Der 13. August 1932

Vorgeschichte – Verlauf - Konsequenzen


Hausarbeit, 2009

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 AUF DEM WEG ZUM 13. AUGUST 1932
2.1 Das Jahr 1932 bis zu den Wahlen im Juli
2.2 Die Juliwahl 1932
2.3 VORGESPRACHE

3 DER 13. AUGUST 1932

4 DIE FOLGEN DER UNTERREDUNG VOM 13. AUGUST 1932

5 SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1 Einleitung

2009 jahrt sich die Grundung der Weimarer Republik zum 90. Mal. Es war der Versuch nach der „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkrieges mit dem alten System zu brechen und das obrigkeitstreue Deutsche Kaiserreich zu einer parlamentarischen Demokratie umzugestalten. Die Weimarer Republik verfugte uber eine sehr freiheitliche und demokratische Verfassung, gelangte sehr schnell zu aubenpolitischer Anerkennung und auch wirtschaftlich ging es in den ersten Jahren durchaus voran. Es stellt sich also die Frage, warum dieses System gescheitert ist. Die junge Republik hatte mit vielen Lasten der Vergangenheit zu kampfen, beispielsweise mit dem Versailler Vertrag und dem darin enthaltenen Kriegsschuldartikel. Vor allem aber standen die alten Eliten und Militars der jungen Demokratie teils skeptisch teils aber auch ablehnend gegenuber. Zudem hatte die Republik immer wieder mit Angriffen auf das System von links, aber in besonderem Maß von rechts zu kampfen. Das Jahr 1932 war dann das vorentscheidende fur den weiteren, so fatalen Verlauf der deutschen Geschichte.[1] Es symbolisiert die Erosion der ohnehin in der Bevolkerung wenig verankerten Demokratie, die einher ging mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus. Diese anfangs kleine auf Munchen beschrankte rechtsradikale, antisemitische Bewegung hatte es unter der Fuhrung Adolf Hitlers innerhalb weniger Jahre geschafft durch Wahlen aber auch durch den zunehmenden Straßenterror der SA immer starker zu werden und an Einfluss zu gewinnen. In den Wahlen im Juli 1932 wurde die NSDAP sogar starkste Partei, verfehlte aber die absolute Mehrheit und war so auf einen Partner angewiesen. Reichsprasident Hindenburg lehnte es trotz des immensen Stimmenzuwachses der NSDAP im August 1932 entschieden ab, Hitler zum Reichskanzler zu machen, so wie er es gefordert hatte.

Diese Unterredung am 13. August 1932 stellt die schlimmste Niederlage fur Hitler nach seinem gescheiterten Putschversuch 1923 dar. In dieser Hausarbeit soll gezeigt werden, wie die Unterredung zwischen Hindenburg und Hitler verlief. Zunachst sollen aber die Geschehnisse des Jahres 1932, das Kabinett von Papen, die Juliwahlen sowie die Vorgesprache vor dem 13. August, betrachtet werden, weil sich nur im Zusammenhang mit diesen Ereignisse die Attitude Hitlers, der Verlauf der Gesprache und letztendlich die Erosion der Demokratie von Weimar erklaren lasst. Im Anschluss wird der 13. August diskutiert werden. Besonders wichtig sind hier die unmittelbaren Folgen dieses, zumindest fur die NSDAP, Desasters. Deshalb werden im vierten Kapitel die Konsequenzen des 13. August beschrieben werden. Um den Rahmen allerdings nicht zu sprengen, sollen nur die offentliche Schmach durch das Kommunique sowie die innerparteilichen Konflikte zwischen Hitler und Gregor Strasser im Mittelpunkt stehen.

2 Auf dem Weg zum 13. August 1932

2.1 Das Jahr 1932 bis zu den Wahlen im Juli

Das Jahr 1932 brachte eine abermalige ungeheure Verscharfung der Weltwirtschaftskrise und eine Zuspitzung der politischen Situation. Nur noch jeder dritte Arbeiter war voll beschaftigt. Die Zahl der amtlich registrierten Arbeitslosen uberstieg mittlerweile die 6-Millionen-Grenze, viele weitere Millionen Menschen fristeten ihr Dasein als Kurzarbeiter. Um die Jahreswende 1931/1932 verspurte man dann eine zusatzliche Erhitzung des politischen Klimas in Deutschland, weil die in wenigen Monaten fallige Neuwahl des Reichsprasidenten, dessen Amtszeit nach sieben Jahren abgelaufen war, die Schatten gesteigerter Massenmanipulierung vorauswarf[2]. Im ersten Wahlgang am 13. Marz 1932 traten funf Kandidaten an. Um die Wahl zu gewinnen, waren mindestens 50% der Stimmen notwendig. Obwohl Hindenburg mit 49,6 % der angegebenen Stimmen noch nicht als gewahlt galt, war an seinem Sieg nicht mehr zu zweifeln. Beim zweiten Wahlgang der auf den 10. April festgelegt wurde, benotigte er nun nur noch eine relative Mehrheit, erhielt dann aber mit 53 % der Stimmen die absolute Mehrheit[3]. Maßgeblich zum Wahlsieg Hindenburgs im zweiten Wahlgang hatten aber die Sozialdemokraten beigetragen. Es war ausgerechnet die SPD, gegen die Hindenburgs zeitlebens eine Aversion hegte, die ihre Wahlerschaft massiv dazu aufforderte, fur den amtierenden Prasidenten zu stimmen.

Zu diesem Zeitpunkt im Jahre 1932 war der Zentrumspolitiker Heinrich Bruning Reichskanzler und versuchte mit seiner Deflationspolitik[4] die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu mildern; trug damit aber zur Massenverelendung des Volkes bei. Schon in der Amtszeit Brunings zeigte sich ganz deutlich, dass das Parlament im Grunde genommen entmachtet worden war, weil der Kanzler fast ausschließlich mit den, durch den Reichsprasidenten gestutzten, Notverordnungen regierte. Hatte Bruning 1930 noch mit 98 vom Reichstag verabschiedeten Gesetzen und funf von Hindenburg abgesegneten Notverordnungen regiert, so war das Verhaltnis 1932 praktisch umgekehrt. Der Prasident, der diese Notverordnungen ja abgesegnet hatte, gab daraufhin klar zu verstehen, dass seiner Einschatzung nach das Kabinett Bruning in der letzten Zeit stark an Vertrauen und Ruckhalt eingebußt hatte, dass der Reichstag deshalb aufgelost und Neuwahlen ausgeschrieben werden mussten.[5] Die wahren Grunde fur die Entlassung Brunings liegen aber tiefer. Die Regierung Bruning arbeitete im Fruhjahr 1932 an einer funften großen Notverordnung, welche die Arbeitslosigkeit womoglich eher noch verscharft hatte. Deshalb wurden Plane diskutiert, durch Ansiedlung einer gewissen Zahl von Arbeitslosen auf dem Lande eine Subsistenzwirtschaft zu ermoglichen und somit die Statistik zu bereinigen. Dahinter stand die Uberzeugung, dass sich Deutschland auf lange Sicht nicht mehr von der Weltwirtschaftskrise erholen wurde - statt auf Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplatze setzte Bruning nun auf eine Ruckkehr in die Agrargesellschaft.[6] Das Land fur das Millionenheer der Neusiedler wollte man durch ein Ende der Osthilfe beschaffen. Hierbei handelte es sich um Subventionen fur die uberschuldeten landwirtschaftlichen Großguter im Osten, die bislang immer von den Sparmaßnahmen der Regierung verschont geblieben waren. Nachdem die Subventionen fur einige Hofe mittlerweile deren Wert um das Mehrfache uberstiegen hatten und der Reichshaushalt erneut an der Grenze der Zahlungsunfahigkeit stand, sah man fur Guter, die nicht entschuldungsfahig waren, ein Ende der Dauersubventionierung vor. In der unweigerlich folgenden Zwangsversteigerung sollten die Landereien von einer staatlichen Auffanggesellschaft erworben und mit Arbeitslosen aufgesiedelt werden. Dies fuhrte zu wutenden Protesten der ostdeutschen Agrarier und ihren konservativen Freunden. In einer Entschließung der DNVP-Fraktion im Reichstag wurde der Plan als „vollendeter Bolschewismus“ bezeichnet.[7] In diesem Klima teilte Hindenburg, der als Besitzer von Gut Neudeck selbst personliches Interesse an der Osthilfe hatte, am 29. Mai 1932 mit, er werde keine Notverordnungen Brunings mehr unterzeichnen. Daraufhin trat der Reichskanzler am 30. Mai 1932 zuruck und erhielt in einer unwurdig kurzen Zeremonie seine Entlassungsurkunde[8].

