Optimierungspotenziale für das Supply Chain Management durch den Einsatz der RFID Technologie


Bachelorarbeit, 2010

70 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Die Supply Chain - Träger der unternehmensüber­greifenden Informationen
2.1 Supply Chain Management
2.1.1 Definition des Supply Chain Managements ,
2.1.2 Das SCOR-Modell als Basis für ein einheitli­ches Prozessdenken
2.2 Der Bullwhip-Effekt - Anforderungen und Probleme des Supply Chain Managements
2.3 Austausch unternehmensübergreifender Informationen
2.4 Die Information als Sehlüsselressouree für das Supply Chain Management
2.5 Entwicklung automatischer Identifikationsverfahren

3 RFID Technologie - Grundlagen, Unterscheidungs­merkmale und Funktionsweisen
3.1 Begriffsbestimmung und Einordnung im Bereich der Auto-ID Systeme
3.2 Bestandteile und Funktionsweisen eines RFID Systems
3.3 Unterscheidungsmerkmale und technische Varianten von RFID Systemen
3.3.1 Energieversorgung von aktiven und passiven Transpondern
3.3.2 Verwendungsspezifische Bauformen
3.3.3 Frequenzbereiche - Das Problem der Standar­disierung
3.3.4 Kapazitäten und Speieherteehnologie , , , ,
3.4 Vielfachzugriff und Antikollisionsverfahren
3.5 Das EPCglobal Netzwerk - Effizienzsteigerung durch Webservices

4 Optimierungspotenziale durch den Einsatz von RFID entlang der Supply Chain
4.1 Einsatz von RFID Technologie in unternehmensüber­greifenden Prozessen
4.1.1 Supply Chain Planung
4.1.2 Wareneinkauf und -verkauf
4.1.3 Produktion
4.1.4 Warenlieferung
4.2 Betriebswirtschaftliches Potenzial durch den Einsatz von RFID Technologie
4.2.1 Effizienzsteigerung der Prozesse entlang der Supply Chain
4.2.2 Business Process Reengineering
4.2.3 Von der Supply Chain zum Supply Net ...

5 Unterstützende und erschwerende Faktoren eines er­folgreichen RFID Einsatzes entlang der Supply Chain
5.1 Unterstützende Faktoren auf die RFID Technologie
5.2 Erschwerende Faktoren entlang der Supply Chain ,
5.2.1 Technische Einschränkungen und Kinderkrank­heiten
5.2.2 Kostenaufwand für die Implementierung und Einbindung in die bestehenden Prozesse , ,
5.2.3 Fehlender Kooperationswille hemmt das Po­tenzial
5.2.4 Mangelnde Standardisierungen

6 Schlussfolgerung und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

2.1 Supply Chain von der „Source of Supply“ bis zum„Point of Consumption“; Eigene Darstellung in An­lehnung an Busch/ Dangelmaier (2004)

2.2 Das SCOR-Modell - Eigene Darstellung in Anleh­nung an Supply Chain Couneil(2008),Hansen/Neumann (2006), Laudon/Sehoder (2008), S, 407

2.3 Der Bullwhip-Effekt (Peitseheneffekt) als Folge iso-lierter Naehfrageplanung entlang der Supply Chain; Eigene Darstellung in Anlehnung an Busch/ Dangel­maier (2004), Lawrenz/ Hildebrand (2001), Laudon/ Sehoder (2008)

2.4 Der Medienbruch zwischen virtueller und realer Welt; Eigene Darstellung in Anlehnung an Gillert(2007),S.7; Fleisch(2006), S. 5

3.1 Aufbau eines REID Systems - Eigene Darstellung in Anlehnung an Finkenzeller (2008), S. 7

3.2 Master-Slave-Prinzip zwischen Applikation, Lesege rät und Transponder - Eigene Darstellung in Anleh­nung an Finkenzeller (2008), S. 361

3.3 Funktionsweise eines passiven RFID Transponders- Eigene Darstellung in Anlehnung an Finkenzeller (2008),S. 24

3.4 Funktionsweise eines aktiven RFID Transponders -Eigene Darstellung in Anlehnung an Finkenzeller (2008),S, 24

3.5 Transponder in unterschiedlichen Bauformen - Ab­bildung in Anlehnung an Finkenzeller (2008), S, 14ff, und Franke/Dangelmaier (2006), S, 25

3.6 Vergleich der Kodierung des heutigen EAN/UCC mit der Kodierung eines EPC - Eigene Darstellung in An­lehnung an Finkenzeller (2008), S, 319

