Das Amtsverständnis in den Dokumenten des methodistisch/römisch-katholischen Dialogs


Hausarbeit (Hauptseminar), 1997

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Methodismus und Ökumene
1.2. Der methodistisch - römisch-katholische Dialog
1.2.1. Die vorliegenden Dokumente
1.2.2. Relevanz und Stellung des Themas „Amt“

2. Die Diskussion um das Amtsverständnis
2.1. Entwicklungslinien
2.2. Übereinstimmungen und Anfragen im Denver-Bericht
2.2.1. Punkte grundlegender Übereinstimmung
2.2.2. Anfragen an die katholische Auffassung
2.3. Diskussionspunkte im Dublin-Bericht
2.3.1. Das apostolische Amt Übereinstimmungen und Unterschiede Bewertung und Lösungsansatz
2.3.2. Die Schwierigkeiten mit dem „Priestertum“ Bewertung und Lösungsansatz
2.3.3. Ordination Übereinstimmungen und Unterschiede Bewertung und Lösungsansatz
2.4. Die Frage der Amtstruktur im Nairobi-Bericht
2.5. Die Diskussion im Paris-Bericht
2.5.1. Ordination
2.5.2. Sakramentalität
2.5.3. Aufsicht
2.5.4. Das Problem: Wer ordiniert wird

3. Gesamteinschätzung und Herausforderung

4. Literaturnachweis
4.1. Quellentexte
4.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

1.1. Methodismus und Ökumene

Um den ökumenischen Dialog mit den methodistischen Kirchen besser verstehen zu können, scheint es hilfreich, einen kurzen und gezielten Blick in die Entstehungsgeschichte und das Selbstverständnis des Methodismus zu werfen:

Der Methodismus entstand als Frömmigkeitsbewegung um die Geistlichen John und Charles Wesley[1] [2] innerhalb der anglikanischen Kirche. Eine Verselbständigung als Kirche geschah im Zusammenhang mit der Auswanderung von Anhängern nach Amerika, für die eine eigene Organisation notwendig wurde und daher ein ‘Superintendent’ bestellt wurde. In England dagegen blieb der Methodismus noch recht lange eine inneranglikanische Erneuerungsbewegung, die erst 1891 zur eigenständigen „Wesleyanischen Methodisten­kirche“ wird. Darüber hinaus entstehen noch weitere methodistisch geprägte Gemeinschaften bzw. Kirchen, so daß sich der Methodismus weltweit zügig ausbreitete.

Bereits im 19. Jahrhundert beginnen Bemühungen, die eng verwandten Kirchen miteinander zu vereinigen, was ab 1897 zu einzelnen Vereinigungen zumeist auf regionaler Ebene führt und (erst) 1968 mit der Vereinigung zur „United Methodist Church“ weltweit zum Abschluß kommt.

Von seiner Entstehung her kann der Methodismus also kaum als ‘Abspaltung’ von einer Großkirche angesehen werden. Entsprechend verstehen sich die Methodisten selbst auch nicht als eine Konfession, sondern als ‘Denomination’, „womit die Einheit im Wesentlichen betont wird bei gleichzeitig möglicher Vielfalt in den äußeren Ausformungen“[3]. Aufgrund seiner internen Entwicklung ist die Ökumene ein Wesensmerkmal des Methodismus, das auch in seiner Verfassung festgeschrieben ist („nach Einheit auf allen Gebieten des kirchl. Lebens zu streben“, auch „durch Vereinigung mit anderen Kirchen“[4]). Dies beruht genauerhin darauf, daß „der Methodismus zu keiner Zeit eine Bewegung gegen Kirche und Theologie, sondern immer gegen Unglauben und Gleichgültigkeit war“, und damit „problemlos theologische Traditionen anderer Kirchen aufnehmen“ konnte.[5] Insofern kann der Methodismus als Vorreiter der ökumenischen Bewegung insgesamt eingeordnet werden.

