Insolvenzen in der Bauindustrie

Gründe für ein Scheitern der Sanierung in der Insolvenz und Strategien zur Vermeidung des wesentlichen Insolvenzgrundes


Masterarbeit, 2010

134 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Ziel der Arbeit, Begriffsdefinitionen
1. Ziel der Arbeit
2. Begriffsdefinitionen
2.1. Begriff der Bauwirtschaft
2.2. BGB und VOB/B-Vertrag
2.3. Verwendete Begriffe Auftraggeber - Auftragnehmer

B. Empirische Untersuchung über Insolvenzen im Baugewerbe
1. Untersuchung von Insolvenzen im Baugewerbe im allgemeinen
1.1. Anzahl der Insolvenzen im Baugewerbe
1.2. Gründe für die hohe Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe
1.2.1. Geringe Kapitalausstattung
1.2.2. Zahlungsmoral der Auftraggeber – Dauer der Rechnungsbegleichung
1.3. Zusammenfassung
2. Untersuchung von Insolvenzen im Baugewerbe im Besonderen
2.1. Untersuchungsgegenstand
2.2. Die Eröffnung des Verfahrens: Antragsteller, Anzahl der eröffneten Verfahren und Eröffnungsgrund
2.2.1. Antragsteller
2.2.2. Eröffnete Verfahren
2.2.3. Eröffnungsgrund
2.3. Stand des Verfahrens – Quote der erfolgreichen Sanierungen
2.3.1. Sanierungen und Sanierungsquote
2.3.2. Die übrigen Verfahren
2.4. Zusammenfassung

C. Gründe für die (un)mögliche Sanierungsfähigkeit von insolventen Bauunternehmen in der Rolle des Auftragnehmers
1. Der Bauvertrag in der Insolvenz
1.1. Der Bauvertrag in der Insolvenz – Handlungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters
1.1.1. Zeitraum des Eröffnungsverfahrens - Restabwicklungsvereinbarung
1.1.2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens
1.1.2.1. Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO
1.1.2.2. Rechtsfolgen der jeweiligen Wahl des Insolvenzverwalters
1.1.2.2.1. Kein Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters und dessen Rechtsfolgen
1.1.2.2.2. Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters und dessen Rechtsfolgen
1.1.2.3. Entscheidungsfaktoren für die Ausübung des Erfüllungswahlrechtes
1.1.2.3.1. Fortführungsprognose einzelner Baustellen in Bezug auf einen Massezufluss
1.1.2.3.2. Mängelhaftung
1.1.2.3.3. Umsatzsteuerrechtliche Probleme und deren Auswirkung auf die Erfüllungswahl
1.1.2.3.3.1. Die Regelung des § 13 UStG
1.1.2.3.3.2. § 13b Abs. 2 UStG
1.1.2.3.4. Bauabzugssteuer gemäß §§ 48 ff. EStG
1.1.2.3.5. Subunternehmereinsatz
1.1.3. Zusammenfassung und Bewertung
1.2. Das Verhalten des Auftraggebers
1.2.1. Die „Kooperationsstrategie des Auftraggebers
1.2.2. Vorauszahlungen an den Auftragnehmer in der Krise
1.2.3. Verhalten gegenüber der Subunternehmer des Auftragnehmers
1.2.3.1. Zahlungen an den Subunternehmer des Auftragnehmers gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B
1.2.3.2. Abtretung der Werklohnforderung des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber an den Subunternehmer
1.2.3.3. Kostenübernahmeerklärungen gegenüber der Materiallieferanten
1.2.4. Ergebnis
1.3. Die „Konfrontation“ seitens des Auftraggebers - der gekündigte steckengebliebene Bauvertrag
1.3.1. BGB-Vertrag
1.3.1.1. „Freie“ Kündigung gemäß § 649 BGB
1.3.1.2. Kündigung wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistung
1.3.1.3. Rücktritt gemäß § 323 Abs. 4 BGB
1.3.1.4. Zusammenfassung
1.3.2. VOB/B-Vertrag – Kündigung gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B
1.3.2.1. Allgemein
1.3.2.2. Rechtsfolgen einer Kündigung gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B
1.3.2.2.1. Abrechnung der erbrachten Leistung
1.3.2.2.2. Schadensersatz wegen Nichterfüllung
1.3.2.2.3. Aufrechnung gegen Ansprüche der Insolvenzmasse
1.3.2.3. Die Kündigungstatbestände des § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B
1.3.2.3.1. Zahlungseinstellung
1.3.2.3.2. Beantragung des Insolvenzverfahrens
1.3.2.3.3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens
1.3.2.3.4. Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
1.3.2.4. Die Wirksamkeit des § 8 NR. 2 VOB/B
1.3.2.4.1. Wirksamkeit gemessen an der AGB-Kontrolle
1.3.2.4.2. Insolvenzrechtliche Wirksamkeit des § 8 Nr. 2 VOB/B
1.3.2.4.2.1. Standpunkt unter der Geltung der Konkursordnung
1.3.2.4.2.2. Standpunkt unter der Geltung der Insolvenzordnung
1.3.2.4.3. Anfechtbarkeit des § 8 Nr. 2 VOB/B
1.3.2.5. Zusammenfassung
1.4. Zusammenfassung und Ergebnis
2. Die Akquise neuer Bauvorhaben durch ein Bauunternehmen in Insolvenz
2.1. Insolvenz und Vergaberecht
2.2. Die gesetzliche Risikoverteilung
2.2.1. Garantieähnliche Einstandspflicht des Auftragnehmers
2.2.2. Die werkvertragliche Vorleistungspflicht
2.2.3. Wertschöpfung unmittelbar zugunsten des Auftraggebers
2.3. Marktsituation in Deutschland
2.4. Schlussfolgerung
3. Zusammenfassung

D. Strategien und Handlungsempfehlungen für Bauunternehmen zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit als maßgeblichen Insolvenzgrund
1. Aktuelle Änderungen des Werkvertragsrechts des BGB zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen und deren Wirkung in Bezug auf ein wirksames Liquiditätsmanagement gegenüber dem Auftraggeber
1.1. Abschlagszahlungen gemäß § 632a BGB n.F
1.1.1. Allgemein
1.1.2. Voraussetzungen des § 632a BGB
1.1.2.1. Vertragsgemäße Leistung
1.1.2.2. Der Wertzuwachs für den Auftraggeber
1.1.3. Stellungnahme und Bewertung der Vorschrift
1.2. Durchgriffsfälligkeit des § 641 Abs. 2 BGB
1.3. Druckzuschlag für Mängelbeseitigung § 641 Abs. 3 BGB
1.4. Zusammenfassung
2. Die liquiditätsrelevanten Regelungen der VOB/B und deren Regelungsinhalt in Bezug auf ein wirksames Liquiditätsmanagement gegenüber dem Auftraggeber
2.1. Regelung zur Vorauszahlung § 16 Nr. 2 VOB/B
2.1.1. Kein Anspruch auf Vorauszahlung aus § 16 Nr. 2 VOB/B
2.1.2. Inhalt der Regelung des § 16 Nr. 2 VOB/B
2.1.3. Handlungsempfehlung
2.2. Abschlagszahlungen gemäß § 16 Nr. 1 VOB/B
2.2.1. Allgemein
2.2.2. Voraussetzungen des § 16 Nr. 1 VOB/B
2.2.3. Baustoffe und Bauteile
2.2.4. Handlungsempfehlung
2.3. Liquditätsrelevante Regelungen in Bezug auf Sicherheiten für die Vertragserfüllung und für die Zeit der Verjährung der Mängelansprüche - Gewährleistungsfrist
2.4. Zusammenfassung
3. Das geänderte Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen (BauFordSiG) und seine Auswirkungen auf die Liquidität von Bauunternehmen
3.1. Allgemein
3.2. Regelungsinhalt des BauFordSiG
3.2.1. Haftung im Falle des Verstoßes gegen die Baugeldverwendungspflicht
3.2.2. Baugeldbegriff und Baugeldempfänger
3.2.2.1. Baugeldbegriff
3.2.2.2. Baugeldempfänger
3.2.3. Anforderung an die Verwendung von Baugeld
3.2.3.1. Verwendung des Baugeldes und Folgen für die Liquidität der Unternehmen
3.2.3.1.1. Verwendung für die Baumaßnahme und Folge der Illiquidität in Bezug auf andere Zahlungsverpflichtungen
3.2.3.1.2. Unsicherheiten beim Entnahmerecht
3.2.3.2. Sicherung des Baugeldes - Einrichtung von Treuhandkonten
3.3. Schlussfolgerung

E. Thesenartige Zusammenfassung der Arbeit

A. Ziel der Arbeit, Begriffsdefinitionen

1. Ziel der Arbeit

In der öffentlichen Diskussion bzw. Wahrnehmung nimmt bei dem Stichwort Insolvenz das Thema von insolventen Bauunternehmen einen Spitzenplatz ein.

