Die globale Finanzkrise. Ursachen, Bedeutung und Folgen


Diplomarbeit, 2009

145 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Einleitung

Die weltweite Finanzkrise, die im Frühsommer 2007 als zunächst lokal begrenzte Krise auf dem amerikanischen Markt für Subprime-Kredite begann und sich im Anschluss zu einer globalen Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise ausweitete, sorgt bis zum heutigen Tage rund um den Globus für Schlagzeilen in der medialen Berichterstattung und bestimmt noch immer die politische Agenda der westlichen Industriestaaten. Zahlreiche politische und wirtschaftliche Beobachter beschreiben die globale Finanzkrise in Form von Superlativen. So äußerte der ehemalige Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, am 14.09.2008, dass diese Krise alles übertreffe, was er jemals gesehen habe.[1] Der ehemalige deutsche Finanzminister, Peer Steinbrück, ließ keine zwei Wochen später verlautbaren, dass die Welt nicht wieder so werden würde, wie sie vor der Krise einmal war.[2] Ohne Zweifel besitzt die globale Finanzkrise eine besondere Qualität. Sie verweist auf den Bedeutungszuwachs der internationalen Finanzmärkte und führt der staunenden Weltöffentlichkeit in dramatischer Weise vor Augen, in welchem Ausmaß die Reproduktionsfähigkeit moderner Gesellschaften heutzutage von abstrakten Finanzmarkttransaktionen einer virtuellen Ökonomie abhängt. Die weltweite Finanzkrise machte den politischen und wirtschaftlichen Beobachtern auf schmerzliche Art und Weise bewusst, dass das Denken in nationalstaatlichen Kategorien als Anachronismus ad acta gelegt werden muss. Die globale Vernetzung der Finanzmärkte lässt den Ort, von dem aus etwas kommuniziert wird, in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der globale Handel mit komplexen Finanzprodukten und die enge Verflechtung internationaler Kapitalströme sorgen heute dafür, dass sich zunächst örtlich begrenzte Krisen rasch über den gesamten Globus ausbreiten können.

Die Finanzkrise führte weltweit zu milliardenschweren Verlusten von international agierenden Finanzinstituten. Zum ersten Mal seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 sah sich die westliche Welt wieder mit dem Phänomen des Bankenansturms (Bank-Run) konfrontiert. Als im September 2007 der britische Immobilienfinanzierer Northern Rock in finanzielle Schwierigkeiten geriet, setzte ein regelrechter Bankenansturm auf das Institut ein. Panische Bankkunden zogen binnen kurzer Zeit fast drei Milliarden Euro ab. Nur durch einen Notfallkredit der Bank of England konnte das Überleben von Northern Rock zur damaligen Zeit gesichert werden. Für die breite Öffentlichkeit in den westlichen Gesellschaften lieferten die Entwicklungen in Großbritannien dennoch ein eindeutiges und beunruhigendes Signal: Bankenzusammenbrüche waren fortan nicht mehr auszuschließen.

Im Jahr 2008 entwickelte sich die US-Subprime-Krise schrittweise zu einer schweren globalen Finanz- und Bankenkrise. Die Zahlungsfähigkeit großer Teile des weltweiten Bankensystems wurde zunehmend in Frage gestellt. Die Nachricht von der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 verursachte auf den weltweiten Finanzmärkten eine schwere Vertrauenskrise. Wenig später konnte die US-Investmentbank Merril Lynch nur durch eine eilig herbeigeführte Übernahme durch die Bank of America vor einem Zusammenbruch gerettet werden. Die letzten beiden verbliebenen amerikanischen Investmentbanken, Goldman Sachs und Morgan Stanley, wandelten sich kurz darauf in gewöhnliche Geschäftsbanken um, damit sie die Kreditversorgung der US-Notenbank in Anspruch nehmen konnten. Innerhalb eines Monats fand damit schlagartig die Ära der US-Investmentbanken ein jähes Ende. Weltweit kam es nun in den folgenden Wochen und Monaten zu Zusammenbrüchen von bedeutsamen Finanzinstitutionen. Die Nationalstaaten und Zentralbanken reagierten mit umfassenden Notfallkrediten, Leitzinssenkungen und Maßnahmen zur Rekapitalisierung des heimischen Bankensektors. Ausgerechnet der Staat erwies sich nunmehr nach einer jahrzehntelangen Politik der Deregulierung als Retter in der Not.

Gegen Ende des Jahres 2008 erfassten die Auswirkungen der globalen Finanzkrise dann die Realökonomien. Die zu dieser Zeit restriktive Kreditvergabepraxis der Banken erschwerte vielen Unternehmen den Zugang zu Fremdkapital, so dass Investitionen aufgeschoben werden mussten und dringend benötigte Anschlussfinanzierungen ins Stocken gerieten. Das Handelsvolumen der führenden Industrienationen ging gleichzeitig erheblich zurück und verbuchte im Jahr 2008 im Vergleich zum Jahr 2007 ein Minus von acht Prozent. In den Industriestaaten nahmen im Zuge des Wirtschaftsabschwungs nun auch die Arbeitslosenzahlen zu. Die Nationalstaaten legten daraufhin umfangreiche Konjunkturpakete auf, die die ohnehin schon stark gestiegene Staatsverschuldung weiter in die Höhe trieben. Gegen Ende des Jahres 2008 stand die Weltwirtschaft schließlich am Rande einer schweren Rezession.

Blickt man aus dem Jahr 2009 zurück, dann beeindrucken vor allem das Tempo, in dem sich die Krise über den Globus ausbreitete, die Höhe der entstandenen Verluste und die Verflechtungen der internationalen Finanzbeziehungen, welche die Nationalstaaten und Zentralbanken zu einem koordinierten Vorgehen zwangen. Die aktuelle Krise steht sinnbildlich für den zunehmenden Bedeutungszuwachs, den die internationalen Finanzmärkte in den vergangenen Jahren erfahren haben. Spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise ist der wachsende Einfluss der Finanzmärkte auf zahlreiche Lebensbereiche innerhalb der modernen Gesellschaften auch in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen. Und auch innerhalb der Soziologie sind die Organisation, die Funktionsweise und die gesellschaftlichen Effekte von Finanzmärkten in letzter Zeit verstärkt in den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung gerückt und zum Gegenstand von unterschiedlichen Forschungsprogrammen geworden. Wir wollen diese Entwicklungslinie fortführen und uns im Rahmen dieser Arbeit aus soziologischer Sicht mit den Ursachen, der Bedeutung und den Folgen der Finanzkrise beschäftigen.

1. Begründung der Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit

Warum ist die Finanzkrise ein Thema für die Soziologie? In den Sozialwissenschaften herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die internationalen Finanzbeziehungen im Zuge von Globalisierungsprozessen, die bis heute durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien weiter vorangetrieben werden, einen qualitativen Strukturwandel durchlaufen haben, der die Realwirtschaft, die Gesellschaft und die Politik vor neue Herausforderungen stellt (vgl. Lütz 2008: 353). Der wachsende Einfluss von Finanzmärkten lässt sich auf der Mikroebene des Alltagshandelns genauso beobachten wie auf der Mesoebene von Unternehmen oder auf der Makroebene von nationalen Volkswirtschaften. Die Preise, die wir im Alltag beim Einkauf von zahlreichen Waren und Produkten (Kaffee, Mais, Benzin bzw. Rohöl usw.) bezahlen, werden heute durch Transaktionen auf den Terminmärkten bestimmt. Und auch über den Wert von Währungen und damit über die Kaufkraft von nationalen Wirtschaftsakteuren entscheiden seit dem Ende des Bretton-Woods-Regimes Finanzbewegungen auf den internationalen Devisenmärkten.

Die nach dem Scheitern von Bretton Woods in den 1970er Jahren von zahlreichen Staaten eingeleiteten Maßnahmen zur Deregulierung ihrer heimischen Finanzmärkte, die sich zum Beispiel in dem Abbau von Kapitalverkehrsbeschränkungen widerspiegelten, setzten auch die an den Börsen gelisteten Unternehmen zunehmend dem Druck der weltweiten Finanzmärkte aus. Lazonick und O´Sullivan beobachten in den USA ab den 1980er Jahren einen Wandel in der strategischen Orientierung des Top-Unternehmensmanagements. Bis in die 80er Jahre hinein beschäftigte eine relativ kleine Zahl von großen Unternehmenskonglomeraten hunderttausende von Menschen in den USA. Die erwirtschafteten Erträge wurden von den Unternehmen nach dem Prinzip des "retain und reinvest" verteilt. Gewinne wurden von den Firmen einbehalten und reinvestiert, um auf diese Weise das langfristige Unternehmenswachstum sicherzustellen. In den 1980er und 1990er Jahren kam es dann zu einer deutlichen Verschiebung in der strategischen Orientierung des Top-Managements: von der Verteilung der Unternehmensressourcen und -erträge auf der Basis des "retain and reinvest" hin zu einer Unternehmenspolitik des "downsize and distribute“. Die Topmanager gingen dazu über, die Unternehmen zu verkleinern und die Größe der Arbeiterschaft zu reduzieren, um die Kapitalrendite zu steigern. Gleichzeitig führten sie Aktienrückkaufprogramme durch und begannen, immer höhere Dividenden an ihre Anteilseigner auszuzahlen. Die Bezahlung des Topmanagements selbst wurde darüber hinaus in Teilen auf die Vergabe von Aktienoptionen umgestellt (vgl. Lazonick/O´Sullivan 2000). Nach Fligstein markieren die 1980er Jahre „a shift in the dominant conception of control from the finance to the shareholder value conception of the corporation for large U.S. corporations” (Fligstein 2001: 166f.). Der sogenannte Shareholder-Value-Ansatz wurde auf diese Weise zum ersten Mal als neues dominantes „Kontrollkonzept“ in den US-Unternehmen implementiert und fand in den kommenden Jahrzehnten weltweit eine zunehmende Verbreitung.