1.2. Der methodistisch - römisch-katholische Dialog

Diese Entstehungsgeschichte und dieses Selbstverständnis als Hintergrund, ergeben sich wichtige Chancen für den ökumenischen Dialog zwischen Methodisten und Katholiken: Zunächst gibt es keine Geschichte von Konflikten und von formeller Trennung zwischen beiden Kirchen, so daß der ökumenische Dialog in diesem Falle sich nicht zunächst mit der (meist schwierigen) Aufarbeitung solcher Konflikte beschäftigen muß. Dies zusammen mit dem methodistischen Selbstverständnis als Denomination (nicht Konfession) ermöglicht eine grundlegende und in den Dokumenten auch zu spürende Offenheit im Dialogprozeß sowie die Entstehung übereinstimmender Positionen.

1.2.1. Die vorliegenden Dokumente

Der methodistisch - römisch-katholische Dialogprozeß auf Weltebene begann mit einem ersten Treffen 1967, das auf die ökumenische Öffnung der römisch-katholischen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil und einen Entschluß des Weltrats der Methodistischen Kirchen von 1966 zurückging.[6] Die daraufhin eingerichtete jährlich tagende Gemeinsame Kommission legte etwa alle fünf Jahre einen Bericht vor: 1971 den sog. Denver-Bericht, 1976 den Dublin-Bericht, 1981 den Honolulu-Bericht, 1985 den Nairobi-Bericht „Auf dem Weg zu einer Erklärung über die Kirche“ und 1991 den Paris-Bericht „Die apostolische Tradition“.[7]

1.2.2. Relevanz und Stellung des Themas „Amt“

Folgt man den neutestamentlichen Aussagen über die Kirche, so können zwei parallel laufende Grundmomente von Kirche unterschieden werden: nämlich eine charismatische und eine amtliche Struktur.[8] In der römisch-katholischen Kirche, die durch ihre Größe ein entsprechendes Maß an Institutionalisierung erfordert, wird demgemäß vor allem die Amtsstruktur betont, womit in der Regel das Ordinierte Amt gemeint ist. Demgegenüber dürfte für den Methodismus als Frömmigkeitsbewegung weniger die Amtsstruktur, sondern die charismatische Struktur im Vordergrund stehen. Somit ergibt sich für den methodistisch - römisch-katholischen Dialog das Thema „Amt“ als zentrales Thema der Kirchenstruktur und des Kirchenverständnisses.

2. Die Diskussion um das Amtsverständnis

2.1. Entwicklungslinien

Das Amtsverständnis wird bereits im ersten gemeinsamen Bericht (Denver-Bericht) behandelt. Darin wird ein weitgehend übereinstimmendes Grundverständnis festgestellt, und sogleich werden einige Anfragen der Methodisten an die Katholiken gestellt bzw. festgehalten, nicht jedoch diskutiert.

Bei der Wiederbehandlung des Themas im Dublin-Bericht werden die übereinstimmenden Grundlinien im wesentlichen, aber doch mit kleinen Nuancen wiederholt. Darüber hinaus werden ausführlich die Themen „Apostolizität“, „Priestertum“ und „Ordination“ diskutiert, wobei teilweise Übereinstimmungen erreicht werden, teilweise aber weiterhin Differenzen bestehen bleiben. Diese liegen jedoch kaum in der Gesamtheit des jeweiligen Themas, sondern in Detailfragen und Nuancen.

Im folgenden Honolulu-Bericht werden Fragen der Amtstheologie nicht behandelt, wofür auch keine Erklärung angegeben ist. Jedoch greift der Nairobi-Bericht das Thema wieder auf und erörtert die „Strukturen des Amtes“ (Dreistufigkeit). Desweiteren befaßt er sich ausführlichst mit dem Petrusamt.

Im Paris-Bericht spielt die Amtsfrage wiederum eine ganz zentrale Rolle. Dieser befaßt sich schwerpunktmäßig mit den Themen „Sakramentalität des Amtes“, „Ordination“ und „episkope“.

