustvoll erlebten Emotionen basierend dargestellt. Ziele dagegen dienen der Koordination und Aufgabenverteilung in der sozialen Gemeinschaft und reflektieren das menschliche Streben nach Sinn und Bedeutung.

„Motive sind vorsprachlich erworben und nicht bewußt zugänglich; Ziele setzen Spracherwerb voraus und haben Zugang zum Bewußtsein. Motive werden in unmittelbar erlebten Situationen angeregt und befriedigt, Ziele befreien den Menschen von den Kräften seiner Umwelt und richten sein Handeln auf einen angestrebten Zustand in der Zukunft aus...“ (Schultheiss & Brunstein 1998, 317).

Weiterhin kritisieren sie, daß viele Motivationspsychologen Ziele aus Motiven ableiten und als Ventile für deren Befriedigung darstellen. Außerdem vertreten sie die Meinung, daß Menschen über zwei weitgehend unabhängige Motivationssysteme verfügen, nämlich über ein Motivsystem und über ein Zielsystem (siehe auch Cantor & Blanton 1996; McClelland et al. 1989).

Im Rahmen dieser Arbeit werden Motive als bewußtseinsfähig angenommen. Inwieweit die oben beschriebene Kritik berechtigt ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Jedenfalls wird hier ein umfassender Motivbegriff verwendet, der von nur einem Motivationssystem ausgeht.

1.2.2 Klassifikation von Motiven

Abhängig von der jeweiligen theoretischen Perspektive gab es sehr viele Versuche, Motive zu klassifizieren und zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen (vgl. Allmer 1981).

Dabei hat es sich nach Heckhausen (1989) als zweckmäßig erwiesen, Motive auf einem hohem Abstraktionsgrad als eine Inhaltsklasse von Handlungszielen zu definieren, die jedoch zugleich unverwechselbare Besonderheiten besitzt. „Das Leistungsmotiv etwa wird mit der Inhaltsklasse aller Handlungsziele umschrieben, für deren Bewertung dem Handelnden ein Maßstab der Tüchtigkeit verbindlich ist.“ (Heckhausen 1989, 10).

Scheider & Schmalt (1994, 23) haben bei ihrer Klassifikation, aufbauend auf den Arbeiten von Murray (1938), versucht, diejenigen Motive zu identifizieren, die „vital bedeutungsvolle und universelle Anliegen thematisieren“.

Dazu Schneider & Schmalt (1994, 23):

„In der Geschichte der Motivationspsychologie sind schon die verschiedensten Aufstellungen und Klassifikationen von Motiven vorgestellt worden. Solche Listen muten häufig willkürlich an. Motive, die wir als überdauernde Verhaltens- und Bewertungs­dispositionen auffassen, können wir beim derzeitigen Stand der Forschung nur als hypothetische Konstrukte verstehen – gedachte Wirkgrößen also deren Erfindung not­wendig erschien, um die beobachteten Stabilitäten, aber auch die vorhandenen inter­individuellen Unterschiede im Verhalten zu erklären“.

Motive werden nach Gabler (1986) im Sinne des kognitiv-handlungstheoretischen Ansatzes als hypothetische Konstrukte aus der Beobachtung von Person-Umwelt-Interaktionen erschlossen. Daher ist es immer auch eine Frage der Perspektive, wieviele Motive „konstruiert“ werden. Theoretisch gibt es nämlich so viele „Motive“, wie es sinnvoll interpretierbare Person-Umwelt-Bezüge gibt, also Einheiten zwischen bewerteten Situationen sowie entsprechenden Erwartungen und Handlungen. Daher wird in der Motivationspsychologie nach sogenannten Grundsituationen gesucht, denen gegenüber relativ viele Personen situationsüberdauernde, zeitlich überdauernde und individuelle Wertungsdispositionen entwickeln. Unter Grundsituationen versteht Gabler, „häufig wiederkehrende Situationen, mit denen man konfrontiert wird oder die man aufsucht und denen gegenüber man aufgrund der Erfahrungen, die man in und mit ihnen macht, relativ stabile und individuelle Bewertungssysteme entwickelt“ (Gabler, 1986, 73).

Unstrittig ist nach Steffgens & Schwenkmezger (1995), daß mehrere in komplexer Form zusammenwirkende Motivdimensionen, die bei der Verhaltenssteuerung zu beachten sind, unterschieden werden müssen.

Beispielsweise werden von Gabler (1986) Leistung, Anschluß, Macht, Hilfe und Aggression als solche allgemeinen Grundsituationen (s.o.) beschrieben, denen als entsprechende Motive das Leistungs-, das Anschluß-, das Macht-, das Hilfe- und das Aggressionsmotiv zuge­ordnet werden.

Laut Schulteiss & Brunstein (1998) wurden bisher vier voneinander abgrenzbare Motive identifiziert: das Leistungsmotiv, das Machtmotiv, das Affiliationsmotiv und das Intimitäts­motiv (siehe auch McClelland et al. 1953).

Von Bakker, Whiting & van der Brug (1992) werden wiederum das Leistungsmotiv und das Machtmotiv erwähnt, das Intimitätsmotiv läßt sich dagegen in dem Affiliationsmotiv wiederfinden. Außerdem wird noch das Explorationsmotiv beschrieben.

Es ist also, auch unabhängig vom jeweiligen theoretischen Hintergrund, immer eine Frage der Perspektive und der jeweiligen Definition, wie viele Motive ausgemacht werden.

1.2.3 Motivation

Die zweite Art des Anlasses von Motivfragen bezieht sich nach Heckhausen (1989) auf die Gründe, die weniger im Handelnden als in der Situation liegen. Situationen können entweder die Realisierung von Zielen verheißen oder aber auch das Eintreten von bedrohlichen Ereignissen andeuten. Dabei bezeichnet Heckhausen (1989, 2) alles, was einen positiven oder negativen „Aufforderungscharakter“ zu einem entsprechenden Handeln hat, als „Anreiz“. Zwei Größen sind dafür entscheidend: der Wert dessen, was man realisieren möchte und die Erwartung (erlebte Wahrscheinlichkeit), mit der man dies zuwege bringen wird. Der Begriff der Motivation ist in der Psychologie eine Sammelbezeichnung für vielerlei Prozesse und Effekte, deren Kern darin besteht, daß ein Individuum sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energieaufwand steuert (vgl. Heckhausen 1989, 10).

[...]

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Teilnahmemotivation von Ausdauersportlern
Hochschule
Universität Leipzig  (Sportwissenschaftliche Fakultät, Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
124
Katalognummer
V15717
ISBN (eBook)
9783638207546
ISBN (Buch)
9783640105106
Dateigröße
851 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Teilnahmemotivation, Ausdauersportlern
Arbeit zitieren
Jörg Hagenah (Autor:in), 1999, Teilnahmemotivation von Ausdauersportlern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15717

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Teilnahmemotivation von Ausdauersportlern



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden