Figurenkonzeption. Studien zu Mozart und Rossini

Am Beispiel "Hochzeit des Figaro" und dem "Barbier von Sevilla"


Magisterarbeit, 2010

125 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


. Inhaltsubersicht

1 EINLEITUNG

2 DIE LITERARISCHE VORLAGE - BEAUMARCHAIS ’ FIGARO-TRILOGIE

3 MOZARTS LE NOZZE DIFIGARO
3.1 HINTERGRUND UND INHALT
3.2 VERANDERUNGEN GEGENUBER DER VORLAGE
3.3 Der Figaro
3.3.1 Figurencharakteristik anhand des Librettos
3.3.1.1 Akt 1
3.3.1.2 Akt II
3.3.1.3 Akt III
3.3.1.4 Akt IV
3.3.2 Musikalische Figurenkonzeption Figaros
3.3.2.1 Nr. 1, Duettino, “Cinque... dieci... venti” (Susanna, Figaro)
3.3.2.2 Nr. 2, Duettino, “Se a caso madama” (Susanna, Figaro)
3.3.2.3 Nr. 3, Cavatina, “Se vuol ballare signor Contino” (Figaro)
3.3.2.4 Nr. 10, Aria, “Non piu andrai farfallone amoroso” (Figaro)
3.3.2.5 Nr. 16, Finale, “Esci omai garzon malnato” (Susanna, la Contessa, Marcellina, Basilio, Il Conte, Antonio, Bartolo, Figaro)
3.3.2.6 Nr. 19, Sestetto, “Riconosci in questo amplesso“ (Susanna, Marcellina, Don Curzio, Il Conte, Bartolo, Figaro)
3.3.2.7 Nr. 27, Recitativo ed Aria, “Tutto e disposto - Aprite un po” (Figaro)
3.3.2.8 Nr. 29, Finale, “Pian pianin le andro piu presso” (Susanna, La Contessa, Barbarina, Cherubino, Marcellina, Basilio, Il Conte, Antonio, Figaro)
3.3.3 Zwischenfazit I.

4 ROSSINIS IL BARBIERE DISIVIGLIA
4.1 HINTERGRUND UND INHALT
4.2 VERANDERUNGEN GEGENUBER DER VORLAGE
4.3 Der Figaro
4.3.1 Figurencharakteristik anhand des Librettos
4.3.1.1 Akt 1
4.3.1.2 Akt II
4.3.2 Musikalische Figurenkonzeption Figaros
4.3.2.1 Nr. 2, Cavatina, “Largo al factotum della citta” (Figaro)
4.3.2.2 Nr. 4, Duetto, “All’idea di quel metallo“ (Figaro, Conte)
4.3.2.3 Nr. 7, Duetto, “Dunque io son” (Figaro, Rosina)
4.3.2.4 Nr. 9, Finale, “Ehi di casa... buona gente...” (Conte, Bartolo, Rosina, Berta Basilio, Figaro, Ufficiale, Coro)
4.3.2.5 Nr. 16, Terzetto, “Ah! qual colpo” (Rosina, Conte, Figaro)
4.3.2.6 Nr. 19, Finaletto, “Di si felice innesto” (Figaro, Berta, Bartolo, Basilio, Rosina, Conte, Coro)
4.3.3 Zwischenfazit II

5 VERGLEICHENDE ANALYSE UND RESUMEE

ANHANG

LITERATUR

1 Einleitung

Mozart und Rossini - diese Komponisten haben Opem geschaffen, die bis heute weltweit die Opernkultur pragen und scheinbar zeitlos uberdauern. Beide schrieben Opern, die im Bereich der Opera buffa anzusiedeln sind; mehr noch, einer der groBten Erfolge Rossinis II barbiere di Siviglia ist durch eine gemeinsame Vorlage zumindest auf literarische Ebene tief verwoben mit Mozarts Oper Le nozze di Figaro. Die Opern basieren auf der Figaro-Trilogie des franzosischen Dichters Pierre-Augustin Beaumarchais.1 Bemerkenswerterweise vertonte Rossini dreiBig Jahre nach Mozarts Hochzeit des Figaro mit dem Barbiere gewissermaBen dessen Vorgeschichte. Im Barbiere unterstutzt Figaro, stadtbekannter Barbier in Sevilla, den Grafen Almaviva bei der hindernisreichen EheschlieBung mit Rosina, dem Mundel des murrischen Don Bartolo. In der einige Jahre spater angesiedelten Hochzeit ist Figaro Hausdiener am Schloss Almavivas. Aus der euphorischen Liebe zwischen diesem und Rosina ist inzwischen eine zerruttete Ehe geworden, und der Graf stellt stattdessen Figaros zukunftiger Braut Susanna nach, was es zu verhindern gilt. Es ist ausgesprochen auffallig, dass in der Musikforschung nur zu Mozarts Opernschaffen Literatur im Uberfluss entstanden ist. So verzeichnet beispielsweise die Bibliographie des New Grove Dictionary of Music and Musicians im Anhang des Artikels zu Wolfgang Amadeus Mozart fast funf Doppelseiten mit Literaturhinweisen2. Davon verweisen insgesamt 147 auf Bucher und Aufsatze, die sich nur mit seinen Opern beschaftigen, und diese Liste musste bis heute noch deutlich erweitert werden. Die Anzahl der Titel, die auf eine Beschaftigung mit der Hochzeit des Figaro oder einen Kontext, der diese Oper einschlieBt, folgern lasst, belauft sich auf ungefahr 60.3 Als Einfuhrung in die Materie empfiehlt sich eine von Attila Csampai und Dietmar Holland herausgegebene Uberblicksdarstellung4 oder der entsprechende Abschnitt im Teilband des Mozart-Handbuchs zu dessen Opern von Dieter Borchmeyer und Gernot Gruber5. Untersuchungen der Hochzeit des Figaro gingen seit den ausfuhrlichen Betrachtungen Otto Jahns Mitte des 19. Jahrhunderts oft in Richtung des individuell- psychologischen, der nicht zeitgebundenen Deutung. Jahn schreibt: „Die Hauptsache war ihm ohne Zweifel die lebendig, sich entwickelnde, in jedem Moment spannende Handlung und die treffende, scharfe Charakteristik der Personen.“6 Dieser Herangehensweise sind bis heute unzahlige weitere Forscher gefolgt, jedoch mit durchaus unterschiedlichen, interessanten Ergebnissen7. Des Weiteren gibt es diverse Studien zum zeitgeschichtlichen Kontext8, sowie naturlich zu vornehmlich kompositionstechnischen Aspekten.9 Auch Untersuchungen zu den speziellen Besonderheiten des Librettos sind zahlreich.10 Eine vollstandige Darstellung des Forschungsstandes ware an dieser Stelle jedoch muBig, zumal sie ein schlichtweg rahmensprengendes Unterfangen bedeutete. Zu Beginn des analytischen Teils wird allerdings noch einmal kurz Bezug auf die Forschungsmeinung bezuglich der im Folgenden entwickelten Fragestellung genommen.

Die theoretische Auseinandersetzung mit Rossini hingegen ist hierzulande vor allem uber lange Zeit sehr uberschaubar geblieben. Monographien uber Rossini sind fast ausschlieBlich biographischer und anekdotischer Natur.11 Als eine erste Annaherung an den Bar bier e di Siviglia bietet sich eine, von Nicholas John herausgegebene, Uberblicksdarstellung an, die neben einem englischsprachigen Libretto interessante Hintergrundinformationen zu Werk und Komponist liefert12.

Analytische Auseinandersetzungen beschranken sich fast ausschlieBlich auf kurze Aufsatze und Essays. Und diese ernsthafte, analytische und objektive Betrachtung des komischen Oeuvres Rossinis seitens der Musikwissenschaft erfolgte ausnahmslos erst ab der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts. Einen wichtigen Einschnitt markieren in dieser Hinsicht die Studien Luigi Rognonis, welche neue Erkenntnisse bezuglich der kompositionstechnischen Besonderheiten Rossinis liefern konnten13. Sehr lesenswert sind aber auch die Ausfuhrungen Ulrich Schreibers zu Rossini im Allgemeinen, wie auch zum Barbiere im Speziellen.14 Erst in allerjungster Vergangenheit erschien das erste Buch, das sich einzig und allein einer Untersuchung des Barbiere di Siviglia widmet15.Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese umfassende Studie zu Rossinis Barbiere dem Autor erst kurz vor Fertigstellung dieser Arbeit zuganglich war, und somit nicht mehr in aller Ausfuhrlichkeit integriert werden konnte. In seinem Werk bestatigt Saverio Lamacchia den erstaunlichen Mangel an wissenschaftlicher Betatigung trotz des groBen Buhnenerfolgs:

Zwar wurde und wird die Oper dank Zeddas Ausgabe seit vier Jahrzehnten auf der ganzen Welt standardgemaB in ihrer ursprunglichen Form gespielt, aber das Werk selbst entzog sich einer tieferen semantischen Betrachtung und unterlag in seiner Auffuhrungstradition einer relativ eindimensionalen Interpretation. Wahrend sich einige populare (und weitgehend im Anekdotischen verhaftete) Opernfuhrer mit Rossinis Meisterwerk beschaftigen, war es bislang nicht Gegenstand einer umfassenden Werkmonographie.16

Trotz der verwandten Vorlage sind beide Stucke auch selten gemeinsam thematisiert worden. Die einzigen erwahnenswerten Versuche in diese Richtung sind ein interessanter, aber durch seinen auBerst knappen Rahmen sehr oberflachlicher, Essay von Jackie Graybill17 und ein Kapitel in dem Buch Opera & Ideas von Paul Robinson.18 Hierbei handelt es sich um eine ideengeschichtliche Gegenuberstellung, die anhand von vier Schlusselszenen versucht, den Barbier als ein reaktionares Gegenstuck einer aufklarerisch gepragten Hochzeit des Figaro zu deuten.

Somit drangt sich die Frage auf: Sind beide Opern wirklich so schwer zu vergleichen? Und wenn ja, warum? Worin liegen die gravierenden Unterschiede der beiden Werke? Gibt es Beruhrungspunkte? Diese Fragestellung eroffnet ein sehr weites Feld. Um es sinnvoll einzugrenzen, bietet sich der Versuch an, eine beziehungsweise die scheinbare Gemeinsamkeit beider Opern mit identischer Herangehensweise zu analysieren.

Beide Opern handeln von Figaro. Er ist die Titelfigur der Werke und ein zentraler Charakter in beiden Opern. Nach welchen Prinzipien ist also der Figaro in beiden Werken im Libretto gestaltet? Welche Schwerpunkte haben beide Komponisten bei der musikalischen Ausgestaltung der Rolle gesetzt, welche komposito]rischen Grundideen lagen der jeweiligen Figurenkonzeption zu Grunde?

Mit dieser Untersuchung sollen beide Opern in einer ausfuhrlichen analytischen Betrachtung gegenuber gestellt, erforscht und diskutiert werden. Die Fokussierung auf die Figurenkonzeption Figaros soll dabei als eine Art Brennglas dienen, durch das ein helleres Licht auf die Gesamtkonzeption, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Werke geworfen werden soll.

2 Die literarische Vorlage - Beaumarchais’ Figaro- Trilogie

Selbstverstandlich ist im Rahmen dieser Fragestellung zu bedenken, dass die Libretti sowohl von Le nozze di Figaro wie auch des Barbiere di Siviglia an die ersten beiden Teile der Trilogie Beaumarchais’ angelehnt sind. Somit konnte man potentielle Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Konzeption Figaros von vornherein auf den franzosischen Schriftsteller zuruckfuhren. Dennoch oder gerade deswegen ist es zunachst interessant und notwendig zu untersuchen, wie in den beiden Teilstucken der Trilogie die Figur veranlagt ist, welche Wesenszuge ihr zu eigen sind, ob Figaro sich entwickelt, um die Ergebnisse anschlieBend in Relation zur Figurengestaltung in den jeweiligen Opern setzen zu konnen.

Der vielseitige franzosische Literat Pierre Augustin Caron de Beaumarchais, der zudem ursprunglich Uhrmacher, zeitweise auch Geheimagent im Dienste Ludwigs XVI. und versierter Geschaftsmann war, arbeitete ab 1772 am ersten Teil der Trilogie rund um die Figaro-Figur. Le Barbier de Seville wurde am 23. Februar 1775 in der Comedie Frangaise uraufgefuhrt, wurde aber aufgrund seiner Lange enttauscht aufgenommen. Innerhalb von drei Tagen kurzte Beaumarchais die Komodie deswegen auf vier Akte und sicherte sich einen grandiosen Erfolg:

Die Premiere des Barbier von Sevilla war ein volliger Misserfolg. Beaumarchais hatte das kleine Stuck durch aktuelle Anspielungen erweitert und auf funf Akte ausgedehnt. So gingen Witz, Charme und Tempo verloren, das Publikum wurde ungeduldig. [...] Schon bei der zweiten Auffuhrung wurde ein neuer Text gespielt, im Grunde die ursprungliche Fassung in vier Akten. Und diese Fassung wurde vom Publikum bejubelt. Eine neue Seite in der Geschichte der Weltliteratur war aufgeschlagen. Der Text erschien wenige Tage spater im Druck und fand regen Absatz.19

Worum geht es also in dieser so enthusiastisch aufgenommenen Geschichte? Der Autor selbst fasste den Plot folgendermaBen zusammen:

Ein verliebter Alter will am anderen Morgen sein Mundel heiraten; ein junger und aufgeweckter Liebhaber kommt ihm zuvor und macht sie am gleichen Tag, vor der Nase und im Haus des Vormunds zu seiner Frau. Das ist die ganze Geschichte, aus der man nun mit gleichem Erfolg eine Tragodie oder eine Komodie, ein Ruhrstuck oder eine Oper machen konnte.20

Man wurde ein Stuck im traditionellen Stil der Commedia dell’arte vermuten, die diese stereotype Figurenkonstellation des Verliebten, des findigen Dieners, der ihn unterstutzt, und des Alten, den es zu uberlisten gilt, immer wieder verwendet. Die Handlung ist typischerweise durch Verwicklungen und Intrigen gepragt, bis am Ende fur gewohnlich die Liebe siegt21. Dennoch konstatiert Marco Spada, dass diese Figuren etwas grundlegend Neues an sich haben, verandert sind:

In fact the characters in Le Barbier de Seville (1775) retain only the shell of their origins in the masks of the traditional burlesques, and are charged internally with new values, the products of a new age. In the first place there is Figaro, heir to the old Harlequin family who represents a new and active bourgeoisie, conscious of its rights; but there is also Don Bartolo, his antagonist, who has nothing of the foolish tutor as conventionally defined. [...] If, in the end, he succumbs to the requirements of a happy ending, it is not a victory of astuteness over stupidity, but of a new, more materialistic but less hypocritical, way of understanding how the world works, one no longer based on the pretence of class distinction..22

Figaro als Sinnbild einer neuen, selbstbestimmten Bourgeoisie? Es ist richtig, dass der Barbier seinen eigenen Nutzen aus der Geschichte zieht. Er hilft dem Grafen nicht vollig selbstverstandlich, sondem fordert selbstbewusst einen Lohn fur seine Diensten23. Dennoch handelt es sich um ein klares Diener-Herr-Verhaltnis. Er ist dankbar, sich wieder in den Dienst des Grafen stellen zu durfen und sieht sich selbst als gescheiterte Existenz.

Figaro. Mein guter Engel, Euer Gnaden, denn ich habe das Gluck, meinen fruheren Herrn wiederzutreffen. [...] von Schulden erdruckt und leicht an Geld, uberzeugte ich mich, dass das nutzliche Einkommen eines Barbiermessers den eitlen Ehren der Feder vorzuziehen ist, verlieB Madrid [...] uber mein Elend lachend und allen Leuten den Bart scherend; und jetzt sehen Sie mich endlich in Sevilla und bereit, Euer Gnaden wieder in allem zu dienen, was sie zu befehlen geruhe.24

Das soziale Gefuge zwischen ihm und dem Grafen wird im gesamten Stuck nicht in Frage gestellt. Wenn in diesem Stuck revolutionare Anklange zu finden sind, dann in der versteckten Kritik an der MaBregelung der Literatur durch Zensur in der zweiten Szene des ersten Aktes:

Figaro. [...] Als man dem Minister hinterbrachte, dass ich - ich darf sagen, recht hubsche Liebesgedichte verfasste, dass ich Ratsel an Zeitungen schickte, dass Schafergedichte von meiner Hand die Runde machten, kurzum, als er erfuhr, dass ich munter gedruckt wurde, da hat er die Sache tragisch genommen und mich entlassen mit der Begrundung, die Liebe zur Literatur sei mit dem Sinn fur Geschafte unvereinbar. [...] Ich war glucklich, dass er mich vergaB, denn ich finde, ein Machtiger tut uns genugend Gutes, wenn er uns nichts Schlechtes tut25

Die Komodie lebt in erster Linie von einfallsreichen und unterhaltsamen Wendungen; ihr einen revolutionaren Charakter anzuhaften, ware aus heutiger Sicht ubertrieben. Trotzdem sah Beaumarchais sich laut eigener Aussage heftigen Attacken ausgesetzt. Diese verstarkten sich mit der Fortsetzung La folle journee ou le mariage de Figaro. Beaumarchais arbeitete von 1776 bis 1780 an dem Stuck und dennoch kam es erst am 27. April 1784 zur Urauffuhrung, wiederum in der Comedie Frangaise. Wieso hielt man das Stuck vier Jahre lang zuruck?

Bereits im Vorwort Beaumarchais’ lasst es sich erahnen. Auf die offentliche Bitte eines Prinzen Conti um eine Fortsetzung der Figaro-Geschichte, antwortete der Dichter: „Mein Herr, [...] wenn ich diesen Charakter ein zweites Mal auf die Buhne brachte, wurde ich ihn alter zeigen, und er wusste dann ein wenig mehr. Das wurde einen ganz anderen Larm geben, und wer weiB, ob das Stuck uberhaupt das Tageslicht erblickte!26

Das Stuck kam, und der Larm seitens der Zensurbehorden war ohrenbetaubend. Der Grund war, dass Beaumarchais die sozialkritische Komponente nun zu einem zentralen Merkmal des Stuckes erkoren hatte.

Zeitlich wenige Jahre nach dem Barbier angesiedelt steht Figaro, inzwischen wieder Bediensteter am Schloss des Grafen, kurz vor der Hochzeit mit seiner geliebten Suzanne27, die erste Kammerdienerin der Grafin ist. Allerdings versucht der Graf seinem Diener die Braut abspenstig zu machen, weil er meint, ein altes, bereits abgeschafftes ,Herrenrecht’ wieder geltend machen zu konnen und damit einhergehend seine Frau zu betrugen. Dass es dieses ius primae noctis in Wirklichkeit nie gegeben hat, ist zwar inzwischen erwiesen 28, aber es veranschaulicht hier sinnbildlich und existenziell den Machtmissbrauch des Adels. Und der letztendliche Stein des AnstoBes war, dass das eindeutige Fehlverhalten des Grafen, seine Selbstherrlichkeit, Untreue und die Ausnutzung seiner Machtposition unverhohlen thematisiert und kritisiert wurde. Beispielsweise reagiert der Gartner Antonio auf die Androhung der Entlassung ganz gelassen mit dem Satz „Wenn Sie da [er tippt sich dabei laut Regieanweisung an den Kopf nicht genugend haben, um einen guten

Diener zu behalten, so bin ich nicht so blod, einen so guten Herrn zu entlassen.“29 Beaumarchais beklagt auch offen die Amterwillkur des politischen Systems:

Der Graf. Mit Geschick und Geist konntest du eines Tages in der Verwaltung Karriere machen.

Figaro. Geist, um voranzukommen? Der gnadige Herr macht sich wohl lustig uber meinen. MittelmaBigkeit und Kriecherei, damit erreicht man alles. [...] Doch so zu tun, als wisse man nicht, was man weiB, und wisse alles, was man nicht weiB; zu verstehen, was man nicht versteht; und dass das groBe Geheimnis oft darin besteht zu verbergen, dass es keines gibt; sich einzuschlieBen, um die Federn zu spitzen, und tiefsinnig zu erscheinen, wenn man leer und hohl ist; gut oder schlecht eine Personlichkeit spielen, uberall Spione einsetzen und Verratern Pensionen zahlen; Siegel ablosen, Briefe abfangen und versuchen, die Kummerlichkeit der Mittel durch die Wichtigkeit der Dinge aufzuwerten: das ist die ganze Politik, oder ich lasse mich hangen!30

Und schlieBlich ist naturlich noch der beruhmte und viel zitierte Monolog Figaros in der dritten Szene des funften Aktes zu nennen:

Figaro. Was haben Sie denn getan, um so viele Vorzuge zu verdienen? Sie machten sich die Muhe, auf die Welt zu kommen, weiter nichts; im ubrigen sind Sie ein ganz gewohnlicher Mensch; wahrend ich, zum Teufel, ein Kind aus der obskuren Menge, nur um zu leben mehr Witz und Verstand aufbringen musste, als man seit hundert Jahren auf das Regieren ganz Spaniens und seiner Lander verwandt hat.31 Nicht von ungefahr wurde infolgedessen vielfach behauptet, La folle journee markiere den Beginn der franzosischen Revolution. Immer wieder wird die angebliche Reaktion Konig Ludwigs XVI. auf Figaros Monolog im 5. Akt zitiert: „Das ist abscheulich! Das wird niemals gespielt werden! Die Auffuhrung des Stuckes ware eine gefahrliche Inkonsequenz, wenn man nicht zuvor die Bastille niederreiBen wollte.32

Es ging Beaumarchais aber gar nicht um den totalen Umsturz, sondern vielmehr um Kritik am Missbrauch sozialer Vorrechte, der in der geltenden Gesellschaftsordnung alltaglich war.33. Figaro begehrt nicht die soziale Position des Grafen, sondern scheint sich grundsatzlich mit der Rolle des Dieners zu arrangieren. Wofur er aber kampft ist ein allgemeingultiges, fur alle geltendes Anrecht auf personliches Gluck.

Somit hat er sich gegenuber seiner Rolle im Barbier verandert. War sein Handeln dort noch von impulsiv, improvisatorischem Talent gepragt, ist er jetzt gelenkt von einem gewissen Realismus mit dem Ziel, das eigene Lebensgluck zu sichern. Norbert Miller schreibt hierzu:

Die Erinnerung an die Lustige [sic!] Person der Harlekinaden verschwand, an seine Stelle tritt der homme nouveau, der sich mit seiner Begabung, seiner Gestalt und seinem Witz auch in den widrigsten Umstanden zu behaupten versucht.34

Inwieweit sich diese zentralen Figurenmerkmale Figaros in den jeweiligen Opern fortsetzen oder von der Vorlage abweichen, wird im Verlauf der Arbeit noch ausfuhrlich dargelegt werden. Da der Kampf um die Zensur der Offentlichkeit naturlich nicht verborgen blieb, war schlieBlich die Aufnahme des Stuckes in Paris eine Sensation und wurde wie sein Vorganger begeistert aufgenommen. Manfred Flugge schildert die Umstande:

Es war das Pariser Ereignis schlechthin Mitte der achtziger Jahre und der Hohepunkt im Leben von Beaumarchais. [...] Selbst die Einnahmen des Tages stellten einen Rekord in der Theatergeschichte dar: 6511 Livres. Zwolf Vorhange belohnten die Schauspieler, und die Besetzung, dieselbe wie in den Vorauffuhrungen, hatte nicht besser sein konnen.35

Der letzte Teil der Trilogie La Mere coupable ou L’autre Tartuffe spielt fur diese Untersuchung keine Rolle. Nichtsdestotrotz sei das Stuck der Vollstandigkeit halber erwahnt. Es wurde bei seinem ersten Erscheinen 1792 vollig uberschattet von den Nachwirren der franzosischen Revolution. Erst 1797 nahm man das Stuck wieder ins Repertoire der Comedie Frangaise auf. Es war eher ein moralisierendes Ruhrstuck als eine Komodie36, aber das inzwischen uberwiegend burgerliche Publikum nahm es, gerade angesichts des veranderten Zeitgeistes, ebenfalls sehr positiv auf.

Zu dieser Zeit feierten auch die ersten musikalischen Umsetzungen der Vorlage langst groBe Erfolge. Dass es zu musikalischen Bearbeitungen kam, war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Wie schon bemerkt wurde, ist Beaumarchais’ Barbier ursprunglich als Singspiel gedacht gewesen und dementsprechend auch auf textlicher Ebene ausgesprochen musikalisch angelegt37,. Beispielsweise dichtet Figaro bei seinem ersten Auftritt ein Trinklied38, und fur Baziles Erklarung einer Verleumdung in der achten Szene des zweiten Aktes wurden schon im franzosischen Originaltext italienische Dynamikbezeichnungen verwendet.39

So zahlt Albert Gier bis 1922 circa ein Dutzend Opern auf Basis des Barbiere de Seville40.Der erste wirklich erfolgreiche Wurf gelang Giovanni Paisiello, dessen II barbiere di Siviglia, ovvero La precauzione inutile im September 1782 am Hofe Katharinas der II. in St. Petersburg uraufgefuhrt wurde. Das Stuck hielt sich recht eng an Beaumarchais’ Vorlage und verbreitete sich schnell in ganz Europa. Am 13. August 1783 spielte man es erstmals in Wien, wo es allein bis 1804 fast einhundert Mal aufgefuhrt wurde41.

Hier entstand auch die erste Vertonung der zweiten Episode. Zusammen mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte schuf Wolfgang Amadeus Mozart auf Basis der folle journee seine Oper Le nozze di Figaro, jenes Werk, das uns im Folgenden naher beschaftigen soll.

3 Mozarts Le nozze di Figaro

Auch wenn die Hochzeit des Figaro auf dem zweiten Teil der Trilogie aufbaut, soil in diesem Zusammenhang zunachst Mozarts Oper betrachtet werden, um der Chronologie der Entstehung der hier betrachteten Werke Rechnung zu tragen.

3.1 Hintergrund und Inhalt

Die immense Anziehungskraft der Gattung Oper auf Mozart lasst sich aus zahlreichen zeitgenossischen Zeugnissen erschlieBen.42 Nachdem er erstmals im Alter von 12 Jahren mit La finta semplice (1768) und dann mit La finta giardiniera (1775) Erfahrungen auf dem Gebiet der italienischen Opera buffa gesammelt hatte, strebte er zu Beginn der 1780er Jahre an, deutsche Opern zu schreiben.43 Kaiser Joseph II. zeigte sich aber von seinem Singspiel Die Entfuhrung aus dem Serail (1782) relativ unbeeindruckt, stattdessen stand wiederum eine italienisch gepragte Buhnenkultur hoch in seiner Gunst und Mozart wollte sich dieser Vorliebe fugen.

Nun hat die italienische opera Buffa alhier wider angefangen; und gefallt sehr. [...] ich habe leicht 100 - Ja wohl mehr bucheln durchgesehen - allein - ich habe fast kein einziges gefunden mit welchem ich zufrieden seyn konnte; - wenigstens musste da und dort vieles verandert werden.44

Als dann 1785 der zweite Teil der Figaro-Trilogie Beaumarchais’ in deutscher Ubersetzung nach Wien kommen sollte, hatte Mozarts bislang vergebliche Suche ein Ende. Explizit auf eigene Initiative schlug er dem Librettisten Lorenzo Da Ponte, der gerne mit ihm zusammenarbeiten wollte, vor, die Hochzeit des Figaro zu einer Oper umzuarbeiten.45

Fur Mozarts Idee, eine Oper aus dem skandalumwitterten und politisch anstoBigen Theaterstuck zu machen, [...] durfte eine Rolle gespielt haben, dass Giovanni Paisiello 1782 den ersten Teil der Figaro-Trilogie des Beaumarchais erfolgreich auf die Opernbuhne gebracht hatte: Sein Barbiere di Siviglia zahlte seit 1783 auch zu den groBen Erfolgsstucken im Repertoire der Wiener Hofoper. [...] Der zweite Teil von Beaumarchais’ Figaro-Trilogie bot sich also trotz aller Schwierigkeiten fur Da Ponte und Mozart an, um an die Erfolge von Casti und Paisiello anzuknupfen und sie zugleich moglichst zu ubertreffen.46

Die erwarteten Schwierigkeiten lagen nicht in erster Linie in der Umarbeitung begrundet, sondern vielmehr in der Tatsache, dass Kaiser Joseph II. am Tag der Premiere, dem 3. Februar 1785, die von Emanuel Schikaneder geplante Auffuhrung des ubersetzten Theaterstucks verbieten lieB. Lediglich die Druckfassung der Ubersetzung Johann Rautenstrauchs war erstaunlicherweise nicht verboten worden und in Wien im Umlauf47

So kam Mozart mit der Materie in Kontakt. Da Ponte und er begannen ungewohnlicherweise ohne Auftrag mit der Arbeit, und der Librettist, den der Kaiser durchaus schatzte, vermochte die Vorbehalte Josephs II. gegenuber dem Vorhaben zu zerstreuen, indem er ihm versicherte, jeglichen politischen Zundstoff zu entscharfen. Dabei wirkt auf den ersten Blick der Handlungsablauf nahezu identisch mit der Vorlage, jedoch mit der Tendenz „politische Spannungen als Verhaltnisse zwischen handelnden Menschen darzustellen.48

Genau wie in der Vorlage stehen im Zentrum der Handlung Figaro, Kammerdiener des Grafen Almaviva, und Susanna, Zofe der Grafin, die kurz vor ihrer Hochzeit stehen. Der Graf, der seiner Ehe uberdrussig ist, begehrt Susanna ebenfalls und beabsichtigt, diese Ehe zu verhindern. Er baut dabei auf Marcellina, die in seinen Diener verliebt ist und der Figaro gegen einen Kredit die Heirat versprochen hat, sofern er ihr das geborgte Geld nicht zuruckzahlen kann.

Auf Figaros Initiative soll mit Hilfe der Grafin, die entschlossen ist, die Liebe des Grafen zuruckzugewinnen, Almaviva selbst in Intrigen verwickelt werden, die ihn beschaftigen und davon abhalten sollen, seine eigenen Plane in die Tat umzusetzen. Doch das Vorhaben scheitert zunachst und fuhrt dazu, dass der Graf nicht nur in seinem Streben nach Susanna bestarkt wird, sondern auch noch eifersuchtig die Aktivitaten seiner Frau und deren Einverstandnis mit Figaro und Susanna beaugt. Indem sich wahrend der Gerichtsverhandlung um das ausstehende Eheversprechen im dritten Akt offenbart, das Marcellina und Doktor Bartolo die Eltern Figaros sind, ist der Graf gezwungen, der Hochzeit zuzustimmen. Deutlich in seiner Position geschwacht, ist Almaviva nun einem neuen Komplott Susannas und der Grafin ausgeliefert. Unter Ausschluss Figaros verwirklichen sie den ursprunglichen Plan, dem Grafen eine Lektion zu erteilen, der ihn zur Reue gegenuber seiner Frau bringen soll, indem sie ihn zum Rendezvous mit der als Susanna verkleideten Grafin locken. Allerdings belastet diese Intrige auch die Beziehung Figaros zu seiner Braut, da er sich aufgrund seiner Unkenntnis betrogen fuhlt. Erst zuletzt klart sich die Verwirrung auf und die Eintracht zwischen den Paaren wird wiederhergestellt.49 Zusatzliche Komplexitat erhalt die Handlung durch den Einsatz zahlreicher weiterer Personen, die oft in den ungunstigsten Augenblicken den Handlungsgang kreuzen. Besonders der junge Page Cherubino taucht immer wieder als unberechenbarer Traumer auf, der in seiner unbandigen Leidenschaft fur die Frauenwelt erst Susanna und dann die Grafin bedrangt, und dementsprechend sowohl die Eifersucht Figaros wie auch des Grafen herausfordert. Auch der chronisch betrunkene Gartner Antonio, seine Tochter Barbarina, sowie Bartolo, der Marcellina unterstutzt, und Don Basilio, der sich als Rankeschmied im Auftrag des Grafen versteht, stiften in ihren Nebenrollen meist zusatzliche Verwirrung.

Laut Aussage Da Pontes stellten Mozart und er das Werk innerhalb von nur sechs Wochen fertig; Ludwig Finscher rekonstruiert:

Die Konzentration der Nachrichten uber ,Figaro’ auf den November 1785 paBt gut zu Da Pontes Erinnerung, das Werk sei innerhalb von sechs Wochen entstanden. [...] Die Eintragung im Verzeichnufi erst zwei Tage vor der Urauffuhrung braucht dem nicht zu widersprechen, wenn man annimmt, dass Mozart bis unmittelbar vor der Premiere mit der Ausfullung des Partitur-Gerustes und mit Revisionsarbeiten beschaftigt war.50

Inzwischen konnte jedoch anhand von Notenpapieranalysen die berechtigte Vermutung aufgestellt werden, dass Mozart bereits im Sommer 1785 mit der Komposition begann, die Arbeit fur einen langeren Zeitraum unterbrach und das Werk dann Anfang 1786 vollendete. Diese Annahme wurde auch die Widerspruchlichkeit in Da Pontes Aussage, die Arbeit am Figaro habe unmittelbar nach dem Verbot des Schauspiels im Februar 1785 begonnen, auflosen.51 Das Stuck wurde in Wien positiv, wenn auch nicht enthusiastisch aufgenommen. War die Premiere noch von Konkurrenten und Neidern gestort worden, wie ein Urauffuhrungsbericht der Wiener Realzeitung belegt52, gab es zwar in den folgenden Auffuhrungen den Wunsch nach Zugaben, die dann aufgrund der Lange der Oper per kaiserlichem Erlass reglementiert wurden 53, schon nach neun Auffuhrungen setzte man das Stuck jedoch wieder ab. Der Durchbruch gelang hier erst bei der Wiederaufnahme 1789.

Ganz anders verhielt es sich in Prag, wo der Figaro euphorisch gefeiert wurde, wie Mozart selbst in einem Brief schreibt:

[...] - ich sah aber mit ganzem Vergnugen zu wie alle diese leute auf die Musick meines figaro, in lauter Contretanze und teutsche verwandelt, so innig vergnugt herumsprangen; - denn hier wird von nichts gesprochen als vom - figaro; nichts gespielt, geblasen, gesungen und gepfiffen als - figaro: keine Opera besucht als - figaro und Ewig figaro; gewis grosse Ehre fur mich.54

Bis heute ist Le nozze di Figaro eines der meistgespielten Stucke auf den Buhnen dieser Welt. Betrachtet man die Statistik des deutschen Buhnenverbandes, rangiert das Werk allein in Deutschland mit 1.718.300 Zuschauern zwischen den Spielzeiten 1997/1998 und 2007/2008 auf Platz 5 in der Rangliste der beliebtesten Opern55.

3.2 Veranderungen gegenuber der Vorlage

Wie wir aus einem Brief an seine Tochter erfahren, zeigte sich Mozarts Vater Leopold auBerst skeptisch gegenuber der Stoffwahl seines Sohnes:

ich kenne die piece, es ist ein sehr muhesammes Stuck, und die Ubersetzung aus dem franz: hat sicher zu einer opera frey mussen umgeandert werden, wenns fur eine opera wirkung thun soll. [...] das wird ihm eben vieles Lauffen und disputiern kosten, bis er das Buch so eingerichtet bekommt, wie ers zu seiner Absicht zu haben wunschet: - [...].56

Dass tatsachlich grundsatzliche Modifikationen notwendig waren und welche wesentlichen Veranderungen das Opernlibretto von der literarischen Vorlage unterscheiden, soll im Folgenden kurz beleuchtet werden57.

Auf den ersten Blick hielt sich Da Ponte trotz der Eingestandnisse an den Kaiser relativ eng an die Vorlage, die dramatische Struktur wirkt ahnlich. Allerdings verringerte er die Anzahl der Akteure von sechzehn auf elf58. Bei der Ubersetzung fasste er im Hinblick auf die musikalische Umsetzung rezitativisch angelegte Passagen zumeist in selten reimende Verse von sieben bzw. elf Silben, wahrend er die eigenstandigen und akzentuierten Gesangsstucke in gereimte Verse und Strophen fasste59.Damit einhergehend reduzierte Da Ponte gegenuber der Vorlage die Aussage oft auf sinnstiftende, pragnante Worte: „Die Verknappung ermoglicht eine Verlagerung des Akzents auf das Zeilenende und bewirkt eine Verdeutlichung des Satztons [...].60 “Stellenweise erganzte Da Ponte die Vorlage wiederum, um Mozart Raum fur dessen kompositorische Entfaltung zu geben. Beispielhaft sei hier der Text zu Figaros Kavatine Se vuol ballare oder zur Arie der Grafin Dove sono i bei momenti genannt.

Auf der anderen Seite nahm er aber auch umfangreiche Streichungen gegenuber der Vorlage vor. So kurzte er das Stuck von funf auf vier Akte; aus ursprunglich 92 (!) Szenen macht Da Ponte genau die Halfte, namlich 46. Dies war notwendig, da ansonsten die konventionelle Wiederholung einzelner Passagen in Arien, Ensembles oder Duetten die Oper ubermaBig in die Lange gezogen hatte61.Besonders an der in Beaumarchais’ viertem Akt zentralen Gerichtsszene sparte er62, auch die Wiedervereinigung Figaros mit seinen Eltern wird kurzer gehalten und er ersetzt den zuvor zitierten aufruhrerischen Monolog des Dieners in Akt V, 3 durch dessen Arientext uber die Untreue der Frauenwelt. Die Meinungen sind gespalten, ob das Stuck dadurch seine ursprungliche politische Dimension abgelegt hat, so wie es beispielsweise Rainer Warning behauptet63, oder das Stuck durchaus seinen sozialkritischen Zundstoff gewahrt, vor dem Hintergrund einer burgerlich gepragten Aristokratiekritik vielleicht sogar verscharft hat64.In jedem Fall ist das Libretto gegenuber der Vorlage grundlegend verandert. Stefan Kunzes Resumee lautet:

Da Pontes Libretto ist, wie schon ein oberflachlicher Vergleich zeigt, weder eine Paraphrase des Schauspiels noch dessen Kurzfassung, wie die Bezeichnung ,estratto’ verstanden werden konnte, sondern eine komprimierende Neufassung.65

Richten wir nun den Blick auf ein Kernstuck dieser Arbeit. Wie gehen Da Ponte und Mozart mit der Gestaltung des Dieners Figaro um und lassen sich ggf. noch uber den Forschungsstand hinausgehende Erkenntnisse gewinnen?

3.3 Der Figaro

In der Forschung sind die Meinungen bezuglich der Figaro-Figur in dieser Oper gespalten. Vielfach wird die Meinung vertreten, Figaro sei ebenso wie in Beaumarchais’ Vorlage revolutionar, ein listiger Charakter, als Rebell dargestellt, der sich zuverlassig gegen den Grafen behauptet. So schreibt etwa Stefan Kunze:

Es bleibt Figaro, der die Rolle des Barbiers von Sevilla mit der des Kammerdieners des Grafen vertauscht hat - ein Aufsteiger also, der es zweifellos noch weit bringen wird. [...] Er ist der Mann, der das „Herz auf dem rechten Fleck“ hat, uberall am Platze, jeder Situation gewachsen ist, gesellschaftliche Schranken ohne weiteres zu uberspringen vermag, von keiner Schwache befallen ist.66

Wolfgang Hildesheimer statuiert, „Gegenspieler des Grafen ist ein Bedienter, und er bleibt der Sieger.“67 Und Wolfgang Ruf auBert sich hinsichtlich der Figaro-Figur folgendermaBen:

Figaros Cavatina „Se vuol ballare“ ist revolutionar weniger durch die ironische Kampfansage an den Herrn als durch die Siegesgewissheit des uberlegenen Dieners. Aus [seinen] Worten [...] spricht das Selbstwertgefuhl des Burgers, der seine faktische Uberlegenheit aus der Lebenspraxis herleitet und sich trotz seiner sozialen Unterordnung bereits im Besitz der besseren Kenntnis und der geistigen Pravalenz empfindet.68

VerhaltnismaBig selten wird Figaro Schwache oder Fehlverhalten attestiert, wie etwa in einem Aufsatz Wilhelm Seidels69 oder ansatzweise auch bei Rainer Warning.70 Auch Dieter Borchmeyer nimmt Abstand von der heroischen Deutung des Figaros:

Es fehlt also der klassische Tenor-Held, der [...] in der Buffa ublicherweise im Zentrum steht - ebenso in Mozarts eigenen Opern bis zum Figaro. [...] DaB Mozart bewusst darauf verzichtet, impliziert auch eine Wertung der Figur: Figaro ist (trotz des Titels) nicht der tenorale Liebhaber und „Held“ des Stucks [...].“71

Und Borchmeyer schlagt in anderem Zusammenhang noch weitaus deutlichere Tone an: „Uberhaupt ist Figaro zwar die Titelfigur der Oper, wird aber im Laufe der Handlung als Hauptperson gewissermaBen abgesetzt. Seine gutgemeinten [sic!] Intrigen scheitern - an der Wahrheit, ja er wird selbst zum Opfer [...].“72

Ebenfalls gespalten ist die Forschungsmeinung, was Figaros und Susannas gegenseitige Liebe angeht. So liest man stellvertretend fur eine Vielzahl von Musikwissenschaftlern bei Wolfgang Willaschek:

Es gehort zu den einmal aufgestellten, danach nicht mehr in Zweifel gezogenen Behauptungen dieses Stuckes, dass Susanna und Figaro zwischen ihrem ersten Duett [...] und ihrer Versohnung [...] im Finale des vierten Aufzuges keine Gelegenheit zur Versicherung ihrer Liebe benotigen.73

Diese Aussage trifft in der Tat auf die verbreitete Meinung der Forschung zu. Aber ist sie tatsachlich derartig unantastbar? Die Frage stellt sich bei der Auswertung jungerer Sekundarliteratur immer haufiger. So liest man etwa bei Dietmar Holland: „Von den ersten Takten der Opernhandlung an lasst Susanna niemanden daruber im Zweifel, daB sie ihren Figaro liebt, aber auch, daB sie ihm uberlegen ist.74 “und Rainer Warning geht noch einen Schritt weiter, indem er schreibt:

Dass aber diese Susanna ebenso wie ihr Figaro schnell auch anderweitig empfanglich werden konnen, zeigt sich zur Genuge, und so spricht denn nichts dafur, dass dieser Ehe die Turbulenzen erspart blieben, von denen die der Almavivas heimgesucht wird.75.

Im Folgenden soll anhand einer ausfuhrlichen Analyse eine selbststandige Aus- und Bewertung der Figurenkonzeption Figaros entwickelt werden.

