Evaluation des Netzwerks für Kinderschutz Leipzig

Ergebnisse, Interpretationen, Handlungsempfehlungen


Diplomarbeit, 2009

72 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Leipziger Netzwerk für

3 Forschungsfragestellungen

4 Einführung in die

5 Netzwerkarbeit
5.1 Allgemeine
5.2 Merkmale gelingender

6 Entwicklung des Evaluationsdesigns
6.1 Methodenwahl
6.2 Forschungsdesign
6.3 Fragebogenkonstruktion
6.3.1 Allgemeine
6.3.2 Entwicklung des

7 Durchführung der empirischen

8 Ergebnisdarstellung
8.1 Darstellung der quantitativen
8.2 Darstellung der qualitativen

9 Auswertung und Interpretation der
9.1 Auswertung der quantitativen
9.2 Auswertung der qualitativen
9.3 Integration und Diskussion der

10 Kritische Betrachtung der

11 Handlungsempfehlungen

12 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Genaue Angaben zur Häufigkeit von Kindeswohlgefährdungen in Deutschland liegen bislang nicht vor, da es an zuverlässigen und repräsentativen Studien mangelt (vgl. Nationales Zentrum Frühe Hilfen, 2008, S.8). Unumstritten ist jedoch, dass es sich um ein nicht zu unterschätzendes Problem handelt, das zur Bearbeitung jede erdenkliche Anstrengung erfordert. Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre, zeigt sich eine massive Zunahme an komplexen Problemlagen in den betroffenen Familien, die aufgrund steigender sozialer, bildungsbezogener und finanzieller Armut Unterstützung unterschiedlicher Bereiche wie Gesundheitswesen, Sozialhilfe und Jugendhilfe benötigen (vgl. Stadt Leipzig; Jugendamt, 2008, S. 5). Auch die Auswertung von Todesfällen nach Kindesmisshandlung der letzten Jahre offenbart Defizite auf dem Gebiet der Zusammenarbeit der einzelnen Institutionen, vor allem bezüglich der Weiterleitung von Informationen, der Abstimmung von Hilfeleistungen oder der Regelung von Zuständigkeiten (vgl. Orosz, 2007, S. 7 f.). Zur Ermöglichung umfassender Hilfeleistung wird daher die Vernetzung aller Akteure im Bereich Kinderschutz vorangetrieben. Bereits im SGB VIII §81 ist die Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit Einrichtungen aus den entsprechenden Handlungsfeldern festgeschrieben.

Auf der Konferenz von Bund und Ländern zum Thema „Kinderschutz“ wurden im Dezember 2007 Vorschläge für soziale Frühwarnsysteme und Vernetzungs-strukturen entwickelt, die mit gemeinsamer Unterstützung in den folgenden Jahren umgesetzt werden sollen. Ziel dabei sind verbindliche Kooperationsvereinbarungen im Bereich der frühen und präventiven Hilfen, die durch die einzelnen Landes-regierungen angeregt, gestaltet und entwickelt werden sollen (vgl. Nationales Zentrum Frühe Hilfen, 2008b, S. 1 ff.). Darauf aufbauend entstanden in den letzten Jahren in allen Bundesländern Netzwerke, z. B. „Guter Start ins Kinderleben“ in Baden-Württemberg, „Wie Elternschaft gelingt“ in Brandenburg oder das hessische Modellprojekt „Frühe Interventionen für Familien“ (vgl. Nationales Zentrum Frühe Hilfen, 2008a, S. 14).

Auch in Sachsen wurden verschiedene Maßnahmen entwickelt, um die im Sächsischen Handlungskonzept für präventiven Kinderschutz formulierten folgenden Ziele zu verwirklichen: (Sächsisches Staatsministerium für Soziales, 2008, S. 3)

- „Eltern in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kindern zu unterstützen,
- Verantwortliche, deren Aufgabengebiet und Tätigkeitsbereich die Kinder- und Jugendhilfe betrifft, zu stärken,
- Fachkräfte, deren Arbeitsalltag auf Kinder ausgerichtet ist, über ihren Arbeitsbereich hinaus in Kinder- und Jugendschutzaufgaben einzubeziehen und
- die Bevölkerung für das Wohl der in ihrem Umfeld lebenden Kinder zu sensibilisieren.“

