Wie kann (Eigen-)Wahrnehmung in der tiergestützten Pädagogik gefördert werden?


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2010

50 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier
2.1. Kulturgeschichtliche Entwicklungen der Mensch-Tier-Beziehung
2.2. Das Bedürfnis am Lebendigen teilzuhaben
2.3. Das Tier als Mittler von unbewusstem Erleben
2.4. Tiere als Mittler in der tiergestützten Pädagogik

3. Bindungstheorie
3.1. Die Entwicklung von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten durch Bindung
3.2. Du-Evidenz und Spiegelneuronen als Vorraussetzung zum Bindungsaufbau

4. Kommunikation und Interaktion
4.1. Die menschliche Kommunikation
4.2. Über die Kommunikation von Tieren
4.3. Die Mensch-Tier-Kommunikation
4.4. Die Mensch-Tier-Interaktion

5. Eigenwahrnehmung durch Achtsamkeit
5.1. Gedanken und Wahrnehmungen: Die Bilder in unserem Kopf
5.2. Fernsicht und Nahberührung
5.3. Weitere Ebenen der Wahrnehmung

6. Fallbeispiel: Maria
6.1. Darstellung der sozial-kognitiven Fähigkeiten von Maria
6.2. Der Aufbau einer Verbindung von Maria und dem Pferd „Maxi“
6.3. Bisheriges Ergebnis der tiergestützten Pädagogik im Fall von Maria

7. Resümee

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Urzeiten koexistieren wir mit Tieren und wissen doch so wenig über sie. Haben sie ein Bewusstsein? Wie kommunizieren sie? Haben Tiere Gefühle?

Die Verhaltensbiologie erforscht die komplizierten Verhaltensmuster und Zeichensysteme und versucht Antworten zu finden. Sie steht aber erst am Anfang eines großen Forschungsgebiets.

Die Fragen, die bezüglich des Verhaltens und der Sprache der Tiere gestellt werden, hängen von unserem eigenen sozialen Status ab, den wir auf der Erde einnehmen. Biologisch gesehen ist der Mensch zwar ein Tier, doch wird auch heute noch mehr Aufmerksamkeit auf die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier als auf deren Gemeinsamkeiten gelenkt. Die Historie der Mensch-Tier-Beziehung verdeutlicht den sozialen Wandel, innerhalb dessen wir Fragen an uns und die Tiere als Lebenspartner stellen.

Die Auseinandersetzung der Mensch-Tier-Beziehung resultierte lange Zeit aus dem Standpunkt der Assimilation, der Aufnahme von Information über mein Gegenüber nach Maßgabe der menschlichen Schemata.[1] Es wurden Fragen gestellt, die für uns Menschen als relevant gelten. Die Intelligenzforschung bei Tieren führt nun zu dem Ergebnis, dass erst die Lebensweisen der Tiere genauer studiert werden müssen, bevor Tests erarbeitet werden können, die Intelligenz oder Bewusstsein bei Tieren nachweisen.[2]

Eines der bislang größten Unterscheidungsmerkmale zwischen Mensch und Tier ist, sich selbst im Spiegel zu erkennen.[3] Dieses Unterscheidungsmerkmal wurde von Forschern als nicht mehr haltbar aufgezeigt. Schimpanse, Elster und Rabe können sich sehr wohl im Spiegel erkennen und sogar über den Spiegel verstecktes Futter finden, was auf eine Art abstraktes Denken schließen ließe.[4]

Die Fähigkeit, kausale Zusammenhänge zu erkennen, ist für den Menschen ein Indiz einer höheren Bewusstseinsebene. In den Fokus der Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Forschung rücken daher Tiere, die nachgewiesener Maßen eine höhere Ebene durch Erkennen von kausalen Zusammenhängen erreichen. Der Gebrauch von Werkzeug und die Unterscheidung von Mengen werden bei Tieren evaluiert.[5] Eine grundlegende Trennung zwischen Mensch und Tier ist daher nicht mehr gegeben; eine Verbindung wird möglich.

Wie eine Verbindung zwischen Mensch und Tier gestaltet werden kann, wird sowohl von der tiergestützte Pädagogik als auch von der tiergestützte Therapie beschrieben. Schwerpunkt der Arbeit mit Tieren ist es, dass der Mensch in einer Art partnerschaftlichen Beziehung zu einem Tier neue Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten erlernt.[6]

Nicht nur die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Natur fördert Bewusstsein. Auch die emotionale Intelligenz rückt für ein ganzheitliches Leben mehr und mehr in den Vordergrund. Emotionale Intelligenz steht für die Fähigkeit eines Menschen, seine Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen. Sie ist für die Motivation, planvolles Handeln auf Zeit und im Umgang mit Ressourcen, Empathie und die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen einzugehen, verantwortlich.[7]

Die Eigen- und Fremdwahrnehmung, als Voraussetzung von emotionaler Intelligenz, kann wiederum nur durch den Austausch von Lebendigkeit erreicht werden. Die eigene Lebendigkeit zu spüren, sich als ein Teil eines Ganzen zu verstehen, ist der Ausgangspunkt, wodurch artübergreifend mit anderen Lebewesen Kommunikation entstehen kann. Wie Eigenwahrnehmung in der Kommunikation mit Tieren gefördert werden kann, ist Thema dieser Arbeit.

Die Arbeit ist in fünf Teile gegliedert. Im ersten Teil wird die Verbindung zwischen Tier und Mensch beschrieben. In einem historischen Abriss wird die Entwicklung der Beziehung zu den Tieren kurz dargestellt, um die unterschiedlichen Haltungen, der jeweiligen Zeit, gegenüber Tieren zu beleuchten, welche teilweise auch heute noch in unserer modernen Gesellschaft zu finden sind (Kap. 2.1). Der Mensch hat sich in seiner Historie im Zusammenhang mit anderen Lebewesen entwickelt, sich an diesen orientiert und durch die Nutzung der gleichen Ökosysteme mit ihnen verbunden. In diesem Zusammenhang werden auch unsere Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten geprägt (Kap. 2.2). In der Verbindung zu Tieren schwingen aber nicht nur bewusste, sondern auch unbewusste Aspekte mit (Kap. 2.3). Aus der Erkenntnis um die positive Wirkung von Tieren auf den Menschen entstanden Fördermaßnahmen, pädagogische Ansätze und tiergestützte Therapie. Es wurde sowohl Besuchsdienste (z. B. in Kindergärten, Schulen, Altersheimen und Pflegedienste etc.) eingerichtet und zielgerichtete Interaktion mit Tieren als Co-Therapeuten erarbeitet und erprobt (Kap. 2.4).

Der zweite Teil befasst sich mit der Fähigkeit, Bindungen einzugehen. Wie eine Verbindung mit anderen Lebewesen eingegangen wird, hängt zum größten Teil mit frühkindlichen Bindungserfahrungen zusammen.[8]

Aus der frühkindlichen Bindung, bzw. der nicht ausreichend vorhandenen emotionalen Bindung und der daraus resultierenden Bindungsstörung, entwickeln sich unterschiedliche Verhaltens- und Erlebens-Muster einer Person zu anderen Lebewesen, die sich grundlegend auch auf die Eigen- und Fremdwahrnehmung auswirken (Kap. 3.1). Dass der Andere als ein Gegenüber subjektiv wahrgenommen wird, hängt mit der Du-Evidenz zusammen. Die Du-Evidenz befähigt, sich in andere hinein versetzen zu können und fördert damit Partnerschaften. Partnerschaften eingehen zu können ist wiederum die Voraussetzung, dass Tiere pädagogisch und therapeutisch wirken können. Wie Handlungen nachvollzogen werden, wird durch die Existenz von Spiegelneuronen erklärbar (Kap. 3.2).

