Zur Reform der deutschen Finanzverfassung


Seminararbeit, 2009

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die aktuelle Finanzverfassung

3. Die Reformansätze von Lars P. Feld und Thushyanthan Baskaran
3.1 Gründe der Staatsverschuldung
3.2 Die Effekte größerer Steuerautonomie am Beispiel der Schweiz
3.3 Bewertung der Schuldenbremse
3.4 Zusammenfassung der Reformvorschläge

4. Reformansätze von Peter Bofinger

5. Fazit

1. Einleitung

Am 10. Dezember 2009 beherrschte eine Nachricht die deutschen Schlagzeilen: „Bund macht 100 Milliarden € neue Schulden“. Laut einer Tischvorlage des Finanzplanungsrates müssen für den Bundeshaushalt 2010 Kredite in Höhe von 86 Milliarden € für den Kernhaushalt und zudem 14,5 Milliarden € für Nebenhaushalte aufgenommen werden. Dies würde zu mehr als einer Verdoppelung des Schuldenrekordes von 40 Milliarden € im Jahr 1996 führen. Das Staatsdefizit würde somit eine Höhe von 6% erreichen (vgl. FAZ 2009).

Der gesamtstaatliche Schuldenbetrag ist in den letzten Jahrzehnten auf über 1,5 Billionen € angestiegen. Etwa 15% der Gesamtausgaben des Bundes, also fast 42 Milliarden €, werden benötigt, um die jährlichen Zinszahlungen abzudecken. Die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote, also der Schuldenstand in Relation zum Bruttosozialprodukt, lag im Jahr 2008 bei 65,5% (vgl. BMF 2009a). Die Schuldenstandsquote wird in diesem Jahr auf 73% ansteigen und 2010 wird ein Anteil von 78% erwartet (vgl. FAZ 2009). Ein solcher Anstieg, kann zum einen durch einen erhöhten Finanzierungssaldo im Zähler erfolgen, jedoch führt auch ein Rückgang des nominalen Bruttoinlandproduktes im Nenner zu einem Anstieg. Um das Ausmaß dieser massiven Verschuldung zu verdeutlichen, berechnete der Bund der Steuerzahler folgendes Szenario: Würden ab sofort keine Schulden mehr aufgenommen, und der Staat würde sich verpflichten, jeden Monat eine Milliarde € zur Tilgung aufzubringen, würde der Prozess der Konsolidierung 138 Jahre andauern (vgl. BdSt. 2009).

Im Maastricht Vertrag vom 1993 wurde eine maximal zulässige Neuverschuldung von 3% pro Jahr und eine Obergrenze für die Schuldenstandsquote von 60% festgelegt. Deutschland wird es voraussichtlich nicht gelingen, diese beiden Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in den nächsten Jahren einzuhalten. In diesem Zusammenhang hat der Rat für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Union, am 02.12.2009 festgestellt, dass ein übermäßiges Defizit in Deutschland besteht und verbindliche Empfehlungen an Deutschland gerichtet (BMF 2009b).

Neben der Notwendigkeit diese mit selbsterschaffenen Regelungen einzuhalten, gibt es auch noch ökonomische Gründe die Staatsverschuldung nicht weiter unkontrolliert anwachsen zu lassen. Sowohl Theorie als auch Empirie zeigen, dass eine zu hohe Staatsverschuldung langfristig zu Wachstumsverlusten führt. Zudem müssen die angehäuften Schulden eines Tages z.B. durch eine Erhöhung der Steuern wieder zurückgezahlt werden. Die mangelnde Disziplin in der Gegenwart, könnte somit zukünftige Generationen übermäßig belasten (Sachverständigenrat 2007: 1).

Dieses Thema ist auch von großem öffentlichem Interesse. In einer vom Magazin Stern durchgeführten Umfrage vom November 2009 gaben 62% der Befragten an, dass die ausufernde Staatsverschuldung derzeit ihre größte wirtschaftliche und politische Sorge ist. Somit rangiert diese Problematik noch vor der Angst vor Arbeitslosigkeit auf Platz eins der Sorgen der Deutschen (vgl. Spiegel 2009).

Es besteht somit die Notwendigkeit, diesem Trend der zunehmenden Verschuldung sowohl absolut als auch relativ zum BIP entgegenzuwirken. Doch wie soll die deutsche Finanzverfassung reformiert werden, um langfristig einen ausgeglichenen Bundeshaushalt gewährleisten zu können?

Um diese Frage beantworten zu können, betrachte ich zunächst die aktuelle Lage der Gesetzgebung. Mit der in diesem Jahr verabschiedeten „Schuldenbremse“, die 2011 in Kraft treten soll, gibt es bereits ein erstes Bemühen um eine verstärkte Haushaltskonsolidierung. Entstanden ist diese Neuerung durch die im März 2007 ins Leben gerufene Föderalismuskommission II. Ihre Ideen und Überlegungen und die daraus resultierende Gesetzesänderungen möchte ich kurz vorstellen, um die aktuelle Lage bewerten zu können. Danach gehe ich auf die Reformvorschläge von Lars Feld und Thushyanthan Baskaran ein. Ihr Hauptkritikpunkt an der deutschen Finanzverfassung liegt in der fehlenden Steuerautonomie. Anhand des Beispiels der Schweiz zeigen sie, welche positiven Effekte von einer größeren Eigenverantwortung der Kantone ausgehen. Die „Schuldenbremse“ wird größtenteils positiv bewertet. Lediglich einige kleinere Verbesserungsvorschläge werden hier angebracht.

Des Weiteren stelle ich als einen Gegenentwurf die Reformansätze von Peter Bofinger vor. Für ihn stellt die Schuldenbremse eine unnötige Einschränkung der fiskalischen Möglichkeiten dar. Sein Konzept präferiert einen Schuldenabbau durch höhere Steuereinnahmen.

Zum Schluss stelle ich die verschiedenen Ansätze gegenüber, versuche, die Gemeinsamkeiten und Gegensätze herausarbeiten, um die Möglichkeiten weiterer Reformen in diesem Bereich abschließend bewerten zu können.

2. Die aktuelle Finanzverfassung

Im Rahmen der Föderalismusreform II nahm die Kommission zur Modernisierung der Bund- Länder-Finanzbeziehungen am 8. März 2007 ihre Arbeit auf. Bundestag und Bundesrat entsandten jeweils zur Hälfte die 32 stimmberechtigten Mitglieder. Die wichtigsten Themen waren eine wirksame Begrenzung der Verschuldung von Bund und Ländern in Deutschland, Steuerautonomie der Bundesländer und die Frage der Zentralisierung der Steuerverwaltung (vgl. Konrad, Jochimsen 2008: 7).

Die Kommission führte in ihren Empfehlungen von 2009 hauptsächlich zwei Punkte auf, die nach ihrer Ansicht in der Vergangenheit zu der aktuellen Schieflage der öffentlichen Haushalte geführt hatten. Zum einen wurden Fehlanreize durch geltende Fiskalregeln für Bund und Länder kritisiert und zum anderen die starken Veränderungen seit dem Inkrafttreten der letzten Finanzverfassung von 1967/69 aufgezeigt.

Die besagten Fehlanreize wurden laut Föderalismuskommission II hauptsächlich durch die „goldene Regel“ des Artikels 115 GG gesetzt. Eine ähnliche Regelung ist auch in vielen Landesverfassungen wieder zu finden. Diese Gesetzgebung ermöglichte es, Nettokredite bis zur Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen aufzunehmen. Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes konnte eine Ausnahme dieser Begrenzung erfolgen. Hauptkritikpunkt der Kommission war hier der Brutto­Investitionsbegriff. Zudem wurde die Ausnahmeregel für konjunkturelle Störungen als zu weit empfunden, außerdem eine fehlende Verknüpfung von Haushaltsaufstellung und Haushaltsvollzug und das Fehlen einer Verpflichtung, die in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs angehäuften Schulden in wirtschaftlich guten Zeiten wieder auszugleichen, bemängelt.