3,7 Software Infrastruktur des EPCglobal Netzwerks - Eigene Darstellung in Anlehnung an Gillert/ Hansen (2007), S. 95 und EPCglobal

4.1 REID gestützter Containerkreislauf - Eigene Darstel­lung in Anlehnung an Strassner und Eisen (2005), S,213

5.1 Zulässige Frequenzbereiche in den Weltregionen - Ei­gene Darstellung in Anlehnung an Gillert/ Hansen (2007), S. 98

Kapitel 1 Einführung

In der heutigen Wirtschaft unterliegen Unternehmen einer sieh stän­dig wandelnden Marktsituation, Neben der Globalisierung, zuneh­mender Wettbewerbsintensität und erhöhter Markttransparenz sind es vor allem die Kundenwünsehe, die ständig neue Anforderungen an die Gestaltung der Wertsehöpfungsnetzwerke stellen,[1] Diese Ent­wicklung wird zusätzlich durch den steigenden Einsatz von Infor­mationstechnologie verstärkt und erhöht den Leistungsdruek auf Unternehmen,[2] In der Vergangenheit haben Unternehmen zumeist die innerbetrieblichen Prozesse betrachtet, um die Effizienz und Zu­verlässigkeit des Unternehmens zu steigern, Flexibilität gewinnt zu­nehmend an Bedeutung, um langfristig konkurrenzfähig mit ande­ren Supply Chains zu bleiben. Bereits Schwierigkeiten im Produk­tionsbetrieb, bei der Auslieferung oder beim Transport der Ware ziehen unkontrollierbare Auswirkungen auf die naehgelagerten Sta­tionen entlang der Supply Chain nach sieh,[3] Die erfolgreiche Zu­sammenarbeit von Unternehmen entlang der Wertschöpfungsket­te setzt die Bereitschaft voraus, einerseits Informationen zu teilen und andererseits die Vielzahl der erhaltenen Informationen verar­beiten zu können. Die Informationsteehnologie hat an dieser Stelle die Aufgabe, Informationen zwischen den Unternehmen auszutau- sehen und so eine funktionierende, informatisierte Supply Chain zu integrieren,[4] Häufig fehlen jedoch entscheidungsrelevante Infor­mationen entlang der Wertsehöpfungskette, welche fehlende oder fehlerhafte Angaben im IT-System zur Folge haben und so nicht mehr die Realität widerspiegeln,[5]

Eine Antwort auf die gestellten Herausforderungen am Markt bieten automatische Identifikationslösungen, sogenannte Auto-ID-Systeme, Durch ihren Einsatz lassen sieh die realen Warenflüsse mit dem Informationsfluss des übergeordneten IT-Systems synchronisieren. An erster Stelle stehen hierbei die REID basierten Identifikati­onsverfahren,[6] Der Einsatz von RFID Technologie bildet den er­sten Schritt zur Vision einer nahtlosen Integration von Gesehäfts- prozessen in betrieblichen IT-Systemen,[7]

RFID ist die englische Abkürzung für die Radio Frequency Identifi­cation, welches ins deutsche übersetzt Funkerkennung bedeutet. Mit Hilfe des RFID Verfahrens lassen sieh Gegenstände mittels Funk­technik automatisch und berührungslos identifizieren. Weit verbrei­tete Identifikationsverfahren wie der Barcode gehören ebenfalls zu dieser Technologie, Das Barcodeverfahren hat jedoch zumeist be­reits das Ende seiner Entwieklungsmögliehkeiten erreicht. Deshalb gerät die RFID Technologie zunehmend in das Visier der Logisti­ker,[8]

Im Wesentlichen beschäftigen sieh zwei Interessengruppen mit der RFID Technologie, Auf der einen Seite stehen die Innovatoren und Befürworter, die eine Effizienzsteigerung und einen über kurz oder lang einsetzenden Nutzen erwarten. Dem gegenüber stehen die Un­ternehmen, die durch die Unternehmenspolitik großer Handelskon­zerne, wie Metro oder Wal-mart, dazu gezwungen werden RFID Technologie einzusetzen und befürchten gegenüber Konkurrenten nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein,[9]

Durch die Ausstattung von Objekten mit RFID Transpondern bie­tet sieh nun erstmals die Möglichkeit, den gesamten Verlauf ent­lang der Wertsehöpfungskette lückenlos in maschinenlesbarer Form zu dokumentieren. Der RFID Technologie wird aus diesem Grund ein sehr hohes Optimierungspotenzial hinsichtlich der internen und externen Prozesse entlang der Supply Chain zugesproehen,

“Radio Frequency Identification technology enables companies to automate production lines, make them more flexible and minimize error rates - key conditions for a longterm business success,“[10] In der vorliegenden Arbeit wird das Potenzial der RFID Technologie zur Optimierung der Prozesse entlang der Supply Chain analysiert,

Die zentrale Frage lautet, ob durch die EFID Technologie eine Au­tomatisierung der gesamten Wertschöpfungskette erreicht wird und welchen individuellen Vorteil die beteiligten Unternehmen dabei er­zielen.