Heute ist es an den Börsen gelisteten Unternehmen kaum noch möglich, eine Unternehmenspolitik zu verfolgen, die sich nicht auf die Zustimmung der Anteilseigner stützen kann. Als zu Beginn des Jahres 2005 der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, Werner Seifert, versuchte, die London Stock Exchange durch ein freundliches Übernahmeangebot mit der Deutschen Börse zu vereinigen, widersetzte sich eine kleine Gruppe einflussreicher Eigentümer seinem Vorhaben. Die Investmentfonds kritisierten in ihrer Funktion als Eigentümer, dass der Übernahmepreis zu hoch sei und die überschüssigen Geldreserven des Unternehmens an die Aktionäre ausgeschüttet werden sollten. Seifert gab seine Übernahmepläne daraufhin auf und trat kurz darauf zurück. Die Deutsche Börse kündigte zeitgleich an, eine Sonderausschüttung an ihre Aktionäre vorzunehmen und darüber hinaus ein Aktienrückkaufprogramm zu starten (vgl. Windolf 2005: 11).

Aber nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Nationalstaaten geraten zunehmend unter den Druck der internationalen Finanzmärkte. Weil Finanzvermögen mittlerweile frei zwischen den Märkten transferiert werden können, sehen sich die nationalen Regierungen immer häufiger dazu gezwungen, untereinander um die Gunst des immer beweglicher werdenden Produktionsfaktors Kapital zu konkurrieren und die institutionellen Investoren von Investitionen in die heimische Volkswirtschaft zu überzeugen (vgl. Deutschmann 2005: 78).

Insgesamt fungiert das internationale Finanzsystem heutzutage als das Leitungsnetz der modernen nationalen Volkswirtschaften. Solange es störungsfrei funktioniert, nehmen wir es kaum wahr. Als zu abstrakt und als zu weit von unserem konkreten Alltagshandeln entfernt erscheinen uns die Bewegungen auf den globalen Kapitalmärkten. Doch genauso, „wie unser moderner Lebensstil davon abhängt, dass stets Wasser aus dem Hahn kommt, hängt das moderne Wirtschaftssystem davon ab, dass der Finanzierungskreislauf mithilfe der Finanzintermediäre tatsächlich funktioniert“ (BIZ 2009: 3, www)[3]. Ob wir eine Lebensversicherung abschließen, die Mietkosten von unserem Gehaltskonto abbuchen lassen oder eine private Kapitalanlage zur Altersvorsorge vornehmen – damit unser Alltag funktioniert, müssen auch die Banken, Versicherungsgesellschaften, Wertpapierhäuser, die Investment- und Pensionsfonds und natürlich auch der Staat funktionieren. Denn sie alle sorgen dafür, „dass die angesparten Mittel zu den Investoren fließen, und sie sollten dabei sicherstellen, dass die Risiken in diesem Prozess von denjenigen übernommen werden, die willens und in der Lage sind, sie zu tragen“ (BIZ 2009: 3f, www).

Das globale Finanzsystem ist also eine elementare Voraussetzung dafür, dass sich die modernen Gesellschaften fortlaufend reproduzieren können. Welche schwerwiegenden Folgen es haben kann, wenn es auf den internationalen Finanzmärkten zu weitreichenden Dysfunktionalitäten kommt, verdeutlicht die aktuelle Finanzkrise. Große Investmentbanken, wie Bear Stearns oder Lehman Brothers, gerieten angesichts eines nahezu vollständig blockierten Interbankenmarkts binnen weniger Tage in akute Refinanzierungsschwierigkeiten, die schlussendlich in der Zahlungsunfähigkeit der beiden Institute mündeten. Aber auch Staaten können schnell an den Rand eines Staatsbankrotts gedrängt werden, wenn es einem nationalen Bankensystem nicht mehr gelingt, ausreichende Formen der Refinanzierung über die weltweiten Finanzmärkte zu organisieren. Island und Ungarn ereilte dieses Schicksal im Laufe der Finanzkrise. Beide Staaten konnten einen Staatsbankrott nur über die Vermittlung eines Notkredits abwenden.

Angesichts der elementaren Bedeutung der globalen Finanzmärkte in Bezug auf die Reproduktionsfähigkeit moderner Gesellschaften und vor dem Hintergrund der dramatischen realwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise kann sich auch die Soziologie dem Phänomen der Finanzkrise nicht verschließen. Wir wollen uns aus diesem Grunde im Rahmen der vorliegenden Arbeit den Ursachen, der Bedeutung und den Folgen der Finanzkrise aus einer soziologischen Perspektive nähern. Wie gehen wir dabei vor?

Wir beginnen mit einer Beschreibung über die Entstehung und Entwicklung der globalen Finanzkrise (Punkt 2). Dabei beleuchten wir zunächst die Vorgeschichte der Subprime-Krise und arbeiten die Ursachen heraus, die aus ökonomischer Perspektive zu den Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten geführt haben. Danach wenden wir uns dem komplexen Prozess der Verbriefung auf dem Kreditmarkt zu und erläutern die strukturierten Finanzprodukte, die im Kontext der Finanzkrise eine zentrale Rolle spielen. Daran anschließend skizzieren wir die Chronologie der Ereignisse auf den weltweiten Finanzmärkten im Zeitraum vom Jahr 2007 bis zum Beginn des Jahres 2009. Unter Punkt 3 fassen wir unsere bisherigen Ergebnisse zusammen und begründen unser weiteres Vorgehen.

Punkt 4 widmet sich dann aus einer risikosoziologischen Perspektive der Rolle der Banken in der Finanzkrise. Dabei wollen wir der Frage nachgehen, welchen Anteil die Banken am Ausbruch der Finanzkrise tragen. Zu diesem Zweck untersuchen wir zunächst, in welchem Verhältnis die Banken und das Wirtschaftssystem zu einander stehen. Daran anschließend wenden wir uns dem Geschäft von Banken zu und gehen der Frage nach, womit Banken eigentlich handeln. Sodann entwickeln wir einen possibilistischen Risikobegriff und wenden uns unter dessen Verwendung der Risikoverarbeitung durch Banken zu. Schließlich analysieren wir, welche Rolle finanzmathematische Modelle im Risikomanagement der Banken spielen und welche Folgen das Festhalten der Banken an einem mathematischen Realismus auf der Ebene des bankeigenen Risikomanagements haben kann. Wir werden zeigen, dass sich die Banken im Rahmen ihres Risikomanagements an einem probabilistischen Risikobegriff orientieren, indem sie ihre Umwelt unter der Leitunterscheidung Risiko/Sicherheit beobachten und sich selbst dabei allzu oft auf der Seite der Sicherheit verorten und somit einer Selbsttäuschung unterliegen – mit der Konsequenz, eingegangene Risikopositionen zu unterschätzen beziehungsweise nicht adäquat als solche erkennen zu können. Wir werden nachzuweisen versuchen, dass das Festhalten an einem probabilistischen Risikobegriff auf der Ebene der Banken im Rahmen der Finanzkrise zur Entstehung von Sicherheitsillusionen führte, die durch den Rückgriff auf finanzmathematische Modelle zur Quantifizierung von Risiken noch verstärkt wurden. Demgegenüber werden wir die Umstellung auf einen possibilistischen Risikobegriff vorschlagen, dem die Unterscheidung von Risiko und Gefahr zugrundeliegt.

Im Anschluss an die Analyse der Rolle der Banken wenden wir uns dann der gesellschaftstheoretischen Bedeutung der Finanzkrise zu. Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Finanzkrise auf einen sich vollziehenden sozialen Wandel hindeutet, der alle an die internationalen Finanzmärkte angeschlossenen Länder zu erfassen scheint. In diesem Kontext werden wir argumentieren, dass die aktuelle Finanzkrise sinnbildlich für die Entstehung eines neuen globalen Produktionsregimes steht, das wir im Anschluss an Paul Windolf als „Finanzmarkt-Kapitalismus“ bezeichnen wollen (Windolf 2005).

Unter Punkt 5 skizzieren wir zunächst die zentralen Charakteristika kapitalistischer Wirtschaftssysteme und verdeutlichen sodann die dem Kapitalismus inhärente Wandlungsfähigkeit, indem wir verschiedene historische und regional unterschiedliche Varianten des Kapitalismus darlegen. Wie wir zeigen werden, markiert der Finanzmarkt-Kapitalismus die jüngste Stufe in der Evolution kapitalistischer Systeme. Mit dem Finanzmarkt-Kapitalismus entsteht ein neues Produktionsregime, das in besonderer Weise an die Funktionsweise globalisierter Märkte angepasst ist und durch eine spezifische Konfiguration von Institutionen geprägt ist. Bevor wir auf die grundlegenden Charakteristika dieses neuen Produktionsregimes zu sprechen kommen, werden wir am Beispiel des Niedergangs des deutschen organisierten Kapitalismus die Veränderungen, die sich in den letzten Jahrzehnten im Bereich der politischen Ökonomie, der Unternehmensführung und der Unternehmenskontrolle vollzogen haben illustrieren und daran anschließend die wesentlichen sozialen und politischen Triebkräfte dieser Entwicklung identifizieren.

Unter Punkt 6 beschäftigen wir uns dann ausführlich mit den Konturen des neu entstandenen Produktionsregimes. Wir werden uns zunächst mit der Rolle von Investment- und Pensionsfonds befassen, die zu den zentralen Akteuren im Finanzmarkt-Kapitalismus gehören, und uns im Anschluss der spezifischen Funktionslogik von Finanzmärkten zuwenden. Sodann beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Bedeutung und Funktion den Rating-Agenturen auf den internationalen Finanzmärkten zukommt. Auch sie spielten im Rahmen der Finanzkrise eine wichtige Rolle, indem sie die mittlerweile als „toxisch“ bezeichneten strukturierten Wertpapiere mit einem exzellenten Rating versahen und sie auf diese Weise attraktiv für potentielle Käufer machten. Wie wir herausarbeiten werden, verweist die Existenz von Rating-Agenturen auf die Bedeutungszunahme von Wissen und Vertrauen auf den globalen Finanzmärkten. Rating-Agenturen bilden zusammen mit den institutionellen Anlegern, den Investmentbanken, den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und den Brokern die neue Funktionselite des Finanzmarkt-Kapitalismus.