Eine neue Regelung musste jedoch neben diesen Erfahrungen mit Artikel 115 GG auch den Veränderungen seit der letzten Finanzverfassung Rechnung tragen. Der demografische Wandel und die damit in Zukunft steigenden Aufwendungen für die sozialen Sicherungssysteme können zu weiteren Schulden für den Staat und somit einer Mehrbelastung zukünftiger Generationen führen. Die Kommission sah in dem hohen Schuldenstand zudem eine Gefahr für staatliche Handlungsmöglichkeiten sowie Wachstums­und Beschäftigungsverluste. Ein weiterer wichtiger Punkt bei einer Neujustierung der Finanzverfassung sind die bereits erwähnten Vorgaben des Wachstums- und Stabilisierungspaktes der Europäischen Union (vgl. BMF 2009a).

Die Föderalismuskommission II verständigte sich am 5. März 2009 auf ein umfassendes Paket konkreter Reformvorschläge. Diese zweite Stufe der Föderalismusreform wurde vom Bundestag am 29. Mai 2009 und vom Bundesrat am 12. Juni 2009 verabschiedet. Am 1. August 2009 trat „Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ In Kraft. Die Kernelemente dieser Neuregelungen stellen sich wie folgt dar:

Die Begrenzung der Nettokreditaufnahme wird in Artikel 109 GG für Bund und Länder gemeinsam festgelegt. Sie verpflichten sich in Artikel 109.2 GG den im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unter Artikel 104 festgelegten Regeln zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin. Grundsätzlich müssen Bund und Länder ohne Einnahmen aus Krediten auskommen. Beim Bund ist diese Vorgabe definitionsgemäß erfüllt, wenn in konjunktureller Normallage die Neuverschuldung 0,35% des BSP nicht überschreitet. Länder haben diesen Spielraum nicht. Diese Regelung löst die Kopplung der kreditfinanzierten Ausgaben an die Brutto-Investitionen ab. Die hierbei entstehenden konjunkturbedingten Defizite im Abschwung müssen dann im konjunkturellen Aufschwung wieder abgetragen werden. Ziel ist, es langfristig tragfähige Haushalte zu erreichen. Ein komplettes Verbot von Neuverschuldung ist hier nicht nötig. Der Schuldenstand sollte nur langsamer wachsen als das BIP. Auch der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht eine Begrenzung des strukturellen Defizites auf maximal 0,5% des BIP vor. Dies macht ökonomisch in begrenztem Rahmen Sinn und zwar, wenn Kredite zur Finanzierung von Netto-Investitionen genutzt werden. Dem Vermögenszuwachs stehen hier Verbindlichkeiten gegenüber, die aus laufenden Erträgen der Investition finanziert werden können. Von diesem höheren Wachstum können dann auch künftige Generationen profitieren. Die in Artikel 115 GG festgelegten Regeln sind reine Aufstellungsregeln. Um zu gewährleisten, dass nach der regelkonformen Planung eines Haushaltes auch dessen Umsetzung erfolgt, wird ein Kontrollkonto mit Ausgleichspflicht eingeführt. Hier werden die nicht-konjunkturbedingten Abweichungen von der Regelobergrenze erfasst, die z.B. entstehen, wenn Wirkungen von Maßnahmen ex-ante falsch eingeschätzt wurden. Wird die Obergrenze der strukturellen Verschuldung im Haushaltsvollzug überschritten, führt dies zu einer Belastung des Kontrollkontos. Wenn jetzt ein negativer Saldo dieses Konto den Wert von 1,5% des BIP überschreitet, muss dieser nach Vorgaben des Grundgesetzes konjunkturgerecht zurückgeführt werden. Im konjunkturellen Abschwung muss hier jedoch kein Ausgleich erfolgen, und die im Aufschwung zu erbringenden Abbauschritte sind auf jährlich 0,35% des BIP begrenzt. Die einfachgesetzlich normierte Abbauverpflichtung setzt jedoch schon bei einem Wert von 1% des BIP ein.

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Zur Reform der deutschen Finanzverfassung
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Volkswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Seminar: Aktuelle Probleme der Finanz- und Sozialpolitik
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V153244
ISBN (eBook)
9783640653737
ISBN (Buch)
9783640653461
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzverfassung, Schuldenbremse, Staatsverschuldung
Arbeit zitieren
Felix Schmidt (Autor:in), 2009, Zur Reform der deutschen Finanzverfassung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153244

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