Der dritte Teil setzt sich mit den Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten von Mensch und Tier auseinander. Der Informationsaustausch beim Menschen stützt sich in hohem Maße auf Zeichensysteme, die uns teilweise nicht bewusst sind. Während verbal Inhalte vermittelt werden, werden in der nonverbalen Kommunikation Beziehungsaspekte ausgetauscht (Kap. 4.1). Tiere kommunizieren ausschließlich auf der analogen, nonverbalen Ebene (Kap. 4.2). Während es in der menschlichen Kommunikation zu grundlegenden Diskrepanzen, zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekten, kommen kann, wird durch den ausschließlich nonverbalen Aspekt die Kommunikation zwischen Mensch und Tier vereinfacht. Botschaften können dabei nur über ein hohes Maß an Authentizität vermittelt werden. Das Korrelieren der Eigenwahrnehmung mit der Fremdwahrnehmung von Tieren ermöglicht eine Reflexion des körperlichen Ausdrucksverhaltens (Kap. 4.3).

Der vierte Teil widmet sich der Vielschichtigkeit von Wahrnehmung. Erinnerung und gegenwärtige Wahrnehmung stehen fortwährend in Bezug zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Eine mögliche Differenzierung kann durch unterschiedliche Schwerpunkte der Aufmerksamkeit gelenkt werden (Kap. 5.1). Die verschiedenen Sichtweisen und Verhaltensweisen ermöglichen Eigen- und Fremdwahrnehmung als soziales und emotionales Erlebnis (Kap 5.2). Die daraus resultierende Vielfalt von Empfindungen lässt sich durch gezielte Fragen weiter differenzieren (Kap. 5.3).

Im letzten Teil der Arbeit wird der heilsame Aspekt einer begleiteten Begegnung zwischen Tieren (in diesem Fall Ponys) und einem besonderen Kind exemplarisch dargestellt (6.1). Die tiergestützte Interaktion ermöglichte, in dem hier beschriebenen Fall, das Erlernen und Erproben neuer Verhaltensweisen im Umgang mit Tieren und Mitmenschen (Kap. 6.2). Durch gezielte Interaktionen ließen sich bei dem Kind Neuorientierungen im Bereich der Körperwahrnehmung erreichen, die das Erleben von Lebendigkeit innerhalb der sozialen und kommunikativen Fähigkeiten förderten (Kap. 6.3).

2. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier

Warum fühlen wir uns mit Tieren verbunden? Warum leiden wir mehr, wenn ein Tier stirbt, als wenn eine Pflanze vertrocknet? Sind Tiere unsere Seelenverwandten, unsere modernen Beziehungspartner? Kann man überhaupt von Beziehung sprechen, oder ist es einfach nur eine gewollte Abhängigkeitsstruktur?

Das nachfolgende Kapitel soll in vielschichtiger Weise unsere Beziehung zum Tier aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen darstellen und das Bedürfnis des Menschen am Leben teilzuhaben verdeutlichen.

2.1. Kulturgeschichtliche Entwicklungen der Mensch-Tier-Beziehung

Beim Betreten einer Höhle, deren Wände mit Jahrtausende alten Malereien ausgestattet sind, gewinnt man den Eindruck in eine großartige imaginäre Welt einzutreten. Die Bilder rufen mythische oder reale Ereignisse wach und offenbaren die Wünsche und Ängste jener Menschen, die sich solche Stätten zum Ort ihrer bildhaften Botschaft auserwählten. Was uns an Zeugnissen künstlerischer Kreativität, von den Ursprüngen aus der Altsteinzeit, noch erhalten ist, zeigt uns eine Menschheit mit Interesse an der Abbildung von Tieren.[9]

Prähistorische Menschen bildeten in der Höhle von Santimamine in Spanien Rinder und Pferde ab. In anderen Höhlen sieht man verschiedene Jagdszenen oder Ackerbau. Die Felskunst stellt das mit Abstand größte Archiv dar, das die Menschheit über ihre Geschichte und ihre Beziehung zu den Tieren besitzt: von den primitiven bis zu den höheren Jägern, die bereits Pfeil und Bogen kannten, zu den Hirten und Viehzüchtern und denen, die mit Hilfe von Ochsen Ackerbau betrieben.

Teilweise wurden die Tiere mit Symbolen oder Ideogrammen[10] geschmückt. Tiere galten demnach nicht nur als Nahrung oder Nahrungskonkurrent, sondern waren Symbol für etwas Bemerkenswertes.[11] So waren Tiere auch bedeutungsvoll als Mittler zwischen den Göttern und den Menschen.

„Ein menschliches Wesen mit Schwanz steht neben einem schwanzlosen Tier mit Hörnern, welches sein Ideogramm darzustellen scheint und seine Identität angibt.“[12]

Die alten Ägypter stellten unter anderem in ihren Felszeichnungen Tiere dar, um etwas über das Wesen der Götter mitzuteilen. Die Tiere verwiesen auf Eigenschaften wie Kraft, Macht, Schutz oder auf Bewegungsfreiheit in den Elementen und zur Überwindung des Todes. Sie stellten eine Art lebendige Verkörperung der Idee von Göttern dar.[13] Jede Tierart verkörperte vielschichtige Aussagen, die dem komplexen Wesen der Götter entsprachen.

Das Phänomen der Götter in Tiergestalt ist auch in der christlichen Tradition vorhanden. Von Jesus wird als das "Lamm Gottes" gesprochen, der Heiligen Geist wird als Taube symbolisiert.

Anscheinend besaß das Tier einige Fähigkeiten und Fertigkeiten, die von den Menschen als überlegen angesehen wurden.[14] Mit dem Wandel zum Monotheismus änderte sich jedoch die Bedeutung des Tieres.[15] In der jüdischen und christlichen Religion wurde per Gesetz verboten, zusätzlich zu dem einem Gott ein goldenes Kalb[16] anzubeten. Durch den Glauben an einen einzigen Gott verlor das Tier seinen Status als religiösen Mittler.[17]

Mit dem Beginn der Sesshaftigkeit der Menschen und der damit verbundenen Aufnahme einer expansiven Land- und Viehwirtschaft wurden die Tiere, in ihrer Bedeutung, auf ihren Nutzen für den Menschen reduziert. Der Mensch nahm die Tiere, die er als Nahrung und Arbeitskraft brauchte, in Ställe auf und grenzte die wilden Tiere aus. Während Erstere unter seinem ganz besonderem Schutz und seiner Obhut standen, wurden die wilden Tiere erbarmungslos gejagt.[18]

Entlang einer erheblichen Zeitspanne von Aristoteles (384-322 v. Chr.) über Thomas von Aquin (1225-1274) bis hin zu Rene Descartes (1596-1650) wurde das Herrschaftsrecht der Menschen über die Tiere beschworen und ein dissoziatives Verhältnis zu ihnen deklariert. Philosophen und Wissenschaftler unterschieden Mensch und Tier scharf anhand der vorhandenen Sprachmöglichkeiten, dem reflexiven Verstand, dem aufrechten Gang und einem religiösen Empfinden.[19]

Der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 v. Chr.) sprach den Tieren zwar eine Wahrnehmungsfähigkeit zu, ob sie aber über ein Schmerzempfinden, ein Bewusstsein oder gar über Denken verfügen, wird bis zur heutigen Zeit diskutiert.

Ab dem 18. Jahrhundert wurden erste Gegenbewegungen zum Schutz der Tiere und den damit verbundenen Rechten verzeichnet.[20]

Mit der Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882), der die Menschen als Abkömmlinge der Primaten zuordnete, fand die Auseinandersetzung des Menschen auch im Sinne seines Selbstverständnisses als Teil der Natur wieder statt.