Das zweite Kapitel erläutert grundlegend die Notwendigkeit einer informatisierten Supply Chain, Neben der Definition des Supply Chain Management Begriffs wird ein mit diesem strategischen Kon­zept einhergehendes Problemfeld betrachtet, der Peitseheneffekt, Der Informationsaustausch entlang der Wertsehöpfungskette nimmt in Bezug auf den Peitseheneffekt eine sehr bedeutende Rolle ein, weshalb sieh weitere Ausführungen genauer mit der Informations­versorgung als Ressource des Supply Chain Managements beschäf­tigen, Das Kapitel schließt mit einem Blick auf die mangelhafte Interaktion zwischen der realen und der virtuellen Welt,

Das dritte Kapitel betrachtet die grundlegenden Funktionsweisen und Unterscheidungsmerkmale der RFID Technologie, Neben der Einordnung in die Welt der Auto-ID Systeme, werden die Grundbe­standteile eines RFID Systems erläutert. Für Unternehmen werden entscheidungsrelevante Themen wie die Energieversorgung, Baufor­men, Frequenzbereiche und Speieherteehnologien behandelt. Das Kapitel schließt mit dem EPCglobal Netzwerk und dessen Potenzi­al durch die Nutzung von Webservices.

Das vierte Kapitel beschäftigt sieh aufbauend auf den vorange­gangenen Kapiteln mit den tatsächlichen Einsatzfeldern von RFID Technologie entlang der Supply Chain, Es werden Prozesse, wie bei­spielsweise die Beschaffung, Herstellung, Kommissionierung sowie der Warentransport betrachtet. Das Kapitel zeigt auf, dass die RFID Technologie das Potenzial besitzt Prozesse entlang der Wert­sehöpfungskette effizienter, transparenter und kostengünstiger zu gestalten. Zusätzlich werden betriebswirtschaftliche Auswirkungen der RFID Technologie betrachtet.

Das fünfte Kapitel der vorliegenden Arbeit betrachtet neben den Potenzialen der RFID Technologie zusätzlich unterstützende sowie erschwerende externe Faktoren, Es wird untersucht, welche Auswir­kungen Aspekte wie Transparenz, Standardisierung und Koopera­tionswille nach sieh ziehen.

Kapitel 2 Die Supply Chain - Träger der unternehmensübergreifenden Informationen

2.1 Supply Chain Management

Zur Schaffung eines einheitlichen Verständnisses wird an dieser Stel­le das Supply Chain Management in seiner grundlegenden Funk­tion zur Steuerung und Optimierung von unternehmensinternen und -übergreifenden Geschäftsprozessen entlang der Wertschöpfungs­kette erläutert,

2.1.1 Definition des Supply Chain Managements

In der Literatur existieren über den Begriff des Supply Chain Mana­gements verschiedene Definitionen, Im Wesentlichen unterscheiden sie sich hinsichtlich der Abgrenzung zum Logistikbegriff, Während einige Autoren die Begriffe Supply Chain Management und Logistik gleichsetzen, differenzieren andere Autoren die Begriffe vor allem aufgrund der unterschiedlichen unternehmensübergreifenden Aus­richtung,[11] Im Standardwerk der Wirtschaftsinformatik definieren Hansen und Neumann das Supply Chain Management als ein stra­tegisches Konzept, mit dem Ziel die Geschäftsprozesse entlang der Wertschöpfungskette (engl. Supply Chain) vom Rohstofflieferanten bis zum Endverbraucher möglichst effizient und kostengünstig zu gestalten, Ziel ist es, so die Autoren, eine intensive Zusammenar­beit zwischen allen Beteiligten zu erreichen, um inner- und überbe­triebliche Material-, Informations- und Geldflüsse sicherzustellen,[12] Im Supply Chain Management wird die strategische Ebene we­sentlich stärker betont, als nach dem reinen Logistikverständnis, Dies ist vor allem daran zu erkennen, dass Entscheidungen nicht mehr isoliert im Unternehmen getroffen werden, sondern stets eine Abstimmung mit allen beteiligten Unternehmen der Supply Chain getroffen wird. So kann sich die Supply Chain zu einem Gesamt­system entwickeln,[13]