Nur kurz darauf erteilte Hindenburg unter massiver Einwirkung des neuen Reichswehrministers Generals von Schleichers schließlich dem Zentrumspolitiker Franz von Papen den Auftrag, eine neue Regierung auf uberparteilicher Basis zu bilden. Hindenburg wollte als Kanzler eine Personlichkeit, die parteipolitisch unabhangig und gewillt war, das Kabinett aus „Mannern gleicher Art“ zu bilden.[9] Die Tatsache, dass Hindenburg insbesondere die exzellenten Umgangsformen Papens schatzte, zeigt, welche bizarren Konsequenzen das personliche Regiment des Reichsprasidenten mittlerweile angenommen hatte. Allerdings war er bei der Berufung letztlich wieder einem seiner wichtigsten Berater gefolgt, dem ebenso fahigen wie intriganten General von Schleicher. Dieser war dann auch als Reichswehrminister der eigentliche starke Mann in der neuen Regierung. Ansonsten wurde das Kabinett, das ebenfalls weitgehend von Schleicher ausgewahlt hatte, uberwiegend von politisch unerfahrenen Mannern gebildet, die allerdings alle dem konservativ-adligen Milieu angehorten.[10] Dieses „Kabinett der Barone“ vertrat aber nur einen sehr kleinen Teil der Bevolkerung und stutzte sich allein auf die Autoritat des Reichsprasidenten und die Macht der Reichswehr.[11] Angesichts der grassierenden Weltwirtschaftskrise, dem zunehmenden Elend und der Radikalisierung der Bevolkerung s]chien diese Regierung von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen zu sein[12]. In der Hoffnung auf die Unterstutzung der NSDAP schloss von Papen unter Mitwirkung Schleichers bei seinem Amtsantritt im Juni 1932 mit Hitler einen Handel ab. Hitler sagte dem neuen Kabinett seine Unterstutzung zu, wenn auch seine Bedingungen erfullt werden wurden. Das vom Kabinett Bruning erlassene Verbot von SA und SS solle aufgehoben werden und der Reichstag aufgelost und Neuwahlen angesetzt werden, obwohl die Legislaturperiode erst in zwei Jahren vorbei gewesen ware. Auch unter Papen blieb es Hindenburg also nicht erspart weitere Notverordnungen zu unterschreiben. So wurde Hitlers zweite Bedingung erfullt und das SA-Verbot sowie das Uniform- und Abzeichenverbot zeitnah aufgehoben[13]. Der Reichsprasident hoffte, damit ein Ende der innenpolitischen Radikalisierung erreichen zu konnen. Das Gegenteil war aber der Fall.