Wie nicht zuletzt die aktuelle Finanzkrise eindrucksvoll gezeigt hat, zeichnet sich der Finanzmarkt-Kapitalismus durch eine inhärente Krisenanfälligkeit aus. Die kumulierten Effekte der individuellen Handlungsstrategien der zentralen Akteure auf den weltweiten Finanzmärkten führen auf der wirtschaftlichen Makro-Ebene zu nicht-intendierten Handlungsfolgen und bewirken eine permanente Krisenanfälligkeit des globalen Finanzsystems. Wir werden einige dieser sich einstellenden „perversen Effekte“ (Windolf 2008: 4, www)[4] näher analysieren. Wie wir herausarbeiten werden, verweisen diese perversen Effekte auf grundlegende Reflexionsprobleme im Finanzmarkt-Kapitalismus, die Ansätze zu einer Steuerung der weltweiten Finanzmärkte unter erschwerte Bedingungen stellen.

Im Anschluss an die Skizzierung der Konturen des Finanzmarkt-Kapitalismus wenden wir uns den Folgen der Finanzkrise zu. Als Reaktion auf die schwerwiegenden globalen Auswirkungen der Finanzkrise hat sich in der breiten Öffentlichkeit und auf der Ebene der internationalen Politik eine intensive Debatte über mögliche Formen der Regulierung der globalen Finanzmärkte entwickelt. Wir greifen diese Debatte unter Punkt 7 auf und analysieren zunächst die grundlegenden Voraussetzungen einer erfolgreichen Systemintegration. Wie wir zeigen werden, stellt die Integration in komplexen Systemen eine notwendige Vorbedingung zu ihrer Steuerungsfähigkeit dar. Unter Bezugnahme auf die Governance-Forschung diskutieren wir im Anschluss mögliche Formen der Koordination sozialen Handelns. In diesem Kontext werden wir aufzeigen, dass sich gemischt öffentlich-private Verhandlungssysteme beziehungsweise Netzwerke im Vergleich zu Märkten oder Hierarchien am ehesten als hybride institutionelle Arrangements zur Kontextsteuerung auf den globalen Finanzmärkten eignen. Den Abschluss der Arbeit bildet eine nähere Betrachtung des Basel 2 Regelwerkes, das wir als Fallbeispiel für die Entstehung eines gemischt öffentlich-privaten Regulierungsnetzwerkes begreifen wollen, das auf den globalen Finanzmärkten zu einer problemadäquateren Komplexitätsverarbeitung und Risikosteuerung beitragen kann und zugleich exemplarisch für die Genese neuer Formen der Kontextsteuerung auf globaler Ebene steht.

2. Über die Entstehung und Entwicklung der globalen Finanzkrise

2.1 Die Vorgeschichte der Subprime-Krise: Niedrige Zinsen, Immobilienboom und das Verbriefungsgeschäft der Investmentbanken

Der Ursprung für die Turbulenzen an den weltweiten Finanzmärkten ab dem Jahr 2007 wird aus ökonomischer Perspektive im Wesentlichen in einer expansiven Vergabe von Wohnimmobilienkrediten an einkommensschwache Privatpersonen in den USA gesehen (vgl. BAFIN 2008: 15, www)[5]. Diese sogenannten Subprime-Hypotheken waren noch bis vor wenigen Jahren von geringer Bedeutung. 2001 entfielen lediglich 2,6 % aller ausstehenden US-Wohnungsbaukredite auf private Schuldner mit schlechter Bonität. In den Folgejahren wuchs das Subprime-Segment jedoch mit rasanter Geschwindigkeit und steigerte seinen Anteil bis zum Jahr 2007 auf 14 % (vgl. ebd.: 15, www). Drei Faktoren haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Erstens bewegten sich die kurzfristigen Zinsen im Zuge einer expansiven Geldpolitik der US-Notenbank über einen längeren Zeitraum hinweg auf einem sehr niedrigen Niveau. Zweitens konnten die US-Häuserpreise über viele Jahre ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen. Beide Faktoren müssen in einem engen Zusammenhang gesehen werden.

In den Jahren 2003 und 2004 lagen die amerikanischen Zinsen unterhalb der Inflationsrate (vgl. Münchau 2008: 6). Obwohl die effektiven Zinsen, die man als Endverbraucher am Markt erhielt, geringfügig über der Inflation lagen, führte dies zu einer besonderen Anreizstruktur für den amerikanischen Verbraucher. Denn die US-Zinsen waren zu dieser Zeit so stark gefallen, dass es für jeden Amerikaner rationaler war, sich Geld zu leihen, als es stetig zu sparen. Als Effekt entwickelte sich in den USA zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt eine negative Sparquote (vgl. ebd.: 6). Die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank trug in der Folge zu einem starken Anstieg der Immobilienpreise bei, denn durch die billigen Zinsen wurden auch die amerikanischen Immobilienhypotheken, denen in der Regel ein variabler Zinssatz zugrunde lag, billiger und die Nachfrage nach ihnen wuchs. So verzeichnet der Case-Shiller-Index für amerikanische Hauspreise vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2006 für die Stadt Los Angeles einen Anstieg der Immobilienpreise von 170 %; in der Hauptstadt Washington betrug die Wachstumsrate in diesem Zeitraum 140 %, in Miami 180 % (vgl. ebd.: 7). Die Hausbesitzerquote stieg in den USA im Zeitraum von 1997 bis 2005 von 65,7 % auf 68,9 %. Dabei kam es insbesondere bei den unter 35-Jährigen, bei Menschen mit einem geringeren Einkommen als dem mittleren Einkommen sowie bei der hispanischen und bei der schwarzen Bevölkerung zu einem starken Anstieg der Hausbesitzerquote (vgl. Shiller 2008: 23). Im Zuge des Immobilienbooms steigerte sich der Anteil von Wohnungsbauinvestitionen am US-Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2005 auf 6,3 %. Dies entsprach dem höchsten Stand seit dem Häuserboom in den frühen 1950er Jahren (vgl. Shiller 2008: 25). Der fast schon raketenartige Anstieg der US-Immobilienpreise ab dem Ende der 1990er Jahre lässt sich indes nicht mit veränderten wirtschaftlichen Fundamentaldaten erklären. Die realen US-Immobilienpreise stiegen im Zeitraum von 1997 bis zum Jahr 2006 um 85 %. Wie Shiller zeigt, wiesen in der Phase des Immobilienbooms aber weder die Baukosten noch die Bevölkerungszahl oder die langfristigen Zinsen grundlegende Veränderungen auf, die einen derartigen Anstieg der Häuserpreise hätten rechtfertigen können (vgl. ebd.: 47). Shiller führt den Immobilienboom auf den in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Mythos zurück, „die Immobilienpreise müssten wegen des Bevölkerungswachstums, wegen des Wirtschaftswachstums sowie wegen der Begrenztheit der verfügbaren Flächen im Laufe der Zeit unweigerlich kräftig nach oben tendieren“ (ebd.: 82).

Der dritte und entscheidende Faktor, der sich als Katalysator bei der Vergabe von Subprime-Hypotheken erweisen sollte, bestand im Verbriefungsgeschäft der Investmentbanken. Die Verbriefung von Krediten ermöglichte es den Hypothekenbanken zu Zeiten des US-Immobilienbooms, ihre Kreditrisiken schnell an den Kapitalmarkt weiterzureichen. Investmentbanken kauften von ihnen die Einzelkredite auf, bündelten sie zu sogenannten strukturierten (anleiheähnlichen) Finanzprodukten, wie z.B. Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), oder verpackten sie neu zu sogenannten Collateralized Debt Obligations (CDO), und verkauften diese weltweit an Investoren (vgl. BAFIN 2008: 15, www). Ursprünglich wurde von diesen strukturierten Produkten erwartet, dass sie zu einer begrüßenswerten Risikostreuung beitragen würden. Doch durch die „innovative Neubündelung und Umverteilung“ wurden die Kreditrisiken so umgewandelt, „dass die Risiken kostspieliger wurden, aber zumindest eine Zeitlang eine geringere Eintrittswahrscheinlichkeit aufwiesen“ (BIZ 2008: 9, www)[6]. Die Verbriefungspraxis der Investmentbanken bewirkte über den Zeitverlauf jedoch eine Abnahme der Qualität der den strukturierten Finanzprodukten zugrundliegenden Kreditpools. Denn die Möglichkeit, Kreditrisiken mittels Verbriefung schnell aus der eigenen Bankbilanz entfernen zu können, reduzierte für die Kreditinstitute zu jener Zeit den Anreiz, einen strengen Maßstab bei der Kreditvergabe an die Bonität der Schuldner anzulegen. Das Gegenteil war der Fall: Um der stetig wachsenden Nachfrage der Investmentbanken nach „verbriefungsfähigem Material“ nachzukommen, weiteten die Hypothekenbanken ihre Kreditvergabe auf neue Zielgruppen mit unzureichender Bonität aus und vergaben sogenannte Ninja-Anleihen (vgl. BAFIN 2008: 15, www). Ninja steht in diesem Kontext für „no income, no job, no assets“ (Münchau 2008: 8). Schuldner, die kein festes Einkommen, keinen Arbeitsplatz und kein Vermögen aufweisen konnten, erhielten also auf diese Weise Zugang zu Hypothekenkrediten, die sie später oftmals nicht zurückzahlen konnten. Kredite über hohe sechsstellige Summen wurden teilweise ohne Einkommensnachweis vergeben. Die Investmentbanken, die diese Einzelkredite aufkauften, um sie dann zu bündeln und als strukturierte Wertpapiere weiter zu veräußern, hatten ebenfalls einen nur geringen Anreiz, die zugrundliegende Kreditqualität sorgfältig zu prüfen. Denn ihr Geschäftsmodell basierte darauf, die Kreditrisiken an potentielle Investoren weiterzuleiten und ihre Erträge aus den „Provisionseinnahmen für die Strukturierung der innovativen Finanzprodukte zu erzielen“ (ebd.: 16, www).