Ein Bestandteil dieses Maßnahmenpakets ist die Etablierung von Netzwerken für Kinderschutz. Unter der Koordination des Felsenweg-Instituts der Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie werden in einem Modellprojekt bis 2011 in vier Gebietskörperschaften der Aus- und Aufbau von Netzwerken u. a. durch eine halbe Fachkraftstelle zur Koordination der anfallenden Aufgaben unterstützt. Ziel dabei ist die bessere Vernetzung der am Kinderschutz beteiligten Professionen, die Ent-wicklung eines gemeinsamen Grundverständnisses von Kindeswohlgefährdung und die systematische Fortbildung, um Hilfebedarfe in der Praxis schneller zu erkennen und adäquat darauf reagieren zu können (vgl. Orosz, 2007, S. 9).

Die Evaluation des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz ist das Thema der vorliegenden Arbeit. Auf der Suche nach einem Diplomarbeitsthema erfuhr die Autorin in einem Gespräch mit der Projektkoordinatorin des Leipziger Netzwerks von deren Wunsch, die eigene Arbeit bilanzieren zu lassen und Anregungen für eine Erweiterung der Netzwerkziele zu erhalten. Das Landesprojekt wird zwar durch das Leipziger Institut für angewandte Weiterbildungsforschung in regelmäßigen Abständen einer Beurteilung unterzogen, jedoch beruht diese ausschließlich auf einer Dokumentenanalyse und persönlichen Interviews mit den einzelnen Netzwerkkoordinatoren (vgl. Lehnert, 2008b, S. 5). Eine weiterführende Befragung aller Netzwerkpartner war erwünscht, konnte aus Kostengründen jedoch nicht umgesetzt werden.

Ziel dieser Studie ist eine Bestandsaufnahme der erreichten Ergebnisse des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz zum Zeitpunkt Januar 2009. Zu diesem Zweck wurden mit Hilfe einer Fragebogenerhebung die Standpunkte aller Netzwerkpartner eruiert, um Aussagen über Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität treffen zu können. Der Fokus lag dabei auf der Erfassung der Wirksamkeit der Netzwerkstruktur und des Informations- und Kommunikationssystems als zentrale Voraussetzung für eine gelingende Netzwerkarbeit. Rückmeldungen an die Projektkoordination über gefundene Ergebnisse dienen der Verbesserung der laufenden Arbeit, so dass von einer formativen Evaluation gesprochen werden kann, auch wenn Daten, wie sonst dabei üblich, aus Zeitgründen nicht mehrfach erhoben werden konnten. Die Kriterien zur Bewertung der Merkmale wurden soweit wie möglich aus den Projektzielen selbst abgeleitet, zu einem großen Teil stammen sie jedoch aus der vorhandenen Literatur zu diesem Forschungsgebiet.

Im Folgenden wird zuerst das Leipziger Netzwerk für Kinderschutz in seiner Arbeitsweise kurz vorgestellt und die zu erforschenden Fragestellungen der Evaluationsstudie benannt. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit Formen und Gütekriterien von Evaluation; es folgen die Definition des zum Teil inflationär verwendeten Begriffs der Netzwerkarbeit und die Darstellung der Voraussetzungen für eine gelungene Zusammenarbeit Allgemeine Grundlagen zu Forschungs-methoden beschließen den theoretischen Teil und münden in die Beschreibung der Herleitung des zur Untersuchung verwendeten Fragebogens. Danach wird auf die Durchführung der empirischen Erhebung eingegangen. Das nächste Kapitel hat die Darstellung der gefundenen Ergebnisse im Fokus, die im weiteren Fortgang interpretiert und diskutiert werden. Mögliche Fehlerquellen werden im Anschluss reflektiert. Handlungsempfehlungen zur Optimierung der Netzwerkarbeit bilden das Ende der vorliegenden Ausführungen.