Diese Sichtweise wird auch in der vorliegenden Arbeit vertreten. Das Supply Chain Management ist demzufolge ein erweiterter Be­griff der Logistik, Neben der unternehmensübergreifenden Betrach­tung der Supply Chain findet auch eine enge Verzahnung der ver­schiedenen Unternehmensbereiche statt. Es bilden sich Unterneh­mensnetzwerke aus Rohstofflieferanten, Logistikunternehmen, Ban­ken sowie IT-Beratungsunternehmen, In Abbildung 2,1 wird bei­spielhaft die Supply Chain von der Bierfassherstellung bis hin zum Endkunden betrachtet. Daran lässt sich die umfassende Einbezie­hung aller Teilnehmer der Wertschöpfungskette erkennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2,1: Supply Chain von der „Source of Supply“ bis zum „Point of Consumption“; Eigene Darstellung in Anlehnung an Busch/ Dangelmaier (2004)
Die Instrumente des Supply Chain Managements sind sehr selek­tiv und differenziert einzusetzen. Dies bedeutet, dass der Umfang und die Mittel zur Optimierung der Supply Chain stets an die Art der Zusammenarbeit zwischen Kunden und Lieferanten angepasst werden müssen. Da das Supply Chain Management vor allem hohe Anforderungen an die Mitarbeiter stellt, ist eine enge Zusammen­arbeit und der kontinuierliche Informationsaustausch zwischen den Unternehmen entlang der Supply Chain eine Grundvoraussetzung,[14]

2.1.2 Das SCOR-Modell als Basis für ein einheit­liches Prozessdenken

Wie vorangegangen erläutert beschäftigt sieh das Supply Chain Management nicht mit den einzelnen Unternehmen, sondern be­trachtet die gesamte Wertsehöpfungskette als ein Netzwerk, Um die unternehmensübergreifenden Prozesse effizient auf einer gemein­samen Basis zu betrachten wurde ein Standard-Referenz-Modell, das so genannte Supply Chain Operational Reference (SCOR) Mo­del, entwickelt. Das Modell besteht aus mehreren Ebenen auf de­nen die Lieferkette eines Unternehmens analysiert wird. Zusätzlich werden unternehmensübergreifende Prozesse definiert und mit den Best Practice Lösungen der Branche verglichen,[15] Durch eine bran- ehenneutrale Ausrichtung lassen sieh die Supply Chain Prozesse vergleichen, analysieren, verbessern und umsetzen. Die ständige Weiterentwicklung des Prozessmodells wird durch die Non-Profit- Wirtsehaftsvereinigung, das Supply Chain Council, durehgeführt. Die Entwicklung des Prozessreferenzmodells basiert auf der Er­kenntnis, dass durch eine fehlende und uneinheitliche Prozessbe­sehreibung die Komplexität der Supply Chain nicht richtig erfasst werden kann. Häufig waren ERP Systeme nicht in der Lage, die Unternehmensprozesse korrekt abzubilden, Fehler bei der Softwa­reauswahl kamen so erst viel zu spät zum Vorschein,[16] Das SCOR-Modell ist hierarchisch in vier Ebenen gegliedert. Wäh­rend auf den Ebenen eins und zwei die gesamte Supply Chain in einer Gesamtübersieht betrachtet wird und somit auf strategischer Ebene agiert, beschäftigen sieh die Ebenen drei und vier mit den detaillierten Teilprozessen des Wertsehöpfungsnetzwerks,[17] Wie in Abbildung 2,2 verdeutlicht, werden in der ersten Ebene

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Das SCOR-Modell - Eigene Darstellung in An­lehnung an Supply Chain Council(2008),Hansen/Neumann (2006), Laudon/Schoder (2008), S. 407

des Modells die fünf grundlegenden Supply Chain Prozesse Planen (plan), Beschaffen (source), Herstellen (make), Liefern (deliver) und Rücklieferung (return) definiert. Ihnen werden die Supply Chain Prioritäten und Aktivitäten zugeordnet. In der zweiten Ebene, der Konfigurationsebene, werden die fünf Supply Chain Prozesse in eine Vielzahl von Kernprozesskategorien unterteilt. In der dritten Ebene, der Gestaltungsebene, stimmen die Unternehmen ihre Unterneh­mensstrategien ab. Es werden die Fähigkeiten definiert, über die ein Unternehmen zum erfolgreichen Bestehen am Markt verfügen muss. Dies geschieht beispielsweise durch Benchmarking und dem Vergleich mit den aktuellen Best Practices. Die vierte Ebene wird häufig als Implementierungsebene bezeichnet, da Unternehmen auf dieser Ebene die speziellen Supply-Chain-Managementpraktiken im Unternehmen implementieren. Es werden Handlimgsstrategien fest­gelegt, um auf veränderte Geschäftsstrategien reagieren zu können.[18] Obwohl das SCOR-Modell eine nicht branchenspezifische Lösung ist und eine Standardisierung der Supply Chain zum Ziel hat, ist eine Individualisierung und Anpassung an die Unternehmens- und bran­chenspezifischen Eigenheiten unbedingt notwendig, um dauerhafte Effizienz- und Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

2.2 Der Bullwhip-Effekt - Anforderungen und Probleme des Supply Chain Ma­nagements

Moderne Supply Chains arbeiten heute nicht mehr nach dem ver­alteten Push-Prinzip und überschwämmen den Markt mit ihrem Warenangebot, Das heute angewandte Pull-Prinzip überlässt dem Endkunden der Supply Chain die Steuerung, Aus diesem Grund wird die Supply Chain in der Literatur auch Demand Chain ge­nannt, Häufig sind sieh Unternehmen diesem Wandel nicht bewusst und treffen isolierte Entscheidungen, die zu negativen Effekten ent­lang der gesamten Wertsehöpfungskette führen, Entscheidungen werden zumeist aufgrund von Vermutungen, Faust­regeln oder Gewohnheiten getroffen. Sofern sieh die äußeren Be­dingungen ändern, müssen sieh ebenfalls die Entseheidungsmodelle ändern. Hier ist häufig ein schlechtes Lösungs- bzw, ein mangel­haftes Lernverhalten der Entseheider zu erkennen. Man sagt: „Das Auge sieht nur, was das Gehirn bereit ist zu verarbeiten“. So neigen Unternehmen dazu, Entscheidungen aufgrund von falschen menta­len Modellen zu treffen. Es findet kein Erlernen aus gemachten Er­fahrungen statt.

Durch den Bullwhip-Effekt entwickeln sieh selbst kleine Verände­rungen der Endkundennaehfrage zu sehr großen Schwankungen der Bestellmengen, Je weiter ein Unternehmen vom Endkunden ent­fernt ist, desto schlechter ist die Prognosegüte der Naehfragepla- nung,[19] Die Folgen einer Bestellmengenaufsehaukelung sind offen­sichtlich, Produktionskapazitäten werden nicht gleichmäßig ausge­nutzt, sondern zu unvorhersehbaren Massenbestellungen zusammen­gefasst, um Rabatte auszunutzen. Diese Schwankungen können wie­derum nicht von den Zulieferanten abgefangen werden. In auftrags­armen Zeiten kommt es zu Produktionsstillständen, Um Fehlbe­ständen vorzubeugen, füllen Unternehmen ihre Lager mit Sicher­heitsbeständen, Hohe Lagerbestände verursachen hohe Kapitalbin­dungskosten und machen die gesamte Supply Chain schwerfällig. Andererseits führen zu geringe Lagerbestände zu Out-of-Stoek Si­tuationen, die Umsatzausfälle und sogar Konzessionsstrafen zur Fol­ge haben können.

Die Aufgabe des Supply Chain Managements ist, den Peitsehen- effekt abzuschwächen bzw. zu vermeiden. Die Fallstricke liegen vor allem in der Verzögerung von Material- und Informationsflüssen so­wie isolierten Entscheidungen einzelner Unternehmen, ohne Rück­sicht auf das Wertschöpfungsnetzwerk.[20] Nur durch eine konsequen­te Orientierung an der Nachfrageänderung des Kunden lässt sich der Peitscheneffekt reduzieren. Dazu bedarf es hoher Transparenz unter den Akteuren der Supply Chain. Nur wenn Lagerorte und -mengen jederzeit bekannt sind, können Kunden die Verfügbarkeit in ih­re Bedarfsplanung einkalkulieren. So kann auf Sicherheitsbestände verzichtet und Kosten eingespart werden. Dies würde entscheidend dazu beitragen den Bullwhip-Effekt zu reduzieren.[21] Anhand der Abbildung 2.3 wird die Auswirkung der isolierten Bedarfsplanung verdeutlicht. Obwohl die Nachfrage beim Endkunde relativ gleich­bleibend ist, wirken sich bereits kleinste Nachfrageänderungen sehr stark auf die Bedarfsplanung der vorgelagerten Unternehmen aus.[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3: Der Bullwhip-Effekt (Peitscheneffekt) als Folge iso­lierter Nachfrageplanung entlang der Supply Chain; Eigene Dar­stellung in Anlehnung an Busch/ Dangelmaier (2004), Lawrenz/ Hildebrand (2001), Laudon/ Schoder (2008)

2.3 Austausch unternehmensüb ergreifen­der Informationen

Das Ziel eines jeden Unternehmens ist es, seine Produkte und Dienst­leistungen möglichst effizient auf den Markt zu bringen. Insbeson­dere durch die gestiegenen Kundenanforderungen sind die Unter­nehmen gezwungen, sieh hinsichtlich der Qualität, Kosten und Lie­fertreue auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Wichtig ist deshalb, sieh auf moderne Planungskonzepte zu stützen, die einen unternehmensübergreifenden Blick auf die gesamte Supply Chain ermöglichen. Die Realität zeigt jedoch, dass bereits enorme Schwie­rigkeiten bei der Steuerung eigener Logistikprozesse auftreten, Un­ternehmen erstellen weiterhin eigene Naehfrageprognosen und bau­en eigene Sicherheitsbestände auf, um sieh nicht in die Karten schauen zu lassen. Durch eine unternehmensübergreifende Planung könnten sieh die Zulieferer besser miteinander abstimmen,[23] Viele Unternehmen scheuen davor zurück ihre unternehmensinter­nen Daten einem zentralen Planungstool zur Verfügung zu stellen. Sie sehen weiterhin erhöhte Risiken und gesteigerte Abhängigkeiten, Durch Kooperationsmodelle wie das Efficient Consumer Response oder das Vendor Managed Inventory könnten die unternehmens­übergreifenden Prozesse deutlich transparenter gestaltet werden. Dies würde nicht nur zu einer Verkürzung der Durehlaufzeiten füh­ren, sondern auch zu einer Prozessverschlankung und damit zu Kosteneinsparungen,

Nur über die Bereitstellung von Informationen entlang der gesam­ten Kette kann die Planungssieherheit erhöht werden. Durch den Einsatz moderner Supply Chain Werkzeuge kann die Steuerung und Kontrolle der Wertsehöpfungskette erfolgreich funktionieren. Dazu bedarf es von allen Beteiligten einem partnerschaftlichen und pro­zessorientierten Verhalten, Nur so kann eine Win-Win-Situation für alle Unternehmen erzielt werden,[24]

2.4 Die Information als Sehlüsselressour- ee für das Supply Chain Management

Der unternehmensübergreifende Informationsfluss und die Kom­munikation zwischen den Mitgliedern der Wertschöpfungskette hat mittlerweile mindestens den gleichen Stellenwert eingenommen, wie der Warentransport selbst,[25] Die Ressource Information nimmt im Supply Chain Management eine Sonderrolle ein. Sie unterliegt im Vergleich zu materiellen Gütern keiner Abnutzung und kann leicht entlang der Supply Chain transportiert werden. Trotzdem ist die asymmetrische Informationsversorgung entlang der Supply Chain ein wesentliches Grundproblem, In der IT wird eine Nachricht zu ei­ner Information, wenn sie für einen Empfänger eine Bedeutung hat. Analog dazu lässt sieh für die Betriebswirtschaft sagen, dass eine Information zweekbezogenes Wissen darstellt. Fehlt dieses zweckbe­zogene Wissen entlang der Supply Chain, können die Unternehmen nicht mehr synchron tätig werden. Es kommt zu erhöhten Transak­tionskosten, Folglich ist es die entscheidende Aufgabe der Ressource Information, die Entseheidungsprozesse der gesamten Supply Chain zu unterstützen. In der Literatur der Logistik spricht man häufig neben der Transparenz entlang der Wertsehöpfungskette auch von der Visibilität, Beide Begriffe beschreiben die Verfügbarkeit von In­formationen, Je höher die Visibilität entlang der Supply Chain ist, desto besser ist die Gesamtperformanee der Lieferkette,[26] Dabei kommt es nicht auf die Menge der Informationen an. Häufig schei­tern Unternehmen daran, die Informationsflut entlang der Supply Chain zu verarbeiten. Für die Entseheidungsträger sind vielmehr die Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen ausschlagge­bend, Häufig sind Medienbrüehe die Ursache für Intransparenz und Fehleranfälligkeit der inner- und überbetrieblichen Prozesse, Durch die mehrfache, manuelle Erfassung von Auftragsdaten entlang der Supply Chain, erhöht sieh die Fehlerwahrscheinlichkeit von Stufe zu Stufe, Zur Vermeidung von Medienbrüehen ist die Integration eines Informationssystems unerlässlich,[27] Durch integrierte Informations­systeme wird die Planung und Ausführung der Supply Chain Pro­zesse grundlegend unterstützt,[28]

2.5 Entwicklung automatischer Identifi­kationsverfahren

In vielen Unternehmensbereiehen, wie dem Wareneinkauf, der Dis­tribution oder der Produktion haben automatische Identifikations­verfahren (Auto-ID) in den letzten Jahren weite Verbreitung gefun­den, Sie unterstützen unter anderem die Bereitstellung von Informa­tionen zu Rohstoffen und Fertigwaren,[29] Auto-ID Systeme bilden in vielen Unternehmensbereiehen eine Sehnittstellenfunktion zwi­schen dem IT-System (z.B, ERP-Svstem) und der realen Welt, Da das Abbild der realen Welt jedoch immer nur so genau sein kann, wie die Daten bei ihrer Erhebung, ist an dieser Stelle ein besonderes Optimierungspotenzial gegeben. Die bereits zu Beginn erwähnten Faktoren wie erhöhte Kundenanforderungen, verschärfter Wettbe- werbsdruek und kürzere Produktlebenszyklen erhöhen die Ansprü­che an ein Auto-ID System zusätzlich,[30]

Durch die gestiegenen Anforderungen werden Sehwaehstellen ent­lang der Supply Chain wesentlich schneller sichtbar, Fehlbestände reduzieren beispielsweise die Jahresumsätze eines Einzelhändlers, um durchschnittlich zirka vier Prozent, Zumeist stimmen die tat­sächlichen Lagermengen nicht mit den Daten im Warenwirtsehafts- svstem überein,[31] Das Problem liegt vor allem in der fehlerhaf­ten Erfassung durch den Menschen, Es gilt deshalb die reale Welt so automatisiert wie möglich in die Welt der Informationssysteme zu übertragen. Ein gemeinsamer Nenner auf dem Weg zu einer fehlerfreien Integration der Welten, ist der Einsatz von automa­tischen Identifikationssystemen, Große Unternehmen, wie Metro, Teseo, Wal-Mart und Volkswagen, haben sieh zu diesem Zweck zu­sammengefunden und arbeiten gemeinsam an einer Lösung,

Die Einführung der Barcode Technologie führte seiner Zeit zur Re­duzierung möglicher Fehlerquellen, Diese Lösung war jedoch nicht in der Lage, die durch den manuellen Aufwand entstandene Zeit- und Kostenintensität zu reduzieren. Der Mensch war nach wie vor für die entstehenden Kosten der Schnittstelle zwischen realer Welt und Informationssystem verantwortlich. Somit waren Logistiker wei­terhin auf der Suche nach einer reinen Masehine-zu-Masehine Kom­munikation, welche die Prozesse hinsichtlich der Durehlaufzeit und Fehleranfälligkeit optimieren sollte.

Ans dieser Vision wurde ein neuer Begriff geschaffen, das Ubiquious Computing, Es hatte sieh zum Ziel gesetzt, die reale Welt mit den Informationssystemen zu verbinden und so das „Internet der Din­ge“ zu schaffen, Xaeh der Vision des Ubiquious Computing wird die Datenerfassung möglichst beim ersten Rohstoffproduzenten der Supply Chain positioniert. So werden einfache Waren zu „intelli­genten Dingen“ erweitert. Durch den Einsatz eines Mikrochips sind diese fortan in der Lage, Informationen zu speichern, zu empfangen und zu versenden.

So lassen sieh reale Geschäftsprozesse in den IT-Systemen zuver­lässig aufeinander abstimmen und koppeln. Wie in Abbildung 2,4 erkennbar ist, besteht zwischen den virtuellen Informationen im oberen Bereich und den realen Prozessen im unteren Bereich nach wie vor eine Kluft, Durch die Verringerung der menschlichen Inter­aktion, einer Reduzierung des Zeitverzugs und durch die Steigerung der Datenqualität, wird diese verringert,[32]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2,4: Der Medienbruch zwischen virtueller und rea­ler Welt; Eigene Darstellung in Anlehnung an Gillert(2007), S.7; Fleisch(2006), S, 5

Die Abbildung verdeutlicht, wie die Verwendung von RFID als Basistechnologie des Ubiquious Computing die Maschine-zu-Maschine Kommunikation ohne menschliche Unterstützung ermöglicht, RFID ist folglich die Schlüsseltechnologie zur Integration der realen Welt mit betrieblichen Informationssystemen, In Verbindung mit ande­ren Auto-ID-Infrastrukturen lassen sieh Objekthistorien, Zustands­Überwachungen oder Traeking-Svsteme realisieren,[33] Durch das zum Barcode vergleichsweise weitreichende Potenzial der RFID Techno­logie, werden Funketiketten in der Literatur häufig auch als „die Augen und Ohren eines Informationssystems“ bezeichnet.

Kapitel 3 RFID Technologie - Grundlagen,U nterscheidungsmerkmale und Funktionsweisen

Viele Unternehmensbereiehe werden heute bereits durch automati­sche Identifikationsverfahren unterstützt. Das Ziel ist die ständige Bereitstellung von Informationen über Menschen, Waren oder Gü­ter,[34] Durch den zunehmenden Einsatz von Informations- und Kom- munikationsteehnologien werden neue und höhere Anforderungen an die Auto-ID Systeme gestellt. Gegenwärtig verwendete Verfah­ren wie der Barcode sind zunehmend mit den hohen Anforderungen überfordert. Da technischer Stillstand jedoch für jedes Unterneh­men am Markt ein Todesurteil bedeuten würde, rücken neue Tech­nologien in den Fokus der Unternehmen, In diesem Kapitel werden deshalb die technischen Eigenschaften der RFID Technologie be­trachtet.

3.1 Begriffsbestimmung und Einordnung im Bereich der Auto-ID Systeme

Die Abkürzung RFID steht für „Radio Frequency Identification“ und bezeichnet eine Technologie der automatischen Identifikations­systeme,[35] Auto-ID Systeme stellen eine Sehnittstellenfunktion zwi­schen den IT-Systemen und der realen Welt dar.

[...]


[1] Wgl. Strassner (2005), S. 1

[2] Vgl. Arndt (2006), S. 24

[3] Vgl. BSI (2005), S. 78

[4] Vgl. Arndt (2006), S. 184

[5] Vgl. Strassner (2005), S. 3

[6] Vgl. Friedli (2009), S. 6

[7] Vgl. Strassner (2005), S. 54

[8] Vgl. Franke/ Dangelmaier (2006), S. 5

[9] Vgl. Gillert/ Hansen (2007), S. 1

[10] Zitat: Klaas,V. (2008), S. 178

[11] Vgl. Strassner (2005), S. 40

[12] Vgl. Hansen/ Neumann (2005),S. 727

[13] Vgl. Hansen/ Neumann (2005),S. 727f

[14] Vgl. Melzer-Ridinger,R. (06/2005), S. 7

[15] Vgl. Hansen/ Neumann (2005), S. 728

[16] Lawrenz/ Hildebrand/ Nenninger (2001), S. 116

[17] Vgl. Lawrenz/ Hildebrand/ Nenninger (2001), S. 122

[18] Vgl. Lawrenz/ Hildebrand/ Nenninger (2001), S. 123

[19] Arndt (2006), S. 70 ff.

[20] Vgl. Arndt (2006), S. 73

[21] Vgl. Franke/ Dangelmaier (2006), S. 143

[22] Vgl. Busch/ Dangelmaier (2004)

[23] Vgl. Alicke/ Graf/ Putzlocher (2004), S. 489

[24] Vgl. Alicke/ Graf/ Putzlocher (2004), S. 497

[25] Vgl. Janetzko (2004), S. 235

[26] Vgl. Strassner (2005), S. 34

[27] Vgl. Strassner (2005), S. 35

[28] Vgl. Lawrenz/ Hildebrand/ Nenninger (2001), S. 25

[29] Vgl. Finkenzeller (2008), S. 1

[30] Vgl. Strassner (2005), S. 54

[31] Fleisch/ Christ/ Dierkes (2005), S. 3f

[32] Vgl. Gillort/ Hanson (2007), S. 7

[33] Vgl. Strassner (2005), S. 103

[34] Vgl. Finkenzeller (2008), S. 1

[35] Vgl. Franke/ Dangelmaier (2006), S. 8

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Optimierungspotenziale für das Supply Chain Management durch den Einsatz der RFID Technologie
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin  (Wirtschaftsinformatik Wirtschaftswissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
70
Katalognummer
V154149
ISBN (eBook)
9783640666744
ISBN (Buch)
9783640666829
Dateigröße
2548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
RFID, SCM, Supply Chain Management, Radio Frequency Identification
Arbeit zitieren
Marco Seelbinder (Autor:in), 2010, Optimierungspotenziale für das Supply Chain Management durch den Einsatz der RFID Technologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154149

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