Die Rolle der Parteien Vlaams Belang und Front National im flämisch-wallonischen Konflikt


Studienarbeit, 2010

78 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Prolog

2. Das belgische Parteiensystem
2.1 Das belgische Parteiensystem im Zeitraum zwischen den Jahren 1945 und 1963
2.2 Das belgische Parteiensystem im Zeitraum zwischen den Jahren 1963 und 1978
2.3 Das belgische Parteiensystem im Zeitraum zwischen den Jahren 1980 und 2004
2.4 Aktueller Zustand des belgischen Parteiensystems

3. Rechtspopulismus Rechtsextremismus Separatismus
3.1 Rechtspopulismus
3.2 Rechtsextremismus
3.3 Separatismus

4. Vlaams Belang
4.1 Allgemeines zum Vlaams Belang
4.2 Historische Entwicklung des Vlaams Belang
4.3 Parteiorganisation und Parteistruktur des Vlaams Belang
4.4 Die politische Weltanschauung des Vlaams Belang
4.5 Die Wahlkampftaktik und Wählerschichten des Vlaams Belang

5. Front National
5.1 Allgemeines zum Front National
5.2 Historische Entwicklung der Front National
5.3 Parteiprogramm und politische Weltanschauung der Front National

6. Der flämisch-wallonische Konflikt in Belgien
6.1 Historischer Ursprung des flämisch-wallonischen Konfliktes
6.2 Die belgische Revolution vom 4. Oktober 1830
6.3 Flämische und Wallonische Bewegungen nach dem Jahre 1830
6.4 Anerkennung der flämisch niederländischen Sprache im Jahre
6.5 Einfluss des Ersten Weltkrieges auf den flämisch-wallonischen Konflikt
6.6 Einfluss des Zweiten Weltkrieges auf den flämisch-wallonischen Konflikt
6.7 Einführung der Sprachgrenze
6.8 Die Transformation vom zentralistischen Staat zum föderalistischen Staat
6.9 Konfliktlinien des flämisch-wallonischen Konfliktes

7. Vergleich des Vlaams Belang und der Front National

8. Epilog

9. Bibliographie

1. Prolog

Seit nunmehr 180 Jahren wird Belgien vom Konflikt zwischen den beiden größten Sprachgruppen, den Frankophonen und den niederländisch sprechenden Belgiern, begleitet. Der sogenannte flämisch-wallonische Konflikt war bis dato die Basis für eine Vielzahl an Änderungen am belgischen politischen System und sorgte für die Transformation eines Zentralstaates zu dem wahrscheinlich föderalsten Staat in der Europäischen Union. Die Folgen der Aufspaltung Belgiens kristallisieren sich ebenfalls im belgischen Parteiensystem, welches von Parteien gekennzeichnet ist, die ausschließlich die eigenen ethnischen Gruppen vertreten und bewerben. Somit kann Belgien als ein Staat ohne eine gesamtstaatliche Partei angesehen werden. Zu diesem Umstand kommt die Tatsache, dass es in Belgien - wie in anderen Staaten auch - rechtsextreme Parteien gibt, welche mehr oder minder erfolgreich sind.

Die vorliegende Seminararbeit soll zum einen die historische Entwicklung des belgischen politischen Systems auf Basis des flämisch-wallonischen Konfliktes erörtern, sowie die Rolle der beiden rechtsextremen belgischen Parteien - Vlaams Belang sowie Front National – in dieser Kontroverse aufzeigen. Die Seminararbeit gliedert sich in sechs Kapitel, welche sich direkt mit dem Thema befassen und die Ergebnisse aufzeigen sollen. Zunächst wird die Situation des belgischen Parteiensystems seit dem Zweiten Weltkrieg bis zum heutigen Tage aufgezeigt, um damit die Besonderheiten des belgischen Parteiensystems - wie den Parteienkonföderalismus oder den geografischen Interessenskonflikt zwischen den Frankophonen sowie niederländisch sprechenden Landesteilen - aufzuzeigen. Des Weiteren wird auf die einzelnen historisch bedingten Konfliktlinien im belgischen Parteiensystem eingegangen.

Zudem soll ein kurzer Überblick über die Begriffe Rechtspopulismus, Rechtsextremismus sowie Separatismus dabei helfen, diese Schüsselwörter im Kontext der vorliegenden Arbeit zu definieren.

Der dritte Teil der Seminararbeit setzt mit einer Analyse des Vlaams Belang fort, wobei die historische Entstehung der Partei erörtert werden soll, um die weitere und aktuelle Entwicklung der Partei aufzuzeigen. Anhand der politischen Ausrichtung sowie dem politischen Handeln und dem Parteiprogramm soll die Partei im politischen Spektrum Belgiens klassifiziert und dargestellt werden; selbstverständlich ist dabei der Bezug zum flämisch-wallonischen Konflikt von primärer Bedeutung.

Ebenso wie der Vlaams Belang wird in einem weiteren Kapitel die Front National im politischen Parteienspektrum Belgiens anhand seiner politischen Handlungen sowie politischen Pläne eingeordnet und charakterisiert, erneut mit Fokus auf den flämisch-wallonischen Konflikt.

Das fünfte Kapitel befasst sich direkt mit dem flämisch-wallonischen Konflikt in Belgien. Hierbei wird diese Kontroverse in ihrer historischen Entstehung und Entwicklung dargestellt. Neben den Ursachen und der Entwicklung der belgischen Föderalisierung des Staates werden auch aktuelle Konflikte aufgezeigt, wie beispielsweise im Wahlkreis Brüssel-Halle-Vilvoorde.

Abschließend soll ein Vergleich zwischen dem Vlaams Belang und der Front National stattfinden, wobei im Besonderen die Unterschiede zwischen den beiden Parteien herausgearbeitet werden sollen.

Die Inhalte der Seminararbeit entstammen der in der Bibliographie angeführten Werke, wobei es im Besonderen zur belgischen Front National sehr schwer war, brauchbares literarisches Material zu akquirieren.

Es wird in der Seminararbeit stets von der belgischen Front National gesprochen, um eine eventuelle Verwechslung mit der französischen Front National zu vermeiden.

2. Das belgische Parteiensystem

2.1 Das belgische Parteiensystem im Zeitraum zwischen den Jahren 1945 und 1963

Im Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Belgien im Unterschied zu Deutschland keine umfangreichen Änderungen im Parteiensystem. Die beiden zentralen Parteien waren zum einen die Sozialisten und zum anderen die katholischen Christdemokraten. Nach diesen beiden großen politischen Parteien folgten im Größenvergleich mit großem Abstand die Liberalen sowie die Kommunisten. Die Christdemokraten und die Sozialisten arbeiteten allerdings nur in den ersten Monaten nach dem Ende des Krieges gemeinsam. Die Kommunisten hingegen verloren nach den ersten Jahren zunehmend an politischer Bedeutung. (Hecking 2006, S. 44-45)

Der Parteienkonföderalismus war zu dieser Zeit kein Thema, zumal die Einstellung zum Gesamtbelgischen Staat damals sehr positiv war. Die separatistischen Kräfte in Form der Flämischen Bewegung und ihr angegliederter Gruppen und Organisationen verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg im Untergrund. Ihre bekannten Mitglieder wurden zu drakonischen Strafen verurteilt, sodass sie ohnehin keine nennenswerte politische Rolle spielten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zum ersten Konflikt zwischen Flamen und Wallonen, bedingt durch die Frage um die Legitimität des Thronerhaltes durch den belgischen König Leopold, der während des Zweiten Weltkrieges in Belgien verblieb und sich mit der deutschen Besatzungsmacht arrangierte. Vor allem die wallonischen Sozialisten sowie die frankophone Bevölkerungen waren für eine Absetzung des Königs, die flämischen Christdemokraten und Katholiken standen andererseits hinter dem König. In der bisher einzigen belgischen Volksabstimmung wurde König Leopold in seinem Amt bestätigt, trat aber trotzdem zu Gunsten seines Sohnes vom Amt ab, da es im wallonischen Landesteil Belgiens zu bürgerkriegsartigen Zuständen gekommen war. Die Flandern interpretierten diesen Rücktritt von König Leopold als neuerlichen Versuch der Wallonen, die Flamen zu unterdrücken. Hierdurch entwickelte sich zu Beginn der 1950er Jahre ein zeitgemäßer flämischer Nationalismus, der vor allem Studenten und Bürger mit einer höheren Schulbildung erfasste. Politisch wurde dieser flämische Nationalismus in der im Jahre 1954 gegründeten Volksunie Partei gebündelt. Die Volksunie hatte zwei zentrale politische Ziele. Zum einen war dies die Auflösung des Zentralstaates Belgien und zum anderen die Föderalisierung des Gesamtstaates Belgien. (Hecking 2006, S. 44-45)

Eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur Belgiens nach dem Zweiten Weltkrieg begünstigte die Föderalisierung des belgischen Parteiensystems und des belgischen Gesamtstaates. Der historisch wirtschaftlich erfolgreiche Süden des Landes, also der wallonische Landesteil welcher besonders durch die Kohle- und Stahlindustrie gekennzeichnet war, erlebte eine umfassende Rezession. Im Gegensatz dazu erfuhr der historisch wirtschaftlich unterentwickelte und arme Norden, also Flandern, bedingt durch seine Häfen, wirtschaftliche Investitionen aus dem Ausland und eine Änderung des vorrangigen wirtschaftlichen Sektors. Die Veränderung vom Landwirtschaftssektor zum Dienstleistungssektor ermöglichte einen in Flandern noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Aufschwung, welcher noch heute für Belgien kennzeichnend ist. Aufgrund der wirtschaftlichen Veränderung und der demographisch besseren Stellung der Flamen verlangten diese nach einer kulturellen Selbstbestimmung. Wallonen forderten hingegen mehr Autonomie in wirtschaftlichen Belangen und hofften dadurch, ihre Wirtschaft wieder sanieren zu können. Zudem bildeten sich in Wallonien zwei Parteien, welche - ähnlich der Volksunie - ausschließlich die Interessen der jeweils eigenen ethischen Gruppe verfolgten und zur Föderalisierung sowohl des Gesamtstaates Belgien als auch des belgischen Parteiensystems beitrugen. Bedingt durch die vorhergegangenen Entwicklungen kam es schließlich im Jahre 1963 zu einer Schaffung von vier Sprachgebieten, die durch die sogenannte Sprachgrenze getrennt waren. (Hecking 2006, S. 44-45)

2.2 Das belgische Parteiensystem im Zeitraum zwischen den Jahren 1963 und 1978

Bedingt durch die nunmehr vorhandene Sprachgrenze, die sich zunehmend zu einer Binnengrenze entwickelte, wurde ein Föderalisierungsprozess losgelöst, der nicht nur den Zentralstaat Belgien, sondern vor allem das belgische Parteiensystem betraf. Während dieses Zeitraumes kam es verstärkt zu innerparteilichen Konflikten zwischen Flamen und Wallonen in den noch gesamtbelgisch auftretenden Parteien. Bedingt durch die im Jahre 1966 aufgetretene Problematik um die frankophone Abteilung an der Universität zu Löwen kam es erstmals dazu, dass die gesamtbelgisch auftretenden Parteien 1967 schließlich Parteiprogramme veröffentlichten, welche nach regionalen Aspekten entweder für Flamen oder für Wallonen zugeschnitten waren. Diese innerparteiliche Aufspaltung betraf alle gesamtbelgischen Parteien, und 1971 auch die Liberalen. (Hecking 2006, S. 45-46)

Im Jahre 1978 kam es - erstmalig in der belgischen Geschichte - zu einem Regierungsrücktritt aufgrund des flämisch-wallonischen Konfliktes. Infolge dieses Rücktrittes kam es zu einer Aufspaltung der christdemokratischen Partei in eine wallonische christdemokratische Partei und in eine flämische christdemokratische Partei. Dies war der erste Schritt in Richtung des belgischen Parteienkonföderalismus und führte in weiterer Folge zu Wahlgewinnen der nationalistischen Parteien sowohl in Flandern als auch in Wallonien. Die nachfolgende Regierung wurde von den flämischen Christdemokraten dominiert, welche durch die erste Verfassungsrevision im Jahre 1970 zu einer ersten kulturellen Autonomie der Landesteile Wallonien und Flandern führte.. Im Jahre 1978 zerbrach die letzte unitäre belgische Partei aufgrund des Verfassungsentwurfes aus dem Jahre 1977, die Sozialisten. Zeitgleich entstand aus einer Spaltung der Volksunie der Vlaams Blok. (Hecking 2006, S. 45-46)

2.3 Das belgische Parteiensystem im Zeitraum zwischen den Jahren 1980 und 2004

Der flämisch-wallonische Konflikt intensivierte sich in den 1980er Jahren kontinuierlich, trotz der im Jahre 1980 festgelegten Verfassungsreform, die mit ersten juristischen Transformationen vom Zentralstaat hin zum Föderalstaat begann. Der Konflikt auf parteilicher Basis ereignete sich vor allem im Jahre 1987 zwischen den flämischen und wallonischen Christdemokraten, Gegenstand der Kontroverse war eine flämische Enklave und deren frankophone Bevölkerung. Parallel dazu durchlief das belgische Parteiensystem eine Umwandlung vom Dreiparteiensystem zum Vielparteiensystem. Mitte und Ende der 1980er Jahre entstanden in Belgien genauso wie in vielen anderen europäischen Parteiensystemen viele neue Partien, welche aus diversen Bewegungen der 1970er Jahre hervorgegangen waren, wie beispielsweise die Grünen und alternative Parteien. Als besonderes Merkmal im belgischen Parteiensystem entstanden diese jungen Parteien im Rahmen ihrer Sprachgrenzen und traten nicht unitär und gesamtbelgisch auf. In den 1980er Jahren entwickelte sich auch der Vlaams Blok von einer flämisch-gesinnten zu einer rechtsextremen belgischen Partei. Die liberalen Parteien Belgiens schafften es bei den Parlamentswahlen im Jahre 1999, die christdemokratischen Parteien als stärkste Parteien abzulösen und vollbrachten mit den sozialistischen und grünen Parteien die vorerst letzte Verfassungsrevision. Im Zuge dessen spaltete sich die flämische und nationalistische Partei Volksunie in zwei Parteien. (Hecking 2006, S. 46-48)

2.4 Aktueller Zustand des belgischen Parteiensystems

Die belgischen Parteien werden im Unterschied zu anderen europäischen Ländern nicht direkt durch die Verfassung geschützt, sondern durch die in der Verfassung festgelegte Vereinigungsfreiheit. Der von belgischen Politikwissenschaftern verwendete Begriff des Parteienkonföderalimus besagt, dass alle Parteien - auch wenn sie einer gemeinsamen Partei, Geschichte oder Ideologie entspringen - voneinander unabhängige Organisation und Parteiprogramm im Bezug auf die eigene ethnische Bevölkerung aufweisen. So bestehen in Belgien keine relevanten Parteien mehr, welche unitär sind und sozusagen als eine Partei in allen Regionen Belgiens zur Wahl antreten. Man geht davon aus, dass die Trennung der drei großen belgischen Parteien: der Christdemokraten, der Liberalen und der Sozialisten, nicht absichtlich herbeigeführt wurde, sondern bedingt war durch die politische, kulturelle und sprachliche Heterogenität zwischen den Flamen und den Wallonen. Als Ursache für diese Entwicklung wird die Trennlinie zwischen den Flamen und den Wallonen, welche sich durch die gesellschaftliche Entwicklung stetig verändert, vermutet. (Hecking 2006, S. 48-52)

Das Wahlverhalten in den Regionen Flandern und Wallonien ist seit jeher stark unterschiedlich. In Wallonien werden traditionsgemäß die Sozialisten, in Flandern die Christdemokraten eher gewählt, wobei bei den Parlamentswahlen 2010 die Nationalitätenpartei N-VA der Wahlgewinner war. (Hecking 2006, S. 48-52)

Die Folgen des Parteienkonföderalismus lassen sich an einigen Beispielen feststellen. So ist es die Regel, dass im belgische Föderalparlament die Abgeordneten hauptsächlich die Anliegen der eigenen ethischen Bevölkerung vertreten. Die Abgeordneten zum Föderalparlament verfolgen somit nicht die Interessen des Gesamtstaates Belgien. Als großes Hindernis für den Fortbestand des Gesamtstaates Belgien wird damit das Fehlen eines gemeinsamen Dialogs zwischen den Parteien beider ethnischer Gruppen gesehen. Da die Abgeordneten ausschließlich von der eigenen ethischen Wählergruppe gewählt werden können, sehen sie sich nur diesen gegenüber verpflichtet. So ist es auch den Wählern der anderen ethischen Gruppe nicht möglich, die Abgeordneten zu sanktionieren. Dadurch sieht man die Gefahr eines weiteren Auseinanderlebens der ethischen Bevölkerungen Belgiens eminent. Hinzu kommt das Problem, dass sich in Belgiens Geschichte stets der innerparteiliche Kontakt zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen als Vorteil für diverse Konfliktlösungen erbracht hat und diese Möglichkeit nicht mehr in diesem ursprünglichen Umfang vorhanden ist. (Hecking 2006, S. 48-52)

3. Rechtspopulismus Rechtsextremismus Separatismus

3.1 Rechtspopulismus

Rechtspopulismus ist ein Begriff, welcher verwendet wird um neue Struktureigenschaften jener Parteien zu bezeichnen, die in der Öffentlichkeit als Anwalt des kleinen Mannes gegen die Arroganz und den Zynismus der Herrschenden auftreten, sich als Vertreter des kleinbürgerlichen Lebensstils gegen das sogenannte System positionieren und ihre politischen Inhalte aus dem rechten Parteienspektrum speisen. Zu diesen Parteien zählen europaweit Parteien wie der Vlaams Belang, die Freiheitliche Partei Österreichs oder die Lega Nord. Die Parteiführer treten hierbei in der Öffentlichkeit als Gegner des politischen Establishments auf. Sie stellen sich selber zumeist als Vertreter des kleinen Mannes und nicht als Vertreter einer bestimmten Klasse oder Berufsgruppe dar. Zumeist versuchen populistische politische Parteien als Kernkompetenz, die Sicherung und die Rückgewinnung des Wohlstandniveaus zu erreichen, erreicht werden soll dies durch die Abwehr der sogenannten Bedrohung von Migranten und der Bewahrung der ethnischen und territorialen Identität. Das gemeinsame Ziel populistischer Parteien ist die Vorstellung einer homogenen ethnischen Bevölkerung, wobei die tatsächliche Existenz einer multikulturellen Gesellschaft abgelehnt wird. Die Werte rechtspopulistischer Parteien entstammen meist den 1920er und 1930er Jahren und den damaligen rechtsextremistischen Vorstellungen. Der Populismus richtet sich insbesondere gegen Entfremdungsprozesse heutiger Industriestaaten sowie gegen die Modernisierung der Gesellschaft und der als Drohung empfundenen Überfremdung. (Jaschke 2001, S. 31-35)

Seit den 1980er Jahren entstand der populistische Parteitypus, welcher durch die Medien bereits sehr früh als rechtspopulistisch bezeichnet wurde. Es besteht Uneinigkeit darüber, ob der Populismus als solcher ausreicht um Parteien zu kategorisieren, da die meisten der populistischen Parteien ohnehin als rechtsextrem bezeichnet werden können. Durch die Kategorisierung von Parteien unter dem Begriff Populismus wird auch eine eventuelle Verharmlosung rechtsextremer Parteien befürchtet. Man kann auch sagen, dass es sich bei Populismus um eine eigene Art von Politik handelt, die primär populistisch ist und erst im Anschluss auf einer politischen Skala eingeordnet werden kann. (Geden 2006, S. 17-22)

3.2 Rechtsextremismus

Der Begriff des Rechtsextremismus wurde erstmals im Jahre 1974 von den deutschen Verfassungsschutzbehörden verwendet. Bis dahin wurde der Begriff Rechtsradikalismus verwendet. Die Ursache für diesen Begriffswechsel war die Annahme, dass sich das Verständnis für die Auslegung der Verfassung geändert hatte und zwar in dem Sinne, dass sich die Demokratie gegen seine Feinde - also Extremismen - wehren müsse. Der politische Extremismus könne also aus verschiedensten politischen Strömungen kommen und beschränke sich nicht nur auf den Rechtsextremismus. Der Begriff Rechtsextremismus wird verwendet, um politische Ideologien aus dem rechten politischen Spektrum, die ihrer Charakteristik nach als antidemokratisch, antipluralistisch sowie autoritär bezeichnet werden können zu beschreiben. Rechtsextremismus versteht die ethnische Zugehörigkeit als Kernelement und zieht die Gleichheit aller Menschen in Zweifel. (Jaschke 2001, S. 22-30)

In den letzten Jahren kristallisierte sich immer mehr heraus, dass rechtsextremistische Parteien ihre hauseigenen Themen wie die Massenarbeitslosigkeit und die Ausländerthematik mit der Globalisierung in Verbindungen bringen. So versuchen die Parteien, insbesondere bei der Globalisierungskritik, die Herrschaft über dieses Thema zu erlangen und es vollkommen im eigenen Sinne zu vereinnahmen. (Greven 2006, S. 15-30)

Ein besonderes Merkmal welches den Rechtsextremismus vom Linksextremismus unterscheidet ist die Ablehnung vom Gleichheitsprinzip, wobei die Rechtsextremisten in diversen Unterschieden wie ethnische Zugehörigkeit die Ungleichwertigkeit der Menschen sehen. (Pfahl-Traughber 2006, S. 14-17)

3.3 Separatismus

Der Separatismus, auch als Sezession bezeichnet, stellt im politikwissenschaftlichen Kontext das Ziel dar, einen souveränen Nationalstaat zu schaffen, indem man diesen aus einem bereits bestehenden Nationalstaat ausgliedert. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist der Separatismus zu einem äußerst wichtigen Bestandteil der internationalen Politik geworden. Der Separatismus führte zur Auflösung der Sowjetunion und Jugoslawiens und betrifft heute eine Vielzahl von Staaten, in denen separatistische Bewegungen nach der Loslösung aus dem bereits existierenden Nationalstaat trachten, sei es in Belgien oder in Kanada. (Dietrich 2010, S. 1-5)

Global gibt es an die fünftausend Nationalitäten, Nationen und ethnische Gruppen, von denen in etwa 120 in Konflikt mit der jeweiligen Regierung stehen. Derartige separatistische Konflikte sind in ihrer Anzahl im Wachsen begriffen, vor allem da die meisten Staaten ethisch nicht homogen sind. Separatismus ist oftmals die Folge aus einer Bedrohung der Grenzen und des Zusammenhaltes einer Gruppe, bedingt durch Assimilation oder Zersplitterung. (Junkers 2001, S. 9-20)

Wenn sich ein Staat selbst als Bundesstaat oder multinationaler Staat bezeichnet, dann beeinflusst er dadurch die Definition der Nation und somit die Definition der innerhalb seiner Grenzen lebenden Menschen. Besonders in jenem Fall wenn ein Staat sich selber als einen multinationalen Staat bezeichnet, bedingt dies die Schlussfolgerung, dass die Begriffe Nation und Staat voneinander unabhängig verwendet werden und nicht zusammengehören. In allen Staaten die über dieses Problem verfügen, entwickelt sich die Lage unterschiedlich und es ist nicht einfach, Beispiele miteinander zu vergleichen. Der hierbei für den Staat relevante auf den Gesamtstaat bezogene Nationalismus muss in der Lage sein, alle unterschiedlichen Völker im Gesamtstaat in sich aufzufangen und zu vereinen. Dies muss durch den Bezug auf eine gemeinsame Verfassung sowie auf der Betonung des gemeinsamen Zusammenhaltes der verschiedenen Völker innerhalb des Gesamtstaates geschehen. Ein eventuell vorhandener Minderheitennationalismus wird hingegen nach mehr Macht und Ressourcen zur Erweiterung der Selbstregierung verlangen. Dies fördert den Konflikt zwischen den verschiedenen Teilen des Gesamtstaates, da dieser bemüht sein wird, die Gefahr einer Separation einzudämmen. (Guibernau 2003, S. 92-100)

Äußere Kennzeichen welche einen von Separatismus betroffenen Staat charakterisieren sind das gehäufte Auftreten von nationalen und ethnischen Konflikten innerhalb des Gesamtstaates, die zunehmende Radikalisierung des Staatsnationalismus sowie der Widerstand des Gesamtstaates, auf essenzielle Bestandteile seiner Souveränität zu verzichten. Man kann prinzipiell sagen, dass es vier Faktoren gibt, welche zu Separatismus führen. Die beschränkte Möglichkeit, die eigene Kultur und Sprache zu fördern und zu entwickeln, nicht existente oder beschränkte Befugnisse im finanziellen Bereich, der nicht existierende oder eingeschränkte Zugang zu Ressourcen und Macht sowie die politische Abhängigkeit. (Guibernau 2003, S. 92-100)

4. Vlaams Belang

4.1 Allgemeines zum Vlaams Belang

Die belgische Partei Vlaams Belang stellt eine Partei dar, welche sich vor allem durch das Zusammenkommen zweier zentraler Merkmale von anderen belgischen Parteien unterscheidet. Zum einen durch den Separatismus und zum anderen durch die rechtsextremen politischen Vorstellungen. Der Vlaams Belang ist eine Neugründung aus der vorangegangenen Partei Vlaams Blok, welche im Jahre 1979 gegründet wurde und sich im Jahre 2004 auflöste. Der Grund für die Auflösung lag in der Befürchtung, die staatliche Parteienfinanzierung zu verlieren, ausgelöst durch ein verlorenes Gerichtsurteil wegen Diskriminierung von Ausländern. Man gründete in der Folge umgehend den Vlaams Belang, wobei alle Elemente und Strukturen des Vlaams Blok wieder übernommen wurden. Der Vlaams Belang ist somit der direkte Nachfolger des Vlaams Blok. (Swyngedouw 1998, S. 59-60)

Der Vlaams Belang gilt heute als die seit dem Jahre 1995 am besten organisierte belgische Partei. Bedingt durch mehrere Faktoren, wie der hervorragenden Parteiorganisation und Parteistruktur, den vorhandenen finanziellen Mitteln und den autoritären Vorstellungen, sowie den vorhandenen Möglichkeiten der Kommunikation mit dem Wähler und einfachem Parteimitglied, wird der Vlaams Belang zukünftig eine stetige Präsenz im belgischen Parteiensystem haben. (Swyngedouw 1998, S. 59-60)