2.2. Übereinstimmungen und Anfragen im Denver-Bericht

2.2.1. Punkte grundlegender Übereinstimmung

Die Übereinstimmungen im Amtsverständnis liegen in grundlegenden Charakteristika des Amtes. Die feinfühligen Formulierungen im Denver-Bericht lassen vermuten, daß hier von vornherein die Gemeinsamkeiten betont sowie Fragen und Unklarheiten lediglich vorsichtig benannt werden sollten. Dennoch können m.E. diese „im Lichte gewisser allgemeiner Voraussetzungen bezüglich des Amtes“ (§ 88) gefundenen Übereinstimmungen als guter Ausgangspunkt der ökumenischen Bemühungen angesehen werden. So zählt der Denver-Bericht folgende Gemeinsamkeiten auf:

1. Das Amt leitet seine Autorität von der „vorrangigen Autorität und Endgültigkeit Jesu Christi“ ab. (§ 89)
2. Menschen gelangen durch Berufung als Wirken des Heiligen Geistes in das Amt. (§ 90)
3. Das Amt erfordert (a) eine volle Übereignung des Menschen. Ebenso herrscht (b) Übereinstimmung bezüglich der Funktionen: Sakramentenspendung, Wortverkündigung, Glaubensunterweisung und -verteidigung, Sorge um geistliches Leben der Gläubigen, Führungsrolle. (§ 91)
4. Das Amt führt das „inkarnatorische und sakramentale Prinzip“ fort, durch das der Amtsträger Gott in das Leben von Menschen hineintragen und die Menschen auf den Weg zu Gott bringen soll. (§ 92)
5. Es gibt prophetische Dienste. (§ 93)
6. Das Amt ist eingebunden in eine Gemeinschaft, aus der heraus es autorisiert wird und in der es seinen Dienst erhält. Methodisten sprechen von ‘Konnexional’-Charakter. (§ 94)
7. Die Notwendigkeit von Bildung, geistlicher Ausbildung und theologischen und pastoralen Studien. (§ 95)

Insofern können Übereinstimmungen in den Bereichen des Ursprungs des Amtes (1./2.), seiner Aufgaben (3.b./4.) sowie seines innerkirchlichen Platzes (6./4.) festgestellt werden, was zwar noch keine vollständig abgerundete Amtstheologie darstellt, jedoch einen brauchbaren Ansatz dafür bietet. Als unvollständig müssen hier m.E. die Aussagen über die Sakramentalität und über die Funktionen des Amtes angesehen werden, und das Verhältnis von Amt und Gemeinde fehlt ganz. Diese werden aber im Denver-Bericht auch sonst nicht mehr angesprochen.

Bei der Behandlung des kirchlichen Amtes im Dublin-Bericht werden diese Gemeinsamkeiten zunächst wieder aufgegriffen. Dabei werden die Punkte 1., 2., 3.a., 4. und 6. wiederholt (§§ 77-80). Interessanterweise tauchen die Funktionen des Amtes hier nicht mehr auf! Des weiteren fällt auf, daß die Aussagen über den ‘Konnexional’-Charakter auf zwei getrennte Punkte verteilt wurden. Ebenso fällt auf, daß das, was im Denver-Bericht noch programmatisch als „inkarnatorisches und sakramentales Prinzip“ beschrieben worden war, hier auf eine - beinahe nichtssagende - Formulierung „Dienst an Kirche und Welt“ reduziert worden ist. (§ 79) Offensichtlich bestand hierin doch keine solch klare Übereinstimmung. Dazu sei angemerkt, daß die Frage der Sakramentalität im Paris-Bericht erneut thematisiert wird (s.o.).

2.2.2. Anfragen an die katholische Auffassung

Wie bereits angedeutet, werden im Denver-Bericht strittige Punkte des Amtsverständnisses nicht behandelt. Es werden nur Anfragen der Methodisten an das Amtsverständnis der Katholiken gestellt. Die Katholiken äußern solche gegenüber den Methodisten offensichtlich nicht! Dies mag daran liegen, daß die Methodisten eben keine derart profilierte und durchdachte Amtstheologie entwickelt haben wie die Katholiken. Jedenfalls weist dies darauf zurück, daß für den Methodismus das Amt in der Kirche zwar konstitutiv, jedoch insgesamt nicht von solch zentraler Rolle ist wie in der römisch-katholischen Kirche.

