Königinnen der Lüfte von A bis Z

Biografien berühmter Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen, Luftschifferinnen, Fallschirmspringerinnen und Astronautinnen


Fachbuch, 2010

696 Seiten


Leseprobe


Königinnen der Lüfte

Die Französin Jacqueline Auriol flog als erste Frau schneller als der Schall. Sie und die Amerikanerin Jacqueline Cochran erkämpften sich abwechselnd den Ruf, die „schnellste Frau der Welt“ zu sein. Die Deutsche Hanna Reitsch wurde erster weiblicher Flugkapitän, flog als erste Frau einen Hubschrauber und stellte mehr als 40 Rekorde aller Klassen und Flug­zeugtypen auf. Ihre Landsmännin Elly Beinhorn führte ein legendenumwobenes Leben und prägte die sportlichen Anfän­ge der Fliegerei. Die Russin Valentina Tereschkowa war die erste Frau im Weltall.

Diesen und anderen „Königinnen der Lüfte von A bis Z“ aus aller Welt ist das gleichnamige Taschenbuch gewidmet. Es berichtet nicht nur von strahlenden Erfolgen, sondern auch von schmerzlichen Ereignissen. Bei Abstürzen verloren viele Pilotinnen — wie Maryse Bastie, Amelia Earhart, Christa McAuliffe, Phoebe Omlie und Melitta Gräfin Schenk von Stauffenberg — sowie die Ballonfahrerin Madeleine Sophie Blanchard — ihr Leben.

Ergänzt wird das Taschenbuch durch eine ausführliche Liste mit Daten weiterer berühmter Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen, Flugzeugpassagierinnen, Fallschirmspringerinnen, Astronau- tinnen und Kosmonautinnen.

Wie ein „roter Faden“ zieht sich durch das Taschenbuch, wie schwer es früher Frauen von Männern gemacht wurde, das Fliegen zu lernen und in der Luftfahrt Fuß zu fassen. Bis in jüngste Zeit hatten Pilotinnen weltweit unter Vorurteilen zu leiden.

Ernst Probst

Dank

Für Auskünfte, kritische Durchsicht von Texten (Anmerkung: Etwaige Fehler gehen zu Lasten des Verfassers), mancherlei Anregung, Diskussion und andere Arten der Hilfe danke ich herzlich:

Eric G. Ackermann, Special Collections,

University Libraries, Virginia Tech, Blacksburg, USA

Otto Bauer jun., Oberstudienrat, Schongau

Otto Bauer sen., Orgelbaumeister, Schongau

Vladislav A. Arhipov, Ufa, Russland

Vernice Armour, Pilotin, USA

Jacqueline Auriol f, Pilotin, Frankreich

Jürgen Becker,

Spacefacts.de, www.spacefacts.de, Mainz-Laubenheim

Elly Beinhorn f, Pilotin, Deutschland

Fiorenza de Bernardi, Pilotin, Italien

Werner Bittner, Deutsche Lufthansa AG,

Public Relations Dienste, Firmenarchiv, Köln

Regula Eichenberger, Pilotin, Schweiz

Josef Eimannsberger, Flugzeughistoriker, München, Bayerische Flugzeug-Historiker. e.V, Oberschleißheim

Knut Hentzschel,

Mitglied des Vorstandes Förderverein Bücker-Museum Rangsdorf e.V.

Henry M. Holden, Pilot und Autor, USA

Bette Davidson Kalash,

Jesse Davidson Aviation Archives, USA

Dr. David Lam, Luftfahrthistoriker,

Everberg, Belgien

Günter Lang, Diplom-Kaufmann, München, Nachlassverwalter der Fliegerin Thea Knorr

Theo Lederer, Luftfahrthistoriker,

Bad Heilbrunn

Luftfahrt-Bundesamt, Braunschweig Darryl Lund, Wellington, Neuseeland Horst Lutter, Autor

Ian Mackersey, Autor, Auckland, Neuseeland

Alois Maiburg, Architekt, Wesseling

Waltraud Moog, Troisdorf Präsidentin von

Ninety Nines, Deutsche Sektion

Norman G. Richards,

Archives Reference Team, Smithsonian National Air and Space Museum, Washington

Professor Dr. med. Bernd Rosemeyer, München

Susanne Schödel,

1. Vorsitzende Dr.-Angelika-Machinek-Förderverein e.V., Kirchheim

Dr. Horst-Walter Schwager,

1. Vorsitzender Luftsportclub Bad Homburg, Usingen Karl-Dieter Seifert, Berlin Stadt Ingolstadt Cris Takacs,

Collections Manager, International Women’s Air and Space Museum, Cleveland (Ohio), USA

Sabine Trube, Flugkapitän, Neuss

Beate Uhse f, Beate Uhse Deutschland AG, Flensburg

Aida de Acosta

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erster Alleinflug mit einem lenkbaren Luftschiff ie erste Frau, die einen Alleinflug mit einem lenkbaren Luftschiff wagte, war die Amerikanerin Aida de Acosta (1884—1962), die nach zwei Ehen Aida de Acosta Root Breckinridge hieß. Sie erkrankte später an Grauem Star, wurde auf einen Auge blind und ermöglichte als großzügige Spenderin die Gründung der ersten Augenklinik und der ersten Augenbank in den USA.

Aida de Acosta kam am 28. Juli 1884 in Elberon im US- Bundesstaat New York zur Welt. Ihr Vater Ricardo de Acosta stammte aus Kuba und war Geschäftsführer einer Dampf­schiffgesellschaft. Ihre Mutter Micaela Hernandez de Alba y de Alba soll eine Nachfahrin der berühmten Herzogsfamilie Alba in Spanien gewesen sein. Geschwister von Aida waren die späteren Autorinnen Mercedes de Acosta (1893—1968) und Rita de Acosta Lydig (1875—1929).

Im Alter von 18 Jahren reiste Aida de Acosta mit ihrer Mutter nach Paris. In der französischen Hauptstadt lernte sie den brasilianischen Luftfahrtpionier Alberto Santos-Dumont (1873—1932) kennen, der ihr sein Luftschiff zeigte. Santos- Dumont war damals eine Attraktion in Paris. Er flog oft mit seinem Luftschiff in die Innenstadt zu seinem Lieblings- Restaurant und parkte sein Luftschiff auf der Straße, während er sein Abendessen einnahm. Aida war von Santos-Dumont begeistert und wagte am 9. Juli 1903 einen Alleinflug mit dessen Luftschiff. Sie segelte oben durch die Lüfte, er fuhr unten mit dem Fahrrad und dirigierte sie mit seinen Armen und Zurufen. Der erste Flug von Aida de Acosta endete auf einem Polo­Spielfeld am nördlichen Ende des Parks Bois de Boulogne während eines Spiels zwischen einer amerikanischen und einer britischen Mannschaft. Zuschauer des Polo-Spiels helfen Aida aus dem Korb des Luftschiffes. Nach einigen Polo-Spielen von Alberto stieg die junge Frau wieder in den Korb des Luftschiffes und flog zurück nach Neuilly St. James, wo die anderhalb Stunden lange Luftreise endete.