4.2 Historische Entwicklung des Vlaams Belang

Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war die heterogene Flämische Bewegung primär eine rein kulturelle Organisation, welche sich für die Gleichstellung der niederländischen mit der französischen Sprache einsetzte und für die Gleichsetzung und Emanzipierung der eigenen mit der frankophonen Kultur eintrat. Grundsätzlich war die Flämische Bewegung nicht separatistisch, sondern unitaristisch - man hatte eine positive Grundeinstellung zu einem gemeinsamen belgischen Staat. Im Ersten Weltkrieg spaltete sich die Flämische Bewegung in zwei Bewegungen auf. Die kleinere der beiden Bewegungen, der sogenannte Rat von Flandern, kollaborierte mit den deutschen Besatzern und rief einen unabhängigen Staat Flandern aus. Der durchwegs größere Teil der Flämischen Bewegung blieb dem belgischen König gegenüber loyal. Die niederländisch sprechenden belgischen Soldaten, welche gegen die Besetzung durch Deutschland kämpften, organisierten sich in der Frontbewegung, aus welcher nach dem Ersten Weltkrieg die Frontpartei entstand. (Mudde 2000, S. 81-85)

Mittels der neu gegründeten Frontpartei versuchte die Flämische Bewegung, ihre politischen Ansichten durchzusetzen. Dazu gehörte auch die Föderalisierung des Staates Belgien. Die Wahlerfolge der Frontpartei blieben allerdings hinter den Erwartungen zurück - und die von der Frontpartei vertretenen Themen brachten keine übermäßigen Wahlerfolge. So konnten zwischen den Jahren 1919 bis 1925 in der Regel zwischen vier und sechs Sitzen im Parlament errungen werden. Die Flämische Bewegung veränderte sich bis zum Ende der 1930er Jahre in dreierlei Hinsicht. Es kam dazu, dass die Führungspersönlichkeiten in der Flämischen Bewegung ausschließlich Katholiken waren, der Begriff der flämischen Identität sich von einem kulturellen Begriff zu einem politischen Begriff änderte und die Ideologie der Flämischen Bewegung zunehmend extremer wurde. Im Jahre 1933 kam es zur Gründung der Partei Vlaams Nationaal Verbond. Dies war das Ergebnis aus der zunehmenden Radikalisierung der in den flämischen Kreisen vertretenen Ideologie. Das Ziel dieser Partei war die Schaffung eines niederländischen Gesamtstaates, welchem auch Flandern angehören sollte. Man wendete offen die Ideologie des deutschen Nazi-Regimes an. Parteien und Organisationen wie die Frontpartei wurden in den Vlaams Nationaal Verbond integriert. Im Laufe der 1930er Jahre konnte der Vlaams Nationaal Verbond durchaus einige Wahlen gewinnen, wurde aber nach der Okkupation Belgiens durch das Deutsche Reich von den Deutschen nicht als Partner angesehen. Andere flämische Organisationen hingegen konnten die Okkupation zur Festigung der eigenen Organisation nutzen, was allerdings in der Folge in einem flämischen SS-Corps an der Ostfront endete. Die flämischen Nationalisten bekamen nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich mehr Probleme als dies nach dem Ersten Weltkrieg der Fall war. So verschwanden die meisten extremen und nationalistischen flämischen Bewegungen und Gruppierungen im Untergrund. (Mudde 2000, S. 81-85)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle flämischen nationalen und extrem rechten politischen Orientierungen aus dem belgischen politischen System verbannt. Dies bedingte die Bildung mehrerer flämischer Gruppierungen und Organisationen, welche im Untergrund ihren nationalistischen und zum Teil rechtsextremen Weltanschauungen nachgingen. In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre und in den 1950er Jahren hatten diese Gruppen und Organisationen keinerlei Einfluss auf die politische Landschaft Belgiens. Viele Mitglieder dieser flämischen Gruppen und Organisationen wurden im Jahre 1954 Mitglieder der neu gegründeten Volksunie Partei. Die Volksunie war eine demokratische Partei, welche nationalistische Ansichten vertrat und als zentrales Alleinstellungsmerkmal die Forderung nach einer Föderalisierung des Staates Belgien hatte. In den darauffolgenden Jahren zeichnete sich die absolute Bedeutungslosigkeit des rechten Randes der Volksunie ab, wobei der rechte Rand eine sehr kleine und überschaubare Gruppe darstellte. In Folge dieser Erkenntnis verlies der spätere Gründer des Vlaams Blok - Karel Dillen - die Partei im Jahre 1970. (Swyngedouw 1998, S. 60-61)

Die Entstehung des Vlaams Blok wurde durch die positive Einstellung zum Egmont Vertrag und der damit möglichen Bereitwilligkeit der flämischen Volksunie, diesen Vertrag im Jahre 1977 zu unterzeichnen, begünstigt. Es fanden sich hierbei jedoch genügend Parteimitglieder der Volksunie, die durch die Unterzeichnung des Egmont Vertrages eine nachteilige Entwicklung für Flandern befürchteten, und sich daraufhin von der Volksunie abspalteten. Aus dieser Abspaltung entstanden zwei neue Parteien. Die beiden Volksunie Parteimitglieder Karel Dillen und Lode Claes gründeten jeweils eine eigene Partei, im einen Fall die Vlaamse Nationale Partij und im anderen Fall die Vlaamse Volkspartij. Bereits ein Jahr später vereinigten sich beide Parteien unter Karel Dillen zum Vlaams Blok. Karel Dillen schaffte es erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg, alle rechten flämischen Bewegungen in einer einzigen Partei zu bündeln. Gegründet wurde der Vlaams Blok in Antwerpen, weil dies die einzige homogene größere Stadt in Flandern war, und sich die größte Anzahl an Mitgliedern rechtsextremer Gruppen und Organisationen in die Anonymität dieser Stadt zurückgezogen hatten. (McHale 1983, S. 64)