Dies liegt auch daran, dass in den letzten Jahren vergleichsweise große Bauunternehmen, wie etwa die Philipp Holzmann AG[1] oder die Walter Bau AG[2] von der Insolvenz betroffen waren. Gerade erstere erlangte vor allem durch den damaligen, als gescheitert anzusehenden, medienwirksamen Versuch einer Rettung durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eine starke Präsenz in den Medien. Beide Insolvenzverfahren sind bisher noch nicht abgeschlossen[3].

Hierdurch entsteht der Eindruck, dass Bauunternehmen einerseits sehr häufig von Insolvenzen betroffen sind.

Auf der anderen Seite gibt es keine – jedenfalls keine medienwirksamen – Meldungen über eine erfolgreiche Sanierung eines insolventen Bauunternehmens, so dass darüber hinaus der Eindruck entsteht, eine erfolgreiche Sanierung eines Bauunternehmens sei, unabhängig von dessen Größe, nicht oder nur schwer möglich.

In dieser Arbeit soll daher zunächst untersucht werden, inwieweit diese Wahrnehmung den Tatsachen entspricht. Hierzu erfolgt eine empirische Untersuchung und Auswertung von allgemein verfügbaren statistischen Daten sowie von etlichen Insolvenzverfahren im Bereich der Bauwirtschaft, bei denen eines der größten deutschen Bauunternehmen in der Rolle als Gläubiger beteiligt war.

Im nächsten Schritt werden Gründe bzw. Ursachen für das Ergebnis dieser Untersuchung näher beleuchtet.

Auf Grundlage der maßgeblichen Eröffnungsgründe erfolgt dann eine praktische Handlungsanweisung an Bauunternehmen unter Berücksichtigung der relevanten Regelungen des Werkvertragsrechts des BGB in seiner aktuellen Fassung, des neu eingeführten Forderungssicherungsgesetzes sowie der VOB/B. Weiter erfolgt eine Bewertung des neuen Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen (BauFordSiG).

2. Begriffsdefinitionen

2.1. Begriff der Bauwirtschaft

Für den Begriff „Bauwirtschaft“ besteht keine einheitliche Definition. Meist wird die Bauwirtschaft, die häufig auch allgemein als Baugewerbe[4] bezeichnet wird, in die Bauwirtschaft im engeren und im weiteren Sinne unterteilt[5].

Hierbei werden unter Bauwirtschaft im weiteren Sinne alle Institutionen verstanden, die sich mit der Planung, Durchführung und Nutzung von Bauprojekten befassen. Hierunter fallen neben klassischen Bauunternehmen auch Architekten- und Ingenieurbetriebe, Wohnungsbaugesellschaften oder Händler von Baustoffen und Baumaterialien[6].

Unter die Bauwirtschaft im engeren Sinne fallen lediglich die unmittelbar am Bau beteiligten Unternehmen. Diese werden entsprechend der Baubetriebeverordnung in das Bauhauptgewerbe (§ 1 Abs. 2 BaubetrV) und das „Baunebengewerbe“ (§ 2 BaubetrV) aufgeteilt[7]. Hierbei fällt unter den Begriff des Bauhauptgewerbes etwa die Ausführung des Rohbaus im Hoch- und Tiefbau, sowie Straßen- und Landschaftsbau. Das Baunebengewerbe (auch Ausbaugewerbe genannt) betrifft die Leistungen, die den Ausbau von Bauwerken betreffen, z.B. Installationsarbeiten, Malerarbeiten, Fußboden- und Parkettlegerei.

In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff der Bauwirtschaft im engeren Sinne zugrundegelegt, wobei die Begriffe Bauwirtschaft und Baugewerbe hier gleichbedeutend verwendet werden. Zwischen Bauhaupt- und Baunebengewerbe wird in dieser Arbeit grundsätzlich nicht differenziert. Hintergrund ist, dass sich die Unternehmen dieses Bereiches in Bezug auf ihre vertraglichen Bindungen (Werkvertragsrecht des BGB, Vereinbarung der Geltung der VOB/B) mit den jeweiligen Vertragspartnern in der gleichen juristischen bzw. wirtschaftlichen Lage befinden[8].

Sollten bei der Verwendung von öffentlichen Statistiken andere Begrifflichkeiten zugrundegelegt werden bzw. differenziert werden, wird an der betreffenden Stelle darauf hingewiesen.

2.2.BGB und VOB/B-Vertrag

Nicht nur im Hinblick auf die Begriffsdefinition (siehe Ziffer 2.3) sondern auch aufgrund der Bedeutung für den Inhalt von Bauverträgen soll noch kurz auf die VOB/B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen (VOB) Teil B) und deren Bedeutung eingegangen werden.

Bei der VOB/B handelt es sich nicht um ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung, sondern um eine allgemeine Geschäftsbedingung, nämlich die Empfehlung des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) über eine zweckmäßige und ausgewogene Gestaltung der bauvertraglichen Beziehungen zwischen Aufraggeber und Auftragnehmer[9].

Dies bedeutet, dass die Regelungen der VOB/B nicht automatisch zwischen den Vertragsparteien gelten, sondern deren Geltung ausdrücklich durch Einbeziehung in den Vertrag vereinbart werden muss[10].

Das Werkvertragsrecht des BGB nimmt nicht ausreichend Rücksicht auf die Bedürfnisse der Baupraxis, da es für komplexe langwierige Bauvorhaben, die sich dadurch auszeichnen, dass Werkleistungen einer Vielzahl von Unternehmern ineinander greifen und aufeinander aufbauen, keine passenden Regelungen enthält[11]. Da die VOB/B gerade für diese Fälle Regelungen vorsieht, die im BGB fehlen, wird die VOB/B in eigentlich fast alle Verträge im Baugewerbe einbezogen[12]. So wird etwa davon ausgegangen, dass etwa 85 % der in Deutschland geschlossenen Bauverträge VOB-Verträge sind[13].

In der vorliegenden Arbeit wird sowohl auf den Werkvertrag nach BGB als auch den VOB/B Vertrag eingegangen. Bei Ausführungen zur VOB wird die Fassung von 2006 zugrundegelegt. Die Fassung 2009 wird voraussichtlich erst Mai 2010 in Kraft treten[14].

2.3.Verwendete Begriffe Auftraggeber - Auftragnehmer

In der Arbeit wird, um eine einheitliche Benennung der Vertragsparteien zu erreichen, auf die Bezeichnungen in der VOB/B zurückgegriffen. Die VOB/B unterscheidet hierbei zwischen „Auftraggeber“ als Begriff für den Bauherrn bzw. in einer Werkunternehmerkette „höherstehenden“ Vertragspartner, und dem „Auftragnehmer“, dem der Auftrag von Seiten des Auftraggebers erteilt wird. Das BGB verwendet hierzu die Begriffe Besteller und Unternehmer. In der baurechtlichen Praxis werden jedoch die Begrifflichkeiten der VOB/B vorherrschend verwendet, so dass in dieser Arbeit, auch wenn es um Vorschriften des BGB geht, auf diese Begriffe zurückgegriffen wird.

Sollten vom Auftragnehmer wiederum Unternehmer eingeschaltet werden, für die er der Auftraggeber ist, werden diese Unternehmen als Nachunternehmer oder Subunternehmer bezeichnet.

B. Empirische Untersuchung über Insolvenzen im Baugewerbe

Nachfolgend wird nun untersucht, ob der in der Einleitung genannte „Eindruck“ tatsächlich zutreffend ist, also ob einerseits im Baugewerbe überdurchschnittlich viele Insolvenzen auftreten und ob andererseits die erfolgreiche Sanierung eines insolventen Bauunternehmens tatsächlich kaum vorkommt.

1. Untersuchung von Insolvenzen im Baugewerbe im allgemeinen

1.1. Anzahl der Insolvenzen im Baugewerbe

Anhand des verfügbaren Datenmaterials, etwa von dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, ist ersichtlich, dass die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Bereich der Bauwirtschaft mit durchschnittlich etwa 7600 Insolvenzen pro Jahr sehr hoch ist. Es ist jedoch auch zu erkennen, dass in den letzten Jahren ein Rückgang stattgefunden hat, der wohl auf die sich verbessernde allgemeine wirtschaftliche Lage zurückzuführen ist.

Dies wird anhand nachstehender Abbildung nochmals ersichtlich, wobei hieraus auch hervorgeht, welcher Anteil der Insolvenzverfahren im Baugewerbe auf das Bauhauptgewerbe entfällt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ELVIRA Datenbank des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Anschaulich werden diese Zahlen, wenn ihnen die gesamte Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland gegenüber gestellt werden. Hierbei zeigt sich, dass hierbei das Baugewerbe mit durchschnittlich fast 25 % einen maßgeblichen Anteil trägt, wobei auch hier in den letzten Jahren eine gewisse Erholung erkennbar ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt

Anhand der statistischen Daten ist ersichtlich, dass der gewonnene Eindruck, dass Insolvenzen im Baugewerbe besonders häufig vorkommen, zutreffend ist.

1.2. Gründe für die hohe Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe

Für die hohe Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe sind mehrere Faktoren verantwortlich.

Neben der schlechten allgemeinen Marktlage und dem Bestehen von Überkapazitäten[15] sind hier nach Auffassung des Verfassers noch zwei Besonderheiten maßgeblich. Der erste Punkt betrifft die Kapitalausstattung der Unternehmen, der andere die schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber.

1.2.1. Geringe Kapitalausstattung

Zunächst verfügen die meisten Unternehmen im Baugewerbe über eine vergleichsweise dünne Kapitaldecke.

Dies ist etwa aus einem Vergleich der Eigenkapitalquote von Unternehmen im Baugewerbe mit der durchschnittlichen Eigenkapitalquote von Unternehmen in Deutschland insgesamt ersichtlich. Dieser Vergleich und die Entwicklung der letzten Jahre ist in nachfolgender Abbildung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Angaben aus Jahresabschlüssen Deutscher Unternehmen, Wirtschaftsdaten der Dt.Bundesbank

Es zeigt sich, dass Unternehmen des Baugewerbes eine deutlich geringere Eigenkapitalquote aufweisen, als der Durchschnitt deutscher Unternehmen anderer Wirtschaftszweige.

Anhand der Eigenkapitalquote lässt sich im Allgemeinen die Fähigkeit von Unternehmen, Risiken und Verluste zu tragen, bewerten[16] und ist damit zentraler Indikator für die Bonität von Unternehmen und damit auch für die Kreditbeurteilung[17].

Hieraus folgt einerseits, dass Unternehmen des Baugewerbes diesbezüglich größere Schwierigkeiten haben, an Fremdkapital zu gelangen, da die Bonität im Hinblick auf die Eigenkapitalquote als gering eingestuft wird.

Im Falle verschärfter Finanzierungsbedingungen müssen die Unternehmen die eigenen Kapitalreserven aufwenden, um notwendige Investitionen, aber auch das laufende Geschäft zu finanzieren.

Dementsprechend werden Unternehmen mit geringer Eigenkapitalquote von einer Krise, wie etwa einer größeren Verlustbaustelle oder auch der verzögerten Zahlung erheblich getroffen.

1.2.2. Zahlungsmoral der Auftraggeber – Dauer der Rechnungsbegleichung

Nächster erheblicher Grund für die hohe Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe ist die Zahlungsmoral bzw. die Dauer der Rechnungsbegleichung, die wiederum negative Auswirkungen auf die Liquidität[18] hat.

Umso länger der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung, die nach den Regelungen des Werkvertragsrecht grundsätzlich erst nach Fertigstellung der Leistung erfolgen kann[19], umso länger wird die Leistung durch den Auftragnehmer vorfinanziert. Dies hat in der Regel Folgen für alle Nachunternehmer in der Leistungskette, da die Kapitaldecke der einzelnen Unternehmen häufig so dünn ist, dass sie ihre Nachunternehmer erst bezahlen können, wenn sie selbst ihren Werklohn von ihrem Auftraggeber erhalten haben.

Die nachfolgenden Darstellungen differenzieren in der Regel zwischen öffentlichen und privaten Auftraggebern.

Dies beruht insbesondere darauf, dass die öffentliche Hand wesentlichen Anteil an dem gesamten auf dem Bundesgebiet ausgeführten Bauleistungen hat.

Dies verdeutlicht nachfolgende Abbildung. Hieraus ist ersichtlich, dass der Anteil des öffentlichen Baus (die Baumaßnahmen der Deutschen Bahn AG und der Deutschen Telekom AG zählen seit 1995 zum Wirtschaftsbau[20] ) am Gesamtumsatzvolumen erheblich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Veröffentlichte Zeitreihen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Zu der Frage der Zahlungsmoral der jeweiligen Auftraggeber führte das Betriebswirtschaftliche Institut der Bauindustrie (BWI-Bau) im Jahre 2008 eine Umfrage bei 329 Betrieben unterschiedlicher Größe im gesamten Bundesgebiet durch[21].

Zunächst wurden die jeweils vereinbarten Zahlungsziele erfragt. Hierbei zeigt sich, dass Abschlagszahlungen im Mittel nach 18 Tagen fällig sind, bei Schlussrechnungen werden unterschiedliche Zahlungsfristen eingeräumt; bei privaten Auftraggebern im Durchschnitt 39 Tage, bei gewerblichen Auftraggebern 47 Tage und bei öffentlichen Auftraggebern 54 Tage. Dies ist aus nachstehender Abbildung ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BWI-Bau-Umfrage "Zahlungsmoral der Bauherren in 2008"

Allerdings zeigte die Umfrage, dass die tatsächlichen Zahlungseingänge erheblich später erfolgen, die Zahlungsziele werden im Mittel um 6 Tage bei den Abschlagsrechnungen und 14 Tage bei der Schlussrechnung überschritten. Die öffentlichen Auftraggeber (Bund und Länder) sowie die Deutsche Bahn fallen hier besonders ins Gewicht, wie in nachstehender Abbildung veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BWI-Bau-Umfrage "Zahlungsmoral der Bauherren in 2008"

Bei den öffentlichen Auftraggebern besteht zwar kein Insolvenz- und damit auch kein Forderungsausfallrisiko, erhebliche Zahlungsverzögerungen führen jedoch zu Liquiditätsengpässen bei den Auftragnehmern, schlimmstenfalls zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO.