Auberdem nahm Papen die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten[14] als Deckmantel, um nun von den Notstandsvollmachten des ihm nahestehenden Reichsprasidenten Gebrauch zu machen und die Regierung in Preußen abzusetzen. Preußen als mit Abstand grobtes der 17 Flachenlander war ein nicht zu unterschatzender politischer Machtfaktor. Die Ubernahme der preubischen Regierung, bestehend aus den Parteien der Weimarer Koalition, durch Papen bedeutete eine faktische Entmachtung des verfassungstreuen, preubischen Kabinetts. Schleicher berichtete daruber spater:

„Der grobte Erfolg der Regierung sei die Beseitigung der Preubenregierung gewesen. ,Das kann kein Staatsgerichtshof mehr ruckgangig machen!‘ Die bekannte Preuben-Notverordnung vom 20. Juli sei naturlich nicht wegen Gefahrdung von Ruhe und Ordnung ergangen, sondern nur, um dem unertraglichen Dualismus zwischen Reich und Preuben ein Ende zu machen. Es musse nur jemand den Mut zum Handeln finden, Begrundungen fnde man nachher immer schon.“[15]

Der Staatsstreich, in die Geschichte eingegangen als „Preubenschlag“, wurde mit angeblichen Gesprachen zwischen SPD und KPD uber die Bildung einer Einheitsfront gerechtfertigt. Zudem habe es die Regierung Braun/Severing versaumt gegen den kommunistischen Terror und die staatsfeindlichen Umtriebe der KPD in Preußen energische MaBnahmen zu ergreifen.[16] Den wahren Grund muss man wohl aber in dem Bestreben Papens suchen die Handlungsfahigkeit seiner Regierung zu demonstrieren. Fur die „nationale Opposition44 war die SPD-Regierung in Preußen zudem seit jeher ein Argernis gewesen, was man nun los war. Mit Preußen war die bis dato stabilste Stutze der Demokratie gefallen[17].

Was Hitler und seine Getreuen anging, so waren sie fest entschlossen, nicht nur die Republik, sondern nun auch von Papen und sein „Kabinett der Barone“ zu beseitigen. Uber diese Absicht ist in Goebbels Tagebuch vom 5. Juni 1932 zu lesen: „Wir mussen uns von dem burgerlichen Ubergangskabinett so schnell wie moglich absentieren“[18]. Und Papen schrieb uber seine erste Zusammenkunft mit Hitler am 9. Juni 1932: „Er ließ [...] durchblicken, dass er mein Kabinett nur als Zwischenlosung betrachtete und den Kampf fortsetzen werde, um seine Partei zur starksten des Landes - und damit sich zum Kanzler zu machen.“[19] Die Reichstagswahlen vom Juli 1932 sollten daraufhin in erschreckender Weise zeigen, welch ein Machtfaktor die NSDAP in Deutschland inzwischen geworden war.

2.2 Die Juliwahl 1932

Die Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 war die dritte innerhalb der innerhalb von nur funf Monaten auf Reichsebene abgehaltenen Wahlen. Doch Hitler und seine Anhanger, weit entfernt von Wahlmudigkeit, sturzten sich mit mehr Fanatismus und Energie denn je zuvor in den Wahlkampf[20].

Der Wahlkampft war Hitlers Lebenselixier[21]. In diesem nun ausgefochtenen Wahlkampf neuen Stils traten die programmatischen Aussagen der Parteien gegenuber plakativen und pauschalen Polemiken zuruck. Die republikanischen Parteien suchten Methoden, um die nationalsozialistischen Werbung zu imitieren. Demonstrationen, Aufmarsche, uniformierte Verbande, Fahnen und Symbole bestimmten das Bild. Dieser Wahlkampf war zudem einer der blutigsten uberhaupt. Allein am Wahltag, dem 31. Juli 1932, starben 12 Menschen durch politische Gewalttaten[23].