Der Vlaams Blok setzte von nun an auf Separatismus als politisches Element und legte die Unabhängigkeit von Flandern mit der Hauptstadt Brüssel als zentrales Element der eigenen Partei fest. In der Anfangsphase des Vlaams Blok fand der Separatismus als alleiniges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Parteien keinerlei Erfolge seitens der Wählerschaft, sodass man neue Politikfelder erkundete und sich in den Politikthemen des äußersten rechten Randes des Parteienspektrums wiederfand. Fortan setzte man sich für die Rückführung von Immigranten in ihre Herkunftsländer ein. Diese Strategie verzeichnete sofortige Erfolge, welche bis heute anhalten. Unter ihrem damaligen Vorsitzendem Filip Dewinter errang der Vlaams Blok bei den Parlamentswahlen im Jahre 1999 in Belgien den drittstärksten Platz in der Region Flandern. Im Jahre 2000 war der Vlaams Blok die stärkste Partei in den Städten Antwerpen und Mechelen, sowie die stärkste flämische Partei in Brüssel. Der Separatismus, die Fremdenfeindlichkeit sowie die Absicht, die historisch fehlgeleitete Gründung des Staates Belgien wieder rückgängig zu machen, sind weiterhin die zentralen politischen Themen der Nachfolgepartei des Vlaams Blok. Die Separatismusvorstellung des Vlaams Blok bündelte sich in einem unabhängigen Flandern, welches zudem vollkommen homogen sein sollte und im welchem sich ausschließlich die damaligen Bürger der Europäischen Union in den damaligen Grenzen nach erfolgter kultureller und sprachlicher Assimilierung niederlassen dürften. Bezüglich der Sprachgrenze sah man die Notwendigkeit, gewisse Gebiete außerhalb der Sprachgrenze im Umfang von fünfhundert Quadratkilometern zu annektieren und Brüssel in die Region Flandern zu integrieren - samt Abschaffung aller Spracherleichterungen. (Hecking 2003, S. 136)

Vermuteter Hauptgrund für das in der Anfangsphase des Vlaams Blok schwache Abschneiden bei Wahlen war die Konzentration der hauptsächlichen Anstrengungen für den Wahlkampf in der flämischen Stadt Antwerpen und die Vernachlässigung der restlichen dreihundert flämischen Wahlkreise, in denen die Partei ausschließlich in einem Drittel antrat. Mitte der 1980er Jahre kam es zu gewissen Änderungen im Vlaams Blok, so kamen nun auch Mitglieder hinzu, die nicht Mitglied einer rechtsextremen Gruppierung oder Organisation waren. Zudem wurde die Partei von einigen Mitgliedern verlassen, welche zuvor aus den rechtsextremen Gruppierungen und Organisationen abgeworben worden waren. Dies war auch der Zeitpunkt, zu dem der Vlaams Blok es anging, seine Propaganda von der französischen Front National und der niederländischen CP abzuschauen. Ab diesem Moment transformierte sich der Vlaams Blok in eine moderne und breitentaugliche rechtsextreme Partei. Im Jahre 1985 tauschte man die gesamte Parteiführung aus, da sich Karel Dillen dadurch bessere Ergebnisse bei den kommenden Wahlen erwartete. Ersetzt wurden die Funktionäre durch zumeist recht junge Parteimitglieder, welche aus den Jugendorganisationen des Vlaams Blok kamen. Man versuchte, die Parteiführung durch die vorgelagerten Organisationsstrukturen unantastbarer zu machen, um sie dadurch unabhängiger zu machen. Bei den Parlamentswahlen im Jahre 1987 war der Vlaams Blok die einzige flämische Partei am rechten Rand und erhielt eine sehr hohe Aufmerksamkeit der belgischen Medien aufgrund des betriebenen Ausländerwahlkampfes, den man sich von der französischen Front National abgeschaut hatte. Bei diesen Wahlen gelang es, die erhaltenen Stimmen zu verdoppeln und mit drei Prozent das bisher beste Ergebnis zu erreichen. Zudem konnte man zum ersten Mal in der eigenen Parteigeschichte einen Sitz im Senat erringen. Von diesem Zeitpunkt an sahen die restlichen Parteien Flanderns im Vlaams Blok einen ernstzunehmenden Konkurrenten - und dies führte zu einer erhöhten medialen Aufmerksamkeit. (Mudde 2000, S. 87-92)

Im Jahre 1989 unterzeichneten die fünf größten Parteien Flanderns ein Abkommen, welches es zum Inhalt hatte, mit dem Vlaams Blok nicht zusammenzuarbeiten und seine Ideologie abzulehnen. Zu einer Abspaltung kam es im Jahre 1988, als sich einige prominente Mitglieder, welche durch die neue Organisierung des Parteivorstandes ihrer Posten enthoben wurden, gegen Karel Dillen und den Vlaams Blok stellten und eigene Parteien gründeten. Sie warfen Karel Dillen vor, dem flämischen Separatismus nicht genügend politische Aufmerksamkeit zu entrichten und stattdessen ausschließlich das Ausländerthema zu verfolgen. Trotzdem schaffte es der Vlaams Blok bei den darauffolgenden Parlamentswahlen wieder, einen Erfolg einzubringen und bei den Europaparlamentswahlen sogar einen Sitz im Europäischen Parlament zu erringen. Bei den Wahlen im November des Jahres 1991 konnte der Vlaams Blok seine Stimmen sogar verdreifachen und erhielt 10,3 Prozent der Wählerstimmen. Dieser Sonntag ging als schwarzer Sonntag in die belgische Geschichte ein. Der Vlaams Blok erhielt zwölf Sitze im Parlament und sechs Sitze im Senat. In Antwerpen wurde der Vlaams Blok zur stärksten Partei und erhielt beinahe jede vierte Wählerstimme. (Mudde 2000, S. 87-92)