Das Bild bestätigt sich in einer Umfrage des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. deren Ergebnis in nachfolgender Abbildung ersichtlich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. / Kraus / Stand 04/09 auf Basis Creditreform, Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Umfrage unter ca. 530 Unternehmen des Baugewerbes

Es zeigt sich, dass die Unternehmen im Bereich des Baugewerbes von längeren (auch unfreiwillig eingeräumten) Zahlungsfristen betroffen sind.

Darüber hinaus ist anhand der Abbildung erkennbar, dass die Zahlungsmoral der Auftraggeber im Zuge der Wirtschaftskrise wieder schlechter wird.

1.3 Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Insolvenzen im Bereich des Baugewerbes vergleichsweise hoch ist. Grund hierfür ist neben den Marktbedingungen eine geringe Kapitaldecke auf Seiten der Auftragnehmer verbunden mit einer schlechten Zahlungsmoral auf Seiten der Auftraggeber, die zu einem erhöhten Risiko der Zahlungsunfähigkeit führt.

2. Untersuchung von Insolvenzen im Baugewerbe im Besonderen

Weiter wird nun untersucht, ob die erfolgreiche Sanierung eines Unternehmens des Baugewerbes tatsächlich so selten auftritt, wie dies nach der öffentlichen Meinung der Fall ist. Hierzu wurden etliche Insolvenzen im Hinblick auf verschiedene Gesichtspunkte untersucht.

2.1. Untersuchungsgegenstand

Gegenstand der nachfolgenden empirischen Untersuchung sind Insolvenzverfahren von Unternehmen des Baugewerbes, bei denen eines der größten deutschen Bauunternehmen, meist als Gläubiger und Auftraggeber, „beteiligt“ war.

Als Untersuchungszeitraum wurden die letzten Jahre, nämlich 2004 bis 2009 gewählt. Bei den Verfahren wurden die als Gläubiger verfügbaren Informationen ausgewertet. Dies betrifft hauptsächlich die seitens des Insolvenzverwalters zur Verfügung gestellten Informationen, die Bekanntmachungen gemäß § 9 InsO sowie die mit dem Insolvenzverwalter geführte Korrespondenz.

In diesem Zeitraum traten insgesamt 232 „Insolvenzfälle“ auf. Der Begriff des „Insolvenzfalles“ wird verwendet, da hierunter auch Betriebe fallen, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde.

Die Verteilung nach der Rechtsform ist aus nachfolgender Abbildung ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es zeigt sich, dass die Tätigkeit im Baugewerbe hauptsächlich in Form der GmbH betrieben wird. Ebenso weit verbreitet ist die Rechtsform der GmbH & Co. KG und die Ausübung als persönlich haftender Einzelunternehmer, ferner noch die englische Limited. Unter den Begriff „Andere“ fallen hier die AG, KG, Limited & Co. KG sowie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die bei den untersuchten Unternehmen kaum vertreten waren.

2.2. Die Eröffnung des Verfahrens: Antragsteller, Anzahl der eröffneten Verfahren und Eröffnungsgrund

2.2.1. Antragsteller

Bei den Antragstellern[22] wurde zwischen dem Eigenantrag und dem Antrag eines Gläubigers unterschieden, wobei bei den Anträgen eines Gläubiger hauptsächlich Anträge der Sozialversicherungsträger (wie etwa der AOK) vorlagen.

Hiernach wurde in 70 % der untersuchten Fälle ein Eigenantrag gestellt, 30 % der Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfielen auf Anträge eines Gläubigers.

2.2.2. Eröffnete Verfahren

Von den 232 untersuchten „Insolvenzfällen“ wurde in 209 Fällen (90 %), das Insolvenzverfahren eröffnet. In 23 Fällen (10 %) wurde der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens gemäß § 26 InsO mangels Masse abgewiesen.

2.2.3. Eröffnungsgrund

Grundsätzlich kommen gemäß § 16 ff. InsO als Eröffnungsgrund die Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO, die drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO im Falle eines Eigenantrages sowie bei juristischen Personen die Überschuldung gemäß § 19 InsO in Frage.

Bei den untersuchten eröffneten Verfahren zeigte sich hierbei folgende Verteilung[23]:

In 28,6 % der untersuchten und eröffneten Verfahren beruhte die Verfahrenseröffnung auf Zahlungsunfähigkeit, in 71,4 % der untersuchten Verfahren wurde als Eröffnungsgrund Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung angegeben. Der Eröffnungsgrund der alleinigen Überschuldung wurde in keinen der untersuchten Verfahren als Eröffnungsgrund benannt.

In diesem Zusammenhang ist noch bemerkenswert, dass auf die Hälfte der Unternehmen, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren aufgrund „nur“ von Zahlungsunfähigkeit eröffnet wurde, Gesellschaften im Sinne von § 19 InsO entfielen, und dieser Eröffnungsgrund also nicht auf die Unternehmen beschränkt war, bei denen Schuldner bzw. haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Hieraus folgt, dass die Zahlungsunfähigkeit und damit die fehlende Liquidität das maßgebliche Problem der Unternehmen des Baugewerbes ist, das letztlich zur Insolvenz führt.

Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem oben aufgezeigten Problem der schlechten Kapitalausstattung der als Auftragnehmer tätigen Unternehmen und der schlechten Zahlungsmoral der Auftraggeber.

2.3.Stand des Verfahrens – Quote der erfolgreichen Sanierungen

In einem weiteren Schritt wurde die Quote der erfolgreichen Sanierungen untersucht.

Obgleich der Gesetzgeber durch die Insolvenzrechtsreform hauptsächlich die Eigensanierung, also den Erhalt des Unternehmensträgers durch Wiederherstellung der Ertragskraft erreichen wollte[24], wird in dieser Arbeit selbstverständlich auch die übertragende Sanierung[25], also die Unternehmensveräußerung als Ganzes unter Erhalt des Betriebes als erfolgreiche Sanierung verstanden.

Zunächst war beabsichtigt, zur Ermittlung der Sanierungsquote auf den Verfahrensstand nach einer bestimmten Zeit abzustellen. Im Zuge der Untersuchung zeigte sich jedoch, dass eine Sanierung, sei es übertragende Sanierung oder durch einen Insolvenzplan, stets innerhalb des ersten Jahres, häufig sogar noch innerhalb eines halben Jahres, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollendet, jedenfalls aber begonnen wurde.

Auf der anderen Seite zeigte sich, dass bei den Verfahren, bei denen kein Sanierungserfolg feststellbar war, innerhalb längerer Zeit keine wesentlich Änderung eintrat, sondern häufig immer neue Termine zur Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen bestimmt wurden bis irgendwann die Schlussverteilung stattfand bzw. die Ankündigung der Restschuldbefreiung gemäß § 291 InsO erfolgte. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass kaum eines der untersuchten Insolvenzverfahren bisher abgeschlossen ist.

Dementsprechend wurde im Zuge der Untersuchung kein fester Zeitraum, wie etwa Verfahrensstand nach vier Jahren, mehr herangezogen. Vielmehr wurde auf den Verfahrensstand zum Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit abgestellt, auch wenn sich die dann angesetzte Verfahrensdauer der untersuchten Insolvenzverfahren entsprechend dem Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens unterscheidet.

Bei den untersuchten Insolvenzverfahren zeigte sich folgendes Bild.

2.3.1. Sanierungen und Sanierungsquote

Von den 209 eröffneten Verfahren gelang in nur neun Fällen eine Sanierung mittels übertragender Sanierung bzw. die Aufstellung eines Insolvenzplanes.

Dies entspricht einer Quote in Höhe von 4,3 % bezogen auf die eröffneten Verfahren und in Höhe von 3,9 % in Bezug auf die insgesamt untersuchten Verfahren.