Als nun am 31. Juli 1932 gewahlt wurde, gaben 83,4 % der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. Es scheint erstaunlich, dass trotz der standigen Wahlen durch wiederholte Auslosungen des Reichstags eine derart hohe Zahl erreicht werden konnte. Dies ist ein Zeichen dafur, dass die Mobilisierung der Wahler sowie die massiven Wahlkampagnen fruchteten und die Menschen keineswegs „wahlmude“ waren. Der Urnengang selbst machte die NSDAP mit 37,4 % der Stimmen zu starksten Partei und mit 230 Sitzen zur starksten Fraktion im Reichstag. Mit diesem Zugewinn von insgesamt 113 Sitzen hatte sie damit die SPD klar uberholt. Der außere Triumph verdeckte jedoch eine gewisse Enttauschung. Trotz der ungewohnlich gunstigen Ausgangsposition hatte die Partei im Vergleich zu den Reichsprasidenten wahlen ihren Stimmenanteil nicht nennenswert ausbauen konnen und blieb so von der ertraumten absoluten Mehrheit noch weit entfernt. Uber die weiteren Aussichten der NSDAP urteilte der britische Botschafter in Berlin, Sir. H. Rumbold in einem Bericht an den Außenminister Simon am 03. August 1932:

„Hitler scheint jetzt seine Reserven erschopft zu haben. Die kleinen burgerlichen Parteien der Mitte und der Rechten hat er geschluckt, und es sieht nicht so aus, als ob er in der Lage sei, eine Bresche in das Zentrum, in die Kommunistische und in die Sozialdemokratische Partei und schlagen. [...] Alle anderen Parteien sind naturlich befriedigt daruber, dass es Hitler nicht gelungen sei, bei dieser Gelegenheit so etwas wie eine Mehrheit zu erreichen, insbesondere, weil sie uberzeugt sind, dass er jetzt schon seinen Hohepunkt uberschritten hat.“[24]

Die gedruckte Stimmung im Lager der NSDAP, die sich fur den Wahlkampf unter außersten Zugzwang gestellt hatte, beruhte darauf, dass man von der Erwartung ausgegangen war, in großerem Umfang Stimmen vom Zentrum und von der SPD abziehen zu konnen. Sowohl das katholische als auch das sozialistische Lager blieben aber relativ stabil. Hitlers Wahlaufruf vom 22. Juni 1932 hatte eine „Entscheidungsschlacht“ angekundigt. In seiner Proklamation zum Wahlausgang war er hingegen eher zuruckhaltend und sprach davon „den Kampf nunmehr mit erneuter Kraft aufzunehmen und fortzufuhren[25].“ In der Umgebung Hitlers erklarte man sich die Tatsache, dass der erwartete große Stimmenzuwachs nach der Reichsprasidentenwahl nicht eintrat, damit, dass die Regierung die Wahlen zum spatmoglichsten Zeitpunkt angesetzt hatte. Das hatte allerdings keinen Einfluss darauf, dass der strategisch so wichtige Einbruch in das katholische und proletarische Lager nicht gelang. Damit war zugleich die Hoffnung der Nationalsozialisten erloschen, durch Wahlen das politische System umsturzen zu konnen. Goebbels notierte an diesem Tag nach den Wahlen im Hauptquartier der NSDAP in Munchen:

„Wir haben eine kleine Kleinigkeit gewonnen. [...] Resultat: Jetzt mussen wir an die Macht und den Marxismus ausrotten. So oder so! Etwas muss geschehen. Die Zeit der Opposition ist zu Ende. Jetzt Taten! Hitler ist auch der Meinung. Nun mussen sich die Ereignisse abklaren und dann sind Entschlusse zu fassen. Zur absoluten Mehrheit kommen wir sowieso nicht.“[26]