Aida de Acosta erzählte später, Alberto Santos-Dumont habe sie nach ihrer ersten Landung gefragt, wie es ihr während des Fluges ergangen sei. Sie antwortete, es sei sehr schön gewesen. Daraufhin erklärte ihr der brasilianische Luftfahrtpionier, sie sei die erste Frau, die alleine in einem lenkbaren Luftschiff geflogen sei. Und diese Feststellung war vollkommen richtig: Denn die Brüder Orville Wright (1871—1948) und Wilbur Wright (1867—1912) unternahmen 1903 erst einige Monate später den ersten gesteuerten Motorflug mit einem Doppel­decker.

Als die Eltern vom aufsehenerregenden Flug ihrer Tochter Aida erfuhren, waren sie entsetzt. Sie befürchteten, dass kein Mann eine Frau, die so etwas getan habe, sie noch heiraten würde. Aus diesem Grund bewahrte die Familie Stillschweigen über die ungewöhnliche Flugreise in Frankreich.

Aida de Acosta und Alberto Santos-Dumont haben sich aus den Augen verloren. Es heißt aber, Santos-Dumont habe auf seinem Schreibtisch ein Bild von Aida aufbewahrt. Aus diesem Grund spekulierten Biographen des Flugpioniers Santos- Dumont, nach dem die brasilianische Stadt Santos Dumont benannt ist, eine romantische Beziehung zwischen beiden. Aida soll aber nach seinem Tod gesagt haben, dass sie diesen Mann kaum gekannt habe. So etwas sagen aber Frauen nicht selten ...

Alberto Santos Dumont wird im Online-Lexikon „Wikipedia“ als brasilianischer Luftschiffer, Motorflugpionier und Erfinder, der den Beginn der motorisierten Luftfahrt vor allem in seinem Schaffensland Frankreich mit prägte, gewürdigt. Nach meh­reren Fahrten mit verschiedenen selbstgebauten Luftschiffen führte er 1906 auch den ersten öffentlichen Motorflug der Welt mit einem Flugzeug durch. Oft wird er als „Vater der Luftfahrt“ bezeichnet. Ihm zu Ehren hat man den lokalen Flughafen von Rio de Janeiro als „Aeroporto Santos Dumont“ bezeichnet.

1908 heiratete Aida de Acosta den Neffen Oren Root des amerikanischen Staatsmannes Elihu Root (1845—1937), der 1912 den Friedensnobelpreis erhielt. Aus dieser Ehe gingen der Sohn Oren Root jr. (1911—1995) und die Tochter Alva de Acosta Root (geb. 1914) hervor.

1922 war für Aida de Acosta kein gutes Jahr. Damals endete ihre erste Ehe und erkrankte eines ihrer Augen an Grauem Star (Glaukom). Ihr Augenarzt war kein Geringerer als William Holland Wilmer (1863—1936), den das „Time-Magazine“ für den größten Augenchirurgen, den die USA jemals hatten, bezeichnete. Aida verlor auf einem Auge ihr Sehvermögen, aber der berühmte Augenarzt konnte zumindest das andere Auge retten.

Auf Anregung von Dr. Wilmer spendete Aida de Acosta 1925 drei Millionen Dollar für die Errichtung des „Wilmer Eye Instituts“ im „John Hopkins Hospital“ in Baltimore (Mary­land), der ersten Augenklinik in den USA. 1945 gründete sie die erste Augenbank der USA und wurde deren Direktorin. 1947 schloss Aida de Acosta ihre zweite Ehe mit Oberst Henry S. Breckinridge. Ihr Ehemann arbeitete als Anwalt und vertrat zum Beispiel den amerikanischen Luftpionier Charles A.

Lindbergh (1902—1974) während der Entführung von dessen Baby.

Erst in den 1930-er Jahren erzählte Aida de Acosta Root Breckinridge ihrem zweiten Ehemann und einem jungen Marine-Offizier namens Lieutenant George Calnan von ihrem Flugabenteuer in Frankreich. Ihre zweite Ehe wurde 1947 geschieden.

Am 26. Mai 1962 ist Aida de Acosta Root Breckinridge in Bedford im Bundesstaat New York im Alter von 77 Jahren gestorben. Ihren Namen findet man heute in den Annalen der Luftfahrt und der Augenmedizin.

Elsa Andersson

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die erste Pilotin Schwedens

Die erste Pilotin und die erste Fallschirmspringerin Schwe­dens war Elsa Andersson (1897—1922). Im Volksmund hat man diese aus Schonen (Skana) stammende Fliegerin und Fallschirmspringerin als „Die verwegene Schonin“ (schwe­disch: „Den käcka Skanskan“) bezeichnet. Sie kam in jungen Jahren bei einem Auftritt als Fallschirmspringerin in ihrem Heimatland auf tragische Weise ums Leben.

Elsa Andersson wurde 1897 als ältestes von sechs Kindern auf dem Bauernhof Petersgard bei Vegeholm auf Schonen geboren. Ihre Familie zog später in das nicht weit davon entfernte Dorf Strövelstorp unweit von Ängelholm auf Schonen. Strövelstorp wird in der Literatur oft irrtümlich als ihr Geburtsort bezeichnet. Der Bauernhof Petersgard bei Vegeholm, in dem Elsa tatsächlich zur Welt kam, hieß später Sandakra und wurde 1926 abgerissen.

Elsa war die Tochter des Bauern Edvard Andersson und dessen Ehefrau Alma Svensson. Ihr Vater betätigte sich auch als Schöffe, Treuhänder, Auktionator und Jäger. Ihre Mutter starb früh bei der Geburt von Elsas jüngerer Schwester Stina. Dieser Schicksalsschlag traf die kleine Elsa 1903 im Alter von sechs Jahren. Stina war als Erwachsene eine beliebte Kranken­ schwester. Ihr Bruder Sture wanderte als Erwachsener in die USA aus.