Hierbei fand in sechs Fällen eine übertragende Sanierung, also eine Übertragung des Geschäftsbetriebes auf einen neuen Rechtsträger statt, in drei Fällen gab es ein Insolvenzplanverfahren.

Dies ist als nicht hoch zu betrachten, insbesondere wenn man davon ausgeht, dass im allgemeinen 30 – 35 % aller insolventen Unternehmen grundsätzlich fortführungs- oder sanierungsfähig sind und dementsprechend von einer guten Insolvenzverwaltung gesprochen werden kann, wenn in wenigstens 10 – 15 % aller Unternehmensinsolvenzen eine Fortführung nebst einer (auch übertragenden) Sanierung erfolgt[26].

Dies deutet darauf hin, dass die Sanierung eines insolventen Unternehmens im Baugewerbe besondere Schwierigkeiten aufweist, die über eine „normale“ Insolvenz hinausgehen.

2.3.2. Die übrigen Verfahren

Diese Schwierigkeit zeigt sich insbesondere auch dann, wenn man die übrigen Verfahren betrachtet.

So wurde bei neun Verfahren, also bei genau so vielen, bei denen eine Sanierung erfolgreich war, binnen kurzer Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seitens des Insolvenzverwalters ausdrücklich mitgeteilt, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt worden sei.

Bei weiteren 47 Verfahren wurde im Laufe des Verfahrens seitens des Insolvenzverwalters Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt, also mitgeteilt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit betrifft immerhin 22,5 % der insgesamt eröffneten Verfahren.

Dies bedeutet zwar nicht das Ende des Insolvenzverfahrens, da der Insolvenzverwalter gemäß § 208 Abs. 3 InsO auch weiterhin zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet ist und auch eine Rückkehr in das reguläre Insolvenzverfahren möglich ist[27], sofern keine Massearmut gemäß § 207 InsO eintritt.

Da die Masseunzulänglichkeit, ebenso wie die drohende Masseunzulänglichkeit, jedoch anzuzeigen ist, wenn die nach dem aufzustellenden Finanzplan fälligen Masseverbindlichkeiten die flüssigen Mittel übersteigen[28] deutet dies darauf hin, dass die Massezuflüsse, mit denen der Insolvenzverwalter gerechnet hat, nicht in der prognostizierten Höhe zu realisieren sind.

Dies wiederum deutet auf erhebliche Schwierigkeiten bei Verwertung der Insolvenzmasse bzw. der Generierung von Masseforderungen hin.

Bei den anderen Verfahren war im Übrigen keine Besonderheit erkennbar. Darin wurden die angemeldeten Forderungen in mehreren Prüfungsterminen geprüft. Bei 13 Verfahren fand die Schlussverteilung bereits statt.

2.4. Zusammenfassung

Der Verfahrensstand bzw. die Sanierungsquote der eröffneten Insolvenzverfahren ist nochmals aus nachfolgender Abbildung ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es zeigt sich, dass die erfolgreiche Sanierung eines insolventen Unternehmens im Baugewerbe tatsächlich, zumindest statistisch gesehen, schwierig, wenn nicht unmöglich ist.

C.Gründe für die (un)mögliche Sanierungsfähigkeit von insolventen Bauunternehmen in der Rolle des Auftragnehmers

Wie oben dargestellt, ist die Sanierung von insolventen Bauunternehmen offenbar schwierig, wenn nicht in vielen Fällen unmöglich, und dies obgleich der Gesetzgeber durch die Insolvenzrechtsreform hauptsächlich die Eigensanierung, also den Erhalt des Unternehmensträgers durch Wiederherstellung der Ertragskraft erreichen wollte[29].

Aufgrund der Vielzahl der untersuchten Fälle ist auszuschließen, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt. Vielmehr liegt es offenbar an besonderen, spezifischen Schwierigkeiten, die über diejenigen, die bei einer „normalen“ Insolvenz anzutreffen sind, hinausgehen.

Nachfolgend soll untersucht werden, welche Ursachen die besonderen Schwierigkeiten der Sanierung eines Bauunternehmens haben. Hierbei sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Bereiche zu maßgeblich, bei denen die Besonderheiten einer Bauinsolvenz hauptsächlich zum Tragen kommen.

Dies betrifft zum einen noch laufende Baumaßnahmen, bei denen beide Vertragsparteien ihre vertraglichen Pflichten noch nicht vollständig erfüllt haben. Zum anderen betrifft dies neue, noch akquirierende, Aufträge für neue Baumaßnahmen.

In den übrigen Fällen ergeben sich wenige Besonderheiten der Bauinsolvenz im Vergleich zu anderen Insolvenzverfahren. Wenn der Auftragnehmer seine vertraglichen Pflichten bereits vollständig erfüllt hat, hat der Insolvenzverwalter Anspruch auf Abnahme und Zahlung des Werklohnes[30].

Hierbei kann sich in dem Fall, in dem Auftraggeber die öffentliche Hand ist, eine gefährliche Aufrechnungsbefugnis gegen den Werklohnanspruch mit Vorsteuerrückforderungsansprüchen aus § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG ergeben[31]. Dies ist der Fall, wenn der Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit der Forderungen, für die der insolvente Steuerpflichtige die Vorsteuer gezogen hat, vor der Insolvenzeröffnung liegt. Da hier auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung abgestellt wird[32] und Insolvenzanträge in der Regel erst gestellt werden, wenn dies erfüllt ist[33], kann dies Dazu führen, dass der Bund als Teilgläubiger der Umsatzsteuer erfolgreich gegen die Werklohnforderung aufrechnen kann.

Wenn der Auftraggeber seine vertraglichen Pflichten vollständig erfüllt hat, ergeben sich ebenfalls wenige Besonderheiten. Der Auftraggeber kann seinen Anspruch auf Vertragserfüllung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen[34].

Wie bereits ausgeführt, liegt der Fokus der Arbeit jedoch auf den noch laufenden Baumaßnahmen und etwaigen neuen Bauvorhaben. Da es sich hier um eine abstrakte nicht den Einzelfall betreffende Darstellung handelt, liegt der Fokus insbesondere auf der Darstellung und Bewertung der rechtlichen Gegebenheiten, die bei einer Bauinsolvenz typischerweise auftreten.

1. Der Bauvertrag in der Insolvenz

Bei den laufenden Baumaßnahmen sind prinzipiell zwei Szenarien denkbar, deren Eintritt auch von dem Verhalten des Auftraggebers eines insolventen Auftragnehmers abhängt. Daher wird in einem ersten Schritt der Bauvertrag in der Insolvenz untersucht, wobei unterstellt wird, dass seitens des Auftraggebers keine Maßnahmen getroffen werden. Hier werden also die Handlungsmöglichkeiten, die die Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter für die Sanierung an die Hand gibt untersucht. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit, sich für die Fortführung oder Beendigung einzelner Baumaßnahmen zu entscheiden. Dies wird unter der Ziffer 1.1.ausgeführt werden.

Unter Ziffer 1.2. wird der Fokus auf den Auftraggeber und seine Interessen gelegt. Der Auftraggeber hat prinzipiell zwei Möglichkeiten, er kann sich entweder kooperativ verhalten oder versuchen, den Vertrag zu beenden. Dementsprechend werden unter Ziffer 1.2. beide Varianten und deren Auswirkung auf eine erfolgreiche Sanierung eines insolventen Bauunternehmens untersucht.

1.1. Der Bauvertrag in der Insolvenz – Handlungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters

1.1.1. Zeitraum des Eröffnungsverfahrens - Restabwicklungsvereinbarung

Im Stadium vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten zunächst aus insolvenzrechtlicher Sicht keine Besonderheiten in Bezug auf die Wirksamkeit des Vertrags und dessen Fortführung bzw. dessen Ausführung auf[35].

Häufig wird der vorläufige (schwache) Insolvenzverwalter der Fortführung von laufenden Bauvorhaben zustimmen. Damit entsteht keine Bindung des Insolvenzverwalters an diese Zustimmung, so dass er später als „endgültiger Insolvenzverwalter“ die weitere Erfüllung des Vertrages auch ablehnen kann[36]. Ebenso wenig begründet er dadurch eine Masseverbindlichkeit, da lediglich der vorläufige (starke) Insolvenzverwalter gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 22 Abs. 1, 55 Abs. 2 S. 1 InsO Masseverbindlichkeiten begründen kann. Der vorläufig (starke) Insolvenzverwalter könnte auch mit Zustimmung des Gerichts den Betrieb gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 InsO stilllegen und dementsprechend die laufenden Arbeiten einstellen[37].

Hier soll noch kurz auf die sogenannten „Restabwicklungsvereinbarungen“ eingegangen werden.

Hintergrund ist, dass die Arbeiten, die der Auftragnehmer nach Stellung des Insolvenzantrages erbringt, insolvenzrechtlich gesehen ein eigenes Schicksal haben, wenn der Auftraggeber von dem Insolvenzantrag weiß. Aufgrund der Regelungen der §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann der Auftraggeber gegen den in dieser Phase "aufgefüllten" Werklohnanspruch nicht mit davor begründeten Gegenforderungen aufrechnen, diese sind vielmehr als einfache Insolvenzforderungen nur mit einer Quote zu befriedigen[38].

Dementsprechend besteht ein Interesse des vorläufigen Insolvenzverwalters, die in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen genau abzugrenzen und zu bewerten, was insbesondere bei Pauschalpreisverträgen erhebliche Probleme bereitet[39]. Der Auftraggeber hat im Zuge des Baufortschritts ein Interesse daran, dass die Arbeiten jedenfalls kurzfristig bis zu einem klar abgrenzbaren Teilbereich weitergeführt werden und er in dieser Zeit Nachfolgeunternehmen zu akzeptablen Bedingungen suchen kann.

Dementsprechend werden in der Praxis häufig Restabwicklungsvereinbarungen getroffen, nach denen der Insolvenzverwalter bestimmte Teile der Leistung noch fertigstellt und hierfür auch den entsprechenden Werklohn enthält. Dem Auftraggeber kann darin zum Beispiel eine Verrechnungsmöglichkeit mit solchen Mängelansprüchen zugestanden werden, die sich auf die weitere Leistungserbringung beziehen.

Eine derartige Restabwicklungsvereinbarung bedeutet auch keine Erfüllungswahl, da der Insolvenzverwalter dem Auftraggeber die Weiterführung zu geänderten Konditionen anbietet[40].

1.1.2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Wie bereits dargestellt, liegt den nachfolgenden Ausführungen der Sachverhalt eines von beiden Seiten nicht vollständig erfüllten Bauvertrages zugrunde, da bei einer Insolvenz eines Bauunternehmens davon auszugehen ist, dass der größte Teil der Baumaßnahmen noch nicht beendet sind ist bei laufenden Bauvorhaben das größte Sanierungs- , aber auch Problempotential steckt.

Ersteres liegt auch daran, dass sich der insolvenzrechtliche Begriff der Erfüllung von dem des Werkvertragsrechts unterscheidet. Wohingegen nach dem Verständnis des Werkvertragsrechts das Erfüllungsstadium des Vertrages mit der Abnahme endet, kommt es auf die Abnahme nach dem insolvenzrechtlichen Verständnis der „Erfüllung“ nicht an[41]. Vielmehr ist der Vertrag hiernach erst nach vollständigem Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche erfüllt[42].

Teilweise wird vertreten, dass stattdessen der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung maßgeblich sei. Treten Mängel erst nach diesem Zeitpunkt zutage, läge kein Fall des § 103 InsO vor, sondern der Anspruch auf Mängelbeseitigung sei – lediglich - eine Insolvenzforderung[43]. Dies ist jedoch nicht überzeugend, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich keinen Einfluss auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten hat. Darüber hinaus hat auch der Auftraggeber während der Verjährungsfrist aufgrund der häufig vereinbarten Sicherheitsleistung keine vollständige Erfüllung geleistet[44]. Daher spricht nichts dagegen, dem Insolvenzverwalter auch für diese Fälle das Wahlrecht zuzugestehen[45], ob er etwaige auftretende Mängel beseitigen lässt und damit die vollständige Rückgewähr der Sicherheitsleistung bzw. die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes ermöglicht, oder ob er diesbezüglich die Erfüllung ablehnt.

Bezüglich der Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den von beiden Seiten nicht vollständig erfüllten Vertrag ist folgendes auszuführen:

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt kein Erlöschen[46] der gegenseitigen Erfüllungsansprüche. Der IX. Zivilsenat des BGH hat seine diesbezüglich früher vertretende Auffassung aufgegeben[47] und vertritt nun bezüglich von noch keiner Seite vollständig erfüllter Verträge die sogenannte „Theorie vom Verlust der Durchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche“[48] oder kürzer „Suspensivtheorie“.

Der BGH führt hierzu aus: „Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wählt der Verwalter Erfüllung, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse“[49].

Dementsprechend ist Rechtsqualität der Ansprüche von der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters abhängig.

1.1.2.1.Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO

Da es sich bei dem Bauvertrag um einen gegenseitigen Vertrag handelt und in der hier angenommen Fallgestaltung der Vertrag noch nicht vollständig erfüllt ist[50], erwächst dem Insolvenzverwalter in diesen Fällen das Erfüllungswahlrecht des § 103 InsO, das heißt, der Insolvenzverwalter kann anstelle des insolventen Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung von dem anderen Teil verlangen[51].

Aus Sicht des Insolvenzverwalters bzw. der Insolvenzverwaltung handelt sich hierbei um eine Regelung zur Massenmehrung[52], da diese dem Insolvenzverwalter ermöglicht, sich unter einer Vielzahl von laufenden Bauvorhaben quasi die „Rosinen herauszupicken“.

Da die Regelung des § 103 InsO keine zeitliche Grenze für das Erfüllungsverlangen setzt, tritt ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bis zur Entscheidung des Insolvenzverwalters eine Zeit der Ungewissheit ein[53], in der das rechtliche Schicksal des Bauvertrages in der Schwebe ist und in der der Auftraggeber nur bedingt Einfluss nehmen kann. Zwar kann er den Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zur Ausübung des Wahlrechts auffordern. Der Insolvenzverwalter muss sich dann unverzüglich erklären, wenn er sich die Möglichkeit der Erfüllungswahl offen halten will (§ 103 Abs. 2 Satz 3 InsO).

Unverzüglich meint hier „ohne schuldhaftes Zögern“ im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB. Wie das auszulegen ist, kann nur im Einzelfall entscheiden werden[54]. Dem Insolvenzverwalter steht für seine Entscheidung jedenfalls die angemessene Überlegungszeit zu, die im Einzelfall objektiv benötigt wird, um Klarheit über die Maßstäbe zur Wahlrechtsausübung und deren Bewertung zu erlangen[55]. Hierunter kann zum Beispiel die Zeit bis zur Einholung der Zustimmung eines Gläubigerausschusses fallen[56]. Gerade bei größeren insolventen Bauunternehmen mit vielen halbfertigen Leistungen, kann die Prüfung ebenfalls längere Zeit in Anspruch nehmen[57].

Dies ist jedoch gerade bei Insolvenzen am Bau problematisch, da insbesondere bei großen Bauvorhaben, die zeitliche Verzögerung der Ausführung eines Gewerkes Folgen für die nachfolgenden Gewerke und damit für den gesamten Bauablauf hat. Hierdurch entstehen vielfältige Probleme bei den anderen Baubeteiligten.

So kann es einerseits sein, dass ein Auftragnehmer Gefahr läuft, einen vertragsstrafenbewehrten Fertigstellungstermin nicht einhalten zu können, während der Insolvenzverwalter seines insolventen Subunternehmers noch mit der Prüfung befasst ist, ob dieser entsprechende Vertrag nun erfüllt werden soll.

Darüber hinaus drohen dem Bauherrn verzögerungsbedingte Ersatzansprüche der anderen Nachunternehmer § 642 BGB[58], die dieser neben dem nun insolventen Auftragnehmer beauftragt hat und deren Gewerk auf dem Gewerk des insolventen Auftragnehmers aufbauen. Mangels Verschuldens des Insolvenzverwalters kommen hier, unabhängig von der Frage der Werthaltigkeit eines solchen Anspruchs, auch keine Schadensersatzansprüche des Auftraggebers in Betracht.

Hieraus folgt, dass die Möglichkeit der Erfüllungswahl, jedenfalls für die übrigen Baubeteiligten, unter Umständen zu ungünstigen Folgen führen kann.

1.1.2.2. Rechtsfolgen der jeweiligen Wahl des Insolvenzverwalters

1.1.2.2.1.Kein Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters und dessen Rechtsfolgen

Entscheidet sich der Insolvenzverwalter gegen die Erfüllung oder erklärt er sich auf Aufforderung des anderen Teils nicht unverzüglich (§ 103 Abs. 2 S. 2 InsO), bleibt es bei der fehlenden Durchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche des Auftraggebers[59]. Es steht dem Auftraggeber frei, sich am Insolvenzverfahren zu beteiligen[60], zumeist indem er einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 103 Abs. 2 InsO zur Tabelle anmeldet. Hierdurch entsteht ein insolvenzrechtliches Abrechnungsverhältnis. Mithin bewirkt erst die Handlung des Auftraggebers die Vertragsumgestaltung, nicht bereits die Ablehnung der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter oder der Zeitablauf der gesetzten Erklärungsfrist[61].

1.1.2.2.2. Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters und dessen Rechtsfolgen

Wählt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung, so findet ein „Qualitätssprung“ statt, die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag (die ausstehende Leistung und Gegenleistung) erhalten die Qualität von originären Masseverbindlichkeiten und Masseforderungen[62]. Der Verwalter ist danach verpflichtet, die noch ausstehenden Leistungen aus dem Vertrag ebenso zu erfüllen, wie der Schuldner; er tritt in die Vertragslage ein, wie sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand[63]. Der Insolvenzverwalter muss also die noch ausstehende Leistung als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO erbringen und kann dafür die Leistung an die Masse verlangen.

Im Zusammenhang mit der Erfüllungswahl sind noch zwei für den Insolvenzverwalter günstige Punkte in Bezug auf die bis zur Insolvenzeröffnung ausgeführten Teile der Werkleistung zu benennen.

Diese beruhen auf der Anwendung des § 105 InsO. Durch die Vorschrift wird dem Insolvenzverwalter ermöglicht, Erfüllung von Verträgen über teilbare Leistungen zu verlangen, ohne dass er dadurch die Gegenleistung für bereits vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistungen erbringen müsste[64].

Die Vorschrift des § 105 InsO ist auf Bauverträge anwendbar. Voraussetzung dafür ist eine teilbare Leistung. Die Frage, ob Bauleistungen teilbar im Sinne des § 105 InsO sind, war früher umstritten[65]. Der BGH hat diese Frage inzwischen entschieden und hierzu ausgeführt „Die auf Grund gegenseitiger Verträge geschuldeten Leistungen sind regelmäßig teilbar, wenn sich die vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Leistungen feststellen und bewerten lassen. Bei einem Werkvertrag über Bauleistungen erfolgt dies nach den gleichen Regeln wie bei einer Kündigung aus wichtigem Grund“[66]. Hiernach sind Bauleistungen stets teilbar im Sinne dieser Vorschrift[67].

Da der Vertrag hier also teilbar ist, bezieht sich die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters nur noch auf den noch ausstehenden Teil der Leistung, so dass der Vertrag aufgespalten wird[68] und der die Erfüllung wählende Insolvenzverwalter die auf die nunmehr zu erbringende Leistung entfallende Vergütung in voller Höhe zur Masse ziehen kann.

Dies führt im Verhältnis des insolventen Auftragnehmers zu dessen Auftraggeber zu folgenden, für die Masse günstigen Konsequenzen:

Sie bedeutet etwa für den Fall, dass der Auftraggeber für diesen Teil der Leistung bereits eine Vorauszahlung geleistet hat, er nach dem Grundgedanken der §§ 103, 105 InsO erneut zur anteiligen Vergütungszahlung zur Masse verpflichtet ist[69]. Gleiches gilt für etwaige Überzahlungen, die der Auftraggeber aufgrund ungenauer Prüfung bereits für diese Leistungen entrichtet hat[70].

Insbesondere hat dies jedoch Auswirkungen auf etwaige Mängel an den vor der Zeit der Insolvenzeröffnung ausgeführten Leistungen, falls der Auftraggeber entsprechende Nacherfüllungsansprüche bzw. Mängelbeseitigungsansprüche geltend macht und der Verwalter die Erfüllung des Bauvertrages wählt.

In diesem Zusammenhang wird vertreten, die Erfüllungswahl umfasse nur die noch nicht in Angriff genommenen Vertragsleistungen, nicht jedoch zusätzlich die Nacherfüllung an den bis zur Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen[71], so dass der Auftraggeber mit seinem Nacherfüllungsanspruch stets als Insolvenzschuldner zu behandeln sei. Nach anderer Auffassung kann er die Nacherfüllung jedenfalls dann verweigern, wenn nach Ausübung der Erfüllungswahl neue Mängel an der vor Insolvenzeröffnung hergestellten Teilleistung auftreten[72]. Der Insolvenzverwalter hat demnach wiederum das entsprechende Wahlrecht.

Begründet wird dies damit, dass der Sinn der nach § 105 InsO möglichen Erfüllungswahl gerade darin liegt, die Masse nicht mit Risiken aus dem vor der Eröffnung entstandenen Teilwerk zu belasten. Dementsprechend besteht für den Auftraggeber stets das Risiko, hinsichtlich von Mängeln an den bis zur Insolvenzeröffnung hergestellten Teilleistungen Ansprüche lediglich als Insolvenzschuldner geltend machen zu können.

[...]


[1] Insolvenzverfahren eröffnet am 01.06.2002 unter dem Az. 810 IN289/02 H (Amtsgericht Frankfurt a.M.)

[2] Insolvenzverfahren eröffnet am 01.04.2005 unter dem Az. 6 IN 94/05 (Amtsgericht Augsburg)

[3] Nach Mitteilung vom 13.01.2009 soll bei dem Verfahren über das Vermögen der Philipp Holzmann AG eine Abschlagsverteilung durchgeführt werden; bei dem Verfahren über das Vermögen der Walter Bau AG wurde die Prüfung der bis zum 31.10.2009 nachträglich angemeldeten Forderungen angeordnet (11.05.2009)

[4] Andere unterteilen die Bauwirtschaft in die Bauindustrie (mittelständische und große Unternehmen) und das Baugewerbe (handwerkliche Betriebe)

[5] Schulte, Immobilienökonomie, S. 45

[6] Schulte, Immobilienökonomie, S. 45

[7] Etwa bei der Problematik des Anwendungsbereichs des § 1b AÜG, z.B. OLG Dresden, Beschluss vom 27.01.2003 - Ss (OWi) 412/02

[8] Anders etwa Bauträger, bei denen die MaBV (Makler- und Bauträgerverordnung) Anwendung findet, oder Architekten, bei deren Verträgen die Geltung der VOB/B meist nicht vereinbart wird

[9] Ax/Schneider, Teil B, Einführung, Rn. 1; Locher, Rn. 139

[10] BGH, Urteil vom 08.07.1999 - VII ZR 237/98; NJW 1999, 3261; Kleine-Möller/Merl, Kleine-Möller § 2, Rn. 39

[11] Englert,Wirth/Willer, § 631, Rn. 14; Locher, Rn. 137

[12] Die Einbeziehung gestaltet sich unter baukundigen einfach, da der bloße Hinweis auf die VOB/B genügt, ohne etwa den Text beizufügen; OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2003 - 17 U 80/03

[13] Kiesel, NJW 2000, 1673, 1674

[14] Dies geänderte VOB soll mit der Veränderung der Vergabevorordnung in Kraft treten. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft wird sich der Bundesrat am 26.03.2010 mit der Vergabeverordnung beschäftigen.

[15] Siehe hierzu auch Ausführungen unter C. 2.3.

[16] Beurteilung der Bonität von Unternehmen, Broschüre der Deutschen Bundesbank, S. 13

[17] Reize / Zimmermann, KfW Research Nr. 36, Juni 2008, S. 2

[18] Zu den verschiedenen Begriffen der Liquidität in der Betriebswirtschaftslehre siehe etwa Bestmann, S. 417 f.; in der vorliegenden Arbeit wird unter dem Begriff die Fähigkeit verstanden, zu jedem Zeitpunkt die jeweils fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen

[19] So wird der Werklohn grundsätzlich erst nach Fertigstellung und Abnahme der Werkleistung fällig, § 641 BGB

[20] Vorher wurden sie zum öffentlichen Bau gezählt, vgl. Definitionen Bauvolumen, abrufbar unter http://www.bauindustrie.de/

[21] Umfrage des Betriebswirtschaftlichen Kompetenzzentrums der Bauindustrie, zuletzt im September 2008 unter 329 Betrieben unterschiedlicher Größe in Deutschland, veröffentlicht im Sonderrundschreiben 2008, abrufbar unter www.bwi-bau.de

[22] Der Antragsteller ist nicht in allen Insolvenzbeschlüssen benannt worden, daher konnte dieser nicht bei allen untersuchten Verfahren ermittelt werden

[23] Diese Zahlen sind nur als Prozentsätze verfügbar, da nicht in allen untersuchten Beschlüssen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Eröffnungsgrund benannt wurde

[24] Begründung zu § 253 RegE, BT-Drucksache 12/2443, S. 195

[25] Siehe hierzu etwa, Ott/Göpfert, S. 104 ff.

[26] Haarmeyer, ZInsO 2007, 169, 172

[27] Braun, Kießner, § 208, Rn. 32 f. (2. Auflage)

[28] Braun, Kießner, § 208, Rn. 5 f. (2. Auflage)

[29] Begründung zu § 253 RegE, BT-Drucksache 12/2443, S. 195

[30] siehe hierzu ausführlich Heidland, Rn. 970 ff.

[31] BGH, Urteil vom 19.07.2007 – IX ZR 81/06

[32] BGH, Urteil vom 19.07.2007 – IX ZR 81/06

[33] Hörmann, IBR 2008, 16

[34] siehe hierzu ausführlich Heidland, Rn. 992 ff.

[35] Heidland, Rn. 934, 941

[36] Schmitz, I. 3. 3.1., Rn. 33

[37] Heidland, Rn. 936

[38] Schmitz, Rn. 34; Schmitz, ZinsO 2004, 1051, 1054; Gleiches gilt im Übrigen für die Leistungen, die der Auftraggeber in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag entgegengenommen hat; OLG München, Urteil vom 08.09.2009 – 5 U 24499/09 (nicht rechtskräftig); Schmitz, IBR 2010, 29

[39] Schmitz, ZinsO 2004, 1051, 1057 f.

[40] Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, S. 131; so auch LG Mainz, Urteil vom 11.06.2002 – 1 I 166/01 bei Weiterführung der Arbeiten unter Ausschluss der Gewährleistung

[41] Prozesse in Bausachen, Wellensiek, § 13, Rn. 6; Huber, NZBau 2005, 177, 179

[42] Beckscher VOB/B-Kommentar, Motzke, § 8 Nr. 2, Rn. 33

[43] Prozesse in Bausachen, Wellensiek, § 13, Rn. 7

[44] Huber, NZBau 2005, 177, 179; Schmitz. Rn. 37

[45] So auch Heidland, Rn. 1008

[46] Zu den Einzelheiten der damals vertretenen sogenannten Erlöschentheorie siehe etwa Huber, NZI 2002, 467 ff.; sowie Huber NZI 1998, 97 ff. mit weiteren Nachweisen

[47] BGH, Urteil vom 25.04.2002 – IX ZR 313/99

[48] Siehe hierzu etwa Huber, NZI 2002, 467, 468

[49] BGH, Urteil vom 25.04.2002 - IX ZR 313/99, NZBau 2002, 439; BauR 2002, 1264; Hänsel, IBR 2002, 417

[50] Kreft, ZInsO 2003, 1120 1123

[51] Werner/Pastor, Werner, Rn. 1047

[52] Huber, NZBau 2005, 177, 179

[53] Münchener Kommentar, Huber, § 103, Rn. 170

[54] Huber, NZBau 2005, 256, 260

[55] Münchener Kommentar, Huber, § 103, Rn. 173

[56] Etwa im Falle des § 158, 160 InsO; Münchner Kommentar, Huber, § 103, Rn. 173

[57] Braun, Kroth, § 103, Rn. 75

[58] Siehe hierzu z.B. eine maßgebliche Entscheidung des BGH, Urteil vom 21.10.1999 - VII ZR 185/98 bzw. die Kommentierung in Palandt, Sprau, § 642 BGB

[59] Beckscher VOB/B-Kommentar, Motzke, § 8 Nr. 2, Rn. 41

[60] Der Auftraggeber kann auch, anstatt sich am Insolvenzverfahren zu beteiligen, nach dessen Beendigung seinen Erfüllungsanspruch weiter betreiben, wenn ihm dies günstiger erscheint.

[61] Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 147

[62] Braun, Kroth, § 105, Rn. 59 (2. Auflage)

[63] Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, S. 122

[64] Braun, Kroth, § 105, Rn. 2 (2. Auflage)

[65] Siehe hierzu etwa Meyer, NZI 2001, 294 ff.; Krull NZI 1998, 66 ff.

[66] BGH, Urteil vom 25.04.2002 – IX ZR 313/99; BauR 2002, 1264; NZBau 2002, 439

[67] Münchener Kommentar, Kreft, § 105, Rn. 15

[68] Vogel. Jahrbuch Baurecht 2004, S. 123

[69] Münchener Kommentar, Kreft, § 105, Rn. 18; Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, S. 123

[70] Schmitz, Rn. 44

[71] Rohrmüller, NZBau 2007, 145 mit einer Darstellung der zu dieser Problematik vertretenen Meinungen

[72] Gottwald, Huber, § 35, Rn. 25

Ende der Leseprobe aus 134 Seiten

Details

Titel
Insolvenzen in der Bauindustrie
Untertitel
Gründe für ein Scheitern der Sanierung in der Insolvenz und Strategien zur Vermeidung des wesentlichen Insolvenzgrundes
Hochschule
Fachhochschule Koblenz - Standort RheinAhrCampus Remagen
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
134
Katalognummer
V153793
ISBN (eBook)
9783640660612
ISBN (Buch)
9783640661190
Dateigröße
972 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bauindustrie, Baugewerbe, Insolvenz, Sanierung, BauFordSiG, VOB/B, Insolvenzordnung, InsO, Bau, Krise, Bauunternehmen
Arbeit zitieren
Martin Ries (Autor:in), 2010, Insolvenzen in der Bauindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153793

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