Das Libretto ist zunachst Grundlage einer Oper. Auf seiner Basis entwarf Mozart die Oper. In ihr sind die Handlung aber auch die Grundzuge der Charaktere definiert. Insofern ist es notwendig, zunachst einmal die Textvorlage hinsichtlich der darin veranlagten Figurengestaltung zu untersuchen. Besonders aufschlussreich sind in diesem Kontext in erster Linie die Stucke, in denen die zu untersuchende Figur, also Figaro selbst auftritt. Anhand des Verhaltens und der Aussagen, des Verhaltnisses und des Umgangs mit anderen Protagonisten lassen sich weitreichende Schlusse auf seine Person ziehen. Naturlich sind aber auch die anderen Szenen zu berucksichtigen, in denen er zwar nicht unbedingt auftritt, in denen seine Person aber direkt oder indirekt thematisiert wird. Um gegebenenfalls auch Entwicklungen innerhalb der Gestaltung einer Figur darstellen zu konnen, bietet es sich an, das Libretto chronologisch zu untersuchen76

Wie der Titel der Oper schon sagt, geht es um Figaros Hochzeit. Zu einer Hochzeit gehoren freilich immer zwei. Aus diesem Grund kann man annehmen, dass besonders das Verhaltnis zu seiner Braut eine wichtige Rolle fur die Konzeption und das Verstandnis des Titelhelden spielt. Insofern ist es notwendig, ein besonderes

Augenmerk auf den Umgang dieser beiden Figuren miteinander zu legen, um den Charakter Figaros und das, was ihn ausmacht, verstehen zu konnen. AnschlieBend werden die gewonnenen Erkenntnisse in Relation zur musikalischen Gestaltung Mozarts gesetzt, denn [...] the primary vehicle of expression, at others subsidiary, the music is always understood in relation to text and action, which may be one of correspondence, conflict or even apparent independence. What music does not, indeed cannot, do is dissociate itself completely from its context.77

3.3.1 Figurencharakteristik anhand des Librettos

3.3.1.1 Akt I

Das Stuck wird eroffnet mit der Gegenuberstellung zweier Personen, die offenbar aneinander vorbei reden. Im ersten Duettino misst Figaro penibel, fast pedantisch den Raum aus, wahrend Susanna von ihrem Hut spricht. Dabei fragt sie Figaro nicht nach dessen Meinung, sondern fordert mit rhetorischem Unterton: „Schau, wie gut mein Hut mir steht.“ (HdF 15)78. Figaros Antwort wirkt gezwungen; sein „noch schoner“ impliziert, dass er vorher schon eine, fur Susanna nicht befriedigende Antwort gegeben haben muss. Auch durch die vorgegebenen Regieanweisungen wirkt Susanna egozentrisch und Figaro schon nach wenigen Zeilen etwas unbeholfen im Umgang mit seiner Braut.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf ein grundsatzliches Problem der komplizierten Ubersetzungsgeschichte hinzuweise79 n. Es gibt zahlreiche deutsche Ubersetzungen von Knigge (1788), Vulpius (1790) und Giesecke (1792). Im 19. Jahrhundert ubertrugen Devrient (1847), Niese (1874), Schletterer (1880) und Levi (1899) den Text ins Deutsche. Max Kalbeck (1906), Siegfried Anheisser (1931) und Georg Schunemann (1939) widmeten sich der Aufgabe zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, teils frei, teils in Anlehnung an vorangegangene Ubertragungen. Schon Adolph Freiherr Knigge, der gemeinsam mit seiner Tochter eine Ubersetzung der Le nozze di Figaro anfertigte, auBerte sich uber die ausgesprochene Schwierigkeit, den italienischen Text Da Pontes ins Deutsche zu ubertragen80. Der Grand ist selbstverstandlich musikalischer Natur. Nur durch die freiere deutsche Ubersetzung konnte man eine Vers- und Reimstruktur entwickeln, die sich mit den musikalischen Akzenten und Strukturen der Musik Mozarts deckte. Dies ist aber insofern problematisch, dass sich womoglich dadurch der inhaltliche Sinn, der oratorische Aspekt verfalscht. Besonders deutlich wird dies bei der Betrachtung der deutschen Textubersetzung des Klavierauszuges der Edition Peters 81. Ich erwahne diesen, da Georg Schunemann seine hierfur erarbeitete deutsche Ubertragung im Vorwort als Symbiose samtlicher deutscher Ubersetzungen darstellt:

Die vorliegende textliche Neufassung sucht aus der verwirrenden Vielfalt all dieser Versuche herauszufuhren. Sie geht von der Erfahrung aus, daB sich der deutsche Opernbesucher keine noch so gut gemeinten philologisch genauen Ubertragungen aufdrangen laBt, sondern nach wie vor an den ihm lieb gewordenen alten Worten und Versen festhalt, wie sie seit Generationen gesungen werden und in den musikalischen Hausschatz eingegangen sind.82

Er reflektiert jedoch nicht jene von Knigge angesprochene Gefahr, den originalen Sinn zu verandern. So wird in zahlreichen Ubersetzungen und eben auch bei genannter Edition viel mehr Harmonie suggeriert, als es der italienische Originaltext zulasst. Dies sei am Beispiel dieses Duetts veranschaulicht. Hier lautet es im Italienischen: SUSANNA, FIGARO. Ah il mattino alle nozze vicino Quanto e dolce al mio (tuo) tenero sposo Questo bel cappellino vezzoso Che Susanna ella stessa si fe’. (HdF 14) Nahezu ohne jede Ubereinstimmung ubersetzt Schunemann jene Passage wie folgt:

SUSANNA, FIGARO. Zu dem frohen und glucklichen Tage, wo begluckt am Altar ich dir sage Ewig bin ich und bleibe ich dein!83

Bereits 1959 weist Rudolf Steglich auf die Problematik der Sinnverfalschung durch ungenaue Ubertragung ins Deutsche hin: „Mozart hat diesen Text gar nicht komponiert, sondern einen wesentlich anderen, und er hatte sich wohl sehr gewundert uber diese Ubersetzung seines [sic!] italienischen Textes. Doch hat sich diese von alters her in unseren Opernhausern eingeburgert.“84

Er zieht jedoch den schwachen Schluss daraus, dass das gesamte Duett der Tatsache gewidmet ist, dass die Dienerin Susanna einen Hut fur sich selbst, statt fur ihre Herrin gefertigt hat. Dabei sagt eine wortliche Ubersetzung daneben weit mehr als das aus. Die Ubertragung Dietrich Kloses halt sich eng an die Vorlage. Fast wortgetreu ubersetzt er, logischerweise auf Kosten des Reimschemas sowie der rhythmischen Struktur:

SUSANNA, FIGARO. Ah, schon naht der Hochzeitsmorgen: wie gefallt da meinem (deinem) zartlichen Gemahl dieses schone, reizende Hutchen, das Susanna fur sich selbst gemacht? (HdF 15)

Es wird deutlich, dass zwar auch im Originaltext die Rede vom Hochzeitstag ist, die traute und einige Zweisamkeit vor dem Altar im italienischen Originaltext jedoch noch nicht thematisiert wird. Es geht hier lediglich um Susannas Hut. Und mit Blick auf das ganze Duettino wird vielmehr eine gegensatzliche Darstellung beider Charaktere gezeichnet, die ganz klar durch Susannas Geltungsbedurfnis dominiert wird.

Ich stutze mich deshalb in der Personencharakterisierung auf diese direktere Ubersetzung der italienischen Vorlage. Die Oper wurde ursprunglich auf Basis des italienischen Wortlautes konzipiert und somit sind auch die ursprunglichen Nuancen, die aus dem Originaltext resultieren, wichtig fur die Figurenkonzeption.85

Zwar eroffnet Figaro das Duett, schafft es aber doch nicht, die Szenerie zu bestimmen. Dabei will man als Zuschauer eigentlich lieber wissen, warum und was Figaro ausmisst, aber die dominante Susanna nimmt sich zunachst die Zeit, die sie benotigt, um sich uber ihren Hut auszulassen. Sie bestimmt, wann es angemessen ist, das Thema zu wechseln. Erst im Rezitativ folgt die Erklarung fur den Messvorgang, und zwar nicht aus freiem Entschluss Figaros, sondern, weil er von Susanna gefragt wird. Er will herausfinden, ob „das Bett, das uns der Graf bestimmt hat“ (HdF 15) in das Zimmer passt. Erstmals wird die Instanz erwahnt, die uber beiden steht und in der harmlosen Erklarung liegt doch eine erstaunliche Brisanz. Das Bett und der Raum, in dem es steht, Symbol tiefster Intimitat in der Beziehung zwischen Mann und Frau, ist fremdbestimmtes Objekt. Diese hochst problematische Tatsache wird von Susann erkannt, sie fragt zunachst unglaubig nach, Figaro hingegen bemerkt die Bedeutsamkeit dessen gar nicht, lobt stattdessen die GroBzugigkeit des Grafen. Susanna wird deutlicher, erstmals wird auch im Dialog ihre geistige Uberlegenheit offen ausgesprochen. Der ahnungslose Figaro versteht nicht ansatzweise Susannas Bedenken und in ihren Augen ist es offenbar zwecklos, sich auf sein geistiges Niveau herabzulassen; auf sein beharrliches Nachfragen antwortet sie, statt zu argumentieren, schlieBlich nur: „Weil ich die Susanna bin, und du verruckt bist!“ (HdF 17).

Noch bevor Figaro offiziell als Diener des Grafen bezeichnet wird, beansprucht Susanna diese Bezeichnung fur ihren Partner: „Bist du mein Diener oder nicht?“ (HdF 17). Dieser Satz birgt eine starke Aussagekraft uber die Beziehung; offenbar handelt es sich um keine Partnerschaft ebenburtiger Unterstutzung, sondern - etwas uberspitzt formuliert - um die einseitige Ausnutzung eines begriffsstutzigen, unselbstbewussten Mannes durch eine emanzipierte Frau.

Erst im letzten Satz des Rezitativs regt sich ein Hauch des Widerstandes bei Figaro, verlauft sich aber direkt im zweiten Duettino. Erstmalig wird hier explizit ausgesprochen, dass auch Susanna als Dienerin im Schloss beschaftigt ist. Figaro scheint seine und Susannas Dienerschaft vollig selbstverstandlich anzusehen, vorerst regt sich kein Hauch eines Aufbegehrens gegen die Unselbstbestimmtheit; in seinen Augen darf die Grafin uber Susanna bestimmen, der Graf uber ihn. Susanna ist diesbezuglich viel aufsassiger. Sie betitelt ihren Herrn mit der Verniedlichungsform „Contino“, das „Grafchen“ (HdF 16/17) und bringt diesen unmittelbar in Verbindung mit dem Teufel. Als Susanna analog zu Figaro die Worte „drei Sprunge nur“ ausspricht, unterbricht Figaro sie sofort, aus Furcht, auch sie konne, so wie er, den Satz mit „schon bin ich zu Diensten“ (HdF 17) beenden.86 Das will Figaro so naturlich nicht wahrhaben, sein Einwurf „Susanna, nicht so laut“ (HdF 19) zeugt davon, dass er in jeder Hinsicht eingeschuchtert ist; sowohl durch seine Freundin, wie auch durch die offensichtlich uneingeschrankte Untergebenheit gegenuber seinem Dienstherren.

Erst nach der unerbittlichen Aufforderung weiter zuzuhoren, beugt sich Figaro dem Befehl und gewahrt ihr resignierend, ihren Gedanken zu Ende zu bringen. Vorab spricht sich Susanna gewissermaBen die Absolution zu; Figaro moge Verdachtigungen ihr gegenuber in jedem Falle unterdrucken. Er wirkt wie eine Marionette seiner Umwelt, fremdbestimmt und seinen ansatzweise aufsteigenden Unmut erstickt Susanna fast mit mutterlicher Uberheblichkeit im Keim: „Nun gut, hor zu und schweig!“ (HdF 19). Wie groB Susannas Wissensvorsprung gegenuber Figaro ist, zeigt der folgende Dialog. Gleich mehrmals wird er in seiner Gutglaubigkeit erschuttert.

Erst offenbart sie ihm, dass der Graf ihr nachstellt, worauf Figaro vollig uberrascht reagiert („Auf dich?“, HdF 19). Dann setzt sie nach, dass Don Basilio als Kuppler fnngiert. Wiederum fallt Figaro aus allen Wolken. AnschlieBend macht sich Susanna uber die Naivitat ihres Brautigams regelrecht lustig: „Und du hast geglaubt, daB meine Mitgift deinem hubschen Gesicht zu verdanken sei!“ (HdF 21). Figaro wird dennoch von seinem Glauben an das Gute zuruck gewonnen, wendet ein, dass das ius primae noctis abgeschafft sei. Er ist so sicher in seinem Glauben an Recht und Ordnung, dass er sich nicht vorstellen kann, dass sich sein Herr daruber hinweg setzen konnte. Als Susanna ihm eroffnet, dass der Graf offenbar wenig Skrupel vor der Missachtung dieses Gesetzes zeigt, gerat Figaro erstmals ernsthaft in Rage. Ein kurzes Klingelzeichen reicht jedoch, ihn augenblicklich in seine Welt des Rechts und der Ordnung zuruckzuversetzen; und das, obwohl Susanna ihm im vorangegangenen Duettino Nr. 2 verdeutlicht hat, welch fatale Folgen ein solches Klingeln haben kann. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass Susanna ihn um mehr Verstand ermahnt (Vgl. HdF 21).

Es ist bemerkenswert, dass bei Beaumarchais die schroffe Divergenz in diesem AusmaB noch nicht zu erkennen war. Hier heiBt es an entsprechender Stelle lediglich „Denk uber unsere Sache nach!“87 Weiterhin streicht Da Ponte ein schelmisches Liebesgestandnis der beiden aus der Vorlage 88, und grundsatzlich ist zwar zu diesem Zeitpunkt Susanna auch im franzosischen Original die uberlegene Person mit Wissensvorsprung und legt einen gewissen Sarkasmus ihrem Brautigam gegenuber an den Tag; Figaro jedoch wirkt selbstbewusster („Du spottest, Spitzbubin!“) und Susanna erkennt seine Gescheitheit an, bezeichnet ihn beispielsweise als „intelligenten Menschen“89

In der zweiten Szene des ersten Aktes beginnt Figaro sich zu verandern. Der bislang extrem gutmutige, etwas naive Mann, wird erstmals wutend. Seine Begriffsstutzigkeit zeigt sich aber in der Formulierung „Jetzt fang ich an das Geheimnis zu kapieren.“ (HdF 21). Wahrend der Zuschauer aufgrund der Ausfuhrungen Susannas langst die Lage begriffen hat, betont Figaro selbst sein langsames Erfassen der Situation.

Gleich zu Beginn des Textes seiner Kavatine Se vuol ballare wird die Formulierung „Contino“ (Grafchen) aufgenommen, um die soziale Kluft zwischen beiden zu uberspielen. Diese hat Figaro von Susanna abgeschaut, die ihren Herrn schon bei ihrer ersten Anrede im zweiten Duett so titulierte. Figaro bewegt sich jedoch auf ungewohntem Territorium, in der ersten Strophe schwingt noch immer latent das Verhaltnis des Untergebenen zum Herren mit; schlieBlich geht es darum, wenn auch mit sarkastischem Unterton, etwas fur jemanden zu tun, namlich Gitarre zu spielen. Erst in der zweiten Strophe verkehrt er das Rollenverhaltnis, macht sich zum Lehrer und den Grafen zu einer Person, die von ihm lernen kann (Vgl. HdF 23). In der dritten und vierten Strophe redet er sich Uberlegenheit ein. Angesichts seines bisherigen Auftritts wirkt dieser Ausbruch plotzlicher Selbstuberzeugung und sein unerwarteter Stolz nicht recht glaubwurdig. Verstarkt wird dieser Eindruck durch die Wiederholung der letzten Strophe, die nochmals das ursprungliche Rollenverhaltnis unterstreicht, aus dem Figaro sich gedanklich eigentlich nicht zu befreien vermag.

In der achten Szene tritt Figaro mit dem Chor der Bauerinnen und Bauern auf. Sein Plan ist, den Grafen unter dem Druck der Offentlichkeit zur Hochzeit zu drangen. Zunachst raunt er Susanna zu, dass „der Tanz beginnt“ (HdF 47). Es wirkt wie ein verabredetes Codewort, das sich auf die Worte seiner Kavatine beziehen lieBe. Figaro scheint aber nicht zu bedenken, dass Susanna diese nicht gehort hat. Dass er sie trotzdem sofort um Hilfe bittet, ist typisch, jedoch unterstutzt Susanna ihn in seinem Plan, die Hochzeit voranzubringen, mit keinem Wort. Also ergreift Figaro eigenmachtig die Initiative: Er bittet den Grafen vor zahlreichen Zeugen, Susanna das Brautkleid anzulegen, um die Hochzeit zu besiegeln. Der Graf ist somit gezwungen der EheschlieBung zuzustimmen, bittet jedoch um etwas zeitlichen Aufschub. Bemerkenswerter Weise ist die Reaktion des Brautpaares darauf hochst unterschiedlich: Die Braut argert sich, statt sich zu freuen, in boshaftem Ton uber die Verlogenheit der Mannerwelt. Sie scheint anfangs langst nicht so enthusiastisch wie ihr Brautigam von der offenbar besiegelten Hochzeit. Der Brautigam dagegen meint - zu voreilig - das Spiel gewonnen zu haben; sein Rechtsbegriff und sein heiles Weltbild ist vorerst wieder hergestellt und er ist sicher, nun seine Hochzeit, wenn auch nicht beschleunigt, doch zumindest gesichert zu haben:

SUSANNA (boshaft). Das nenn ich Tugend!

FIGARO. Das nenn ich Gerechtigkeit! (HdF 49).

Darauf, dass der Graf in seiner Bitte um Aufschub an Marcellina denkt, die den Plan durchkreuzen konnte („vor den Augen meiner besten Getreuen“, (HdF 49)), kommt Figaro nicht. Stattdessen bejubelt er den Grafen und merkt nicht, dass dieser die Situation langst wieder kontrolliert. Als das Geschehen sich auf Cherubino verlagert, wittert der Graf einen weiteren Trumpf im Armel. Er fordert den Pagen auf, Susanna „zum letzten Mal“ (HdF 51) zu umarmen und Figaro wird stutzig. War der erste Versuch, Figaros Braut und Cherubino als vermeintlich inflagranti erwischtes Parchen zu prasentieren, erfolglos geblieben90, gelingt ihm sein Plan nun und der Brautigam beginnt innerlich vor Wut zu kochen. Und auch wenn Susanna eine Liaison mit dem Pagen vehement bestreitet, scheint der aufflammende Verdacht so unbegrundet nicht. Um nur einige Beispiele zu nennen, ruft Cherubino sie „Susannchen“ (HdF 31) und in ihrer Stimme schwingt merkliche Enttauschung mit, als sie auf die Nachricht, er musse das Schloss verlassen, antwortet:

SUSANNA. Mich seht ihr nicht wieder! Bravo! Doch verlangt nach der Grafin nicht mehr heimlich euer Herz? (HdF 31).

Selbst im zweiten Akt spricht Susanna gegenuber der Grafin mehr als zweideutig uber den Pagen: „Oh, in Wahrheit macht er [Cherubino, J.J.] alles gut, was er macht.“ (HdF 65) und etwas spater heiBt es: „Seht, wie schon er ist! [...] Wenn ihn die Frauen lieben, haben sie gewiB ihre Grunde“ (HdF 69). Sie ist definitiv nicht in der Lage, sich dem erotischen Reiz des Jungen ganzlich zu entziehen. Figaro spurt das instinktiv. In seine scheinbar anerkennende und Mut spendende Verabschiedung fur den frisch in den Offiziersdienst berufenen Cherubino einstimmt, tut er das laut Regieanweisung mit geheuchelter Freude (HdF 51); innerlich ist er also erleichtert, zumindest diesen Konkurrenten los zu sein.

Angesichts der vorherigen Ereignisse zeigt sich im Text dieser Arie eine neue Seite an Figaro. Die ersten Zeilen klingen spottisch:

FIGARO. Aus und vorbei, verliebter Schmetterling, das muntere Gaukeln tagsuber und nachts, das Unruhestiften bei den Schonen, kleiner NarziB, Adonis der Liebe. (HdF 53)

Unmittelbar zuvor hat Cherubino in Figaro Unruhe gestiftet. Der erwahnte „leichte und galante Hut“ (HdF 53) konnte durchaus auf Susanna bezogen werden; schlieBlich war er Gegenstand der gesamten ersten Szene und stand symbolisch fur ihre Figur. Mit der ausfuhrlichen Schilderung des Soldatenlebens zahlt Figaro ausschlieBlich Eigenschaften auf, die auf Cherubino befremdlich wirken mussen. Der knabenhafte Schongeist passt schlieBlich so gar nicht in eine Umgebung rauer Sitten und groBer Barte (Vgl. HdF 53). Auch sprachlich legt Da Ponte diesen inneren Widerspruch geschickt an:

Da Ponte [verwendet] hier den Decasillabo als Vers: Die Anspielung auf Krieg und militarischen Ruhm entspricht der traditionellen Semantik dieses VersmaBes, wird aber hier zugleich im Kontext ironisch gebrochen. Im Decasillabo spricht Figaro namlich noch nicht vom Krieg, sondern vom suBen Leben des erotischen ,Schmetterlings’ und kleinen Adonis Cherubino; erst wenn sich das VersmaB zum Ottonario andert, erscheint der Krieg am Horizont.91

Aus der Feststellung lieBe sich aber auch ableiten, dass Figaro in Wirklichkeit uberhaupt keine Ahnung vom wahren Soldatenleben hat. Nichtsdestotrotz erweckt der Diener, indem er sich als vermeintlicher Spezialist auf dem Gebiet des Militars profiliert, erstmals den Anschein einer Leitfigur gegenuber seiner Umwelt. Figaro scheint erstmals Einfluss auf andere ausgeubt zu haben, statt sich permanent auBeren Einflussen zu beugen.

3.3.1.2 Akt II

Da Ponte lasst Figaro gestarkt aus dem ersten Akt hervorgehen. Mit seiner Abschiedsarie fur den Pagen hat er Eindruck auf seine Umgebung gemacht; auBerdem ist er der festen Uberzeugung, durch sein Manover mit dem Chor die Plane des Grafen durchkreuzt zu haben. Allerdings ist auch die aufgeflammte Eifersucht in ihm noch nicht erloschen. Zusammenfassend lasst sich konstatieren, dass die vorangegangenen Ereignisse eine enorme Vitalitat in dem jungen Mann geweckt haben. Er tritt genau in dem Moment auf, als die traurige Grafin Susanna uber die generellen

Eigenschaften eines Ehemannes aufklart:

GRAFIN. [...] prinzipiell untreu, von Natur launisch, und aus Stolz dann alle eifersuchtig.

Aber wenn Figaro dich liebt... er allein konnte... (HdF 55).

Ehe sie Figaro von diesen Charakteristika freisprechen kann (oder will), platzt er ungestum und frohlich singend ins Gemach der Grafin. Forsch spricht er die Grafin direkt drauf an, dass ihr Ehemann Susanna nachstellt. Angesichts der ergreifenden Worte der Grafin in ihrer Kavatine Porgi amor qualche ristoro, die verdeutlichen, wie sehr die Grafin durch die Ablehnung ihres Ehemanns verletzt ist, wirkt sein Auftritt taktlos und plump. Erstmals bietet er aber auch seiner zukunftigen Braut Paroli, unterstellt Susanna, dass sie einer Affare mit dem Grafen moglicherweise nicht abgeneigt gegenuber stehe, und ihm ist nun auch bewusst, dass Marcellina zum Problem werden konnte, da zwischen ihr und ihm noch ein uneingelostes.

[...]


1 Beaumarchais, (Pierre-Augustin Caron de): Die Figaro-Trilogie, Deutsche Ubersetzung von Gerda Scheffel, Frankfurt (Insel Verlag) 1976.

2 Eisen, Cliff u.a.: Art. (3) (Johann Chrysostom) Wolfgang Amadeus Mozart in: NGroveD2, Bd. 17 (2001), S. 276-347.

3 Man kann grundsatzlich davon ausgehen, dass Gesamtdarstellungen wie z.B. Leopold, Silke (Hrsg.): Mozart Handbuch, unter Mitarbeit von Jutta Schmoll-Barthel und Sara Jeffe, Stuttgart (Metzler) und Kassel etc. (Barenreiter) 2005, oder etwa Abhandlungen uber Mozart und Da Ponte wie etwa Metzger, Heinz-Klaus und Rainer Riehn (Hrsg.): Mozart. Die Da Ponte-Opern, Munchen (edition text und kritik) 1991 Le nozze di Figaro thematisieren.

4 Csampai, Attila und Dietmar Holland (Hrsg.): Wolfgang Amadeus Mozart. Die Hochzeit des Figaro. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek (Rowohlt) 1982.

5 Borchmeyer, Dieter und Gernot Gruber (Hrsg.): Mozarts Opern, 2 Bde., Bd. 1 (= Das Mozart- Handbuch, Bd. 3/1), Laaber (Laaber) 2007.

6 Jahn, Otto: W. A. Mozart, Bd. 2, 3. von Hermann Deiters bearb. u. erg. Aufl., Leipzig (Breitkopf und Hartel) 1891 (11856), S. 290.

7 In diesem Zusammenhang seien exemplarisch einige Werke genannt, z.B. Warning, Rainer: Von der Revolutionskomodie zur Opera buffa: Le Nozze di Figaro und die Erotik der Empfindsamkeit, in: Dieter Borchmeyer (Hrsg.), Mozarts Opernfiguren. Grofie Herren, rasende Weiber - gefahrliche Liebschaften (= Facetten deutscher Literatur, Bd. 3), Bern u.a. (Paul Haupt) 1992, S. 49-70, Hollerer, Elisabeth: Handlungsraume des Weiblichen. Die musikalische Gestaltung der Frauen in Mozarts Le nozze di Figaro und Don Giovanni (= Europaische Hochschulschriften, Reihe XXXVI, Bd. 215) Frankfurt (Peter Lang) 2001, Fassler, Urs: Das klingende Welttheater des Eros. W. A. Mozarts Le nozze di Figaro, Zurich (Chronos) 2003 oder Willaschek, Wolfgang: Le nozze di Figaro. Musikalisches Schauspiel der sozialen Utopie, in: Ders.: Mozart-Theater. Vom „Idomeneo“ bis zur „Zauberflote“, Stuttgart / Weimar (Metzler) 1995, S. 119-184.

8 Till, Nicholas: Mozart and the Enlightenment. Truth, Virtue and Beauty in Mozart’s Operas, London und Boston (Faber and Faber) 1992 oder Ruf, Wolfgang: Die Rezeption von Mozarts “Le Nozze di Figaro” bei den Zeitgenossen (= Beihefte zum Archiv fur Musikwissenschaft, Bd. 16), Wiesbaden (Steiner) 1977.

9 Hier ist allen voran die Monographie Stefan Kunzes zu nennen: Kunze, Stefan: Mozarts Opern, Stuttgart (Reclam) 1984 zu nennen, aber auch Levarie, Siegmund: Mozart’s Le Nozze di Figaro. A critical Analysis, New York (Da Capo Press) 1977.

10 Puntscher-Riekmann, Sonja: Mozart. Ein burgerlicher Kunstler. Studien zu den Libretti „Le Nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Cosi fan tutte“ (= Junge Wiener Romanistik, Bd. 4), Wien u.a. (Bohlau) 1982, Gschwend, Ragni Maria: Figaros Flehn und Flattern - Mozart in den Fangen seiner Ubersetzer, Straelen (Straelener Manuskripte Verlag) 2006 oder Istel, Edgar: Dramaturgische Analyse von Da Pontes Libretto zu Mozarts Figaros Hochzeit, in: Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Hrsg.): Mozart. Die da Ponte-Opern (= Musik-Konzepte Sonderband), Munchen (edition text & kritik) 1991, S. 88-111.

11 Geradezu prototypisch hervorzuheben ist insbesondere das Buch des franzosischen Literaten Stendhal [= Henri Beyle]: Rossini, ubersetzt von Barbara Brumm, Munchen (Piper) und Mainz (Schott) 1992, aber auch Weinstock, Herbert: Rossini. A Biography. London (Oxford University Press) 1968 oder Osborne, Richard: Rossini. Leben und Werk, ubersetzt von Grete Wehmeyer, Munchen (Knaur) 1992.

12 John, Nicholas (Hrsg.): The barber of Seville / Moses. Il Barbiere di Siviglia / Moise et Pharaon (= Opera Guide 36), London (Calder) und New York (Riverrun Press) 2004.

13 Rognoni, Luigi: Komischer Realismus und romantischer Subjektivismus bei Rossini, in: Oper 1972. Ein Jahrbuch der Zeitschrift „Opernwelt“, Velber (Friedrich) 1973, S. 70-78.

14 Schreiber, Ulrich: Erkundung eines Archipels. Gioacchino Rossini, in: Ders.: Die Kunst der Oper. Geschichte des Musiktheaters, Bd. 2, Frankfurt am Main (Buchergilde Gutenberg) 1991, S. 179-224.

15 Lamacchia, Saverio: Der wahre Figaro oder das falsche Faktotum. Neubewertung des Barbiere di Siviglia von Rossini (= Schriftenreihe der Deutschen Rossini Gesellschaft e.V., Bd. 7), ubersetzt von Marcus Kohler, Leipzig (Leipziger Universitatsverlag) 2009.

16 Ebd., Vorwort, S. VI.

17 Graybill, Jackie: The Operatic Styles of Mozart and Rossini Through the Lens of Figaro, URL: http://www.florencenewspaper.it/vediarticolo.asp?id=a7.06.04.00.05 (06.12.2009).

18 Robinson, Paul: Enlightenment & Reaction, in: Ders.: Opera & Ideas. From Mozart to Strauss, Ithaca, New York (Cornell University Press) 1985, S. 8-57.

19 Flugge, Manfred: Figaros Schicksal. Das Leben des Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, Munchen (DTV) 2001, S. 128.

20 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de: Lettre moderee sur la chute et la critique du ,Barbier de Seville (~ Vorwort zur ersten Auflage des Barbier de Seville). Deutsche Ubersetzung zit. n. Csampai/Holland: Hochzeit des Figaro (wie Anm. 4), S. 211.

21 Vgl. Gier, Albert: Haarige Geschichten. Beaumarchais, Paisiello, Cesare Sterbini und Rossini, Nachwort zu: Rossini, Gioacchino: Il barbiere di Siviglia. Melodramma buffo in due atti / Der Barbier von Sevilla. Komische Oper in zwei Akten, Textbuch Italienisch/Deutsch, ubersetzt von Thomas Flasch, Stuttgart (Reclam) 1994, S. 137-151, S. 139.

22 Spada, Marco: The Roots of a Masterpiece, in: Nicholas John (Hrsg.): The barber of Seville / Moses. Il Barbiere di Siviglia /Moise et Pharaon (= Opera Guide 36) London (Calder) 2004, S. 18-26, S. 20.

23 Beaumarchais, Figaro-Trilogie (wie Anm. 1), S. 28.

24 Ebd., S. 18.

25 Ebd., S. 16f.

26 Beaumarchais, Pierre Augustin Caron de: Aus dem Vorwort zu ,Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit’, in: Csampai, Attila und Dietmar Holland (Hrsg.): Wolfgang Amadeus Mozart. Die Hochzeit des Figaro. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek (Rowohlt) 1982, S. 224-233, S. 226.

27 Bei Beaumarchais wird Figaros Partnerin nicht wie bei Da Ponte „Susanna“, sondern „Suzanne“ geschrieben.

28 Vgl. Boureau, Alain: Das Recht der Ersten Nacht. Zur Geschichte einer Fiktion, Dusseldorf und Zurich (Artemis & Winkler) 1996.

29 Beaumarchais, Figaro-Trilogie (wie Anm. 1), S. 159.

30 Ebd., S. 175.

31 Ebd., S. 224.

32 Flugge, Figaros Schicksal (wie Anm. 19), S.179.

33 Vgl. Beaumarchais, Vorwort Hochzeit (wie Anm. 26), S. 232.

34 Miller, Norbert: Die Schule der Intrige oder der Burger als Parvenu. Zur Figaro-Trilogie von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais, in: (Pierre-Augustin Caron de) Beaumarchais: Die Figaro- Trilogie, ubersetzt von Gerda Scheffel, Frankfurt (Insel Verlag) 1976, S. 347-394, S. 383.

35 Flugge, Figaros Schicksal (wie Anm. 19), S. 185f.

36 Das Stuck spielt Ende des Jahres 1790 in Paris. Das grafliche Ehepaar ist vollig entzweit, beide versuchen vergeblich ihre unehelichen Kinder Leon und Florestine voreinander zu verbergen. Auch Figaro und Susanna scheinen von der Liebe ernuchtert und zwischen allen steht der intrigante Monsieur Begearss, der versucht, samtliche Figuren gegeneinander auszuspielen, bis er letztlich enttarnt wird und der Familienfrieden wiederhergestellt wird. Vgl. Beaumarchais, Figaro-Trilogie (wie Anm. 1), S. 249-346.

37 Vgl. Angermuller, Rudolph: Figaro. Mit einem Beitrag von Wolfgang Putz. „Le Nozze di Figaro“ auf dem Theater, Munchen (Bayerische Vereinsbank) 1986, S. 37ff.

38 Vgl. Beaumarchais, Figaro-Trilogie (wie Anm. 1), S. 14f.

39 „[...] Telle bouche le recuielle, et piano, piano vous le glisse en l’oreille adroitement. Le mal est fait, il germe, il rampe, il chemine, et rinforzando de bouche il va le diable. [...] un crescendo public, un chorus universel de haine et de proscription/' zit.n. Angermuller, Figaro (wie Anm. 37), S. 34ff.. Vgl. auch Beaumarchais, Figaro-Trilogie (wie Anm. 1), S. 40.