Albert Schweitzer (1875-1965) schließlich entwickelte mit seiner Lehre der „Ehrfurcht vor dem Leben“ eine lebensbejahende Ethik:

„Ich bin das Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“[21]

2.2. Das Bedürfnis am Lebendigen teilzuhaben

Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere Individualität, werden wir die Natur als ein Gegenüber betrachten, welches sich von uns mehr unterscheidet als es Gemeinsamkeiten enthält. Treten wir aber als ein soziales Wesen „in sie hinein“, das an der Natur teilhat, sich als Leben im Leben begreift, können wir auch den Teil in uns verstehen, der am Prozess des Lebens und seiner Entwicklung teilhaben möchte. Durch das eigene Erleben in einer lebendigen Welt ist es erst möglich, sich selber als „Ganzes“ wahrzunehmen.[22] Unsere Eigenwahrnehmung ändert sich. Von der Betrachtungsweise als Einzelwesen fort, mit seinen einzigartigen Empfindungen und Gedanken, zu einer Betrachtungsweise der Teilhabe an Leben, können wir uns erst als ein Lebewesen begreifen, welches an Leben teilnimmt, sich mit dem Lebendigen mitfreut, mitleidet und damit miterlebt, ohne eigennützig auf die eigenen Vorteile bedacht zu sein. Diese inhärente Affinität zur Vielfalt von Leben wird als Biophilie bezeichnet. Biophilie ist ein Grundbedürfnis des Menschen mit anderen Lebewesen als auch mit Landschaften, Ökosystemen und Habitaten in Verbindung zu stehen.[23]

Aus der Verbindung zu Leben entspringt die Freude, die uns erfüllt, wenn wir einen Sonnenuntergang sehen, frisch gemähtes Gras riechen und die Wärme von Tieren spüren. Wir erleben uns als kommunikative Wesen in einer Natur, die eine kommunikative Verbindung mit uns unterhält. Die Verbundenheit des Menschen mit der Natur kann anhand von neun fundamentalen Aspekten bzw. Kategorien beschrieben werden. Einige der hier beschriebenen Kategorien erfolgen eher implizit und sind somit kaum wahrnehmbar, steuer- oder kontrollierbar, während andere systematisch genutzt, gesteuert und kontrolliert werden können.[24]

- Der utilitaristische Aspekt bezeichnet den Aspekt der nützlichen Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, wie die der Sicherung des Überlebens, Schutz vor Gefahr und Befriedigung physischer und materieller Bedürfnisse;
- Der naturalistische Aspekt bezeichnet die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, die Zufriedenheit und Entspannung durch Naturkontakt, Neugierde, Faszination und Bewunderung für deren Vielfalt und der Förderung der physischen und kognitiven Entwicklung bewirkt;
- Der ökologisch-wissenschaftliche Aspekt beinhaltet die systematische Analyse der Strukturen, Funktionen und Beziehungen in der belebten und unbelebten Natur mit den Funktionen bzw. Wirkungen des Wissenserwerbes, Verstehens von Zusammenhängen, Förderung der Beobachtungsfähigkeiten und des Erkennens von Kontrollmöglichkeit;
- Der ästhetische Aspekt beinhaltet die Anziehungskraft und Bewunderung für die physische Harmonie und Schönheit der Natur mit den Wirkungen der Inspiration und des Harmoniegefühls;
- Der symbolische Aspekt bezeichnet die Kategorien/Schemata in der Natur für (metaphorische) Formen des Ausdrucks, des Befindens, der Interaktion und Kommunikation zur Förderung der Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit sowie der kognitiven Möglichkeiten und Anreize für Identifikationsprozesse;
- Der humanistische Aspekt bezeichnet die tief erlebte, emotionale Verbundenheit mit der Natur, insbesondere mit den Tieren, mit den Funktionen bzw. Wirkungen der Gruppenzugehörigkeit, des Gemeinschaftsgefühls, Aufbau von Beziehungen, Bindung und Fürsorge, Bereitschaft zu kooperieren und zu teilen sowie die der Empathie;
- Der moralische Aspekt bezeichnet die starke Affinität zur Ehrfurcht vor dem Leben und die ethische Verantwortung für die Natur, der Ordnung und der sinnhaften Lebensgestaltung sowie der Verwandtschaft und Zugehörigkeit zu einem übergeordneten Ganzen;
- Der negativistische Aspekt beinhaltet die Angst, Aversion und Antipathie des Menschen, bezogen auf unterschiedliche Aspekte der ihn umgebenden Natur mit den Funktionen bzw. Wirkungen des Impulses bzw. der Motivation für die Erarbeitung und Errichtung von Schutz- und Sicherheitsvorrichtungen im ganz persönlichen Lebensbereich;
- Der Dominanz-Aspekt ist der Aspekt der Kontrolle und Beherrschung der Natur durch den Menschen mit den Funktionen und den Wirkungen des kontrollierenden Handelns und der Entwicklung mechanischer Techniken und Fertigkeiten.[25]

Biophilie entsteht nach dem Biologen Edward Osborne Wilson aus dem angeborenen Interesse am Lebendigen durch den biologischen Prozess der Evolution: Der Mensch hat sich im Zusammenhang mit anderen Lebewesen entwickelt, sich an diesen orientiert und durch die Nutzung der gleichen Ökosysteme mit ihnen verbunden.[26]

Rene Dubos geht in seiner Definition sogar noch weiter und beschreibt die Notwendigkeit der Verbindung zu anderen Lebewesen und Habitaten. Er schreibt:

„Die Charakteristiken der Umgebung, in der wir uns entwickeln, formen unser biologisches und geistiges Sein und die Qualität unseres Lebens.“[27]

Durch eine Verbindung mit anderen Lebewesen und der damit entstehenden Erfahrung eines Gegenübers werden nicht nur Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten bestimmt, sondern auch unsere kognitive Entwicklung, unsere soziale und emotionale Interaktion erweitert.[28]

Ist das eigene Erleben eingeschränkt, sei es durch ein permanentes Gefühl von Leere, das Gefühl, seinen eigenen Körper nicht zu spüren oder zu akzeptieren, Depressionen durch Identitätsverlust, um nur einige zu nennen, kann es vorteilhaft sein einen Vermittler einzusetzen, der diese Menschen in ihren ursprünglichen Bedürfnissen, am Leben teilzuhaben, erreicht. Über den Weg der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Tieren kann eine Verbindung zu sich selbst wieder ermöglicht werden. Die Verbindung entsteht aus den Wurzeln des bewussten Wahrnehmens unbewusster Aspekte in uns.[29]

2.3. Das Tier als Mittler von unbewusstem Erleben

Nach Rothacker wird das soziale Miteinander immer auch aus der sogenannten Tiefenschicht mitbestimmt. Sie ist die Ebene, auf der emotionale Prozesse ablaufen, die bei einer Begegnung zwischen Mensch und Tier lebendig werden.[30] Die verschiedenen Schichten entstehen durch Lebensprozesse in der sich entwickelnden Person:

[...]


[1] Vgl.: Olbrich, Zur Ethik der Mensch-Tier-Beziehung aus der Sicht der Verhaltensforschung; in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 49

[2] Vgl.: Tim Förderer, „Intelligenzbestien“ (Sendung auf 3sat, hitec, vom 23.11.2009

[3] Ebda Tim Förderer

[4] Ebda Tim Förderer

[5] Vgl.: www.wikipaedea.de: Werkzeuggebrauch bei Tieren; Mengenunterscheidung bei Tieren

[6] Vgl.: Nienke Endenburg, Der Einfluss von Tieren auf die Frühentwicklung von Kindern als Voraussetzung für tiegestützte Psychotherapie; in: Olbrich/Otterstedt: Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 121 - 130

[7] Vgl.: www.wikipaedea.de

[8] Elisabeth Frick-Tanner, Robert Tanner-Frick, Tiergestützte kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxis;

in: Olbrich/Otterstedt: Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 137

[9] Vgl.: Carola Otterstedt, Kultur- und religionsphilosophische Gedanken zur Mensch-Tier-Beziehung;

in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 28

[10] Ein Ideogramm ist ein Bild- bzw. Schriftzeichen für ein ganzes Wort.

[11] Vgl.: Emmanuel Anati, Höhlenmalerei, Albatros Verlag, 2002, S. 28

[12] E. Anati, Höhlenmalerei, Albatros Verlag, 2002, S. 34

[13] Der Panther gehörte in der ägyptischen Mythologie zu den göttlichen und heiligen Tieren. Der Pharao setzte deshalb sein Wirken dem eines Panthers gleich. Ergänzend trug er bei Ritualen das Pantherfell. (Entnommen aus www.wikipedia.de: Panther (ägyptische Mythologie)).

[14] Vgl.: Erik Hornung, Geist der Pharaonenzeit, Artemis & Winkler Verlag, Zürich, 1999, S. 166

[15] Vgl.: Carola Otterstedt, Tiergestützte Therapie und tiergestützte Pädagogik: Positionierung eines interdisziplinären Arbeitsfeldes - Kultur- und religionsphilosophische Gedanken zur Mensch-Tier-Beziehung; in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 20

[16] Vgl.: 2. Moses 32,1-4

[17] Vgl.: Carola Otterstedt, Tiergestützte Therapie und tiergestützte Pädagogik: Positionierung eines interdisziplinären Arbeitsfeldes: Kultur- und religionsphilosophische Gedanken zur Mensch-Tier-Beziehung; in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 18

[18] Vgl. Feddersen-Petersen, Hundepsychologie (Wesen und Sozialverhalten), Franckh-Kosmos Verlag, 2000, S. 28

[19] Vgl.: Carola Otterstedt: Tiergestützte Therapie und tiergestützte Pädagogik: Positionierung eines interdisziplinären Arbeitsfeldes: Kultur- und religionsphilosophische Gedanken zur Mensch-Tier-Beziehung;

in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 20

[20] Vgl.: Hansjoachim Hackbarth, Tierschutz – Versuch einer Begriffsbestimmung, Essay, 2008, S.

[21] Albert Schweitzer, Die Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben, Union Verlag, 1988, S. 15

[22] Vgl.: Erhard Olbrich, Die Würde des Tieres, Essay S. 17

[23] Vgl.: Erhard Olbrich, Biophilie: Die archaische Wurzeln der Mensch-Tier-Beziehung; in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag 2003, Stuttgart, 2003, S. 69

[24] Vgl.: Monika Vernooij, Silke Schneider, Handbuch der Tiergestützten Intervention, Verlag Quelle & Meyer,

Wiesbaden, 2008, S. 6

[25] Vgl.: Erhard Olbrich, Die Würde des Tieres, Essay S. 10

[26] Vgl.: Erhard Olbrich, Biophilie: Die archaischen Wurzeln der Mensch-Tier-Beziehung; in Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, S. 69

[27] Rene Dubos, 1984; Zitat entnommen aus: Erhard Olbrich, Die Würde des Tieres, Essay, S. 12

[28] Vgl.: Erhard Olbrich, Die Würde des Tieres, Essay, S. 12

[29] Vgl.: Carola Otterstedt, Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung; in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 66

[30] Vgl.: Olbrich, Zur Ethik der Mensch-Tier-Beziehung aus der Sicht der Verhaltensforschung;

in: Olbrich/Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2003, S. 53

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Wie kann (Eigen-)Wahrnehmung in der tiergestützten Pädagogik gefördert werden?
Note
1
Autor
Jahr
2010
Seiten
50
Katalognummer
V154545
ISBN (eBook)
9783640957927
ISBN (Buch)
9783640958283
Dateigröße
639 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
pädagogik
Arbeit zitieren
Vera Venz (Autor:in), 2010, Wie kann (Eigen-)Wahrnehmung in der tiergestützten Pädagogik gefördert werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154545

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