2 Leipziger Netzwerk für Kinderschutz

In Leipzig wurde die Projektverantwortung des Netzwerks für Kinderschutz im Jugendamt, im Sachgebiet Hilfen für Erziehung angesiedelt. Die Projektkoordination liegt in den Händen der Sozialpädagogin Frau Hauk, deren halbe Stelle im ersten Jahr aus den vom Land Sachsen zur Verfügung gestellten Mitteln finanziert wurde. Seit Anfang 2009 wurde diese Stelle durch Mittel des Jugendamts auf eine volle Stelle aufgestockt und durch eine weitere halbe ergänzt. Nach Ende der Projektfinanzierung über das Landesprojekt „Netzwerke für Kinderschutz Sachsen“ im Jahr 2011 wird die Sicherstellung der nötigen Mittel über das Jugendamt Leipzig angestrebt.

Die Steuerung des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz bewerkstelligt eine interdisziplinäre Projektgruppe, die aus durchschnittlich acht Netzwerkpartnern besteht und jährlich auf der Netzwerkkonferenz gewählt wird. Des Weiteren existieren bis dato fünf Qualitätszirkel, die jeweils durch ein Projektgruppenmitglied geleitet werden und in monatlichen Treffen themenspezifische Schwerpunkte bearbeiten. Vier Multiplikatoren in Leipziger Stadtbezirken, die an vorhandene Strukturen anknüpfend die Netzwerkarbeit umsetzen und Angebote im früh-präventiven Bereich initiieren, komplettieren die Struktur des Leipziger Netzwerks.

Vor nunmehr drei Jahren begannen im Sachgebiet Hilfen zur Erziehung des Leipziger Jugendamtes Gespräche zu den möglichen Inhalten eines Netzwerks für Kinderschutz. Erste Ideen wurden entwickelt und bis zur ersten Netzwerkkonferenz am 23. 01. 2008 präzisiert. Die neugewählte Projektgruppe füllte die bestimmten Aufgabenbereiche mit Leben und einigte sich auf folgende fünf zentrale Ziele des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz (vgl. Felsenweg-Institut, 2008):

- Aufbau eines standardisierten Informationssystems zwischen den Netzwerkpartnern zur Absicherung der schnellstmöglichen Hilfe im Risiko- bzw. Gefährdungsfall,
- Aufbau einer vernetzten Angebots- und Kontaktübersicht zwischen allen Netzwerkpartnern,
- Aus- und Aufbau sowie Sicherung einrichtungsinterner Verfahrensstandards zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung,
- Sicherung, Aus- und Aufbau geeigneter Hilfeangebote für Mütter und Familien sowie deren Kinder im frühpräventiven Bereich,
- weitere Qualifizierung des Fachpersonals der Netzwerkpartner zum Thema Kindeswohlgefährdung.

In Anlehnung an die zentralen Ziele wurden die Qualitätszirkel konzipiert: Der Qualitätszirkel „Standardisiertes Informationssystem“ soll absichern, dass in den einzelnen Institutionen explizite Verfahrensstandards für den Fall der Kindeswohlgefährdung existieren und Anwendung finden. Vor allem muss die Schnittstelle zwischen Netzwerkpartnern und ASD bzw. den Netzwerkpartnern untereinander klar definiert werden, um im Gefährdungsfall eine fachgerechte und verlässliche Informationsweitergabe gewährleisten zu können. Erste Ergebnisse liegen vor und sollen zeitnah veröffentlicht werden.

Der Qualitätszirkel „Angebots- und Kontaktübersicht“ erteilte im Rahmen einer Magisterarbeit den Auftrag zur Erfassung aller relevanten Angebote in Leipzig im Bereich Hilfen für Kinder und Familien. Die zusammengetragenen Ergebnisse wurden allen Netzwerkpartnern sowohl im Internet, als auch in gedruckter Form zur Verfügung gestellt, um fortan die Suche nach geeigneten Ansprechpartnern auch in den anderen Professionen zu erleichtern. Nach Sichtung der vorhandenen Angebote soll im zweiten Schritt dann der Bedarf an zu entwickelnden weiteren präventiven Angeboten abgeleitet werden.