40 Vgl. Gier, Haarige Geschichten (wie Anm. 21), S. 142.

41 Lazarevich, Gordana: Art. Il Barbiere di Siviglia (i), in: The New Grove Dictionary of Opera, Stanley Sadie (Hrsg.), Bd. 1, 1992, S. 309-311, S. 310. 2 Z. B. schreibt er in einem Brief an Leopold Mozart vom 11.10.1777: „[...] ich habe eine unaussprechliche begierde wieder einmahl eine opera zu schreiben.“ abgedruckt in: (Mozart, Wolfgang Amadeus): Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, Bd. 2, hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg. Ges. und erl. von W. A. Bauer und O. E. Deutsch, Kassel u.a. (Barenreiter) 1962, S. 45.

42 Vgl. Till, Enlightenment (wie Anm. 8), S. 137.

43 Brief an Leopold Mozart vom 7.5.1783 abgedruckt in: (Mozart, Wolfgang Amadeus): Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, Bd. 3, hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg. Ges. und erl. von W. A. Bauer und O. E. Deutsch, Kassel u.a. (Barenreiter) 1963, S. 268.

44 Vgl. Da Ponte, Lorenzo: Entstehung und Urauffuhrung der Oper ,Le nozze di Figaro’ in: Attila Csampai und Dietmar Holland (Hrsg.): Wolfgang Amadeus Mozart. Die Hochzeit des Figaro. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek (Rowohlt) 1982, S. 255-260, S. 256.

45 Borchmeyer/Gruber: Mozarts Opern (wie Anm. 5), S. 281.

46 Ein Exemplar befand sich nachweislich im Nachlass Mozarts.

47 Borchmeyer/Gruber: Mozarts Opern (wie Anm. 5), S. 286.

48 Eine hervorragende, ausfuhrlichere Inhaltsangabe findet sich beispielsweise in: Csampai/Holland: Hochzeit des Figaro, S. 30-34.

49 Finscher, Ludwig: Vorwort zu: Mozart, Wolfgang Amadeus: Le nozze di Figaro. (= Neue Ausgabe samtlicher Werke, Serie II: Buhnenwerke, Werkgruppe 5: Opern und Singspiele, Bd. 16: Le nozze di Figaro), Kassel u.a. (Barenreiter) 1973 (BA 4565), S. VII-XXII, S. VIII.

50 Vgl. Edge, Dexter: Musikwissenschaftliche Einfuhrung, ubersetzt von Thomas M. Hopfner in: Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro. K. 492. Facsimile of the Autograph Score (= Mozarts Operas in Facsimile, Bd. 3), hrsg. von Dietrich Berke, Kassel u.a. (Barenreiter) 2007, S. 38­50, S. 40f.

51 Vgl. Deutsch, Otto Erich und Joseph Heinz Eibl (Hrsg.): Mozart. Die Dokumente seines Lebens, Kassel (Barenreiter) 1981, S. 143.

52 Vgl. Ebd., S. 142

53 Brief vom 15. Januar 1787 an Gottfried von Jacquin aus Prag, abgedruckt in: (Mozart, Wolfgang Amadeus): Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, Bd. 4, hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg. Ges. und erl. von W. A. Bauer und O. E. Deutsch, Kassel u.a. (Barenreiter) 1963, S. 10.

54 Vgl. Deutscher Buhnenverband: Statistik der Spielzeiten 1997/1998 bis 2007/2008, URL: http://www.3sat.de/theater/pdf/statistik_30_opern.pdf (6.12.2009).

55 Brief Leopold Mozarts an seine Tochter, 11.11.1785 in: Mozart, Briefe und Aufzeichnungen (wie Anm. 44), S. 443f.

56 Eine ausfuhrliche szenische Gegenuberstellung samtlicher Veranderungen findet sich bei Istel, Dramaturgische Analyse (wie Anm. 10), S. 88-111.

57 Damit sind es immer noch mehr handelnde Figuren als in der konventionellen Opera buffa. Hier treten selten mehr als sieben oder acht Personen auf.

58 Vgl. Kunze, Mozarts Opern (wie Anm. 9), S. 235.

59 Vgl. Ruf, Rezeption (wie Anm. 8), S. 82.

60 Da Ponte selbst weist im Vorwort des Librettos auf diese Problematik hin. Vgl. Da Ponte, Entstehung

und Urauffuhrung (wie Anm. 45), S. 253.

61 Gustav Mahler hat diese Szene 1906 fur eine Wiener Neuinszenierung rezitativisch nachkomponiert.

62 Vgl. Warning, Erotik der Empfindsamkeit (wie Anm. 7).

63 Vgl. Ruf, Rezeption (wie Anm. 8).

64 Kunze, Mozarts Opern (wie Anm. 9), S. 235.

65 Ebd., S. 246.

66 Hildesheimer, Wolfgang: Mozart. Frankfurt (Suhrkamp) 1977, S. 192.

67 Ruf, Rezeption, (wie Anm. 8), S. 94.

68 Vgl. Seidel, Wilhelm: Figaros Cavatina „Se vuol ballare Signor Contino“. Ein Degen- oder Fintenstuck?, in: Josef Kuckertz (Hrsg.): Neue Musik und Tradition. Festschrift Rudolf Stephan, Laaber (Laaber) 1990, S. 149-170.

69 Vgl. Warning, Erotik der Empfindsamkeit (wie Anm. 7), S.55f.

70 Borchmeyer/Gruber: Mozarts Opern (wie Anm. 5), S. 287.

71 Borchmeyer, Dieter: Mozart oder Die Entdeckung der Liebe, Frankfurt am Main (Insel Verlag) 2005, S. 75.

72 Willaschek, Mozart-Theater (wie Anm. 7), S. 122.

73 Holland, Dietmar: „Was in unseren Zeiten nicht erlaubt ist gesagt zu werden, wird gesungen“. Zur subtilen Sozialkritik in Mozarts ,Le nozze di Figaro ’, in: Attila Csampai und Dietmar Holland (Hrsg.): Wolfgang Amadeus Mozart. Die Hochzeit des Figaro. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek (Rowohlt) 1982, S. 9-29, S. 24.

74 Vgl. Warning, Erotik der Empfindsamkeit (wie Anm. 7) , S. 69.

75 Dies bedeutet freilich nicht, dass das Libretto bzw. die Komposition auch chronologisch entstanden sein muss. Zum Entstehungs- / Kompositionsprozess vgl. z.B. Finscher, Vorwort (wie Anm. 50), S. IX.

76 Waldoff, Jessica und James Webster: Operatic Plotting in Le nozze di Figaro. in: Stanley Sadie (Hrsg.): Wolfgang Amade Mozart. Essays on his Life and his Music, Oxford (Clarendon Press) 1996, S. 250-295, S. 295.

77 Samtliche direkten Zitate aus dem Libretto werden im Folgenden im FlieBtext kenntlich gemacht. Dazu wird das Kurzel HdF fur Hochzeit des Figaro nebst der jeweiligen Seitenzahl in Klammern nach der zitierten Passage angegeben. Grundlage der Analyse ist die bei Reclam erschienene Librettoubersetzung Dietrich Kloses: Mozart, Wolfgang Amadeus: Le nozze di Figaro /Die Hochzeit des Figaro, KV 492. Opera buffa in vier Akten, Textbuch Italienisch / Deutsch [...], ubersetzt von Dietrich Klose, Stuttgart (Reclam) 1990.

78 Vgl. z.B. Gschwend, Figaros Flehn und Flattern (wie Anm. 10).

79 „Wer die Schwierigkeiten einer so undankbaren Arbeit kennt, als die ist, teutsche Verse, statt der italienischen, einer schon fertigen, und noch obendrein so schweren Music zu unterlegen; der wird keine schone Poesie in diesen Arien erwarten. Man muB da auf die Uebereinstimmung des musicalischen Accents mit den gramatticalischen und oratorischen genaue Rucksicht nehmen, wenn es keine Schuler-Arbeit seyn soll.“ Knigge, Adolph Freiherr: Dramaturgische Blatter (= Samtliche Werke, Bd. 18) Munchen u.a. (Saur) 1992, S. 493.

80 Mozart, Wolfgang Amadeus: Die Hochzeit des Figaro. Komische Oper in vier Akten. Deutsche Textbearbeitung von Georg Schunemann. Klavierauszug von Kurt Soldan, Frankfurt u.a. (C. F. Peters) 1939, (Ed. Peters Nr. 4472, Pl.-Nr. 11432).

81 Schunemann, Georg: Vorwort zu: Wolfgang Amadeus Mozart: Die Hochzeit des Figaro. Komische Oper in vier Akten. Deutsche Textbearbeitung von Georg Schunemann. Klavierauszug von Kurt Soldan, Frankfurt u.a. (C. F. Peters) o.J. (Ed. Peters Nr. 4472, Pl.-Nr. 11432), o.S.

82 Mozart, Figaro Schunemann/Soldan (wie Anm. 81), S. 10f.

83 Steglich, Rudolf: Bemerkungen zum ersten Duett in ,Figaros Hochzeit’. In: MJb 1959, Salzburg (Internationale Stiftung Mozarteum) 1960, S. 109-113.

84 Da, wie anhand des Beispiels deutlich geworden, die Ubersetzung Kloses dem Original sehr nahe ist, wird bei direkten Zitaten auf die Angabe des Originalwortlauts verzichtet, sondern mit Blick auf die einfachere Verstandlichkeit sogleich die deutsche Ubersetzung angegeben.

85 Vgl. Fassler, Welttheater (wie Anm. 7), S. 24.

86 Beaumarchais, Figaro-Trilogie (wie Anm. 1), S. 108.

87 Ebd.

88 Ebd., S. 107.

89 Graf. Basilio, beeilt euch, dass ihr den Figaro noch erwischt. (Er zeigt auf Cherubino, der sich nicht von der Stelle ruhrt.) Ich will, dass er sieht... (Akt I, Szene 7, HdF 45).

90 Borchmeyer/Gruber: Mozarts Opern (wie Anm. 5), S. 291.

91 Borchmeyer/Gruber: Mozarts Opern (wie Anm. 5), S. 291.

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
Figurenkonzeption. Studien zu Mozart und Rossini
Untertitel
Am Beispiel "Hochzeit des Figaro" und dem "Barbier von Sevilla"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
125
Katalognummer
V155561
ISBN (eBook)
9783640686131
ISBN (Buch)
9783640685899
Dateigröße
2313 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Arbeit wird die Figurenkonzeption in Mozarts „Le nozze di Figaro“ und Rossinis „Barbiere de Siviglia“ untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Figur des Figaro. Er dient als ‚Brennglas’ hinsichtlich der musikalischen Gesamtkonzeption und dramaturgischen Intention der Werke. Dabei haben sich einige Erkenntnissen ergeben, die sowohl für Dramaturgen und Regisseure, für Musikwissenschaftler als auch für den aufmerksamen und interessierten Opernbesucher von Interesse sein könnten.
Schlagworte
Figaro, Mozart, Rossini, Hochzeit des Figaro, Barbiere, Figurenkonzeption, nozze, Siviglia, Oper, da ponte
Arbeit zitieren
Julian Jannsen (Autor:in), 2010, Figurenkonzeption. Studien zu Mozart und Rossini, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155561

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