Im Kindesalter konnte Elsa gut zeichnen und malen. Außer­dem liebte sie die Musik. 1913 erlebte sie als Teenager eine Luftschau des schwedischen Flugpioniers und Flugzeugkon­strukteurs Enoch Thulin (1881—1919), wobei ihr Interesse für die Fliegerei erwachte. Ein anderes Mal sah sie eine Luftschau in Ljungbyhed. Die bei diesen Veranstaltungen fliegenden Maschinen waren kleine und klapprige Konstruktionen aus Holz, Leinwand und Klavierdraht und hatten nur eine Motor­leistung von 20 bis 25 PS.

Ab 3. Juli 1919 besuchte Elsa Andersson die seit 1915 bestehende Flugschule von Enoch Thulin in Ljungbyhed. Thulin hatte vor dem Ersten Weltkrieg (1914—1918) mehrere vielbeachtete Langstreckenflüge — zum Beispiel von Paris nach Landskrona — unternommen. In Landskrona gründete er eine Flugzeugfabrik, in der verschiedene Flugzeugtypen konstruiert wurden, und plante die Herstellung von Autos und Motor­rädern. Doch er konnte seine Pläne nicht mehr verwirklichen, weil er am 14. Mai 1919 bei einem Flugzeugabsturz in Lands­krona im Alter von nur 38 Jahren ums Leben kam.

Eine Pilotenausbildung war damals ein teures Vergnügen, das sich in der Regel nur Flugschüler aus reichen Familien leisten konnten. Jeder Flugschüler musste insgesamt 4.000 schwe­dische Kronen aufbringen, wovon eine Hälfte auf den Studienbeitrag entfiel und die andere Hälfte für eine eventuelle Instandsetzung des Flugzeugs hinterlegt werden musste. Diese Kosten hat angeblich der Vater von Elsa Andersson über­nommen.

Am 30. Mai 1920 erhielt Elsa Andersson ihren Pilotenschein ( Lizenz Nr. 203). Damit war sie die erste schwedische Pilotin und mit der Nummer 101 die letzte Frau, die Thulins Flugschule besuchte. Ruth Bergman, die vor Elsa bei Thulin in die Lehre gegangen war, hatte ihre Ausbildung nicht abgeschlossen.

Im August 1920 erschien in der Publikation „Flying“ ein Pressebericht, in dem Elsa Andersson über ihre Ausbildung zur Pilotin erzählte. Ein weiterer Pressebericht im Sommer 1920 schilderte einen Flug von Elsa mit einem Journalisten als Passagier von Ljungbyhed nach Göteburg. Ihr Passagier fühlte sich dabei krank, litt unter dem Motorenlärm und wunderte sich darüber, dass die Pilotin offenbar keine Nerven hatte. 1920 entstand auch eine Zeichnung mit dem Porträt von Elsa Andersson, die ihre Freundin, die in Vegeholm aufgewachsene Malerin und Modeschöpferin Astrid Dahl, angefertigt hat.

Nach dem Erhalt des Pilotenscheins wollte sich die unab­hängige, mutige und unkonventionelle Elsa Andersson in Schweden zur Fallschirmspringerin ausbilden lassen. Doch dazu kam es nicht, weil sich der einzige auf diesem Gebiet tätige schwedische Experte, der Fallschirmspringer Raoul Thörnblad (1891—1956), weigerte, eine Frau zu unterrichten. Elsa ließ sich dadurch nicht entmutigen, reiste nach Deutsch­land, besuchte dort die Fallschirmspringerschule des Luft­schiffbau-Ingenieurs Otto Heinecke in Berlin und erhielt theo­retischen Unterricht. Ihre praktische Ausbildung erhielt sie von der holländischen Fallschirmspringerin Lisa Bamberg. Am 28. September 1921 nahm Elsa glücklich ihr Zertifikat über die im Elsass zugelassene Fallschirm-Ausbildung entgegen.

Elsa Anderssons erster Fallschirmsprung in Schweden erfolgte bereits am Sonntag, 2. Oktober 1921, bei einem Flugtag auf dem Truppenübungsplatz Boden Nasby in Kristianstad. Bei herrlichem Herbstwetter sprang sie vor Tausenden von Zuschauern/innen aus rund 700 Meter Höhe ab und landete feucht, aber völlig unversehrt am Meeresstrand. Damit war sie auch die erste schwedische Fallschirmspringerin.

Eine Woche später wagte Elsa Andersson am Sonntag, 9. Oktober 1921, einen zweiten Absprung bei einem Flugtag in Helsingborg, bei dem sie sich einen Fuß verstauchte. Vorher hatten sich ein deutscher und ein schwedischer Pilot geringschätzig über ihren Fallschirm geäußert, den sie abfällig — nach seinem Erfinder Otto Heinecke — als „Heinecke­Tasche“ bezeichneten. Der Deutsche wollte diesen Fallschirm nicht für eine Milion benutzen, der Schwede nur in Todes­gefahr.

Vor mehr als 4.000 Zuschauern unternahm Elsa Andersson am Sonntag, 22. Januar 1922, bei einem von der Örebro- Fluggesellschaft organisierten Flugtag über dem zugefrorenen Alsen-See bei Askersund ihren dritten Fallschirmsprung. Sie sprang aus einer Höhe von etwa 700 Metern aus dem von dem Piloten Carl Albin Lundberg gesteuerten Flugzeug ab, wobei sich unglücklicherweise die Leinen des Fallschirms verhedderten. Kurz über Baumwipfeln in etwa 50 Meter Höhe konnte Elsa zwar noch den Fallschirm öffnen, aber dies war zu spät und sie schlug nahezu ungebremst im bergigen Gelände neben dem See auf und war sofort tot.

Einige Tage später wurde Elsa Andersson am Montag, 30. Januar 1922, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Kirchenfriedhof von Strövelstorp beigesetzt. An der Beisetzung nahmen Tausende von Menschen teil. Die Fahnen standen auf Halbmast und die Straße vor ihrem Geburtshaus bei Vegeholm und vor der Kirche in Strövelstorp war mit Tannenzweigen geschmückt. Königin Victoria (1862—1930) von Schweden schickte dem Vater von Elsa Andersson ein Telegramm und drückte ihm darin ihr tiefes Bedauern über den Tod seiner Tochter aus. Dieses Telegramm blieb bis heute erhalten. Auf dem Friedhof in Strövelstorp wird das Grab von Elsa häufig besucht und oft mit frischen Blumen ge­schmückt.

Elsa Andersson ist in Strövelstorp unvergessen. Alte Briefe, Fotos, vergilbte Zeitungsausschnitte, der Ausbildungsvertrag an der Flugschule von Enoch Thulin und ein kleines Notizbuch von ihr werden wie Reliquien sorgfältig aufbewahrt. In das

Notizbuch hatte sie mit schöner Handschrift 49 Rätsel und Antworten eingetragen. Der Platz für das 50. Rätsel blieb leer. Vier Jahre nach dem tödlichen Fallschirmsprung von 1922 errichtete der königliche schwedische Aero-Club 1926 am Sterbeort von Elsa Anderssson einen drei Meter hohen Gedenkstein in Form eines Obelisken.

1996 veröffentlichte der schwedische Autor Jacques Werup den Roman „Den ofullbordade himlen“ („Der unvollendete Himmel“, in dem er das Leben von Elsa Andersson schilderte. Basierend auf diesem Roman entstand 2001 der 154 Minuten lange Film „Sa vit som en snö“ („So weiß wie der Schnee“), in dem die schwedische Schauspielerin Amanda Ooms (geboren 1964) die Rolle der schwedischen Luftfahrtpionierin spielte. Am 16. Februar 2001 feierte dieser Film in Schweden seine Premiere.

Die Handlung dieses Films, der 2001 bei den „Nordischen Filmtagen Lübeck“ gezeigt wurde: Elsa Andersson wächst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einem schwedischen Bauernhof auf. Sie ist ein einfühlsames und rebellisches Kind, das nie verwinden kann, dass die Mutter bei der Geburt der jüngeren Schwester Stina gestorben ist und der Vater bald darauf die Haushälterin Frida Bengtsson geheiratet hat. Mit 22 Jahren wird Elsa als erste Frau an der Fliegerschule in Ljungbyhed aufgenommen. Viele Männer verehren sie, aber der, den sie liebt, kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Sie folgt einem deutschen Fallschirmfabrikanten nach Berlin und lässt sich von der Holländerin Lise Bamberg im Fallschirmspringen ausbilden. Zurück in Schweden fordert sie als Fallschirmspringerin bei Schausprüngen das Schicksal heraus.

Regie bei dem Film „So weiß wie der Schnee“ führte der schwedische Regisseur Jan Troell. Er kam 1931 in Linhamn bei Malmö im südschwedischen Schonen zur Welt. In dieser Landschaft, aus der — wie erwähnt — auch Elsa Andersson stammt, spielen viele seiner Filme. Dort arbeitete er zunächst neun Jahre lang als Lehrer und drehte gleichzeitig seine Kurz- und Dokumentarfilme. 2002 wurde „So weiß wie der Schnee“ von den schwedischen Filmkritikern mit dem „Guldbagge“ als bester schwedischer Film des Jahres ausgezeichnet.

Im „Angelholm Flygmuseum“ in Ängelholm erinnert eine Gedenkausstellung an das Leben der ersten schwedischen Pilotin und Fallschirmspringerin Elsa Andersson.

Jaqueline Auriol

Sie durchbrach als erste Europäerin die Schallmauer

Die erste Europäerin, die schneller als der Schall flog, war die französische Pilotin Jacqueline Auriol (1917—2000), geborene Jacqueline Marie-Therese Suzanne Douet. Sie stellte einige Weltrekorde auf, war mehrfach — abwechselnd mit Jacqueline Cochran — „die schnellste Frau der Welt“ und galt international als eine der besten Pilotinnen.

Jacqueline Marie-Therese Suzanne Douet wurde am 5. No­vember 1917 in Challans Vendee als Tochter eines Holz­händlers geboren. Sie besuchte die Institution „Blanche-de- Castille“ in Nantes sowie die Pariser Schulen „Notre-Dame- de-Sion“ und „Ecole du Louvre“. Im Februar 1938 heiratete die 20-Jährige den nahezu gleichaltrigen Paul Auriol (1918— 1992), den Sohn des späteren Präsidenten der französischen Republik. Aus dieser Ehe gingen 1938 der Sohn Jean-Claude und 1941 der Sohn Jean-Paul hervor.

1947 begegnete die 29-Jährige bei einem Dinner im Präsi­dentenpalais dem französischen Flieger Raymond Guillaume. Er schwärmte: „Beim Fliegen bleibt alles am Boden zurück. Es gibt nur zwei Dinge dort oben: Leben und Tod“. Seine Worte fielen bei der zweifachen Mutter auf fruchtbaren Boden. Denn die High Society und Repräsentationspflichten an der

Seite ihres Mannes, der als Sekretär seines Vater arbeitete, füllten sie nicht aus. Die Kinder sind bereits dem Babyalter entwachsen gewesen.

Ihr Gatte, der früher selbst Kampfflieger gewesen war, zeigte sich von der Idee Jacquelines begeistert, der Schwiegervater dagegen weniger. Als sich zeigte, dass Jacqueline eine große Begabung für die Fliegerei besaß, ließ sie sich auch im Kunstflug ausbilden. Zwischen 1948 und 1954 erwarb sie sechs verschiedene Pilotenscheine für sämtliche Flugzeugtypen, auch für Segelflugzeuge. Aufgrund ihres fliegerischen Könnens konnte sie bald als Einfliegerin und Testpilotin arbeiten.

Im Juli 1949 startete Jacqueline Auriol als einzige Frau unter 20 männlichen Kunstfliegern. Nach diesem Auftritt als toll­kühne Luftakrobatin verlieh man ihr den Spitznamen „La Lionne“ („die Löwin“). Eine Woche später stürzte Jacqueline als Kopilotin in einem Wasserflugzeug in die Seine. Sie über­lebte das Unglück, erlitt aber schwere Gesichtsverletzungen. Danach musste sie eine Stahlmaske tragen, monatelang flüs­sig ernährt werden und fast anderthalb Jahre in Kliniken ver­bringen. Selbst ihre eigenen Kinder erkannten sie nicht mehr.

Um sich von den Unfallfolgen abzulenken, studierte die ans Bett gefesselte und entstellte Jacqueline Auriol eifrig Aero- nautik, Algebra und Trigonometrie. In den USA gelang es Schönheitschirurgen, innerhalb von drei Jahren mit 22 Ein­griffen das ehedem liebreizende und photogene Gesicht wiederherzustellen. Später erzählte Jacqueline, sie sei sich zwölf Jahre lang beim Blick in den Spiegel fremd vorgekommen. Gleich nach ihrer letzten Operation in den USA absolvierte Jacqueline Auriol ihr Diplom als Hubschrauberpilotin. Nach ihrer Gesundung wollte sie den von der amerikanischen Fliegerin Jacqueline Cochran (1906—1963), einer Freundin von ihr, gehaltenen Geschwindigkeitsrekord für Frauen brechen. Dieses Vorhaben gelang ihr am 13. Mai 1951 auf dem Flugplatz Villacoublay bei Paris mit einem „Vampire“-Düsenjäger: Mit 818,181 Stundenkilometern wurde sie die „schnellste Frau der Welt“. Im September 1952 erhielt Jacqueline in Frankreich das „Kreuz der Ehrenlegion“.

Der amerikanische Präsident Harry Spencer Truman (1884— 1972) verlieh Jacqueline Auriol im November 1952 im „Weißen Haus“ in Washington die „Internationale Harmon Trophy“ für hervorragende fliegerische Leistungen. Diese „Harmon Trophy“ wird seit 1926 alljährlich international in drei Ka­tegorien vergeben: 1. an einen herausragenden Flieger, 2. an eine herausragende Fliegerin und 3. an Aeronauten (Ballon­fahrer oder Luftschiffer). Die vierte Kategorie ist die „National Trophy“ in jedem der Mitgliedsstaaten. Der Name der „Har- mon Trophy“ erinnert an den amerikanischen Ballonfahrer und Piloten Clifford B. Harmon (1866—1945), den wohl­habenden Sponsor dieser Auszeichnung. Die „Internationale Harmon Trophy“ als „beste Fliegerin der Welt“ erhielt Jac­queline auch 1951, 1953, 1955 und 1956.

Im Dezember 1952 glückte Jacqueline Auriol ein neuer Weltrekord für Frauen: Mit einer „Mistral 76“ erreichte sie zwischen Avignon und Istres über 100 Kilometer Flugstrecke eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 856 Stundenki­lometern. Damals wurde Jacqueline Auriol und Jacqueline Cochran abwechselnd der Ehrentitel „schnellste Frau der Welt“ verliehen.

Im August 1953 durchbrach Jacqueline Auriol als erste Europäerin mit einem Düsenjäger des Tpys „Mystere“ die Schallmauer (Mach 1): Sie erreichte 1.195 Stundenkilometer. Ein neuer Geschwindigkeits-Weltrekord für Frauen folgte im Juli 1955: Nun überbot Jacqueline Auriol mit einem Düsenjäger vom Typ „Mystere IV“ mit 1.200 Stundenkilometern den Rekord von Jacqueline Cochran.

Mitte der 1950-er Jahre besaß der Titel „Schnellste Frau der Welt“ nur noch repräsentative Bedeutung. Denn vom 1. Juli 1955 bis Anfang 1956 hatte der „Internationale Luftsport­verband“ den Geschwindigkeits-Weltrekordtitel für Frauen abgeschafft.

Im August 1959 übertraf Jacqueline Auriol ihre eigene Bestleistung vom Juli 1955 deutlich: Sie schaffte mit einem Düsenjäger vom Typ „Mirage III“ eine Rekordgeschwindigkeit von 2.150 Stundenkilometern. Der Flug fand über dem Flughafen Istres statt. Drei Jahre später, am 22. Juni 1962, brach Jacqueline mit einem neuen französischen Düsenjäger, dem „Mistral III“, mit 1.849 Stundenkilometern erneut den internationalen Schnelligkeitsrekord für Frauen über eine Strecke von 100 Kilometern.

Mit einer „Mirage III-R“, glückte Jacqueline Auriol am 14. Juni 1963 in Istres ein neuer Rekord. Dabei erreichte sie 2.038,7 Stundenkilometer. 1964 gelang ihr ein weiterer Rekord.

Nach ihrem folgenschweren Absturz vom Juli 1949 absolvierte Jacqueline Auriol unfallfrei noch mehr als 4.000 Flugstunden. Sie rauchte und lachte gerne und war auf ihren ältesten Sohn stolz, der bereits im Alter von 17 Jahren seinen Pilotenschein erworben hat. Die „Süddeutsche Zeitung“ bescheinigte ihr nach einem Auftritt beim „Internationalen Flugtag 1956“ in München-Riem, in ihren Augen liege jener Blick, der manchmal aus fernen Weiten zurückzukehren scheine, der Blick der besessenen Fliegerin.

Die „schnellste Frau der Welt“ starb am Abend des 11. Februar 2000 im Alter von 82 Jahren in ihrer Pariser Wohnung. 2003 wurde sie von der „Women in Aviation International“ („WAI“) anlässlich des Jubiläums „Centennial of Flight Woman in Aviation“ als eine der 100 wichtigsten Frauen in der Luft- und Raumfahrtindustrie geehrt.

Liesel Bach

Deutschlands erfolgreichste Kunstfliegerin

Die erfolgreichste deutsche Kunstfliegerin zwischen 1930 und 1970 dürfte Liesel Bach (1905—1992) gewesen sein. Zu ihren herausragendsten fliegerischen Leistungen gehört der erste Flug einer Frau über den Himalaja im Jahre 1951. Elisabeth Bach kam am 14. Juni 1905 in Bonn am Rhein als Tochter eines Fabrikanten zur Welt. Statt Elisabeth wurde sie immer Liesel genannt. Sie war — laut ihren eigenen Erinne­rungen — ein wildes und ungestümes Kind. Wenn Nachbars­kinder nach ihr fragten, antwortete ihre Mutter oft, Liesel sei unten im Hof oder auf einem Baum.

Einmal löste Liesel im Auto ihres Vaters die Handbremse und das Fahrzeug kam erst an einem Baum zum Stehen. Ein anderes Mal kletterte sie auf den Bock des Bierwagens, den der Kutscher vor dem Haus ihrer Eltern abgestellt hatte, und lenkte den Wagen durch die Straßen, wobei die Pferde immer schneller wurden. Zum Glück konnte ein mutiger Passant, der unter Lebensgefahr den Pferden in die Zügel griff, die rasante Fahrt stoppen.

Liesel Bach war erst elf Jahre alt, als ihre Mutter viel zu früh starb. Ihr Vater heiratete danach wieder. Ihren aus der zweiten Ehe hervorgegangenen Halbbruder Guido liebte Liesel sehr.

Der Vater schickte Liesel in ein Pensionat, damit sie endlich ein gesittetes Leben beginnen sollte. Dort war das intelligente und sportliche Mädchen trotz zahlreicher Streiche eine gute Schülerin. Beim Abschied von Liesel aus dem Pensionat sagte dessen Direktor, nun werde es in seinem Haus ja wieder ruhig werden.

Nach der Rückkehr ins Elternhaus war Liesel sportlich sehr aktiv. Sie schwamm gerne, sprang vom Zehnmeter-Turm, wurde Mitglied in der „Deutschen Turnerschaft“ und gewann als Jugendschwimmerin im 5-Kilometer-Stromschwimmen ihren ersten Lorbeerkranz.

Auf Wunsch ihres Vaters machte Liesel in einem Mode-Atelier für Damen eine dreijährige Lehre und schloss diese mit einem Gesellenbrief ab. Danach arbeitete sie zwei Jahre lang als Schneiderin, kündigte dann unerwartet und trat in ein Tur­nerinnenseminar ein. Sie bestand das Examen als Turn- und Sportlehrerin und nahm als vielseitige Sportlerin an Wett­kämpfen verschiedener Sportarten teil. Bei den Schwimm­Meisterschaften der „Deutschen Turnerschaft“ wurde sie Siegerin im Turmspringen, dies war ihre erste „Deutsche Meisterschaft“, der weitere folgten.

Nachdem sie erstmals mit einem Bekannten, der sich ein Flugzeug gekauft hatte, in Bonn-Hangelar mitfliegen durfte, interessierte sich Liesel Bach auch für die Fliegerei und wollte Pilotin werden. Von diesem Wunsch ließ sie auch nicht ab, als die Maschine, in der sie zum ersten Mal geflogen war, zwei Tage später bei einem Flugtag abstürzte und dabei der Pilot sowie mehrere Besucher starben.

Spontan wurde Liesel Bach das einzige weibliche Mitglied im Ortsverein des „Deutschen Leichtathlektik-Verbandes“ („DLV“) und in der dortigen Segelfliegergruppe. Fortan war sie oft auf dem Flughafen Bonn-Hangelar zu Gast. Als sie dort eines Tages in einem Raum mit Sportgeräten am Barren turnte, bemerkte sie, dass der Fluglehrer der Kölner Flieger­schule, Jakob Möltgen (1888—1975), mit einem Schüler auf dem Rollfeld landete. Sie rannte in kurzen Turnhosen zur Maschine und fragte Möltgen atemlos, ob er sie in Köln schulen könnte. Er sah sie an, nickte dann und kümmerte sich nicht mehr weiter um sie.

Bald danach fuhr Liesel Bach zum Kölner Flughafen, wo sich Möltgen an sie erinnerte, mit ihr einen kurzen Probeflug unternahm und ihr einen Freiflugschein der Lufthansa zum großen Rhön-Segelflugwettbewerb auf der Wasserkuppe schenkte. Möltgen hatte mit sicherem Blick das sportliche Talent von Liesel erkannt.

Kurze Zeit nach dem Wettbewerb in der Rhön erhielt Liesel Bach von Willy Kanstein, dem Leiter der Kölner Polizei­flugwache, einen der wohl wichtigsten Briefe ihres Lebens. Darin stand, dass sie beim „Kölner Klub für Luftfahrt“ für insgesamt 500 Reichsmark geschult werden könne. 200 Reichsmark müsse sie sofort anzahlen, weil dies die Prämie für die Versicherung sei. Wenn sie sich gut anstelle, sei der Club bereit, ihr die restlichen 300 Reichsmark zu erlassen, müsse sich dann aber verpflichten, bei Veranstaltungen des Clubs zu fliegen.

Am 10. September 1929 begann die zierliche Liesel Bach, die den Spitznamen „Bachstelze“ trug, in Köln mit dem Flug­unterricht. Nach 14 Stunden flog sie erstmals allein. Am 26. November 1929 schloss sie mit einem Überlandflug von Köln über Frankfurt am Main nach Bonn und zurück nach Köln die Prüfung für den A2-Schein ab. Ein Bonner Pilot hatte geunkt, wenn eine Frau nach Frankfurt finde, wolle er Michel heißen. Obwohl das Wetter hundsmiserabel war und sie sich anfangs „verfranzte“, fand Liesel schließlich doch den richtigen Weg am Rhein entlang und landete sicher in Frankfurt am Main. In Köln wartete ihr Fluglehrer Möltgen wie auf Kohlen auf seine Schülerin und war sehr erleichtert, als Liesel mit ihrer „Klemm“ in Köln eintraf. Sie war nun die erste Kölner Pilotin.

Im April 1930 erwarb Liesel Bach auch den Kunstflugschein. Zuvor hatte sie unter der Anleitung von Möltgen gelernt, Steilkurven, den „Turn“ (eine hochgezogene Kehrtkurve), den „Slip“ links und rechts sowie einen Looping zu fliegen. Der Kunstflug war nun eine Leidenschaft, die sie nicht mehr losließ. Mit einem vom Klub ausgeliehenen Flugzeug des Typs „Klemm L 26a“ (D-1798) meldete sich Liesel Bach für die „Deutsche Kunstflugmeisterschaft für Damen“ am 29. Mai 1930 in Bonn-Hangelar an. Obwohl sie erst drei Wochen einen Kunstflugschein besaß und somit ein Neuling war, gewann sie bei einem Wettbewerb gegen ihre acht teilweise merklich erfahreneren Konkurrentinnen. Als Siegespreis erhielt sie ein funkelnagelneues Auto (Opel), das sie mit nach Hause nehmen durfte. Ihren Titel konnte sie in den folgenden Jahren mehrfach erfolgreich verteidigen. Bei ihren ersten Wettbewerben flog sich noch mit einer ausgeliehenen Maschine, bald aber mit einer eigenen „Klemm L 26a“, die ihren Namen trug.

Im Juni 1931 gewann Liesel Bach in Mailand die Europa­meisterschaft im Damenkunstflug. Am 10. August 1931 wurde sie — laut „Munzinger-Archiv“ — die erste Frau in Deutschland, welche die Genehmigung zur Fliegerausbildung erhielt. Einige Wochen später hatte sie erneut Grund zur Freude, als sie am 6. September 1931 auf dem Flugplatz Berlin-Tempelhof zum zweiten Mal die „Deutsche Kunstflugmeisterschaft für Da­men“ gewann.

Ende 1931 wagte Liesel Bach ihren ersten Fernflug mit Ziel Sardinien. Weil sie wegen schlechten Wetters nicht auf dieser Mittelmeerinsel landen konnte, flog sie nach Italien zurück. Dort musste sie wegen Treibstoffmangels in Rom eine Außenladung machen. In den 1930-er Jahren wandte sie sich dem Nationalsozialismus zu, den sie bei ihren Auslandsreisen verteidigte.

1930 und 1931 gewann Liesel Bach in Mailand den noch inoffiziellen Titel als „Internationale Kunstflugmeisterin“. Am 28. April 1934 siegte sie mit einer „Klemm K1 28 XIV (D- 2495) in Vincennes bei Paris bei der „Internationalen Damen­Kunstflugmeisterschaft“ („Coupe Feminines“), was damals der Weltmeisterschaft entsprach. Einzige ernsthafte Konkurrentin war die Französin Helene Boucher (1908—1934), weil die Deutsche Vera von Bissing (1906—2002) wegen Krankheit und die Französin Adrienne Bolland (1896—1975) wegen techni­scher Probleme an ihrem Flugzeug nicht teilnehmen konnten. Auch diesen Titel konnte sie ein Jahr später in Rouen erfolg­reich verteidigen.

1935 nahm Liesel Bach an der „Deutschen Kunstflugmei- strerschaft“ teil und erkämpfte dabei als einzige Frau unter den Teilnehmern einen respektablen dritten Platz. Weil ihre Klemm auf einem von Jakob Möltgen durchgeführten Überführungsflug nach einer Notlandung verbrannt war, hatte sie Gerhard Fieseler (18966—1987) dessen „Raka RK 26a Tigerschwalbe“ (D-1616) abgekauft und damit mehrere Flugtage und Wettbewerbe bestritten.

Anlässlich der Olympiade 1936 in Berlin fanden auch zwei Kunstflugveranstaltungen statt: Erstens der Damen-Kunst- flugwettbewerb zur Eröffnung des Flugplatzes in Rangsdorf im Juli 1936, wo Liesel Bach nach knapper Führung in der Pflicht am Ende den Sieg noch Vera von Bissing überlassen musste. Zweitens der Großflugtag in Tempelhof einige Tage später, wo das Publikum als Bewerter die beiden Fliegerinnen in genau umgekehrter Reihenfolge beurteilte, Liesel Bach also zur Siegerin erkor.

Beim „IV Internationalen Flugmeeting 1937“ in Zürich traten Liesel Bach und Vera von Bissing lediglich im Schauprogramm auf. Dabei flog Liesel mit einer „Bü 133 Jungmeister“.

Ein neuer sportlicher Wettstreit zwischen Liesel Bach und Vera von Bissing folgte 1938 beim Zuverlässigkeitsflug der Sport­fliegerinnen. Dabei flogen alle 13 Teilnehmerinnen mit einer Maschine des Typs „Klemm K1 25“. Siegerin war Melitta

Schiller (1903—1945). Im Jahr darauf gewann Liesel Bach mit einer „Bücker Bü 180 Student“ wieder diesen Wettbe­werb.

Laut Online-Lexikon „Wikipedia“ ist über die Tätigkeit von Liesel Bach während des Zweiten Weltkrieges (1939—1945) wenig bekannt. Zunächst soll sie für die Luftwaffe als Kunst­fluglehrerin gearbeitet, später als Angehörige des „Über­führungsgeschwaders 1“ Flugzeuge zu den Flugparks überführt haben. Es seien Maschinen bis zur „Junkers JU 87“ gewesen, für die ihr B2-Schein ausreichte, erklärte sie.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges glichen Überführungs­flüge in Westdeutschland wegen Lufthoheit der Alliierten oft Himmelfahrtskommandos. Liesel Bach war zwar für den Notfall bewaffnet, aber es war nicht ihre Aufgabe, Luftkämpfe auszutragen, sondern Feindberührung zu vermeiden und die jeweilige Maschine heil an Ort und Stelle zu bringen. Deswegen flog sie meistens dicht über Wäldern und verschwand bei Sichtung von Feindfliegern in irgendeiner Waldschneise. Einmal geriet sie bei der Überführung eines „Stukas“ nach Köln im Nebel in eine Sperrzone mit Fesselballonen und wurde beinahe von der eigenen Flak abgeschossen. Nur dank ihrer Kunstflugakrobatik kam sie heil aus dem Gewirr von Drähten und Seilen seitwärts heil heraus.

Vor Kriegsende setzte sich Liesel Bach mit ihrem Über­führungsgeschwader aus dem eingeschlossenen Berlin ab. Über Flensburg gelangte sie auf den Flughafen Leck. Weihnachten 1945 war sie wieder zu Hause im zerstörten Köln.

1950 erhielt Liesel Bach vom Präsidenten des indischen Aero- Clubs eine Einladung. Sie sollte einige Monate in Kalkutta als Gast des Clubs verbringen. In Indien durfte man damals im Gegensatz zu Deutschland fliegen. Liesel flog Weihnachten 1950 von Düsseldorf aus nach Kalkutta. In Indien gab man ihr die Möglichkeit, den indischen und den internationalen Flugschein zu erwerben. Statt drei bis vier Monate — wie ursprünglich geplant — blieb sie insgesamt drei Jahre in diesem Land.

Im Februar 1951 trat Liesel Bach mit einer „Tiger Moth“ auf dem Flugplatz Kampur vor rund 100.000 Zuschauern zum „Asiatischen Kunstflugwettbewerb“ an und siegte. Der da­malige Präsident der indischen Republik, Rajendra Prasad, überreichte ihr die Siegestrophäe.

Um Liesel Bach einen Traum zu erfüllen, stellte ihr der Chiefminister der Vereinigten Provinzen, Sir Govind Ballabh Pant, sein zweimotoriges Flugzeug „Beech 18“ zur Verfügung. Mit dieser Maschine startete sie Ende März 1951 auf dem Flugplatz Halvani an der Grenze zu Nepal zum ersten Flug einer Frau über den Himalaja. Nach zweieinhalb Stunden kehrte sie wieder zurück. Die „Indische Luftwaffe“ erlaubte ihr sogar, einige Platzrunden mit einer Spitfire zu drehen, wenngleich in einer zweisitzigen mit Sicherheitspilot, der aber nie eingreifen musste.

1952 konnte Liesel Bach auf Ceylon (Sri Lanka) ihren Kunst­flugtitel erfolgreich verteidigen. Dabei musste sie in der Herrenklasse antreten, weil keine eigene Damenkonkurrenz geflogen wurde. In der Gesamtwertung kam sie auf den zweiten Platz, als Frau auf den ersten Rang.

Vor ihrer Rückehr nach Deutschland wurde Liesel Bach 1953 vom Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru (1889—1964), genannt Pandit Nehru, empfangen. In ihrem Heimatland feierte sie ihr silbernes Flieger-Jubiläum und erhielt sie von der „Divina-Film GmbH“ das Angebot, für deren Film „Sterne über Colombo“ (1954) Flugszenen zu drehen und in einer kleinen Rolle selbst aufzutreten.

1955 erhielt Deutschland wieder die Lufthoheit zurück. Nun konnte sich Liesel Bach ein neues Flugzeug zulegen. Nämlich eine „Klemm Kl 35 B“ mit einem 160 PS starken Motor. Mit dieser Maschine beteiligte sie sich an verschiedenen Wettbewerben, beispielsweise Deutschlandflügen und an der „10. Deutschen Kunstflugmeisterschaft“ und 1963 an der „Europameisterschaft für Damen“, die sie gewann. Dieses Flugzeug steht jetzt im „Deutschen Technikmuseum“ in Berlin. Bis zum Alter von 70 Jahren ist Liesel Bach geflogen. Danach spielte sie wieder Tennis, was sie bereits als junges Mädchen getant hatte. Aus diesem Grund zog sie in eine entsprechende Anlage nach Bandol-Var in Südfrankreich, wo sie am 21. Januar 1992 im Alter von 86 Jahren starb.

Pancho Barnes

Amerikas erste Stuntpilotin

Die erste amerikanische Stuntpilotin war die Fliegerin Florence „Pancho“ Barnes (1901—1975), geborene Florence Leontine Lowe. In der goldenen Zeit der Fliegerei in den USA genoss sie einen glänzenden Ruf als Pilotin. Nicht wenige Amerikaner betrachten sie als eine der wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Florence Leontine Lowe wurde am 29. Juli 1901 in San Mario (Kalifornien) geboren. Ihr Vater war Thaddeus Lowe II (1870— 1955), ihre Mutter hieß Florence Max (Dobbins) Lowe. Ihr Großvater Thaddeus Sobieski Coulincort Lowe hatte sich während des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861—1865) mit der Gründung des „Union Army Balloon Corps“ hervorgetan. Das Corps war die erste militärische Luftwaffeneinheit.

Die Lowes waren eine wohlhabende Familie in Pasadena (Kalifonien). Florence sollte zu einer Dame der Gesellschaft erzogen werden, entwickelte sich aber immer mehr zu einem regelrechten Wildfang. Sie war ein sehr sportliches Mädchen, das gerne jagte, campte, angelte und ritt, was ihr alles vom Vater beigebracht wurde.

1919 heiratete die lebhafte 18-jährige Florence Leontine Lowe den Reverend C. Rankin Barnes aus South Pasadena. Aus der

Ehe ging der Sohn William E. Barnes hervor. Das ruhige Leben als Ehefrau eines Geistlichen behagte Florence nicht beson-ders. Nach dem Tod ihrer Mutter 1924, welche die Ehe mit dem Reverend sehr befürwortet hatte, und einer Erbschaft führte Florence ab 1928 wieder ihr extravagantes und eigen­sinniges Leben, was später (1941) zur Scheidung führte. Florence verließ 1928 Ehemann und Kind und versteckte sich als Mann verkleidet auf einem Frachtschiff, das nach Mexiko fuhr. In San Blas (Mexiko) verließ sie mit einem Besatzungs­mitglied das Frachtschiff. Mit diesem Mann zog sie auf dem Rücken eines Esels durch Mexiko. Ihr damaliger Gefährte nannte sie „Pancho“. Dabei unterlief ihm allerdings ein kleiner Irrtum, denn die entsprechende Person in der Novelle „Don Quichote“, an die er sich erinnert fühlte, hieß „Sancho Pansa“. Trotzdem behielt sie den Spitznamen „Pancho“ ihr Leben lang. Nach einigen Monaten auf den Straßen von Mexiko kehrte Pancho Barnes 1928 nach San Mario zurück.

Im Frühling 1928 lernte Pancho Barnes von ihrem Cousin Dean Banks das Fliegen. Nach sechs Stunden Unterricht hob sie noch am ersten Übungstag in die Luft ab. Als sie Pilotin wurde, gab es in den USA nur etwa zwei Dutzend Fliegerinnen. Bald flog sie so gut, dass sie sich an Wettbewerben beteiligte. Beim legendären „Powder-Puff-Derby“ vom 18. bis 26. August 1929 von Santa Monica (Kalifornien) nach Cleveland (Ohio) hatte Pancho Barnes noch Pech und stürzte ab. Doch bei einem anderen Wettbewerb am 4. August 1930, bei dem die „Union Oil Company“ ihr Sponsor war, hatte sie Glück und gewann. Dabei brach sie mit ihrem Flugzeug „Mystery Ship“ mit 315,7 Stundenkilometern den Geschwindigkeitsrekord der legen­dären amerikanischen Fliegerin Amelia Earhart (1897—1937). Damals bezeichnete man Pancho als „schnellste Frau der Welt“. Diesen respektvollen Titel erkämpften im Laufe der Zeit mit immer höheren Geschwindigkeiten auch andere Pilotinnen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 696 Seiten

Details

Titel
Königinnen der Lüfte von A bis Z
Untertitel
Biografien berühmter Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen, Luftschifferinnen, Fallschirmspringerinnen und Astronautinnen
Autor
Jahr
2010
Seiten
696
Katalognummer
V153394
ISBN (eBook)
9783640657322
ISBN (Buch)
9783640658008
Dateigröße
9864 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aktualisierte Auflage von 2014
Schlagworte
Fliegerinnen, Fliegerei, Luftfahrt, Pilotinnen, Ballonfahrerinnen, Luftschifferinnen, Fallschirmspringerinnen, Astronautinnen, Kosmonautinnen, Frauenbiografien, Biografien, Ernst Probst, Elly Beinhorn, Hanna Reitsch, Thea Rasche, Melitta Gräfin Schenk von Stauffenberg, Beate Köstlin, Käthe Paulus, Vera von Bissing, Melli Beese, Lisl Schwab, Rita Maiburg, Sabine Trube+, Liesel Bach, Margret Fusbahn, Luise Hoffmann, Wilhelmine Reichard, Thea Knorr, Beate Uhse, Pancho Barnes, Jacqueline Auriol, Aida de Acosta, Elsa Andersson, Marye Bastié, Jean Batten, Sophie Blanchard, Adrienne Bolland, Amelia Earhart, Ruth Elder, Elise Garnerin, Sabiha Gökcen, Frances Wilson Grayson, Hilda Hewlett, Marayse Hilsz, Laura Ingalls, Carol Mae Jemison, Amy Johnson-Mollison, Raymonde de Laroche, Ruth Law, Anne Morrow Lindbergh, Anne Löwenstein-Wertheim, Shannon Lucid, Beryl Markham, Marie Marvingt, Christa McAuliffe, Victoria van Meter, Jerry Mock, Matilde Moisant, Thérèse Peltier, Harriet Quimby, Bessica Medlar Raiche, Barbara Allen Rainey, Marina Raskowa, Sally Kristen Ride
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2010, Königinnen der Lüfte von A bis Z, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153394

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