Die Aufgabe des Qualitätszirkels „Öffentlichkeitsarbeit“ besteht sowohl in der Bekanntmachung der Angebote des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz als auch in Öffentlichkeitsarbeit allgemein zum Thema „Elternsein“. Der Zirkel „Recht“ befasst sich u. a. mit datenschutzrechtlichen Aspekten und einheitlichen Definitionen zu Kindesschutz und Kindeswohlgefährdung und der Qualitätszirkel „24h Hotline“ sichert die Möglichkeit einer ständig erreichbaren telefonischen Beratung für Eltern oder Kinder in Krisensituationen ab. Ein sechster Qualitätszirkel befindet sich in der Gründung, um Angebote zur Qualifizierung und Weiterbildung der Netzwerkpartner durchzuführen.

Anfang 2009 zählte das Netzwerk 54 Mitglieder, die z. T. zur Mitarbeit eingeladen wurden, als auch bei gestiegenem Bekanntheitsgrad des Netzwerkes von sich aus Interesse bekundeten. Alle relevanten Institutionen wie die Sächsische Bildungs-agentur, freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe, Sozialamt, Gesundheitsamt, Jugendamt, Polizei, Familiengericht, Hebammen, Kinderärzte, Gynäkologen etc. sind mit jeweils einem Multiplikator im Netzwerk vertreten.

In halbjährlichen Netzwerkkonferenzen aller Partner unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Fabian als Bürgermeister für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule wird der Arbeitsstand der Projektgruppe sowie der Qualitätszirkel vorgestellt, die jeweiligen Gastgeber erhalten die Möglichkeit, ihre Einrichtung zu präsentieren und in kurzen Vorträgen gibt es einen Überblick über aktuelle fachpolitische Diskussionen. Zudem dient die Netzwerkkonferenz dem Kennenlernen der Teilnehmer untereinander sowie der Klärung relevanter Fragen bezüglich der Netzwerkarbeit.

3 Forschungsfragestellungen

Mit der vorliegenden Evaluationsstudie sollen folgende Fragestellungen geklärt werden:

- Welche Stärken und Schwächen des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz lassen sich zum Zeitpunkt der Befragung Anfang 2009 identifizieren?
- Wie ist die Strukturqualität aus der Sicht der Netzwerkpartner zu beurteilen?
- Wie gestaltet sich die praktische Umsetzung der Netzwerkarbeit?
- Welche Aussagen lassen sich in Bezug auf die Ergebnisqualität treffen?
- Gibt es aus Sicht der Netzwerkpartner bisher nicht berücksichtigte Ziele, die für das Netzwerk von Bedeutung sind?
- Wie hoch ist die Zufriedenheit mit der erfolgten Netzwerkarbeit?
- Welche Empfehlungen lassen sich aufgrund der gefundenen Ergebnisse zur Gestaltung der weiteren Netzwerkarbeit geben?

Zur Operationalisierung der Fragestellungen siehe Kapitel 6.3.2.

4 Einführung in die Evaluationsforschung

Im Rahmen knapper werdender öffentlicher Förderungen im sozialen Bereich ist es in den letzten Jahren für Leistungserbringer endgültig erforderlich geworden, ihre Maßnahmen einer regelmäßigen Evaluation zu unterziehen, um ihre Effektivität nachzuweisen und die Möglichkeit zu gewährleisten, einzelne Anbieter miteinander vergleichen zu können.

Doch was lässt sich eigentlich unter dem Begriff Evaluation verstehen? Helmut Kromrey (2001, S. 6 f.) definiert ihn in seinem Beitrag für die Zeitschrift „Sozialwissenschaften und Berufspraxis“ wie folgt:

„Es handelt sich um eine besondere Form angewandter Sozialwissenschaft (nicht nur Sozial forschung). Es ist eine methodisch kontrollierte, verwertungs- und bewertungsorientierte Form des Sammelns und Auswertens von Informationen. … Das Besondere liegt zum Anderen in einer für die Wissenschaft ungewohnten Verschiebung von Rangordnungen, die sich im Primat der Praxis vor der Wissenschaft ausdrückt. Vorrangiges Ziel der Evaluation als empirisch-wissenschaftliches Handeln – im Unterschied zu üblicher wissenschaftlicher Forschung – ist es nicht, am Fall des zu evaluierenden Gegenstands die theoretische Erkenntnis voranzutreiben, sondern wissenschaftliche Verfahren und Erkenntnisse einzubringen, um sie für den zu evaluierenden Gegenstand nutzbar zu machen.“

Nach Klawe (vgl. 2001, S. 108) dient sie in der Praxis dabei meist der Legitimation eines Projektes, der Reflexion und Qualitätssicherung oder der Innovation.

