Altruismus - Ursachen altruistischen Verhaltens


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Gefangenendilemma

2. Kooperation
2.1 Wie entsteht Kooperation?
2.2 Kooperation unter Feinden

3. Altruismus
3.1 Der Kosten-Nutzen-Faktor
3.2 „Das egoistische Gen“
3.2.1 Genetische Verwandtschaft
3.2.2 Wechselseitiger Altruismus

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Ursprünglich wurde die Spieltheorie von ihren Gründern, dem Mathematiker John von Neumann (1903-1957) und dem Ökonomen Oskar Morgenstern (1902-1977), entworfen als eine normative Theorie darüber, wie sich rationale, Nutzen maximierende Akteure optimal zu verhalten hätten in Situationen strategischer Interaktion, in denen es keine völlige Gleichsinnigkeit der Einzelinteressen gibt.

Seit diesem Entwurf hat sich viel getan in Hinsicht darauf, dass viele andere wissenschaftliche Bereiche die Spieltheorie für sich entdeckt haben und für ihre Forschung nutzen. So bleibt ihre Anwendung nicht auf den Bereich der Mathematik und Ökonomie beschränkt, sondern wird gleichermaßen in der Evolutionsbiologie, der Philosophie etc. genutzt. So wird sie auch in dieser Arbeit - zumindest in Ansätzen - zur Anwendung kommen.

Thema dieser Arbeit soll sein unter verschiedenen Aspekten altruistisches Verhalten unter Individuen zu untersuchen und die Frage zu klären, wie dieses altruistische Verhalten ausgelöst wird und ob es sich dabei per definitionem um „echten“ Altruismus handelt.

Handelt z.B. eine Biene, die ihr Leben für den Bienenstaat opfert altruistisch? Kann man annehmen, dass die mütterliche, selbstlose Fürsorge tatsächlich altruistisch ist? Inwieweit ist genanntes Verhalten nicht durch Altruismus, sondern vielleicht sogar durch Egoismus motiviert? Diese und andere Fragen sollen im Folgenden geklärt werden.

1. Das Gefangenendilemma

Im Folgenden wird das Gefangenendilemma eine wesentliche Rolle spielen, weswegen es notwendig ist, es an dieser Stelle vorzustellen.

Bei dem Gefangenendilemma, das auf A.W. Tucker zurückgeht, steht Interaktion zweier Individuen im Mittelpunkt, die eine Entscheidung treffen müssen, wobei deren Konsequenz stark von der Entscheidung des anderen abhängt. Sie haben dabei jedoch keine Möglichkeit sich abzusprechen, also zu kommunizieren.

Im Folgenden wollen wir uns zunächst dem sogenannten one-shot -Gefangenendilemma widmen, also dem Fall, bei dem die Interaktionssituation einmalig auftritt:

Zwei Verdächtige werden in einem Untersuchungsgefängnis in getrennte Zellen gesperrt. Die öffentliche Hand ist sich sicher, daß beide gemeinsamein bestimmtes Verbrechen begangen haben, man hat jedoch nicht genügend Beweißmaterial, um sie in einem Gerichtsverfahren überführen zu können. Nun wird jeder der Gefangenen vor die Wahl einer von zwei Optionen gestellt: das Verbrechen, von dem die Polizeisicher ist, daß die beiden es begangen haben, zu gestehen, oder es nicht zu gestehen. Wenn beide nicht gestehen, werden sie wegen eines kleineren Verbrechens (etwa wegen illegalen Waffenbesitzes) leicht bestraft. Wenn beide gestehen, werden sie wegen des Verbrechens verurteilt, wobei die Geständnisse strafmildernd angerechnet werden. Wenn einer gesteht und der andere nicht, dann geht der Geständige als Kronzeuge frei, während der andere zur Höchststrafe verurteilt wird.[1]

Die Gefängnisjahre, die jeder zu erwarten hat, je nachdem wie er sich entscheidet, lassen sich in folgender Auszahlungsmatrix darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beide Gefangenen stehen nun vor der Entscheidung, ob sie kooperieren sollen[2] oder nicht. Unabhängig vom Verhalten des anderen führt Defektion (= Gestehen) zu einer höheren Auszahlung (= weniger Gefängnisjahre) als Kooperation. Das Dilemma besteht nun allerdings darin, dass beidseitige Defektion für jeden Spieler ungünstiger wäre, als beidseitige Kooperation.

Dennoch müsste sich jeder der Gefangenen rational für Defektion entscheiden, unabhängig von der Entscheidung, die sein Gegner fällt. Warum das so ist, läßt sich im Folgenden darstellen:

Wenn Gefangener 1 davon ausgeht, daß Gefangener 2 kooperiert, dann hat er die Wahl entweder ebenfalls zu kooperieren und somit für ein Jahr ins Gefängnis zu gehen oder aber er könnte defektieren und somit frei kommen. Also lohnt es sich zu defektieren, wenn er annimmt, der andere würde kooperieren.

Wenn Gefangener 1 im anderen Fall davon ausgeht sein Gegner würde defektieren, so hat er entweder die Möglichkeit zu kooperieren, was ihm 10 Jahre Gefängnis einhandeln würde oder aber seinerseits zu defektieren, was ihm nur noch 8 Jahre Gefängnis einbringen würde. Auch in diesem Fall wäre es also vorteilhafter zu defektieren. Für den anderen Gefangenen ergibt sich natürlich die gleiche Logik, was ihn zum gleichen Ergebnis führen müßte. Somit erhalten jedoch beide Gefangenen 8 Jahre Gefängnis, obwohl sie mit nur einem Jahr - bei beidseitiger Kooperation - hätten davon kommen können.

Das von beiden angestrebte Strategiepaar (8/8) wird auch Nash-Gleichgewicht (Nach John Nash) genannt, weil es das Strategiepaar darstellt, bei dem es für keinen der beiden Spieler rational ist abzuweichen, weil sich so seine Situation verschlechtern würde.

Doch unter welchen Umständen kann es trotz aller Logik und Rationalität zur Kooperation zwischen Individuen kommen? Diese Frage soll uns im Folgenden beschäftigen.

2. Kooperation

2.1 Wie entsteht Kooperation?

Im Fall des Gefangenendilemma scheint es für ein Individuum die rationalste Strategie zu sein nicht zu kooperieren. Doch wie kann man bei Egoisten dennoch kooperatives Verhalten auslösen? Thomas Hobbes vertrat die Ansicht, im dem egoistischen Urzustand des Menschen „aller-gegen-alle“ könne sich Kooperation nur durch einen starken Herrschaftsstab entwickeln. Folglich schien ihm ein starker Regierungsapparat notwendig.

Doch eine besondere Form des Gefangenendilemmas kann auch Aufschluss darüber geben, wie sich Kooperation in egoistischen Systemen entwickeln kann. Läßt man das Gefangenendilemma nicht nur über eine Runde spielen, sondern über mehrere, wobei das Ende im besten Fall nicht bekannt sein sollte, so ändert sich sein Ergebnis bezüglich der erfolgreichsten Strategie für das Individuum.

Bei dieser abgewandelten Form des Gefangenendilemmas, dem iterierten Gefangenendilemma, tritt eine Veränderung in Hinsicht auf die rationalste Strategie auf. Hier wird nicht mehr die Auszahlungssumme der einzelnen Runde entscheident, sondern die Tatsache, wie gut sich das Verhalten über die Gesamtzahl der Runden auszahlt.

Robert Axelrod führte zur Klärung der Frage, welche eine gute Strategie im iterierten Gefangenendilemma sei, ein Computerturnier durch. Er forderte professionelle Spieltheoretiker auf Programme einzureichen, die an diesem Turnier teilnehmen sollten.

Im besagten Turnier ließ man nun jede der eingereichten Strategien gegeneinander antreten. Es zeigte sich, dass die einfachste unter ihnen am Ende die Siegreiche war: TIT FOR TAT („Wie du mir, so ich dir“).

Das Prinzip dieser Strategie bestand darin beim ersten Zug zu kooperieren und danach immer das zu imitieren, was ihr Gegner im vorangegangenen Zug gemacht hat. TIT FOR TAT war mit seinem eher „freundlichen“ Charakter, weil es nicht auf Ausbeutung seiner Gegner aus war und sich „verzeihend“ verhielt, also eine Defektion nach einer Runde verzieh, anderen Strategien, die auf Ausbeutung aus wahren, im Verlauf der Spiele überlegen und gewann das Turnier.

Axelrod führte ein zweites Turnier durch, bei dem Beiträge von Amateuren und Fachleuten eingesandt wurden, denen allen das Ergebnis der Vorrunde bekannt war. Diesmal wurden mehr „freundliche“ Strategien eingereicht, die auch allesamt mit ihrem Punktestand am Ende des Turniers gut abschnitten, doch als Sieger ging wiederum TIT FOR TAT hervor.

Vier Grundregeln fasste Axelrod aus diesen Turnieren zusammen, die zum Erfolg einer Entscheidungsregel beitragen:

Vermeidung unnötigen Konflikts durch eigene Kooperation solange der andere Spieler kooperiert, 2. Provozierbarkeit angesichts einer unnötigen Defektion durch den anderen, 3. Nachsichtigkeit nach der Antwort auf eine Provokation, 4. Verständlichkeit des Verhaltens,damit der andere Spieler sich an das Verhaltensmuster anpassen kann.[3]

Das Ergebnis macht deutlich, daß sich Kooperation für Nutzen-maximierende Individuen durchaus auszahlen kann, wenn ein iteriertes Gefangenendilemma gespielt wird.

Diese Ergebnisse des Turniers zeigen, daß unter geeigneten Bedingungen tatsächlich Kooperation in einer Welt von Egoisten ohne zentralen Herrschaftsstab entstehen kann.[4]

Es scheint sich also durchaus als Vorteil zu erweisen kooperativ zu handeln, wenn zum einen der Faktor Zeit - also ein Spiel über viele Runden - und zum anderen der Faktor „gleicher Gegner“ - also häufiges Aufeinandertreffen gleicher Individuen - eintritt. Solange eine Interaktion jedoch nicht iteriert wird, gestaltet sich Kooperation sehr schwierig, wie das Beispiel des einmalig gespielten Gefangenendilemmas zeigte.

Es zeigt sich durch dieses Turnier jedoch auch, dass sich Kooperation auch für Egoisten auszahlt, bzw. sogar ausgelöst werden kann, weil sie sich als erfolgreich erweist. Dabei spielt der Faktor Zeit, bzw. der „Schatten der Zukunft“ wie Axelrod es ausdrückt, eine wesentliche Rolle:

Wenn die strategische Situation genügend lange dauernde Interaktionen zwischen den Spielern ermöglicht, so werden sich die Empfehlungen vor allem auf Gründe beziehen, die einen Egoisten veranlassen sollten, trotz eines kurzfristigen Anreizes zur Nichtkooperation zu kooperieren. Wenn die Interaktion jedoch nicht sehr dauerhaft ist, dann würde ein Egoist durch Orientierung an kurzzeitigen Vorteilen und durch Defektion besser gestellt.[5]

2.2 Kooperation unter Feinden

Die oben erläuterte Theorie bleibt jedoch keine „graue“, gibt es für sie doch Beispiele aus dem wahren Leben.

Zur Zeit des 1. Weltkrieges zeigte sich, dass für die Entstehung von Kooperation in einem iterierten Gefangenendilemma noch nicht mal Freundschaft notwendig ist, sondern diese sogar unter Feinden entstehen kann.

Verschiedene Frontabschnitte zeichneten sich durch auffallende „Zurückhaltung“ aus. Die Soldaten verhielten sich hier nach dem Prinzip des „Leben-und-leben-lassen“, das im Stellungskrieg häufig auftrat.

Doch wie entstand hier Kooperation? Entscheident ist, dass bei einem Stellungskrieg nicht nur über eine Runde gespielt wird, in der Defektion die dominante Wahl gewesen wäre, sondern sich die Soldaten tatsächlich über lange Zeit gegenüber lagen. Dadurch ergab sich ein iteriertes Gefangenendilemma, bei dem sich der Theorie entsprechend Kooperation zwischen den Spielern (also den Soldatengruppen) ergeben konnte:

Das Ergebnis entsprach den Vorhersagen der Theorie: bei länger andauernder Interaktion konnte sich als stabiles Resultat wechselseitige, auf Gegenseitigkeit beruhende Kooperation ergeben.[6]

Beide Seiten verfolgten dabei Strategien, die im wesentlichen TIT FOR TAT ähnelten.

[...]


[1] Julian Nida-Rümelin: Rationalität in der praktischen Philosophie. Eine Einführung. Berlin: Akademie Verlag 2000, S. 95.

[2] Im Sinne von miteinander kooperieren, also „nicht gestehen“.

[3] Robert Axelrod: Die Evolution der Kooperation. München: Oldenbourg 1991. S. 18.

[5] Ebenda.

[5] Ebenda, S. 112.

[6] Axelrod 1991, S. 70.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Altruismus - Ursachen altruistischen Verhaltens
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Seminar für Philosophie)
Veranstaltung
Wie soll ich mich entscheiden?
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V15463
ISBN (eBook)
9783638205672
ISBN (Buch)
9783656241454
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Altruismus, Ursachen, altruistisches Verhalten, Philosophie
Arbeit zitieren
Tanja Stramiello (Autor:in), 2002, Altruismus - Ursachen altruistischen Verhaltens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15463

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