Als Folge dieser Errungenschaften des Vlaams Blok entstanden in Flandern zahlreiche radikale und weniger radikale Gruppen, welche den ideologischen Kampf gegen den Vlaams Blok aufnahmen. Im demokratischen Spektrum der flämischen Parteien machte sich indessen die Angst vor dem Vlaams Blok breit. Im Jahre 1992 unterzeichneten alle größeren Parteien und deren Funktionäre eine Erklärung in welcher sie sich verpflichten nicht dem Vlaams Blok zusammen zu arbeiten. In den folgenden Jahren erzielte der Vlaams Blok leichte Zugewinne in allen Wahlen und war konfrontiert mit den anti-faschistischen Gruppierungen, welche gegen den Vlaams Blok vorgingen. Im Jahre 1996 kam die Affäre Dutroux dem Vlaams Blok sehr gelegen. Der Vlaams Blok, der sich als eine anti-elitäre Partei darstellte, konnte die Affäre rund um den pädophilen Mörder Dutroux dazu nutzen, das Versagen der belgischen Justiz anzugreifen. Besonders bei allen Wahlen im Jahre 1999 konnte der Vlaams Blok die Gunst der Wähler gewinnen. Hierbei im Besonderen in Brüssel, wobei man die Wahlen in Brüssel zu einer Schlacht um Brüssel titulierte und große Anstrengungen darin steckte, die größte flämische Partei in Brüssel zu werden. Der Vlaams Blok konnte seine Parteiorganisation in den 1990er Jahren perfektionieren, so dass sie zur am besten organisierten Partei in Flandern wurde. Die Parteistruktur des Vlaams Blok ähnelt jener der kommunistischen Parteien. (Mudde 2000, S. 87-92)

Im Jahre 2004 wurde der Vlaams Blok aus der Befürchtung heraus aufgelöst, dass die staatliche Parteienfinanzierung verloren gehen würde. Grund für diese Befürchtung war ein verlorenes Gerichtsurteil wegen Ausländerdiskriminierung. Umgehend wurde eine Nachfolgepartei – der Vlaams Belang – gegründet. Diese neu gegründete Partei übernahm als dessen direkter Nachfolger alle Elemente und Strukturen des vorangegangenen Vlaams Blok. (Swyngedouw 1998, S. 59-60)

Zu erwarten bleibt eine weiterhin stetige Präsenz des Vlaams Belang im belgischen Parteiensystem, vor allem bedingt durch eine hervorragende Parteiorganisation, vorhandene finanziellen Mittel und den autoritären Vorstellungen. Weiters zeichnet sich der Vlaams Belang durch ausgezeichnete Kommunikationswege aus, mit denen der Wähler optimal angesprochen werden kann. (Swyngedouw 1998, S. 59-60)

4.3 Parteiorganisation und Parteistruktur des Vlaams Belang

Der Vlaams Belang verfügt über insgesamt zwei verschiedene Parteimitgliedschaften. Zum einen das einfache Parteimitglied, welches ausschließlich zur Begleichung seiner Mitgliedsbeiträge verpflichtet ist, und zum anderen der sogenannte Aktivist, der über den Mitgliedsbeitrag hinaus für die Partei in verschiedenen Funktionen tätig ist. Ein Großteil der hohen Parteifunktionäre und Parteigründer war im Vorfeld Mitglied einer der vielen rechtsextremen Gruppen und Organisationen, welche sich nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten, sodass sie von diesen auch meistens bereits in vielen für eine Partei notwendigen Gebieten geschult wurden. Nach eigenen Angaben hatte der Vlaams Blok im Jahre 1995 über elftausend Mitglieder in Belgien. Unter den Mitgliedern gibt es viermal so viele Männer wie Frauen. Sechsundfünfzig Prozent der Mitglieder sind jünger als vierzig Jahre und leben zum größten Teil in Antwerpen und dessen Umgebung. Zudem wird der Vlaams Belang durch eine Vielzahl an externen Organisationen unterstützt, zu welchen unter anderem eine politische Forschungsanstalt, eine parteiliche Bildungsorganisation, eine Marketingorganisation, ein Pressebüro, eine Jugendorganisation, eine eigene Fernsehproduktionsfirma sowie eine juristische Stabstelle gehören. (Swyngedouw 1998, S. 61)

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Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Parteien Vlaams Belang und Front National im flämisch-wallonischen Konflikt
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
SE Parteien und Interessenverbände in Europa
Note
2
Autor
Jahr
2010
Seiten
78
Katalognummer
V156152
ISBN (eBook)
9783640704644
ISBN (Buch)
9783640704538
Dateigröße
691 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
flämisch-wallonischer Konflikt, flämisch, wallonisch, Konflikt, Flamen, Flandern, Wallonien, Wallonen, Belgien, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Vlaams Belang, Vlaams Blok, Front National, belgische Front National, Brüssel, Löwen, belgisches Parteiensystem, Parteiensystem Belgien, Parteiensystem, belgische Revolution, flämische Bewegung, wallonische Bewegung, Sprachgrenze, Sprachengrenze, Zentralismus, zentralistischer Staat, Föderalimus, föderaler Staat, Konfliktlinien
Arbeit zitieren
Miroslav Spremo (Autor:in), 2010, Die Rolle der Parteien Vlaams Belang und Front National im flämisch-wallonischen Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156152

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