Es zeigt sich somit, dass es bei einer Evaluation um das Sammeln und Analysieren von Informationen über verschiedene Aspekte eines Gegenstandes geht, um diesen nach praktisch verwertbaren Kriterien kritisch beurteilen zu können. Bei der Evaluation in der Sozialen Arbeit sehen wir uns fast immer dem Problem gegenüber, dass dabei nicht auf eindeutige und konsensfähige Kriterien zurückgegriffen werden kann (vgl. Heiner, 2001, S. 488), sondern diese vom Evaluator in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber zunächst entwickelt werden müssen.

Des Weiteren muss bei jeder Evaluation entschieden werden, auf welche zu beurteilende Details sich beschränkt werden soll, da es nicht möglich ist, einen Gegenstand „im Ganzen“ auszuwerten (vgl. Kromrey, 2001, S. 4).

Über die Einteilung von Evaluationsformen gibt es zahlreiche Ansichten: Bei Heiner (vgl. 2001, S. 481) findet sich eine in der amerikanischen Literatur vorherrschende Unterteilung aufgrund unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze in

1) „applied research“ mit ausschließlich wissenschaftlichen Standards,
2) Erkenntnisgewinnung durch unterschiedliche Methoden mit wissenschaftlichen Mindeststandards und
3) in eine alternative Form der Evaluation mit eigenen Kriterien, die auch auf Erfahrungswissen basieren können.

Die Entscheidung für eines dieser Konzepte ist dabei abhängig von der Ansicht über Ziel und Funktion der Evaluation, die Rolle des Evaluators und der Betroffenen und die Notwendigkeit der Generalisierbarkeit der Erkenntnisse. In der deutschen Literatur findet sich am häufigsten das zweitgenannte Verständnis von Evaluation, bei dem auch davon ausgegangen wird, dass keine methodologischen Entcheidungen bezüglich eines idealen Designs aus wissenschaftlicher Sicht getroffen werden können, da das Konzept immer an die im Einzelfall vorliegenden Bedingungen wie Untersuchungsgegenstand, Informationsbedürfnis oder zur Verfügung stehende Ressourcen angepasst werden muss (vgl. Heiner, 2001, S. 484).

Eine weitere klassische Unterscheidung bezieht sich auf die Zielsetzung verbunden mit dem Zeitpunkt der Evaluation. Formative Evaluation, die während eines Projektes durchgeführt wird, dient der Verbesserung von Programmen durch kontinuierliche Rückmeldungen, während eine summative Evaluation gegen Ende oder nach Abschluss eines Projektes auf eine gutachterliche Beurteilung abzielt, um Entscheidungen bezüglich einer Fortführung treffen zu können oder Hinweise für ähnliche Projekte zu geben (vgl. Bundesamt für Gesundheit, 1997, S. 65 f.).

Bezüglich der Instanz des Evaluators lässt sich Evaluation unterteilen in Selbst-evaluation, bei der die Personen, die für die Programmumsetzung zuständig sind, auch die Evaluation durchführen, interne Evaluation, die durch nicht direkt beteiligte Mitarbeiter der Organisation verwirklicht wird und externe Evaluation durch einen unabhängigen Experten (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2000, S. 31).

Kromey (vgl. 2001, S. 11 ff.) zählt als weitere Unterscheidungsmerkmale den Gegenstand der Evaluation und die Herkunft der Kriterien auf. Steht die detaillierte Prüfung der Planung und Umsetzung des Programmkonzeptes im Vordergrund, spricht er von Implementationsforschung, die Wirkungsforschung hingegen untersucht durch das Programm hervorgerufene beabsichtigte und unbeabsichtigte Effekte. Wenn möglich, werden die Evaluationskriterien aus dem Programm selbst abgeleitet; es wird überprüft, inwieweit der Ist-Zustand mit den vorab formulierten Projektzielen übereinstimmt. Ist dies jedoch nicht realisierbar, muss die Kriterien-entscheidung auf externe Instanzen übertragen werden; hierbei werden vor allem Experten, die beruflich oder persönlich mit dem Thema vertraut sind, um ihre Meinung gebeten.