Damit die Investmentbanken diese strukturierten Finanzprodukte an potentielle Investoren verkaufen konnten, mussten diese Wertpapiere über ein gutes Rating verfügen, da viele Investoren in Bezug auf ihre Investitionsmöglichkeiten an spezielle Anlagevorschriften gebunden sind, die einer zu starken Risikokonzentration vorbeugen sollen. Trotz der Tatsache, dass viele der strukturierten Produkte einen bedeutenden Anteil an zweitklassigen Subprime-Krediten aufwiesen, versahen die Ratingagenturen diese Wertpapiere mit einem guten bis exzellenten Rating (vgl. ebd.: 16, www). Die Käufer dieser Finanzprodukte vertrauten wiederum auf das Urteil der Ratingagenturen und verzichteten auf eine eigenständige Prüfung der Kreditqualität, die den von ihnen erworbenen strukturierten Papieren zugrunde lag. Auf diese Weise entwickelte sich mit der Zeit ein zirkuläres, sich selbst verstärkendes System der Verbriefung von Kreditpools, denen eine stetig abnehmende Qualität der Bonität von Hypothekenschuldnern zugrunde lag. Die Hypothekenbanken reagierten auf die wachsende Nachfrage der Investmentbanken nach verbriefungsfähigem Material mit einer Ausweitung der Kreditvergabe an private Schuldner mit geringer Kreditwürdigkeit. Die privaten Schuldner fragten auf Grund der günstigen Zinsen verstärkt Hypothekenkredite nach und spekulierten – wie die Banken – auf stetig steigende Immobilienpreise. Die steigende Nachfrage von Investmentbanken basierte wiederum auf dem wachsenden Interesse von institutionellen Investoren an den strukturierten Finanzprodukten, die durch die sehr guten Bewertungen der Ratingagenturen als sichere Geldanlage mit überdurchschnittlicher Rendite erschienen. Die Investoren befanden sich zu dieser Zeit in einem „Umfeld historisch ungewöhnlich niedriger Zinsen auf der Suche nach Extrarendite“, da z.B. die verhältnismäßig sicheren Staatsanleihen nicht mehr genügend Zinsen abwarfen, um die Renditeerwartungen der Marktteilnehmer zu befriedigen (BAFIN 2008: 16, www).

In der Folge stellte sich ein Blasenmechanismus ein, der nur solange funktionieren konnte, wie die Zinsen auf niedrigem Niveau verharrten und die US-Häuserpreise kontinuierlich stiegen. Unter diesen Bedingungen entwickelte sich die kreditfinanzierte Immobilie zum Spekulationsobjekt und Sicherheitspfand sowohl für die Gläubiger als auch für die Schuldner. Im Falle des Zahlungsausfalls eines Schuldners konnten die Gläubiger die Immobilie am US-Häusermarkt mit einer Wertsteigerung veräußern und einen über die Hypothekensumme hinausgehenden Ertrag erzielen. Spiegelbildlich stellte sich die Anreizstruktur für die Schuldner dar:

„Man borgte sich Geld zu billigen Zinsen, investierte es in Immobilien und Aktien. Die Wertsteigerung in diesen Märkten war um ein Vielfaches höher, als es notwendig wäre, um die Zinsen zu tilgen. Es war also rational, Kredite aufzunehmen und in risikoreiche Wertpapiere oder Immobilien zu investieren“ (Münchau 2008: 9).

Die dem oben beschriebenen Blasenmechanismus zugrundeliegende günstige Konstellation aus billigen kurzfristigen Hypothekenzinsen und dem kontinuierlichen Anstieg der US-Immobilienpreise verkehrte sich ab 2004 schrittweise in ihr Gegenteil. Die US-Notenbank erhöhte den Leitzins ab Mitte des Jahres 2004 bis zum Jahr 2007 sukzessive von einem Prozent auf 5,25 %.[7] Anfang 2005 nahm die Ausfallquote am US-Subprime-Markt zu. Die Zahl der Schuldner mit schlechter Bonität, die ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten, wuchs. Nahezu zeitgleich kam es zu einem deutlichen Rückgang der US-Häuserpreise (vgl. BIZ 2008: 4, www). Bis zum Anfang des Jahres 2007 reagierte der US-Subprime-Markt kaum auf diese veränderte Konstellation. Dies änderte sich im Verlauf des Jahres jedoch schlagartig. Bevor wir uns aber der Chronologie der Ereignisse im Zeitraum vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2009 zuwenden wollen, soll im Folgenden der Verbriefungsprozess der Investmentbanken skizziert werden, um ein besseres Verständnis über die Instrumente und Methoden der Verbriefungspraxis zu gewinnen, die im Kontext der Finanzkrise eine zentrale Rolle spielen.

2.2 Die Verbriefungspraxis auf dem Kreditmarkt

Der Kreditmarkt ist ein wesentlicher Bestandteil der globalen Finanzmärkte. Auf dem Kreditmarkt werden Kredite in Wertpapiere umgewandelt. Diesen Prozess nennt man Verbriefung. Ökonomisch betrachtet, birgt die Verbriefung von Krediten den Vorteil, dass die ursprünglichen Kredite nicht mehr in der Bilanz der Bank verbleiben, sondern durch die Umwandlung in Wertpapiere auf einem großen Kapitalmarkt gehandelt werden können, dem sogenannten Markt für Kreditrisikotransfer (vgl. Münchau 2008: 73). Kredite werden im Rahmen des Verbriefungsprozesses in sogenannte Bonds, also Anleihen, umgewandelt. Bei einem typischen Bond handelt es sich um ein Wertpapier, das an die Anleger in regelmäßigen Abständen einen vereinbarten Zinssatz oder einen Coupon bezahlt. Endet die Laufzeit eines Bonds, wird sein Nominalwert an den Investor zurückgezahlt. Bonds werden auf dem Kreditmarkt von verschiedenen Institutionen herausgegeben, die sich in ihrer Kreditwürdigkeit teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Die Kreditwürdigkeit des Emittenten muss also berücksichtigt werden, um das Ausfallrisiko eines Bonds einschätzen zu können. Die Bewertung dieses Risikos erfolgt dabei über sogenannte Ratingagenturen. Zu den bekanntesten unter ihnen zählen weltweit Moody´s, Standard & Poor´s (S&P´s) und Fitch Ratings. Ratingagenturen verwenden zur Darstellung des Ausfallrisikos eines Bonds unterschiedliche Skalen. So wird das beste Bond-Rating bei Moody´s mit Aaa, bei S&P´s hingegen mit AAA bezeichnet. Die Bewertung der Bonds, die für potenzielle Investoren als Orientierungsmaßstab bei der Risikoeinschätzung von Geldanlagen dient, erfolgt dabei durch mathematische Modelle, Marktinformationen und Erfahrungswerte (vgl. ebd.: 81ff).

Die Idee der Verbriefung entstand in den 1960er Jahren im amerikanischen Immobilienbereich im Zuge der Privatisierung des amerikanischen Immobilienfinanzierers Fannie Mae. Die Aufgabe von Fannie Mae und seinem direkten Konkurrenten Freddie Mac besteht bis heute darin, genügend Liquidität für Hypotheken zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck kaufen sie Hypotheken auf und emittieren sogenannte Mortgage Backed Securities (MBS). Bei diesen MBS handelt es sich um anleiheähnliche Wertpapiere, die durch die Hypotheken abgesichert sind (vgl. Münchau 2008: 99). Seit Mitte der 1980er Jahre beschränkte sich die Verbriefung von Krediten in den USA aber nicht mehr ausschließlich auf Hypothekenforderungen, sondern es wurden zunehmend auch andere Vermögenspositionen und Ansprüche verbrieft und somit handelbar gemacht. Auf diese Weise bildete sich die „neue Wertpapierkategorie der Asset Backed Securities [ABS] heraus, die neben den Mortgage Backed Securities alle denkbaren Verbriefungen von Assetpools umfasst, so etwa Pools bestehend aus Konsumentenkrediten und Kreditkartenforderungen, Automobilfinanzierungen oder Leasingforderungen“ (Rudolph et al. 2007: 39). Wie kann man sich den Verbriefungsprozess nun im Einzelnen vorstellen?

Der Prozess der Verbriefung funktioniert bei allen ABS-Transaktionen nach dem gleichen Grundprinzip. Zunächst stellt der Originator (z.B. eine Hypothekenbank) ausgewählte Forderungen (z.B. Hypothekenkredite) zu einem Pool zusammen. Anschließend veräußert der Originator die Forderungen an eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle; kurz: SPV), die zuvor ausschließlich zum Zweck des Ankaufs der Forderungen gegründet worden ist. In einem dritten Schritt verbrieft die Zweckgesellschaft dann den erworbenen Kreditpool und emittiert die ABS über ein Bankenkonsortium am Kapitalmarkt. In Abhängigkeit vom konkreten Programm können auch noch Treuhänder und externe Sicherungsgeber in den Verbriefungsprozess mit einbezogen werden. Am Ende der Verbriefungskette treten institutionelle oder private Anleger als Investoren auf (vgl. ebd.: 41). Bei dieser Konstruktion zur Verbriefung von Krediten stellt sich natürlich die Frage, woher die Zweckgesellschaft das Kapital nimmt, um den Ankauf der Kreditpools zu finanzieren. Die Antwort lautet, dass das SPV selbst Wertpapiere, die über den Kreditpool abgesichert sind, emittiert (vgl. Münchau 2008: 104).

In Abhängigkeit von der Rechtsstellung der Zweckgesellschaft erwerben die Käufer der ABS entweder „unmittelbar Miteigentumsteile an den verbrieften Forderungen, so dass die Zweckgesellschaft nur als Durchleitstelle für die sich aus den Krediten ergebenden Zahlungsströme fungiert“, oder die Käufer erwerben lediglich (Zahlungs-)Ansprüche an die Zweckgesellschaft (vgl. Rudolph et al. 2007: 44). Im zweiten Fall kann die Zweckgesellschaft im Rahmen der Tranchenbildung ein aktives Management der Zahlungsströme betreiben. Bei der Tranchierung des Assetpools werden mehrere Klassen oder Tranchen von Wertpapieren mit unterschiedlichem Risikoprofil emittiert. Die eingehenden Zahlungen aus dem Forderungspool werden dann von der Zweckgesellschaft nach dem Wasserfall- oder Subordinationsprinzip zunächst dazu verwandt, die oberste Risikoklasse (Senior Tranche) zu bedienen. Erst nach der vollständigen Bedienung der Senior Tranche werden dann die beiden nachrangigen Tranchen, die sogenannten Mezzanine- und Equity-Tranchen, bedient (vgl. ebd.: 51). Kommt es also im Forderungspool zu Zahlungsausfällen, ist davon zunächst die Equity-Tranche betroffen, dann die Mezzanine-Tranche und schließlich die Senior-Tranche. Bei einer öffentlichen ABS-Emission erhalten die potentiellen Investoren nur begrenzte Informationen über die Qualität der Kreditpools. Persönliche Daten der Schuldner oder andere Details der Forderungen bleiben ihnen verborgen. Sie erhalten lediglich Informationen über die Forderungsart, die Laufzeit, die Anzahl und die durchschnittliche Höhe der Forderungen (vgl. ebd.: 42).

Das Rating von Asset Backed Securities erfolgt nach einem vierstufigen Schema. In einer ersten Phase beantragt der Originator bei einer oder mehreren Ratingagenturen die Erstellung eines Ratings. Die Ratingagenturen stellen daraufhin auf der Basis spezifischer mathematischer Modelle quantitative Analysen an und ermitteln auf diese Weise die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Cashflows des Assetpools. In einer zweiten, qualitativen Prüfungsphase werden die geschätzten Risikoverteilungen um mögliche Rechtsrisiken, Dokumentationsrisiken, Prozessrisiken oder anderweitige operative Risiken ergänzt. Am Ende der Prüfung entscheidet ein Ratingkomitee über die Festlegung des ABS-Ratings (vgl. ebd.: 42). Vor dem Beginn der Finanzkrise wurde die Senior-Tranche von den Ratingagenturen oft mit dem höchsten Rating (z.B. AAA bei S&P´s) bewertet, das normalerweise nur den vermeintlich besonders sicheren Staatsanleihen Deutschlands oder der USA vorbehalten ist. Gegenüber den Staatspapieren werfen die obersten Tranchen jedoch eine höhere Rendite ab. Die Equity-Tranche bietet von allen drei Tranchen die höchste Rendite, weil bei ihr das Ausfallrisiko am höchsten ist. Dieser Umstand macht die Equity-Tranche besonders attraktiv für spekulative Anleger (vgl. Münchau 2008: 105). Ob eine Tranche ein AAA-Rating oder nur ein A-Rating erhält, kann jedoch von den Managern der Zweckgesellschaft maßgeblich beeinflusst werden. Diese Möglichkeit beruht auf dem Prinzip der Überabsicherung. Hinter jeder Tranche verbirgt sich eine bestimmte Anzahl von Krediten, der sogenannte Kreditpool. Um das Risiko einer bestimmten Tranche zu reduzieren und auf diese Weise ein besseres Rating zu erhalten, können die Manager die Anzahl der Kredite erhöhen, die als Sicherheiten hinter einer Tranche stehen. Je mehr Sicherheiten (Kredite) den einzelnen Tranchen zugrunde gelegt werden, desto besser fällt das Rating aus (vgl. Münchau 2008: 106).

Die Zinszahlungen und Tilgungen der ABS sind direkt oder indirekt vom Zahlungsstrom der zugrundeliegenden Assets abhängig. Damit dieser Zahlungsstrom auch regelmäßig bei den Investoren ankommt, übernimmt ein sogenannter Service Agent u.a. die Debitorenbuchhaltung, das Mahnwesen und die termingerechte Weiterleitung der Zahlungseingänge an den Treuhänder (vgl. Rudolph et al. 2007: 42). Zusätzlich überwacht normalerweise eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder eine Rechtsanwaltskanzlei als unabhängiger Treuhänder die Einhaltung der Verträge und die korrekte Verteilung der Zahlungsströme. Außerdem ist der Originator bei der Strukturierung der Emission auf die Mithilfe einer Investmentbank angewiesen, die die Emission vorbereitet, begleitet und zudem an der Einrichtung der Zweckgesellschaft beteiligt ist (vgl. ebd.: 43). Schließlich kann für den Anleger das Kreditrisiko des Assetpools durch eine Sicherheitenverstärkung reduziert werden. Zu diesem Zweck tritt der Forderungsverkäufer (Originator) zum Beispiel selbst als Sicherungsgeber auf, indem er entweder einen Reservefonds für mögliche Zahlungsausfälle bildet, oder sich bereit erklärt, einen Teil der ausfallenden Forderungen zurückzukaufen (vgl. ebd.: 46). Wie aus dieser knappen Beschreibung zu ersehen ist, handelt es sich bei der Technik der Verbriefung um einen überaus komplexen Prozess, in den sehr unterschiedliche und überaus spezialisierte Akteure eingebunden sind.

Wir fassen zusammen: Bei einer ABS handelt es sich um ein mit Krediten besichertes Wertpapier, das in regelmäßigen Abständen einen bestimmten Zinssatz an die Anleger bezahlt. Eine MBS ist eine spezielle Form einer ABS, denn bei den zugrundeliegenden Krediten handelt es sich hier um Hypotheken. Wir haben den Verbriefungsprozess weiter oben in seiner einfachsten Form beschrieben. In der Finanzkrise spielt neben den bereits erwähnten ABS und MBS aber auch noch die sogenannte „besicherte Schuldverschreibung“ (im Englischen: Collateralized Debt Obligation; kurz: CDO) eine wichtige Rolle. Bei einer CDO handelt es sich im Kern um eine Weiterentwicklung der Verbriefung (vgl. Münchau 2008: 109). Im rechtlichen Sinne handelt es sich bei einer CDO um eine Firma (Zweckgesellschaft), im ökonomischen Sinne um ein Instrument. Denn mit dem Begriff der CDO wird einerseits ein Wertpapier im Kreditmarkt bezeichnet, „das Pools von Krediten bündelt und in Wertpapiere verschiedener Güteklassen umformt“, andererseits meint CDO aber auch „die Zweckgesellschaften, die von den Investmentbanken etabliert werden, mit dem Ziel, CDOs auf den Markt zu bringen“ (ebd.: 223).

Der Unterschied zwischen einer ABS/MBS und einer CDO besteht darin, dass eine CDO nicht direkt einen Pool von Hypotheken einkauft, sondern bereits verbriefte Kredite, zum Beispiel die MBS, ankauft (vgl. ebd.: 110). Die Käufer von MBS fassen dann die mezzaninen Tranchen der MBS mittels einer Zweckgesellschaft zu einer neuen forderungsbesicherten Struktur – eben einer CDO – zusammen und emittieren im Anschluss verschiedene CDO-Tranchen mit unterschiedlichem Risikoprofil, die von den Ratingagenturen bewertet werden. Zahlungsausfälle werden bei einer CDO wie bei der zuvor beschriebenen ABS zunächst durch die Equity-Tranche aufgefangen, die normalerweise beim Erzeuger der CDO verbleiben sollte, im Vorfeld der Finanzkrise aber nicht selten auch an risikoreiche Investoren wie Hedgefonds weiterverkauft wurde. Die Käufer von CDOs waren in der Regel rechtlich selbstständige Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanz ihrer Mutterbank, die sich über den Geldmarkt kurzfristig refinanzierten (vgl. Schäfer 2008: 810)[8]. Anders als bei den MBS, bei denen Hypotheken als Sicherheiten dienen, sind CDOs also oft einen weiteren Schritt vom ursprünglichen Kreditnehmer entfernt. Auch bei den CDOs können die Manager der Zweckgesellschaft das Rating durch das oben beschriebene Prinzip der Überabsicherung zu ihren Gunsten beeinflussen. Auf diese Weise war es den Zweckgesellschaften vor Ausbruch der US-Subprime-Krise möglich, aus einer Gruppe von US-Subprime-Krediten eine vermeintlich sichere Tranche zu kreieren und diese an Investoren zu veräußern. Die Equity-Tranchen einer CDO warfen dabei nicht selten eine Rendite von 20 % ab (vgl. Münchau 2008: 110f). Wir haben uns auch an dieser Stelle auf die Beschreibung einer einfachen CDO beschränkt. Über diese einfache Form einer CDO hinaus gibt es weitere, wesentlich kompliziertere Konstruktionen der Verbriefung. In diesem Kontext lassen sich zum Beispiel sogenannte „synthetische CDOs“ anführen, in denen sich das Ausfallrisiko mathematisch kaum noch berechnen lässt, oder CDOs von CDOs (CDO2), die Tranchen von anderen CDOs kaufen. Es verwundert an dieser Stelle nicht, dass Mathematiker auch noch die dritte Potenz einer CDO entwickelt haben: die CDO3 (vgl. Münchau 2008: 114). Die Nutzung dieser finanzmathematischen Konstruktionen führte im Vorfeld der Finanzkrise zu wahren Verbriefungsketten, in denen sich die Distanz zwischen den ursprünglichen Kreditnehmern, deren Kredite zu Wertpapieren verbrieft wurden, und den Investoren zunehmend vergrößerte.

Der Verbriefungsmarkt hat in den USA in den letzten Jahren ein enormes Volumen erreicht. Um die Jahrtausendwende betrug das jährliche Emissionsvolumen von Verbriefungen in den USA bereits 1,1 Billionen Euro. Der Gipfel des Verbriefungsbooms wurde in den USA aber im Jahr 2003 mit einem Emissionsvolumen von 2,9 Billionen Euro erreicht (vgl. Erber 2008: 670, www)[9] - also genau zu jener Zeit, als der US-Leitzins mit 1% unterhalb der Inflationsrate lag (vgl. Punkt 2.1). In Europa erreichte das Emissionsvolumen von Verbriefungen im Jahr 2006 mit 481 Milliarden Euro seinen vorläufigen Höhepunkt (vgl. ebd.: 671, www). Warum wurden derartig komplizierte Konstruktionen von den Investmentbanken genutzt und entwickelt? Münchau gibt dazu eine eindeutige Antwort:

„Es gibt so gut wie keine betriebswirtschaftliche Begründung für diese Produkte mit der Ausnahme, dass sie den Investmentbanken, die sie auf den Markt bringen, hohe Gebühren bescheren, im Falle einer CDO3 wird gleich viermal eine Kommission verdient – für jede der einzelnen CDOs und für die neue künstliche Struktur“ (Münchau 2008: 114).

Wir beenden an dieser Stelle die Beschreibung des Verbriefungsgeschäfts der Investmentbanken und wollen uns mit dem nun erworbenen Wissen den Ereignissen auf den weltweiten Finanzmärkten im Zeitraum vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2009 zuwenden.

2.3 Das Jahr 2007: Von der Subprime-Krise zur Bankenkrise

Die steigenden Kurzfristzinsen und der Preisrückgang am US-Häusermarkt trafen die finanzielle Position der US-Kreditnehmer im Jahr 2007 in doppelter Hinsicht. Zunächst waren von dieser Entwicklung insbesondere die einkommensschwachen Kreditnehmer betroffen, die über keine finanziellen Rücklagen oder andere Vermögenswerte verfügten. Sie konnten ihre Hypotheken nicht mehr bedienen und mussten gleichzeitig ihr Haus zu Preisen verkaufen, die nun deutlich niedriger ausfielen als noch zu Zeiten des Immobilienbooms. Insbesondere Subprime-Kredite mit einem variablen Zinssatz erlitten einen regelrechten „Zinsanpassungsschock“. Die Zahlungsverzugsraten im Subprime-Segment erhöhten sich im Verlauf des Jahres 2007 sprunghaft und die Anzahl an Zwangsversteigerungen schnellte in die Höhe (vgl. BAFIN 2008: 17, www). Gleichzeitig begann sich die Verbriefungsspirale, die den Immobilienboom noch vor kurzer Zeit befeuerte, rückwärts zu drehen. Zunächst waren die US-Hypothekenbanken von wachsenden Kreditausfällen betroffen. Auf Grund vertraglicher Vereinbarungen mussten sie notleidende Kredite von den Investmentbanken zurücknehmen, so dass sich zuvor ausgelagerte Kreditrisiken plötzlich wieder in ihren Büchern befanden (vgl. ebd.: 17, www). Das Finanzinstitut HSBC veröffentlichte im Februar auf Grund von Verlusten seiner im US-Hypothekengeschäft aktiven Tochterunternehmen die erste Gewinnwarnung in seiner Firmengeschichte. 23 weitere US-Hypothekenfinanzierer gaben im selben Monat teilweise massive Verluste bekannt. Im April beantragte New Century Financial als einer der größten US-Hypothekenfinanzierer Insolvenz; die Schweizer Großbank UBS schloss im Mai einen Hedgefonds, der in strukturierte Finanzprodukte mit Subprime-Unterlegung investiert hatte (vgl. ebd.: 22, www).

Die negativen Nachrichten vom US-Immobilienmarkt hielten auch in den Sommermonaten an und begannen – verstärkt durch eine sich immer weiter verschlechternde Kreditqualität – unter den Marktteilnehmern Zweifel an der generellen Werthaltigkeit strukturierter Finanzprodukte zu schüren. Die Krise am US-Subprime-Markt griff nun auch auf die Kreditmärkte über. Es kam zu einer regelrechten Ausverkaufswelle am Verbriefungsmarkt. Der sogenannte ABX.Home Equity Index, der als Benchmark für die mit US-Subprime-Krediten unterlegten strukturierten Produkte fungiert, fiel bis zum November auf vorher nicht für möglich gehaltene Tiefstände (vgl. ebd.: 17, www).

Obwohl sich die Kreditausfälle seit Beginn des Jahres häuften, reagierten die Ratingagenturen nur sehr zögerlich auf die neue Situation und hielten lange Zeit an den von ihnen erteilten hohen Ratings fest. Im Sommer 2007 wurde der öffentliche Druck auf die Ratingagenturen jedoch zu groß. Die wachsenden Zweifel der Marktteilnehmer bezüglich der Verlässlichkeit der Ratingurteile, die Ausfallwahrscheinlichkeiten der Subprime-Hypothekenkredite korrekt abbilden zu können, bewegten die Ratingagenturen zu einer Kehrtwende. Sie begannen, Papiere mit nennenswerten Anteilen von Subprime-Krediten auf breiter Basis und teilweise radikal herabzustufen (vgl. BAFIN 2008: 19, www). Standard & Poors meldete im Juni, dass mit Wohnimmobilienhypotheken unterlegte Wertpapiere aus dem Jahr 2006 im Gesamtwert von 7,3 Milliarden US-Dollar von einer Herabstufung bedroht seien und kündigte eine Überprüfung an; Moody´s nahm fast zeitgleich eine Abstufung von Anleihen, die mit Subprime-Hypotheken unterlegt waren, im Umfang von 5,3 Milliarden US-Dollar vor und prüfte darüber hinaus die Herabstufung von 184 hypothekarisch unterlegten CDO-Tranchen. Auch die Ratingagentur Fitch prüfte weitere Herabstufungen (vgl. BIZ 2008: 112, www). Zeitgleich wiesen die US-Investmentbanken Bear Stearns und Goldman Sachs erheblich belastete Quartalsergebnisse aus. Zwei Hedgefonds von Bear Stearns gerieten in akute Schwierigkeiten, als es nicht mehr gelang, CDOs am Markt zu platzieren. Wenig später teilte die Bank mit, dass die Fonds praktisch pleite seien (vgl. BAFIN 2008: 22, www).

Zeitgleich kam ein weiterer Krisenherd zum Vorschein, der in den Folgemonaten auch den deutschen Bankensektor erschüttern sollte. Es handelte sich dabei um von den Banken gegründete außerbilanzielle Zweckgesellschaften, sogenannte Conduits oder auch Structured Investment Vehicles (SIV), die sich u.a. kurzfristig über die Ausgabe von Asset Backed Commercial Papers[10] (ABCP) am Geldmarkt refinanzierten. Um diese Commercial Papers am Geldmarkt absetzen zu können und eine reibungslose Anschlussfinanzierung zu gewährleisten, hatten die Banken den von ihnen gegründeten Conduits für den Notfall Liquiditätsfazilitäten zugesichert oder waren wie im Falle der SIVs als Sponsoren aufgetreten (vgl. ebd.: 19, www). Mit der Garantiezusage der initiierenden Bank ausgestattet, war es den Conduits und SIVs möglich, ein exzellentes Rating zu erhalten und sich am Geldmarkt problemlos zu refinanzieren. Diese Investmentvehikel hatten in der Vergangenheit mit den am Geldmarkt bezogenen finanziellen Mitteln vor allem langfristige Asset Backed Securities (ABS) und CDOs mit einer attraktiven Verzinsung gekauft (oft mit einem Bezug zum US-Subprime-Markt). Dabei zielte dieses Geschäftsmodell darauf ab, „Erträge aus der Differenz zwischen lang- und kurzfristigen Zinsen zu generieren“ (BAFIN 2008.: 19, www). An dieser Stelle wird deutlich, dass die Zweckgesellschaften nicht nur wie weiter oben beschrieben (vgl. Punkt 2.2) als Emittent von strukturierten Wertpapieren agierten, sondern zugleich auch mit diesen Finanzprodukten untereinander handelten.

Doch als im Sommer 2007 das Misstrauen der Investoren gegenüber Anlagen mit US-Subprime-Anteilen zunahm, kam der Absatz der Geldmarktpapiere binnen weniger Wochen zum Erliegen. Die Zweckgesellschaften gerieten in akute Liquiditätsnot. Die Banken, die die Zweckgesellschaften einst gegründet hatten, um - an den Aufsichtsbehörden vorbei – „an den Zinserträgen strukturierter Produkte zu partizipieren, ohne dafür regulatorisches Eigenkapital vorhalten zu müssen“ (ebd.: 19, www), sahen sich plötzlich gezwungen, ihre Liquiditätszusagen einzulösen oder die Vermögenswerte ihrer Zweckgesellschaften in die eigenen Bilanzen zu übernehmen. Plötzlich zeigte sich, dass viele Kreditinstitute, die in diesem Geschäftsfeld tätig waren und im Vergleich zu ihrer eigenen Größe viel zu große Positionen aufgebaut hatten, auf ein derartiges Szenario nicht vorbereitet waren.

So wurde Ende Juli bekannt, dass Banken die Kreditlinien für die von der deutschen Bank IKB außerhalb der Bilanz geführten Rhineland Funding gekündigt hatten. Ihr Hauptanteilseigner, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), übernahm daraufhin Verpflichtungen der IKB im Wert von 8,1 Milliarden Euro. Zusätzlich schnürten die KfW und eine Gruppe öffentlicher und privater Banken ein Rettungspaket in Höhe von 3,5 Milliarden Euro für das Institut (vgl. ebd.: 23, www). Auch etliche Geldmarkt-Fonds mit Bezug zu strukturierten Finanzprodukten gerieten nun zunehmend unter Druck und stoppten, wie z.B. der deutsche Fondsverwalter Union Investment, ihre Anteilsrücknahmen (vgl. BIZ 2008: 112, www). An den Geldmärkten kam es daraufhin zu einer Liquiditätsverknappung, so dass sich die großen Notenbanken gezwungen sahen, dem Markt kurzfristig erhebliche Liquidität zuzuführen.

Der unerwartete Liquiditätsbedarf von zahlreichen Banken, die die eingegangenen Risiken ihrer Zweckgesellschaften nun notgedrungen absorbieren mussten, führte am 9. August zu einem Engpass am europäischen Interbankenmarkt, an dem sich die Banken untereinander kurzfristig und ohne Sicherheiten Geld leihen. Befürchtungen, dass einige Banken in akute Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, führten zu einer schweren Vertrauenskrise, die den Interbankenmarkt nahezu vollständig kollabieren ließ. Die Europäische Zentralbank intervenierte daraufhin in einem bislang unbekannten Ausmaß und versorgte den Markt mit Liquidität im Wert von 95 Milliarden Euro. Die Geldmarktkrise griff zu dieser Zeit auf weitere Kontinente über. So pumpte die US-Notenbank am selben Tag insgesamt 24 Milliarden US-Dollar in den Geldmarkt (vgl. Münchau 2008: 21f). Auf Grund der mangelnden Transparenz über das Subprime-Engagement potentieller Geschäftspartner zogen es jene Banken, die noch über Liquidität verfügten, vor, flüssige Finanzmittel zu horten anstatt sie zu verleihen (vgl. BAFIN 2008: 20, www). Das potentielle Kontrahentenrisiko war für die Marktteilnehmer nun kaum noch einschätzbar.

In dieser Situation erwiesen sich Bewertungsprobleme hinsichtlich der strukturierten Finanzprodukte als ein zusätzliches krisenverstärkendes Element. Die internationalen Bilanzierungsregeln (IFRS) schreiben vor, dass bei der Ermittlung des sogenannten Fair Value von Vermögenswerten grundsätzlich auf Marktpreise abgestellt werden muss. Da jedoch große Teile des Verbriefungsmarktes zusammengebrochen waren, konnten „häufig kaum noch verlässliche Marktpreise für die illiquiden strukturierten Produkte“ ermittelt werden (ebd.: 20, www). Denn es gab schlichtweg keine Käufer mehr für diese Finanzprodukte. Dieser Umstand trug bei den Marktteilnehmern wiederum zu einer wachsenden Unsicherheit über das Ausmaß der wahren Risiken einzelner Institute bei.

Im September geriet der fünfgrößte britische Hypothekenfinanzierer Northern Rock in finanzielle Schwierigkeiten. In der Folge setzte ein regelrechter Bankenansturm auf das Institut ein. Panische Bankkunden zogen binnen kurzer Zeit Einlagen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro ab, woraufhin der Aktienkurs von Northern Rock um 30 % einbrach. Die Bank of England reagierte daraufhin mit der Zusage eines Notfallkredits (vgl. ebd.: 23, www).

Im Oktober und November brach dann eine Welle von Abschreibungen über die Finanzmärkte hinein. Merrill Lynch schrieb im Oktober 7,9 Milliarden US-Dollar, UBS 3,6 Milliarden US-Dollar und die Deutsche Bank 2,2 Milliarden US-Dollar ab; im November folgten die Großbank HSBC mit 12 Milliarden US-Dollar, Citigroup mit 11 Milliarden US-Dollar, Morgan Stanley mit 3,7 Milliarden US-Dollar und der amerikanische Versicherungskonzern AIG mit 2,7 Milliarden US-Dollar (vgl. BAFIN 2008.: 23, www). Zeitgleich stufte die Ratingagentur Moody´s etwa 2500 noch im Jahr 2006 emittierte Subprime-Anleihen herab, Standard & Poors zog wenig später mit weiteren Subprime-Herabstufungen nach. Die Ratingagentur Fitch erklärte, die Herabstufung von CDOs im Wert von 37 Milliarden US-Dollar zu überprüfen (vgl. BIZ 2008: 112, www). Auch die beiden größten Institutionen am US-Hypothekenmarkt, Fannie Mae und Freddie Mac, gaben zu diesem Zeitpunkt einen Gewinneinbruch bekannt. Die Verluste aus Zwangsversteigerungen mit Bezug zum US-Subprime-Markt beliefen sich laut einer OECD-Studie im November bereits auf bis zu 300 Milliarden US-Dollar (vgl. BAFIN 2008: 24, www).

Im Dezember setzten sich die milliardenschweren Abschreibungen bei den großen Finanzinstituten fort. Viele Banken übernahmen nun zunehmend die Vermögenswerte ihrer außerbilanziellen Zweckgesellschaften in ihre Bilanzen zurück. Die US-Regierung und führende Hypothekenbanken vereinbarten zum Ende des Jahres ein fünfjähriges Zinsmoratorium für Subprime-Kredite mit progressiv steigenden Zinssätzen, um den Zwangsversteigerungen am US-Häusermarkt entgegenzuwirken (vgl. ebd.: 24, www). Am 12. Dezember verkündeten Zentralbanken aus fünf Währungsräumen koordinierte Maßnahmen, um einer größeren Anzahl von Instituten Liquidität zum Jahreswechsel zur Verfügung zu stellen und so die Blockade am Interbankenmarkt zu bekämpfen (vgl. BIZ 2008: 112, www). Wenig später pumpte allein die US-Notenbank weitere 20 Milliarden US-Dollar in den Geldmarkt (vgl. BAFIN 2008: 24, www).

Innerhalb eines Jahres hatte sich die Subprime-Krise, die in einem kleinen Segment des US-Häusermarktes begann, zu einer schweren globalen Finanz- und Bankenkrise entwickelt, in der die Zahlungsfähigkeit großer Teile des weltweiten Bankensystems in Frage gestellt wurde. Noch gelang es, weitreichende Bankkonkurse abzuwenden. Dies sollte sich aber im Jahr 2008 ändern.

2.4 Das Jahr 2008: Von der Finanzkrise zur Wirtschaftskrise

Im Januar 2008 gaben mehrere internationale Großbanken für das vierte Quartal 2007 weitere Milliardenverluste bekannt. Die US-Notenbank setzte daraufhin ihre bereits im Jahr 2007 eingeleiteten geldpolitischen Maßnahmen fort und senkte den Leitzins auf 3%; gleichzeitig verabschiedete der US-Kongress ein 150 Milliarden US-Dollar schweres Konjunkturprogramm (vgl. BAFIN 2009: 18, www)[11]. Im selben Monat konnte die drohende Pleite des größten privaten US-Hypothekenfinanzierers Countrywide nur durch eine milliardenschwere Übernahme durch die Bank of America abgewendet werden.[12] Im Februar kam es dann zur Verstaatlichung des finanziell stark angeschlagenen britischen Hypothekenfinanzierers Northern Rock. Der britische Finanzminister sprach zu diesem Zeitpunkt davon, das Finanzinstitut „für einen befristeten Zeitraum in öffentlichen Besitz zu bringen.“[13]

In der Woche vom 10. März 2008 kursierten in den Medien plötzlich Gerüchte über eine angebliche Zahlungsunfähigkeit der New Yorker Investmentbank Bear Stearns. Ein Börsenhändler hatte zuvor erklärt, dass die Kosten für die Absicherung der Schulden von Bear Stearns gestiegen seien. Der Aktienkurs der renommierten Investmentbank fiel daraufhin am 11. März um mehr als 13 %, obwohl ein Manager der Bank diese Gerüchte als „absolut lächerlich“ bezeichnete.[14] Die Investmentbank versuchte im Wochenverlauf die Gerüchte immer wieder zu dementieren. Doch die Marktteilnehmer befürchteten extrem hohe Abschreibungsverluste bei Bear Stearns, da es sich bei dem Institut um eine der aggressivsten Investmentbanken zu Zeiten des Subprime-Booms handelte. Die Gerüchte über eine drohende Zahlungsunfähigkeit genügten letztendlich, um einen klassischen Bank-Run auf die Investmentbank auszulösen. Anders als bei traditionellen Banken, die über ein Einlagengeschäft verfügen, bedeutet ein Bank-Run auf eine Investmentbank, dass andere Banken, die in einer Geschäftsbeziehung zu ihr stehen, nicht länger bereit sind, Kreditlinien bereitzustellen. Bear Stearns war somit innerhalb weniger Tage nicht mehr in der Lage, sich zu refinanzieren (vgl. Münchau 2008: 40).

Am Sonntag, den 16. März, gab die Federal Reserve in einer Erklärung bekannt, dass die amerikanische Großbank JP Morgan Chase die Investmentbank Bear Stearns zu einem Preis von nur 2 US-Dollar pro Aktie gekauft habe – dies entsprach ungefähr einem Zehntel des Börsenkurses vom Freitag. Darüber hinaus garantierte die US-Notenbank, dass sie mit knapp 30 Milliarden US-Dollar die Risiken von Bear Stearns absichern würde (vgl. ebd.: 40f). Der Chef der Federal Reserve, Ben Bernanke, rechtfertigte die aktive Rolle der US-Notenbank bei der Übernahme mit dem Hinweis, dass ein möglicher Absturz von Bear Stearns erhebliche Folgen für das gesamte Finanzsystem gehabt hätte. Denn die Investmentbank war zu jener Zeit einer der größten Akteure auf dem Markt für sogenannte Credit Default Swaps (CDS). Mit diesen komplexen Instrumenten sichern sich Investoren in den Kreditmärkten gegen mögliche Zahlungsausfälle ab. Wäre Bear Stearns als Versicherungspartner ausgefallen, wären viele dieser Absicherungen wertlos geworden. Für die Kunden von Bear Stearns wäre dann das Risiko ihrer ohnehin schon riskanten Investitionen weiter angestiegen (vgl. ebd.: 41). Die eilige Übernahme von Bear Stearns war ein großer Schock für das Finanzsystem. Gleichzeitig signalisierte aber das Handeln der US-Notenbank auch, dass die US-Regierung offenkundig bereit war, alles zu unternehmen, um einen Zusammenbruch großer Finanzinstitute um jeden Preis zu verhindern. Im März vermeldete die US-Notenbank als Reaktion auf die Übernahme von Bear Stearns eine weitere Senkung des Leitzinses auf 2,25 % (vgl. BAFIN 2009: 19, www)

Die Abschreibungswelle bei den Banken riss auch in den folgenden Wochen nicht ab. Im April verkündeten mehrere Großbanken Rekordverluste für das erste Quartal 2008. Im Juni gerieten vermehrt Meldungen über in Schwierigkeiten geratene Monoline-Versicherer in den Blickpunkt der Marktteilnehmer.[15] Am Anfang des Monats hatten die Ratingagenturen Moody´s und Standard & Poors die zwei führenden Monoline-Versicherer MBIA und Ambac herabgestuft. Es wurde befürchtet, dass diese Herabstufungen weitere Wertberichtigungen von Papieren, die durch diese Gesellschaften versichert waren und die auch von Banken gehalten wurden, nach sich ziehen würden. Ab Mitte Juni stellte sich daher ein allgemeiner Rückgang an den Kredit- und Aktienmärkten ein, der von den Finanzwerten angeführt wurde (vgl. BIZ 2009: 24, www).

Im Juli wurde die US-Hypothekenbank Indymac von der US-Aufsichtsbehörde geschlossen.[16] Kurz darauf verkündete der ehemalige Chef der US-Notenbank, William Poole, dass die beiden größten US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac „faktisch zahlungsunfähig“ seien, und forderte die US-Regierung auf, ein Rettungspaket zu schnüren.[17] Das Geschäft der beiden Institute bestand darin, Hypotheken von Schuldnern mit einer guten Bonität zu verbriefen und im Kapitalmarkt zu verkaufen. Fast die Hälfte aller US-Hypotheken wurden von Fannie Mae und Freddie Mac verbrieft (vgl. Münchau 2008: 42). Auch wenn die beiden Institute nicht zu den zentralen Akteuren in der Subprime-Krise gehörten, so operierten auch sie mit einer viel zu geringen Kapitalbasis und einem viel zu hohem Anteil an Fremdkapital. Als der Verbriefungsmarkt dann einbrach, fanden Freddie Mac und Fannie Mae keine Abnehmer mehr für ihre Produkte (vgl. ebd.: 43). Am 13. Juli intervenierte die US-Regierung und ermöglichte dem Finanzministerium die Stützung der beiden halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer durch die Vergabe weiterer milliardenschwerer Kredite und durch eine direkte Beteiligung (vgl. BIZ 2009: 25, www). Zwei Tage später erließ die US-Börsenaufsicht zudem Vorschriften zur Einschränkung von ungedeckten Leerverkäufen.[18]

Im September des Jahres 2008 erhielt die Finanzkrise eine neue, globale Qualität. Am 7. September übernahm die US-Regierung Fannie Mae und Freddie Mac, nachdem ihre Aktienkurse kurz zuvor dramatisch eingebrochen waren. Gemeinsam garantierten beide Institute direkt oder indirekt US-Hypotheken im Wert von zwölf Billionen US-Dollar. Der damalige US-Finanzminister Paulson begründete diesen radikalen Schritt damit, dass die beiden Unternehmen „so groß und so mit dem Finanzsystem verwoben“ seien, „dass das Scheitern eines der beiden große Unruhe auf unserem Finanzmarkt hier und in der ganzen Welt auslösen würde“.[19]

Am 15. September eskalierten dann die Turbulenzen auf den weltweiten Finanzmärkten, als die Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. einen Antrag auf Insolvenzschutz nach US-Konkursrecht stellte. Anders als im Fall von Bear Stearns schnürte die US-Regierung dieses Mal kein Rettungspaket, sondern ließ die Traditionsbank untergehen und sendete damit ein fatales Signal an die Finanzmärkte. Bis dato galt Lehman Brothers als zu groß, um von der US-Regierung fallen gelassen zu werden, doch nun „war klar, dass größere Bankenpleiten in Zukunft nicht mehr generell ausgeschlossen werden konnten“ (BAFIN 2009: 12, www). Als Reaktion auf den Fall von Lehman Brothers breitete sich schnell eine generelle Vertrauenskrise über die einzelnen Märkte und Länder aus. Der US-Fonds Reserve Primary musste Schuldtitel von Lehman Brothers in Höhe von 780 Millionen US-Dollar abschreiben und „war damit der erste Geldmarktfonds, dessen Nettoanlagewert unter die eingezahlten Mittel fiel“ (BIZ 2009: 30, www). Am Tag des Konkurses von Lehman Brothers fielen die Aktienkurse in Europa und in den USA um 4 % und setzten ihre Talfahrt bis zum 17. September fort. Die Finanzinstitute gingen nun dazu über, die Bonität ihrer Geschäftspartner noch akribischer zu überprüfen und überschüssige Liquidität verstärkt zu horten, anstatt sie dem Interbankenmarkt zur Verfügung zu stellen. Banken ohne Einlagengeschäft, die auf eine fortlaufende Refinanzierung über die Kapitalmärkte angewiesen waren, standen nun vor unlösbaren Problemen (vgl. BAFIN 2009: 12, www). In den USA wurde die Investmentbank Merril Lynch von der Bank of America „in fieberhaften Verhandlungen binnen 48 Stunden“ übernommen.[20] Die beiden letzten verbliebenen Investmentbanken, Goldman Sachs und Morgan Stanley, „wandelten sich in gewöhnliche Geschäftsbanken um, damit sie die Kreditfazilitäten der US-Notenbank in Anspruch nehmen konnten“ (BAFIN 2009: 12, www). Im September endete damit schlagartig die Ära der US-Investmentbanken.

[...]


[1] http://www.netzeitung.de/bilder/index.php?gallery_id=32026&skin=nz9&img=4. Letzter Abruf: 13.11.2009

[2] http://www.netzeitung.de/bilder/index.php?gallery_id=32026&skin=nz9&img=5. Letzter Abruf:

13.11.2009

[3] Bank für internationalen Zahlungsausgleich (2009): 79. Jahresbericht. 1. April 2008 – 31. März 2009, Basel. http://www.bis.org/publ/arpdf/ar2009_de.pdf?noframes=1 Letzter Abruf: 13.11.2009

[4] Windolf, Paul (2008): Eigentümer ohne Risiko. Die Dienstklasse des Finanzmarkt-Kapitalismus. http://www.uni-trier.de/fileadmin/fb4/prof/SOZ/APO/ZfSWindolfJuli08.pdf. Letzter Zugriff: 13.11.2009

[5] Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2008): Jahresbericht der BaFin 2007, Bonn und Frankfurt am Main. http://www.bafin.de/cln_152/nn_721290/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Jahresberichte/2007/jb__2007__gesamt__downloa,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/jb_2007_gesamt_downloa.pdf Letzter Abruf: 13.11.2009

[6] Bank für internationalen Zahlungsausgleich (2008): 78. Jahresbericht. 1. April 2007 – 31. März 2008, Basel. http://www.bis.org/publ/arpdf/ar2008_de.pdf?noframes=1. Letzter Abruf: 13.11.2008

[7] Vgl. www.leitzinsen.info. Letzter Abruf: 13.11.2009

[8] Schäfer, Dorothea (2008): Agenda für eine neue Finanzmarktarchitektur. In: DIW Wochenbericht Nr. 51 – 52/2008 , S.808-817, Berlin. http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.92719.de/08-51-1.pdf. Letzter Abruf: 13.11.2009

[9] Erber, Georg (2008): Verbriefungen: Eine Finanzinnovation und ihre fatalen Folgen. In: DIW Wochenbericht Nr.43/2008, S. 668-677, Berlin. http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.89791.de/08-43-1.pdf.

Letzter Abruf: 13.11.2009

[10] Bei einem Asset Backed Commercial Paper handelt es sich um „Geldmarktpapiere, die zum Beispiel durch Kreditmarktpapiere besichert sind. Im ABCP-Markt leihen sich zum Beispiel Conduits oder SIVs kurzfristig Geld und hinterlegen die Kredite als Sicherheit“ [Hervorhebungen im Original] (Münchau 2008: 221).

[11] Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2009): Jahresbericht der BaFin 2008, Bonn und Frankfurt am Main. http://www.bafin.de/cln_152/nn_722604/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Jahresberichte/2008/jb__2008__gesamt,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/jb_2008_gesamt.pdf.

Letzter Abruf: 13.11.2009

[12] http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,528065,00.html. Letzter Abruf: 13.11.2009

[13] http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,535858,00.html. Letzter Abruf: 13.11.2009

[14] http://www.sueddeutsche.de/finanzen/43/435789/text/. Letzter Abruf: 13.11.2009

[15] „Monoline-Versicherer bieten Ausfallgarantien und damit Bonitätsverbesserungen für Anleihen und strukturierte Finanzprodukte an, einschließlich Garantien für vorrangige Tranchen von Wertpapieren, die durch Hypotheken oder sonstige Vermögenswerte unterlegt sind, sowie für Anleihen von Gebietskörperschaften. Dabei beeinflusst die Bonitätseinstufung der Monoline-Versicherer stark das Rating der von ihnen versicherten Instrumente“ (BIZ 2009: 24, www).

[16] http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,565483,00.html. Letzter Abruf: 13.11.2009

[17] http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_300404. Letzter Abruf: 13.11.2009

[18] „Ein Leerverkauf ist ein Verkauf von Wertpapieren, die man nicht besitzt, die man zu einem späteren Zeitpunkt allerdings kaufen muss. Mit einem Leerverkauf spekuliert man auf den Verfall eines Preises“ (Münchau 2008: 52).

[19] http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,576837,00.html. Letzter Abruf: 13.11.2009

[20] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/bank-of-america-faengt-merrill-lynch-auf%3B2040074. Letzter Abruf: 13.11.2009

Ende der Leseprobe aus 145 Seiten

Details

Titel
Die globale Finanzkrise. Ursachen, Bedeutung und Folgen
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Soziologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
145
Katalognummer
V152972
ISBN (eBook)
9783640654079
ISBN (Buch)
9783640654680
Dateigröße
1024 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit geht in einigen Teilen über die Anforderungen einer Diplomarbeit hinaus. Sie eignet sich u.a. auch als Überblickswerk über die aktuelle Debatte der Soziologie zur Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte. Eine dezidiert systemtheoretische Perspektive zieht sich gleichsam als "roter Faden" durch die gesamte Arbeit.
Schlagworte
Finanzkrise, Bankenkrise, Wirtschaftskrise, Finanzmarkt, Finanzmärkte, Finanzmarktkapitalismus, Ratingagenturen, Kapitalismus, Kapitalmarkt, Lehman Brothers, Hypo Real Estate, Immobilienkrise, Thema Finanzkrise, Schuldenkrise
Arbeit zitieren
Björn Peinemann (Autor:in), 2009, Die globale Finanzkrise. Ursachen, Bedeutung und Folgen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152972

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