Der entscheidende Verlierer dieser Wahl war die liberal-konservative burgerliche Mitte, die zusammen nur noch 21 Mandate bzw. 4,8 % der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die DNVP bußte 4 Sitze ein und war nur noch mit 37 Vertretern im Reichstag prasent. Hugenberg, der sich in Bad Harzburg noch als eigentlicher Vertreter des „nationalen Deutschland“ feierte, war nun hochstens noch als Juniorpartner Hitlers zu gebrauchen[27]. Zentrum und BVP konnten aufgrund der Oppositionsstellung gegenuber Papen ihre Stimmen auf 15,7 % steigern und zusammen 97 Abgeordnete in den Reichstag entsenden. Fur die Linke bedeutete diese Wahl eine herbe Enttauschung. Die Hoffnung der SPD von der Unpopularitat des Kabinetts Papen zu proßtieren hatte sich nicht erfullt. Sie schaffte es nur noch auf 21,6 % der Stimmen und verlor damit 10 Mandate. Die KPD hingegen gewann 12 Mandate hinzu und konnte ihren Stimmenanteil mit 14,3 % ausbauen. Die Linksparteien blieben zwar vergleichsweise immun gegenuber der nationalsozialistischen Propaganda, aber es zeigte sich, dass sie Jungwahler nur noch begrenzt anziehen konnten[28].

Dieses Wahlergebnis spiegelt die bereits fortgeschrittene Erosion der Demokratie in Weimar wider. Bereits Zeitgenossen hatten die Brisanz der Wahlergebnisse erkannt, wie der Bericht des Reichsinnenministers a.D. Wilhelm Kulz zeigt:

„Politisch, sachlich gesehen, ist der Ausgang der Wahl deswegen so furchtbar, weil er klar erkennbar werden lasst, dass die jetzige Wahl auf lange Zeit hinaus die letzte normale Reichstagswahl sein wird. Das so genannte Volk der Denker und Dichter eilt mit fliegenden Fahnen der Diktatur entgegen, und damit einer Zeit, die von schweren revolutionaren Storungen durchwuhlt sein wird. Der gewahlte Reichstag ist vollkommen arbeitsunfahig. [...] Wenn man die Dinge ganz schlicht und nuchtern betrachtet, so liegen sie so, dass sich mehr als die Halfte des deutschen Volkes gegen den heutigen Staat bekennt, aber nicht sagt, fur welchen Staat sie sich bekennt. Damit ist jede organische Entwicklung zunachst unmoglich.“[29]

Kulz verweist in diesem Bericht darauf, dass die dezidiert antidemokratischen Parteien NSDAP und KPD zusammen uber eine negative Mehrheit von 52 % verfugten. Damit konnten sie den Reichstag, der ohnehin nur noch ein Schattendasein fristete, jeder Zeit aushebeln und lahm legen[30]. Wider allen ideologischen Gegensatze waren sich KPD und NSDAP darin einig, dass es ihrer beider erklartes Ziel sei den Reichstag tatsachlich handlungsunfahig zu machen. Darauf mussten sich die Politiker um Hindenburg nun einstellen. Es schienen sich hier zwei Alternativen abzuzeichnen, nämlich zum einen die Einbeziehung der NSDAP in die politische Verantwortung, sei es durch das Angebot von Regierungsposten oder durch ein Tolerierungsabkommen.

[...]


[1] Vgl. Rauscher, Walter: Hindenburg. Feldmarschall und Reichsprasident, Wien 1997, S. 276.

[2] Vgl. Ruge, Wolfgang: Hindenburg. Portrat eines Militaristen, Berlin 1974, S. 389f.

[3] Vgl. Bracher, Karl-Dietrich, Manfred Funke und Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.): Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik - Wirtschaft - Gesellschaft, Bonn 1987, S. 640 (Schaubild: Die Reichsprasidentenwahlen 1925 und 1932).

[4] Darunter versteht man u.a. die Erhohung der direkten Steuern auf Lohne, Einkommen und Umsatze und vor allem der indirekten Steuern wie die Steuern auf Zucker, Bier und Tabak; Senkung der Sozialausgaben sowie der Lohne und Gehalter im offentlichen Dienst; ab Herbst 1931 staatlich festgelegte Lohn-, Preis- und Mietsenkungen.

[5] Vgl. Rauscher, S. 276.

[6] Vgl. Kohler, Henning: „Arbeitsbeschaffung, Siedlung und Reparationen in der Schlussphase der Regierung Bruning“. In: Vierteljahreshefte fur Zeitgeschichte 17 (1969), S. 289 f.

[7] Zit. n. Schulz, Gerhard: Von Bruning zu Hitler. Der Wandel des politischen Systems in Deutschland 1930-1933 (= Zwischen Demokratie und Diktatur. Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer Republik, Bd. 3), Berlin, New York 1992, S. 845.

[8] Vgl. ebd., S. 857f.

[9] Rauscher, S. 290.

[10] Vgl. Marcowitz, Reiner: Weimarer Republik 1929-1933, Darmstadt 2004, S. 105.

[11] Vgl. Fest, Joachim: Hitler. Eine Biograße, Berlin 2003, S. 491.

[12] Vgl. Turner, Henry Ashby: Hitlers Wegzur Macht. Der Januar 1933, Munchen 1996, S. 23.

[13] Vgl. Blomeyer, Peter: Der Notstand in den letzten Jahren von Weimar (= Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 57), Berlin 1999, S. 248.

[14] Anlass dazu war der so genannte „Altonaer Blutsonntag“ vom 17. Juli 1932. Ca. 7000 SA- und SS-Manner waren dort provokativ durch das von der KPD kontrollierte Gebiet, auch „Klein-Moskau“ genannt, marschiert und hatten fur blutige Strabenschlachten gesorgt, bei denen insgesamt 18 Zivilisten ihr Leben verloren. (Vgl. Feuchtwanger, E.J.: From Weimar to Hitler. Germany 1918-1933, New York 1995, S. 287.)

[15] Zit. n. Punder, Hermann: Politik in der Reichskanzlei, Stuttgart 1961, S. 149 (8. Oktober 1932).

[16] Vgl. Grevelhorster, Ludger: Kleine Geschichte der Weimarer Republik 1918-1933. Ein problemgeschichtlicher Uberblick, Munster 2005, S. 174.

[17] Vgl. Pfandtner, Bernhard und Reiner Schell: Weimarer Republik - Nationalsozialismus, Bamberg 1998, S. 104.

[18] Zit. n. Shirer, William L.: Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, Koln 1996, S. 160.

[19] Papen, Franz von: Die Wahrheit einer Gasse, Munchen 1953, S. 195.

[20] Vgl. Shirer, S. 160.

[21] Thamer, Hans-Ulrich: Adolf Hitler (1889-1945). In: Frohlich, Michael (Hrsg.): Die Weimarer Republik. Portrait einer Epoche in Biographien, Darmstadt 2002, S. 350.

[22] Mommsen, Hans: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918 bis 1933, Frankfurt am Main 1990, S. 463f.

[23] Vgl. Bracher, Karl-Dietrich: Die Auflosung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Dusseldorf 1984, S. 536.

[24] Zit. n. Neebe, Reinhard: Die Republik von Weimar 1918-1933. Demokratie ohne Demokraten?, Stuttgart 1987, S. 107f.

[25] Zit. n. ebd.

[26] Goebbels, Joseph: Vom Kaiserhof zur Reichskanzler. Eine historische Darstellung in Tagebuchblattern vom 1. Januar 1932 bis zum 1. Mai 1933, Munchen 1942, S. 137.

[27] Vgl. Mommsen, 1990, S. 464.

[28] Vgl. ebd.

[29] Zit. n. Michaelis, Herbert und Ernst Schraepler (Hrsg.): Die Weimarer Republik. Vom Kellogg-Pakt zur Weltwirtschaftskrise. Die innerpolitische Entwicklung (= Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte, Bd. 7), Berlin 1962, S. 324 (Dokument 1583 d).

[30] Vgl. Marcowitz, S. 112.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der 13. August 1932
Untertitel
Vorgeschichte – Verlauf - Konsequenzen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Die Weimarer Republik bis zur Machtergreifung der Nationalsozialismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
27
Katalognummer
V154282
ISBN (eBook)
9783640669080
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
August, Vorgeschichte, Verlauf, Konsequenzen
Arbeit zitieren
Elisa Mätzig (Autor:in), 2009, Der 13. August 1932, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154282

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