Wie zu sehen ist, gibt es unzählige Formen der Evaluation, nicht nur in Bezug auf Ansatz oder Zeitpunkt, verwendete Methode oder Perspektive (Betroffene, Durchführende, Auftraggeber, Allgemeinheit), sondern auch auf Inhalte der Evaluation wie angemessene Zielformulierung, Qualität der angebotenen Maßnahmen, Beziehungsgestaltung zum Klienten, Zusammenarbeit verschiedener Dienste, Effizienz der Leistungen, unerwünschte Nebenwirkungen und vieles mehr.

Allen gemeinsam ist jedoch der vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (vgl. 2001, S. 24) empfohlene Ablauf eines Evaluations-vorhabens:

- wichtige Beteiligte und Betroffene, auch Nutzer der Evaluationsinforma-tionen, feststellen,
- deren Interessen, Werte, Erwartungen und Befürchtungen klären,
- zentrale Fragestellungen formulieren,
- Bewertungsmaßstäbe festlegen,
- geeignete Datenerhebungsinstrumente auswählen oder entwickeln,
- Erhebung durchführen,
- Daten auswerten,
- Ergebnisse interpretieren,
- Schlussfolgerungen ziehen,
- Erkenntnisse an Beteiligte und Betroffene rückmelden und diskutieren.

Werden all diese Punkte berücksichtigt, bestehen gute Voraussetzungen, die von der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (vgl. 2005) geforderten Standards zu erfüllen:

1. Evaluationsvorhaben müssen nützlich sein, das heißt z. B. durch eine umfassende, transparente, verständliche und rechtzeitige Berichterstattung die Nutzung ihrer Ergebnisse ermöglichen.
2. Evaluationen müssen dergestalt durchgeführt werden, dass bei den verschiedenen Beteiligten eine hohe Akzeptanz erreicht wird und sowohl Aufwand als auch Beeinträchtigungen durch die Datenerhebung in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen.
3. Durch Fairnessstandards soll der respektvolle Umgang mit den einbezogenen Personen gewährleistet und deren Rechte geschützt werden.
4. Es ist sicherzustellen, dass die Evaluation gültige Informationen zum untersuchten Gegenstand hervorbringt, indem dieser klar und genau beschrieben wird, Fragestellungen und Vorgehen detailliert abgebildet, Daten objektiv ausgewertet und Schlussfolgerungen nachvollziehbar begründet werden.

5 Netzwerkarbeit

5.1 Allgemeine Grundlagen

Aufgrund der sogenannten „versäulten“ Struktur der Sozialen Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland werden Dienstleistungen am Klienten von den einzelnen Institutionen nach ihrer Zuständigkeit erbracht. Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Hilfeträger führt dazu, dass sich Klienten an unterschiedliche Stellen wenden müssen, sich Angebote überschneiden, Bedarfslücken entstehen oder Daten zu viel oder zu wenig erhoben werden.

Als Antwort darauf ist in den letzten Jahren das Konzept der „Netzwerkarbeit“ in aller Munde. Theorie und Praxis haben erkannt, dass in Zeiten komplexer werdender Problemlagen integrierte Angebote entstehen müssen. Gerade im Bereich Kinderschutz sind so unterschiedliche Institutionen wie Schule, Gesundheitswesen, Polizei, Jugendamt, Kindertagesstätten etc. betroffen, dass es kaum denkbar ist, diese Arbeit nicht gemeinsam anzugehen. Neben der oben erwähnten Vermeidung von Überschneidungen einerseits und Bedarfslücken andererseits, sind der Transfer von Informationen und Ideen, die Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz aufgrund besserer Ressourcenauslastung und die Entwicklung von lebensweltorientierten, zielgruppengerechten Angeboten als weitere Vorteile von Netzwerkarbeit zu nennen. Sozialpolitische Vorgaben orientieren sich somit zunehmend am Konzept von Vernetzung und Kooperation.

Netzwerkarbeit lässt sich nach Windhoff-Héritier (vgl. 1987, S. 45) definieren als das Zusammenwirken unterschiedlichster Akteure, um eine gemeinsame und bestimmte Politik durchzuführen. Gegenseitiger Respekt, das Erkennen wechselseitiger Abhängigkeiten und Vertrauensbeziehungen sind dabei bedeutsame Bausteine, die durch ausgiebige Kommunikationsprozesse entwickelt werden müssen. Brocke (vgl. 2004, S. 9) benennt als weitere Merkmale professioneller Netzwerkarbeit Transparenz, Interaktion, Flexibilität und Ergebnisoffenheit.

5.2 Merkmale gelingender Netzwerkarbeit

Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt führte in den Jahren 2001-2003 ein Modellprojekt an vier Projektstandorten mit dem Titel „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ durch, um verbandsinterne Erfahrungen mit Netzwerkarbeit zu strukturieren, analysieren und Arbeitsprozesse zu verbessern. Die wissen-schaftliche Begleitung des Modellprojekts lag in den Händen des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, das in Zusammenarbeit mit der Projektleitung und den Mitarbeitern an den Projektstandorten ein Analyseraster für gelingende Netzwerkarbeit entwickelte. Dieses Analyseraster diente im Laufe der Untersuchung der Konstruktion von Interviewleitfäden und Bewertungsgrundlagen und der Identifizierung von bedeutsamen Indikatoren für gelingende Netzwerkarbeit.

Vier verschiedene Bereiche innerhalb der Netzwerkarbeit werden im Analyseraster näher beleuchtet: Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V., 2004, S. 59 ff.). Im Bereich Konzeptqualität steht die Vorbereitung auf die eigentliche Netzwerkarbeit im Fokus. In dieser Phase müssen u. a. die Notwendigkeit zur Vernetzung geprüft werden, der Kenntnisstand zum entsprechenden Thema analysiert, erste Ziele und Konzepte entwickelt und der Bedarf der Zielgruppe systematisch ermittelt werden. In der zweiten Ebene werden die Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit der Netzwerkakteure beschrieben. Innerhalb der Strukturqualität wird noch unterschieden in Netzwerkstruktur, Zielsystem, Informations- und Kommunikationssystem und Ressourcen. Als Merkmale von gelingender Netzwerkarbeit finden sich hier die Beteiligung aller relevanten Institutionen, eine überschaubare Netzwerkstruktur, ein effektives Steuerungsgremium, die gemeinsame Problemdefinition und daraus folgend die gemeinsame Entwicklung von hierarchisch geordneten Zielen, gut geplante Kommunikationsregeln, Öffentlichkeitsarbeit, ausreichende personale, finanzielle und zeitliche Ausstattung, die Qualifizierung der Netzwerkpartner und vieles mehr. Die Prozessqualität bezieht sich auf den konkreten Verlauf der Netzwerkarbeit, auf die Organisation möglichst störungsfreier, effizienter und stabiler Arbeitsabläufe. In den Unterkategorien Umsetzung der Netzwerkstruktur, Erfolgskontrolle, Informations- und Kommunikationskultur und Ressourceneinsatz wird ausgeführt, dass zu einer erfolgreichen Netzwerkarbeit u. a. die zuverlässige Erfüllung der vereinbarten Aufgaben, eine gemeinsame Zielüberprüfung und der regelmäßige Austausch von Wissen und Informationen unter den Netzwerkpartnern gehören.

Im späteren Verlauf der Netzwerkarbeit rückt die Ergebnisqualität in den Vordergrund, das heißt, die Bewertung der erreichten Veränderungen mit daraus folgenden Konsequenzen für die weitere Arbeit. Aspekte, die in diesem Zusammen-hang betrachtet werden müssen, beziehen sich z. B. darauf, ob die definierte Zielgruppe ausreichend in die Arbeit mit einbezogen wird und ob die tatsächlichen Ergebnisse den geplanten Zieldefinitionen entsprechen.

Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt entwickelte aufgrund der Erfahrungen in diesem Modellprojekt auch einen Fragebogen zur Selbstevaluation, in dem zu den vier Netzwerkphasen Vorbereitung, Aushandlung, Umsetzung und Wirkungsüber-prüfung und den von ihnen als bedeutsam erachteten Querschnittsaufgaben Gender Mainstreaming und interkulturelle Öffnung zahlreiche Fragen formuliert wurden (vgl. AWO Bundesverband e. V., 2004, S. 62 ff.). Diese sollen von den Netzwerkakteuren regelmäßig daraufhin beantwortet werden, ob das Gefragte jeweils vorhanden ist, vollständig bearbeitet und in welcher Qualität umgesetzt wurde. Dieses Instrument der Qualitätsentwicklung wird über die Modellprojekte hinaus zur ständigen Evaluierung und Weiterentwicklung ihrer komplexen Vernetzungsaktivitäten genutzt.

Eines der ersten Ergebnisse aus den Erfahrungen der Kreisverbände während des Modellvorhabens bestand in der Bedeutsamkeit der Einbeziehung aller Beteiligten in die Projektentwicklung und einer frühzeitigen Erwartungsabklärung (vgl. Petermann, 2004, S. 35). Als ebenso unabdingbar erwies sich die gemeinsame Zielformulierung, um eine höhere Verantwortungsübernahme der Netzwerkakteure im Verlauf des Projekts zu garantieren. Vor allem sollten dabei die Ziele in Leit-, Mittler- und Handlungsziele ausdifferenziert werden, um eine tatsächliche Ergebniskontrolle gewährleisten zu können (vgl. AWO Bundesverband e. V., 2004, S 42).

Aus langjährigen Erfahrungen in der Begleitung von zahlreichen Vernetzungsprojekten hat das Landesinstitut für Qualifizierung NRW ebenfalls ein Handbuch für die Praxis der Netzwerkarbeit herausgegeben. Darin finden sich zahlreiche Tipps und Warnungen vor Stolpersteinen in den Bereichen Qualifizierung für Netzwerkmanager, Initiierung der Kooperation, Besetzung von Funktionsrollen, Moderation, Optimierung des Netzwerkklimas, Balance von Kooperation und Konkurrenz, Konfliktbearbeitung und Öffentlichkeitsarbeit. Ein immer wieder-kehrendes Thema ist hierbei ebenfalls die Zielformulierung, die in einem Netzwerk im Gegensatz zu einer Organisation oder Institution nur in einem gemeinsamen Kommunikationsprozess ausgehandelt werden kann (vgl. Wohlfahrt, 2006, S. 9). Dies sei auch keine einmalige Angelegenheit, sondern stetig fortzusetzen, da vor allem Handlungsziele neu entstehen können, verworfen oder korrigiert werden müssen. Ebenso wird die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Interessen der einzelnen Netzwerkvertreter wieder betont, da der Konsens über vereinbarte Ziele eine unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen der Netzwerkarbeit sei. (vgl. Bornhoff; Frenzer, 2006, S 90). Im Zusammenhang dazu steht die regelmäßige Prozessreflexion zur Optimierung der Netzwerkarbeit. Neben der Weiterentwicklung der Arbeit trage sie zu einem positiven Arbeitsklima und zur verstärkten Verantwortungsübernahme durch die Netzwerkpartner bei (vgl. Bornhoff; Frenzer, 2006, S. 108 ff.). Dabei zu beachten sei, dass alle zentralen Akteure anwesend sind, genügend Zeit vorhanden ist, möglichst eine externe Moderation zur Verfügung steht und die Organisatoren offen für Kritik sind. Allgemeine Fragen zu einer möglichen Evaluation werden wie folgt formuliert (vgl. Bornhoff; Frenzer zit. n. Doppler, 2006, S. 111):

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Details

Titel
Evaluation des Netzwerks für Kinderschutz Leipzig
Untertitel
Ergebnisse, Interpretationen, Handlungsempfehlungen
Hochschule
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig  (Angewandte Sozialwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
72
Katalognummer
V153685
ISBN (eBook)
9783640660513
ISBN (Buch)
9783640661008
Dateigröße
685 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Andrea Englisch (Autor:in), 2009, Evaluation des Netzwerks für Kinderschutz Leipzig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153685

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