Die Anfragen der Methodisten bewegen sich in sehr konkreten und spezifischen Bereichen: (vgl. § 97)

- Die Beziehung zwischen Amt und Laien, insbesondere die Frage nach dem ‘Wesensunterschied’ (Lumen Gentium 10,2).
- Hindernisse für die Anerkennung des methodistischen Amtes durch die katholische Kirche (einschl. der apostolischen Sukzession).
- Was bedeuten Prophetie u.ä. Dienste für das Amt?
- Die Frage nach Möglichkeiten der gemeinsamen Amtsausübung methodistischer und römisch-katholischer Amtsträger und einer daraus basierenden Gleichartigkeit beider Ämter.
- Die Frage nach den Grundprinzipien des Weiheamtes, nach der Fixierung auf die Dreistufigkeit des Amtes und dessen Normhaftigkeit.

2.3. Diskussionspunkte im Dublin-Bericht

Der Dublin-Bericht geht zwar auf diese Einzelfragen nicht mehr einzeln ein, jedoch kommen einzelne der genannten Aspekte in den drei Abschnitten „Das apostolische Amt“, „Das Priestertum“ und „Ordination“ wieder zur Sprache. Dies liegt vermutlich im konkreten Charakter der gestellten Fragen begründet; es muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß sich die Kommission auf eine Erklärung stützt, die die nationale methodistisch - römisch-katholische Kommission von England auf der Basis des Teils VI des Denver-Berichts („Das Amt“) sowie der internationalen anglikanisch - römisch-katholischen Erklärung „Amt und Ordination“ (Canterbury 1973) erstellt hatte. (§ 79)

2.3.1. Das apostolische Amt

Unter der Überschrift „Das apostolische Amt“ geht es speziell um die Fragen der Apostolizität einschließlich der apostolischen Sukzession, um die Dreistufigkeit des Amtes sowie um die „episkope“. Dabei ist in allen Teilbereichen eine gewisse Übereinstimmung zu finden, jedoch unterscheiden sich die beiden Kirchen darin, welcher Verpflichtungs- bzw. Verbindlichkeitscharakter diesen Einzelheiten zugesprochen wird. Dies könnte als typisch für den methodistisch - römisch-katholischen Dialog bezeichnet werden!

Übereinstimmungen und Unterschiede

So finden beide Kirchen eine gemeinsame Formulierung dazu, was für sie „Apostolizität“ bedeutet, nämlich: „ständige Treue in Lehre, Amt, Sakramentenspendung und Leben zur Lehre des Neuen Testamentes“. Sie stellen auch übereinstimmend fest, daß die Ämter des Bischofs, Presbyters und Diakons zwar in der Bibel begründet, deren Dreistufigkeit aber Entwicklung des nachapostolischen Zeitalters bis Ende des 2. Jahrhunderts war. Bezüglich des heutigen Stellenwerts können beide Kirchen aber keine Einigkeit erreichen:

[...]


[1] Vgl. zum diesem Abschnitt den Artikel „Methodismus / Methodisten / Evangelisch-methodistische Kirche“ im Kirchenlexikon, S. 132-137.

[2] John Wesley lebte 1703-91, sein Bruder Charles 1707-1788.

[3] Kirchenlexikon, S. 135.

[4] Art. 5 der Verfassung, zitiert nach Ökumene-Lexikon, Sp. 801.

[5] Ökumene-Lexikon, Sp. 801.

[6] Vgl. Denver-Bericht: Teil I: Allgemeiner Rückblick, insbesondere § 1.

[7] Die Themen, die im einzelnen behandelt wurden, sollen hier nicht aufgeführt werden.

[8] Vgl. Wiedenhofer, S. 103-106.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Amtsverständnis in den Dokumenten des methodistisch/römisch-katholischen Dialogs
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Katholisch-Theologisches Seminar)
Veranstaltung
Kirche in ökumenischen Dokumenten
Note
1,0
Autor
Jahr
1997
Seiten
22
Katalognummer
V15299
ISBN (eBook)
9783638204507
ISBN (Buch)
9783656630746
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Analyse der offiziellen Dialog-Dokumente zwischen der römisch-katholischen und der methodistischen Kirche hinsichtlich der Frage des kirchlichen Amtes
Schlagworte
Amtsverständnis, Dokumenten, Dialogs, Kirche, Dokumenten
Arbeit zitieren
Markus Raschke (Autor:in), 1997, Das Amtsverständnis in den Dokumenten des methodistisch/römisch-katholischen Dialogs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15299

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Amtsverständnis in den Dokumenten des methodistisch/römisch-katholischen Dialogs



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden