Achatschnecken im Klassenzimmer. Tierhaltung in der Schule zur Förderung sozialer Kompetenzen


Examensarbeit, 2009

66 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung:

1. Einleitung
1.1 Begründung der Themenwahl
1.2 Darstellung der Lehrerfunktionen
1.3 Legitimation des Unterrichtkonzeptes

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Was Kinder an Tieren fasziniert
2.2 Gründe für die Tierhaltung an der Schule
2.1.1 Vor- und Nachteile des Terrariums

3. Zusammenhang zwischen der Lebenswelt der Lerngruppe und ihrem Sozialverhalten
3.1 Vorstellen der Lerngruppe
3.2 Tierhaltung und Grundzüge sozialen Verhaltens - ein Vergleich der Lerngruppe mit deutschlandweiten Ergebnissen
3.3 Konsequenzen aus der Meinungsumfrage

4. Konzeption des Unterrichtsvorhabens
4.1 Vorstellung des Unterrichtskonzepts
4.1.2 Vorüberlegungen zur Auswahl des Tieres am Beispiel der » Großen Achatschnecke«
4.2 Lernvoraussetzungen
4.3 Durchführung des Unterrichtskonzepts „Wir richten ein Terrarium mit Achatschnecken ein
4.3.1 Die Planung
4.3.2 Die Durchführung
4.3.3 Die Betreuung

5. Fazit
5.1 Die Veränderungen im Sozialverhalten der Lerngruppe nach dem Projekt
5.2 Schlussfolgerungen

6. Abschlussbemerkungen

7. Literaturverzeichnis

Anhang

Tiere bieten dadurch die Chance

Soziale und emotionale Kompetenzen

der Kinder und Jugendlichen zu fördern und dadurch

Kommunikation, Interaktion und Lernen zu erleichtern.“[1]

1. Einleitung

1.1 Begründung der Themenwahl

„Die Welt der Menschen bedeutete Konfrontation. Die Welt meiner Pflanzen- und Tierfreunde jedoch war einfach ein Spielplatz für Kooperation“[2]

„Die Klasse ist unheimlich lieb und nett, aber Gruppenarbeiten können Sie dort schlecht durchführen, denn untereinander gibt es immer wieder Streit und großes Chaos. Viele können nicht miteinander arbeiten, achten Sie deshalb darauf, wer neben wem sitzt.“ Das waren die ersten Worte, die die Klassenlehrerin an mich richtete, als ich ihre sechste Klasse in Biologie unterrichtete. Und ihre Worte bewahrheiteten sich, fast wöchentlich wechselten die Zusammenstellungen an Schülern und Schülerinnen[3], die miteinander ein konfliktträchtiges Verhältnis zeigten und weit auseinander gesetzt werden mussten. Jegliche Art des kooperativen Arbeitens war von der Vorrausetzung geprägt, dass die Schüler sich ihre Gruppenmitglieder selbst aussuchen konnten. Besonders die für die Altersstufe typische Abgrenzung der Geschlechter ging soweit, dass geschlechtsheterogene Gruppen auch in sehr kurzen Arbeitsphasen nicht miteinander arbeiten konnten. Nach einer Unterrichtsstunde sprach ein Schüler mich auf das Aquarium an, das in einer Raumecke auf einem Spültisch stand. Es zeigte sich, dass dieses vollfunktionsfähig war, aber keine weitere Verwendung mehr fand. In der nächsten Unterrichtsstunde wurde dies thematisiert und sofort war das Interesse aller Schüler geweckt, es mit Tieren zu besetzen. So entstand die Idee des Projekts „ Wir richten ein Terrarium mit Achatschnecken ein “.

Doch wie ist der Einsatz von Lebewesen in der Schule zu realisieren? Welcher organisatorischer Aufwand steckt hinter dem Einsatz von Tieren und von wem ist er zu leisten? Inwieweit können Lebewesen als Miterzieher wirken und eine reziproke Erziehung der Schüler bewirken und welchen Effekt hat der Einsatz von Lebewesen auf Schüler? Diese Fragen sollen, indem sich der Fokus auf die erzieherischen und organisatorischen Dimensionen des Einsatzes richten, in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden.

Der Biologieunterricht soll nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch die Liebe und Achtung der Natur im Sinne der Nachhaltigkeit erwecken und fördern. Gerade für Schüler, die nicht in ländlichen Regionen aufwachsen und bedingt durch ihr soziales Umfeld nur wenige Erfahrungen mit der Natur machen, ist der Praxisbezug, das Erleben und Lernen auf sensomotorischer, emotionaler, sozialer und kognitiver Ebene unabdingbar.

Das Hauptziel des Projektes besteht nicht darin, zu zeigen, dass der Einsatz von Lebewesen in Schulen die Leistungen beziehungsweise den Lernzuwachs erhöhen, sondern dass die Schüler einen sozialen Lernzuwachs haben und es zu einem Ausbau der Sozialkompetenz kommt. In Bezug auf die Haltung von Schnecken liegen mir dazu keine empirischen Befunde vor.

Durch die Tierhaltung sollen die Schüler lernen kooperativ zu arbeiten, zu planen und zu organisieren, gleichzeitig wird, indem alle Schüler Regeln und Verpflichtungen eingehen und eine reziproke Verantwortung tragen, die Klassengemeinschaft gestärkt.

Da es im gleichen Jahrgang eine Profilklasse (Forscherklasse) gibt, die öfter als andere Klassen an Wettbewerben teilnimmt und sich durch ihre Leistungen von den anderen Klassen abhebt, bietet das Projekt den Schülern die Möglichkeit, sich ebenfalls zu profilieren und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Die Inhalte des Kernlehrplans in der Orientierungsstufe sind meines Erachtens stark von dem Nutzgedanken der Fauna und Flora für den Menschen geprägt. So wird von „Nutztieren und Nutzpflanzen“ gesprochen und gleichzeitig der Humanbiologie ein großes Feld eingeräumt.[4] Dies birgt gerade für Schüler, die in der Stadt aufwachsen und nur bedingt Erfahrungen mit (Haus-)Tieren haben, die Gefahr in sich, dass Lebewesen als Objekte begriffen werden, deren Wert sich nach der Nützlichkeit für den Menschen berechnet. Die Einrichtung eines Terrariums mit Schnecken, die zumeist als Schädlinge mit Ekel wahrgenommen werden, bietet zudem verstärkt die Möglichkeit Lebewesen in ihrer Einzigartigkeit und Bedeutung innerhalb eines Systems, der Natur, zu erkennen.

Gleichzeitig ermöglicht das Projekt erste biologische Arbeitsweisen zu erlernen, indem die Schüler sowohl das Beobachten, Beschreiben als auch das Deuten erlernen und selbstständig in Gruppen biologische Versuche planen und durchführen.

1.2 Darstellung der Lehrerfunktionen

Vordergründig geht es bei diesem Projekt somit um den Erwerb der Sozialkompetenz und gleichzeitig, indem auch die Methoden- und Sachkompetenz gefördert werden, um den Erwerb der Handlungskompetenz[5]. Das Unterrichtskonzept fordert von den Schülern das eigene Verhalten so auszurichten, dass eine gemeinschaftliche Handlungsorientierung, die artgerechte Haltung von und artgerechte Arbeit mit Lebewesen, ermöglicht wird. Soziale Einstellungen und Werte müssen vermittelt werden, die es den Schülern ermöglichen, sich zu einer erfolgreichen Gruppe zusammenzufinden, die die Verantwortung für einen sorgsamen Umgang, für die Pflege und das Arbeiten mit den Lebewesen trägt. Somit steht einerseits die Lehrerfunktion des Erziehens in Mittelpunkt, gleichzeitig fordert die Haltung von Tieren in Schulen ein hohes Maß an Organisation, sodass andererseits auch die Lehrerfunktion des Organisierens im Fokus des Projektes steht. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebewesen und ein erfolgreiches Arbeiten untereinander können nur dann erreicht werden, wenn neben der Vermittlung von ethischen Werten und der Anleitung zur Selbstorganisation und auch fachspezifische Inhalte vermittelt werden. Kenntnisse über die biologische Arbeitsweise des Versuchsaufbaus und Kenntnisse über die die Lebewesen, ihre Haltungsbedingungen und die Erarbeitung möglicher Fragestellungen für Untersuchungen fallen in den Bereich der Lehrerfunktion des Unterrichtes und diese begleitet die Arbeit mit den Lebewesen.

Eine Evaluation in Form eines Fragebogens vor der Unterrichtsreihe bestätigte den Handlungsbedarf, indem die Schüler deutliche Abneigungen gegen beziehungsweise negative Erfahrungen mit kooperativen Lernformen offenbarten ( s. Kap. 3.2) und deutliche Unkenntnisse im Umgang mit Lebewesen zeigten. Die Evaluation nach der Unterrichtsreihe ließ eine Überprüfung des Erfolgs dieses Konzeptes zu, gleichzeitig ermöglichte sie eine Reflexion des Projektes.

1.3 Legitimation des Unterrichtkonzeptes

Wenngleich die Tierhaltung in der Schule im Kernlehrplan für das Fach Biologie für die Jahrgangsstufen 5 – 9 in Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen nicht explizit gefordert wird, finden sich einige Hinweise bezüglich der Aufgaben und Funktionen des Biologieunterrichtes, die die Tierhaltung legitimieren.

„Der Biologieunterricht ermöglicht den Schülerinnen und Schülern die unmittelbare Begegnung mit Lebewesen und der Natur. Sie verstehen die wechselseitige Abhängigkeit von Mensch und Umwelt und werden für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur sensibilisiert. Primäre Naturerfahrungen können einen wesentlichen Beitrag zur Wertschätzung und Erhaltung der biologischen Vielfalt leisten und die Bewertungskompetenz für ökologische, ökonomische und sozial tragfähige Entscheidungen anbahnen und ästhetisches Empfinden wecken.“[6]

Während andere Bundesländer wie Berlin[7] die Tierhaltung ausdrücklich in Rahmenplänen fordern, sind für Nordrhein-Westfalen „außerschulische Lernorte von hoher Bedeutung [seien], da sie die Möglichkeit einer vielschichtigen und konkreten Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fragestellungen sowie Begegnungen mit dem Original ermöglichen.“[8] Die Möglichkeit, außerschulische Lernorte zu besuchen ist meines Erachtens im Zuge der G8 Reform eingeschränkt, zudem kann die von dem Kernlehrplan geforderte Sensibilisierung und Erkenntnisgewinnung der Schüler nur dahingehend erreicht werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg mit Lebewesen in Kontakt stehen, emotionale Beziehungen aufbauen und lernen, Verantwortung zu tragen.

Das mit dem Kernlehrplan konformgehende schulinterne Curriculum gibt unteranderem als Inhaltsfelder in der Orientierungsstufe die Angepasstheit von Tieren an verschiedene Lebensräume, Biotop- und Artenschutz und die Unterscheidung zwischen Wirbeltieren und Wirbellosen vor, diese sind einzugliedern in die Basiskonzepte „Struktur und Funktion“, „System“ und „Entwicklung“.[9] Diese Vorgaben lassen hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung Freiräume für eigene Schwerpunktsetzungen, gleichzeitig ist die Abfolge der Unterrichtsreihen nicht festgelegt. Das Projekt bietet die Möglichkeit, die Inhaltsfelder miteinander zu verbinden, indem die Schüler Aspekte der Anpassung an Lebensräume, und die Bedeutung von Artenschutz erarbeiten und erkennen. Durch die Haltung von Wirbellosen kann zudem das Feld „Unterschiede zwischen Wirbellosen und Wirbeltieren“ erarbeitet werden (s. Kapitel 4). Gründe für den Einsatz von Tieren im Unterricht, die Beziehung zwischen Tieren und Kindern und die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs werden in Kapitel 2 erläutert.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Was Kinder an Tieren fasziniert

„Wenn Menschen Kinder oder auch Tiere quälen, möchte ich wie ein Tiger auf die Missetäter springen und sie packen.“ (Astrid Lindgren)

99% aller Kinder wünschen sich ein eigenes Haustier war das Ergebnis einer Umfrage Klimkes.[10] Was ist es, das Kinder so an Tieren fasziniert? Worin liegt die besondere Beziehung von Kindern und Tieren? Ein wesentliches Merkmal von Haustieren stellt sicherlich das durchaus sichtbare und fühlbare Vertrauen gegenüber ihren Besitzern dar. Das eigene Haustier wird nicht selten als bester Freund angesehen, der alle Geheimnisse für sich behält, mit dem man spielen kann, den man beobachten kann, der sich streicheln lässt und ein ständiger Begleiter und Beschützer ist. Bezieht man den prozentualen Anteil der Kinder mit ein, der ohne Geschwister aufwächst, wird die Bedeutung eines Haustieres als Spielkamerad noch deutlicher. Nach Angaben von Unicef wachsen 30 % der Kinder in Deutschland alleine auf.[11] Wenngleich sich der prozentuale Anteil seit 1990 nicht verändert hat, sind deutliche Umstrukturierungen in der Umwelt der Kinder zu beobachten (s. Kap. 2.2) Doch Haustiere fordern auch die Einhaltung von Regeln und Disziplin, sie fordern ebenso Kompromisse. Vielen Kindern fehlen diese Erfahrungen, da Tierhaltung aus finanziellen Gründen, aus Zeitmangel oder durch räumliche Gegebenheiten (Großstadt) nicht möglich ist. Der Wunsch von Kindern nach einem eigenen Tier wird, vor allem in der Stadt, immer seltener erfüllt. Somit ist davon auszugehen, dass längst nicht alle 99% der Kinder auch eigene Tiere haben.

Während 1995 nur 38% der 13-16 Jährigen angaben, keine Haustiere zu besitzen[12], liegt die Zahl nach Umfragen des Institutes für Demoskopie Allensbach 2009 in Deutschland bei über 14 Jährigen bei 62%.[13] Wenngleich das unterschiedliche Alter der Befragten zu berücksichtigen ist, scheint sich die Tendenz durchzusetzen, keine Haustiere mehr zu halten.

2.2 Gründe für die Tierhaltung an der Schule

„Ein Zoo in der Schule spricht gleichzeitig Gefühl und Verstand an und vereint so die beiden Grundzüge des Menschen, die in der modernen Erziehung auf schmerzliche Weise auseinanderdividiert sind: Die Familie ist für die emotionale Seite der Kindererziehung zuständig, die Schule für den Verstand. Beides gehört aber zusammen, und es stünde der Schule gut an, ihren pädagogischen Auftrag auch im Blick auf die emotionale Entwicklung von Kindern zu verstehen. "[14]

Die (temporäre) Tierhaltung in der Schule wird von vielen Didaktikern als fundamentale Voraussetzung für den Biologieunterricht angesehen. Heimerich spricht von Tierhaltung als wesentliches Element des Biologieunterrichts, da die Biologie als Lehre von den Lebewesen und deren Lebensäußerungen keinesfalls auf lebende Organismen verzichten könne.[15] Doch Tierhaltung in der Schule bedeutet eine enorme Verantwortung zu tragen, nicht nur für die Lebewesen selbst, sondern auch für die Schüler, die weder sich selbst noch die Tiere in Gefahr bringen dürfen. Gleichzeitig ist die Tierhaltung je nach Art der Tiere mit Kosten verbunden und zuguterletzt mit einem erheblichen Zeit- und Organisationsaufwand. Was also begründet es, Tiere in der Schule zu halten, sie zu beobachten, zu pflegen und mit ihnen Schulexperimente[16] durchzuführen? Es sind fachliche, didaktische und erzieherische Ziele, die mithilfe der Tierhaltung angestrebt und erfüllt werden können.

Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in Bezug auf die Lebenswelt der Schüler kennzeichnet sich durch eine zunehmende Technologisierung, immer neuere Medien werden den Schülern im privaten und schulischen Bereich zugänglich, deren Umgang (u.a. Medienkompetenz) von den Schülern gefordert wird. Immer weniger Kinder wachsen im Kontakt mit der Natur und mit Tieren auf, Bergler spricht an dieser Stelle von einer zunehmenden Entfremdung des Menschen von Natur und Kreatur und einer gleichzeitig ansteigenden Welt des Fernsehens, der Alltagsaggressionen, der zwischenmenschlichen Konflikte und Verhaltensstörungen.[17] Gleichzeitig zeigt der „Bio-Boom“ die zunehmende Brisanz des Themas Arten- und Naturschutz.

Wie sollen Schüler, deren Lebenswelt zunehmend medial dominiert ist und die ihre Freizeit anstatt mit (Schul-)Kameraden vor dem Computer verbringen, deren mangelnde Sozial- und Fachkompetenzen nicht nur in der Schule beklagt werden, Achtung vor Lebewesen und ihrer Um-/ Mitwelt vermittelt werden? Wie sollen ihnen soziale Kompetenzen vermittelt werden? Indem man fragt, wodurch Kinder lernen. Sie lernen durch kontinuierliche verbale und nonverbale Gespräch mit sich selbst, den Dingen, den Tieren und den Menschen. Sie lernen durch die Eroberung der Welt durch Misserfolg und Erfolg, durch Beobachtung und Zielorientierung, Abwechslung und Fantasieanregung und soziale Anregung und Unterstützung.[18] Die Arbeit mit Tieren im Biologieunterricht schafft eben diese Bedingungen, einen forschend- entdeckenden Lernzugang, indem Schüler beispielsweise eigenständig Schulexperimente planen. Gleichzeitig erhöhen lebende Organismen die Motivation der Schüler und regen, wie bereits Heimerich[19] anmerkt, die Denk- und Selbsttätigkeit an. Der Zusammenhang zwischen Motivation, Selbsttätigkeit und Lerneffektivität ist unbestritten.[20] Und gelernt und erarbeitet werden, neben entsprechenden fachlichen Inhalten, vor allem instrumentelle Fertigkeiten und biologische Methoden (Fach- und Methodenkompetenz). Gleichzeitig ist, wie bereits erwähnt, die Haltung von Tieren nur durch Einhaltung von Regeln, dem Tragen von Verantwortung und dem Zusammenarbeiten aller möglich (Selbst- und Sozialkompetenz).

Handlungskompetenz, forschend-entdeckendes und selbstständiges Lernen, Motivation und eine hohe Lerneffektivität sind einige der Leitmotive und Ziele, die Schule vermitteln bzw. die Schüler erreichen sollen. Schüler, die bedingt durch die berufliche Belastung der Eltern, aber auch veränderte Erziehungsstile gekennzeichnet sind, zeigen, wie das Generationsbarometer 2009 (s.Kap. 3.2) verdeutlicht, deutliche Defizite im Wertebewusstsein (Verantwortung, Ordnung, Pünktlichkeit, Disziplin).

Olbrich weist auf Ergebnisse Poreskys (1990) und Bergesen (1989) hin, die zeigten, dass das Mitgefühl mit einem Tier auch mit empathischem Verhalten gegenüber Menschen korreliere. Zudem sei das Erleben des Selbstwertes bei Kindern, die ein Tier in der Schulklasse versorgten, nach neun Monaten signifikant gestiegen.[21]

Wie Forschungen C. Sparrers im Hinblick auf die Auswirkungen der Eselpflege auf das sozial-emotionale Verhalten der Schülerinnen an einer Schule für Erziehungshilfe ergaben, findet eine Stärkung des Selbstbewusstsein und der Frustrationstoleranz tierpflegender Schüler statt. Gleichzeitig kommt es zu einem Abbau und der Kontrolle von Aggressionen und Ängste, da Schüler neue Durchsetzungsstrategien erlernen. Die Schüler werden für die Gefühlslage ihrer Mitschüler sensibilisiert und entwickeln ein Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein gegenüber den Tieren, das sie auf das persönliche Verhalten in der Schule übertragen.[22] Sparrers Ergebnisse legen nahe, dass der Umgang mit Tieren zu Veränderungen im Sozialverhalten führt und gleichzeitig auch die Fähigkeit zur (Selbst-) Organisation der Schüler trainiert. Gleiches bestätigen die Umfrageergebnisse Berglers. In seinen Studien wurden Grundschullehrer bezüglich ausgeprägter Merkmale von Kindern mit Heimtieren befragt. An der Spitze stehen dabei die Merkmale: Verträglichkeit/ weniger aggressiv (24%), ausgeprägtes Sozialverhalten (22%) und Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein (22%).[23] Befragungen der Grundschullehrer bezüglich der positiven Auswirkungen die Entwicklung und Verwirklichung von Wert- und Zielvorstellungen bei Kindern mit Heimtieren zeigten, dass die Auswirkungen vor allem das Lernen von Verantwortungsbewusstsein, Selbstständigkeit und Pflichtbewusstsein (85%), die Integrationsfähigkeit (62%) und die Disziplin (47%) bei diesen Kindern positiv beeinflussen. Heimtiere stellen somit eine Art Training für die Entwicklung sozial verantwortlichen Handelns dar und sind Miterzieher.[24]

Um zu begreifen, dass die Umwelt gleichzeitig eine Mitwelt ist, die es zu erhalten und zu schützen gilt, müssen Schüler in direktem Kontakt mit dieser stehen und lebendige Organismen als Teil der Umwelt verstehen. Mangelndes Interesse oder Gleichgültigkeit gegenüber der Mit- und Umwelt kann nur dann abgebaut werden, wenn die Umwelt, das heißt die Menschen, Tiere und die Natur, als etwas Interessantes und Wertvolles erkannt wird. Durch die Haltung von Tieren in der Schule kann die Einsicht vermittelt werden, dass jeder einzelne Teil der Umwelt wertvoll ist, da er in einem ökologischen Zusammenhang steht und somit in den Schülern die Bereitschaft wecken, allen Lebewesen gewisse Ansprüche zuzugestehen und ihren Lebensraum zu schützen. Der Umgang mit Insekten, Reptilien oder Lurchen oder Schnecken stellt die Schüler im Gegensatz zur Haltung von Säugetieren oder Nagern vor eine weitere Herausforderung. Sie müssen lernen Furcht und Ekel zu überwinden und Berührungsängste abzubauen. Dies stellt sicher eine der größten Herausforderungen dar, da es hier um den Abbau moralischer und gesellschaftlicher Wertungen mithilfe gegenseitiger Unterstützung der Schüler geht.

2.1.1 Vor- und Nachteile des Terrariums

Wenngleich Tiere, die in Aquarien oder Terrarien gehalten werden, nicht die Bedürfnisse stillen können, die die typischen Haustiere (Hund, Katze, Nager) erfüllen, bietet die Nutzung von Terrarien sowohl ökonomische, fachliche als auch didaktische Vorteile, die im Folgenden dargestellt werden. Die Recherche nach Literatur bezüglich einer möglichen Förderung des Sozialverhaltens durch die Haltung von Schnecken/ Wirbellosen beziehungsweise durch die Einrichtung eines Terrariums blieb erfolglos. Die Literatur zur Tierhaltung in Schulen (Sek. I,II) bezieht sich zumeist auf Säugetiere und ist größtenteils sehr veraltet Die mir zugängliche Literatur bietet im Bereich der Terrariennutzung keine konkreten Hinweise auf (didakische) Vor- und Nachteile der u.g. Lebewesen. Die Gegenüberstellung erfolgt auf Grundlage eigener Erfahrung der Haltung dieser Tiere.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Zusammenhang zwischen der Lebenswelt der Lerngruppe und ihrem Sozialverhalten

3.1 Vorstellen der Lerngruppe

Die im Folgenden dargestellten Umfrageergebnisse wurden in einer Klasse 6 des Gymnasiums D. erhoben, die aus insgesamt 25 Schülern besteht, von denen zehn weiblichen und 15 männlichen sind.[25] Die Schule liegt nahe der D.er Innenstadt und wurde 2008 von knapp 900 Schülern besucht. Die Gesellschaftsschichten, aus denen die Schüler entstammen, sind heterogen und bilden gleichzeitig die demografische Situation des Stadtteils wider, indem sowohl Schüler aus bildungsfernen als auch aus der mittleren Bildungsschichten die Schule besuchen. Gleiches gilt für den Migrationsanteil der Schule, der abhängig von der Schulstufe im Durchschnitt bei 48 % liegt. Diesem Anteil entsprechend weist die im Folgenden vorgestellte Klasse 6 mit 13 von 25 Schülern einen hohen Migrationshintergrund auf, wobei sowohl die Sprachkenntnisse als auch die Familienverhältnisse im Sinne des Mitwirkens an schulorganisatorischen Belangen als durchaus gut zu bewerten sind. Die Schüler sind größtenteils türkischstämmig, wobei auch Schüler aus Griechenland, Persien und einer Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawiens die Klasse besuchen. Alle der 25 Schüler wohnen in D., ein großer Anteil im gleichen Stadtteil der Schule und entstammen ebenfalls der bildungsfernen bis mittleren Gesellschaftsschicht, wobei die Differenzen bezüglich der Bildung in den unterschiedlichen Elternhäusern sehr hoch sind. Weder der Klassenlehrerin noch mir sind familiär und/ oder finanziell hochproblematische Elternhäuser in dieser Klasse bekannt. Nach Angaben der Schule und der Klassenlehrerin ist bei 10 Pozent der Schüler nur ein Elternteil sorgeberechtigt beziehungsweise leben die Eltern getrennt.

Dass Tierhaltung in den meisten Elternhäusern der Schüler keine beziehungsweise eine geringe Rolle spielt, zeigte sich mir während der Planung des Projektes, als einige Kinder den Vorschlag machten, ein Kaninchen oder einen Affen in dem Terrarium zu halten oder einen Hund im Fachraum anzuschaffen. Hier wurden defizitäre Konzepte zur Tierhaltung und Ansprüchen von Tieren deutlich.

3.2 Tierhaltung und Grundzüge sozialen Verhaltens - ein Vergleich der Lerngruppe mit deutschlandweiten Ergebnissen

Vergleicht man nun die deutschlandweiten Ergebnisse bezüglich der Tierhaltung in Haushalten mit denen der Klasse 6, dann zeigt sich, dass die Situation in der Klasse die Situation Deutschlands widerspiegelt. Die Forschungsergebnisse des GfK Marktforschungsinstituts Nürnberg und des Institut für Demoskopie Allensbach ergaben, dass zwischen 36-38 % der Deutschen Haustiere halten, gleichzeitig erachten 74 % der über 14 Jährigen es für unwichtig, sich um Tiere zu kümmern.[26] Daraus lässt sich schließen, dass 12 % der Tierhalter in Deutschland die eigene Haustierhaltung als marginal befinden. In der Klasse 6 wachsen 36% der Schüler im Elternhaus zusammen mit Haustieren auf, fünf der Schülerinnen und vier der Schüler besitzen entweder eine Katze, einen Hund, Fische, Kaninchen oder Mäuse. Lediglich 6 % dieser Schüler kümmert sich selbstverantwortlich um das Tier/ die Tiere. Die restlichen 33 % teilen sich die Arbeit oder tragen gar keine Verantwortung für das Haustier. Zu Beginn des Projektes wurden die Schüler sowohl bezüglich ihrer Einstellung gegenüber kooperativen Arbeitsformen als auch ihres Vorwissens zur Haustierhaltung befragt (s.Anhang S. 6 ). Der Fragebogen wurde bewusst mit nur drei anstatt vier Antwortmöglichkeiten konzipiert, da die abgefragten Themenbereiche eine eindeutige Entscheidung für die Schüler oftmals unmöglich machen. Inwieweit beispielsweise Unruhe in Gruppenarbeitsphase empfunden wird, hängt von der Lehrperson, dem Thema und der Gruppenzusammensetzung ab, sodass zu erwarten war, dass die Schüler keine eindeutige Einordnung treffen können. Eine vorher durchgeführte Umfrage verdeutlichte die Problematik.[27].

Abbildung 1 gibt Aufschluss über die Einschätzung der Schüler bezüglich der Aufgaben und Pflichten von Tierhaltern. Wenngleich alle dort genannten Bereiche zu den Aufgaben und Pflichten von Tierhaltern gehören, zeigten einige Schüler deutliche Unsicherheiten in der Zuschreibung der Verantwortung. Gerade die Bereiche „Kosten des Tieres“ und „Beschäftigung des Tieres“ verdeutlichen Defizite in den Kenntnisse der Schüler über Tierhaltung. Signifikant erscheint ebenso, dass sowohl die Verantwortung von Tierhaltern für eine Unterbringung im Urlaub, als auch einen sorgsamen Umgang mit den Tieren zu pflegen nicht von allen Schülern als grundlegend erkannt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Beurteilung der Aufgaben und Pflichten von Tierhaltern (n=23)

Wenngleich mir keine Literatur mit aktuellen Forschungsergebnisse bezüglich der Vorerfahrungen von Schülern Deutschlands mit der Haustierhaltung und der Erfahrungen mit Tierhaltung im Biologieunterricht vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse der Klasse, bezieht man die prozentuale Verteilung der Haushalte mit Tieren in Deutschland mit ein, die Situation von Schülern aus Großstädten verdeutlichen.

Über die Vorerfahrungen der Schüler mit Versuchen und Beobachtungen an Lebewesen im Biologieunterricht gibt Abbildung 2 Aufschluss. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass lediglich 9 % der Schüler sowohl im Sachkundeunterricht in den Grundschulen als auch in der Orientierungsstufe bislang Erfahrungen in der biologischen Arbeitsweise des Beobachtens und Experimentierens mit Lebewesen gemacht haben. Tierhaltung fand an keiner Grundschule statt. 13 % der Schüler gaben an, dass sie bei Exkursionen Vögel oder Insekten beobachtet hatten beziehungsweise anhand Fertigpräparaten erste „Beobachtungen“ im Unterricht tätigten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vorerfahrungen im Umgang und in den Arbeitsweisen mit Lebewesen im Biologieunterricht n=23

Auf eine Selbsteinschätzung der Schüler in Bezug auf die eigene Einschätzung im Bereich Verlässlichkeit (auch Pünktlichkeit), Verantwortungsbewusstsein und Ordnung (im Sinne von Organisation) wurde verzichtet, da meines Erachtens Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren zu derartigen Einschätzungen nicht fähig sind und die Aussagen keine quantifizierbaren Ergebnisse dargestellt hätten. In diesem Fall kann nur auf Aussagen von in dieser Klasse unterrichtenden Kollegen, Eltern und auf Beobachtungen meinerseits zurückgegriffen werden. Diese zeigten deutlich mangelnde Wertvorstellungen, sei es in Bereichen der Selbstorganisation, der Pünktlichkeit oder der Ordnung bei den Schülern. Ebenso wurden Defizite bezüglich des Verantwortungsbewusstseins im Bezug auf soziales Verhalten und im Umgang mit der Umwelt deutlich. Diese Beobachtungen lassen sich nicht nur in dieser Klasse tätigen, sie sind mittlerweile allgegenwärtig und nicht mehr nur in Schulen mit einem sozial schwachen Klientel oder einem hohen Migrationsanteil beschränkt. Wie das Generationenbarometer 2009[28] verdeutlicht, hat der in den letzten Jahren veränderte Erziehungsstil in Familien Deutschlands gravierende Folgen. Die Studie zeigt eindeutig, dass die Erziehung der Eltern den Fokus auf die Förderung des Selbstvertrauens, der Persönlichkeitsentwicklung und des Durchsetzungsvermögens der Kinder/ des Kindes richtet.

Tabelle 1: Wandel der Erziehungsziele, Befragung von Eltern (Ergebnisse des Generationsbarometers)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Mangel an Vermittlung von Werten und Orientierung steht mit an der Spitze der genannten Gesellschaftsprobleme. So empfinden 63% der Deutschen, dass Kinder zu wenige Werte und Orientierungen vermittelt bekommen, 60% finden, dass Kinder keine klaren Regeln und Vorgaben kennen und über die Hälfte meinen, dass Kinder häufig nicht erkennen, was richtig und was falsch ist. Fast die Hälfte der Deutschen (47%) denken, dass Kinder zu selten Verantwortung übernehmen müssen.

Die Studie zeigte zudem eine Zunahme der Erziehungsprobleme nach dem 10. Lebensjahr im Bereich der Unordnung (Zunahme von 15%) und egoistischem Verhalten (Zunahme von 12%).

Welche Bedeutung kommt der Schule als Sozialisationsinstanz zu? Umfragen der Studie in der Bevölkerung ergaben, dass 51% die Leistung von Schulen als unzureichend (nicht genug) einstuften und lediglich 19% als ausreichend (genug).

Auswirkungen mangelnder Werteorientierung, Defizite in sozialem und kooperativem Verhalten und ein Rückgang des Verantwortungsbewusstseins im Bereich der Einhaltung von Regeln und Vereinbarungen spiegeln sich auch in den Umfrageergebnissen der Klasse 6 wider. Tabelle 2 gibt Aufschluss über die Beurteilung und persönliche Einschätzung von Gruppenarbeit und kann insofern mit den Ergebnissen des Generationenbarometers vergleichen werden, als dass Gruppenarbeit als kooperative Methode sowohl soziale Kompetenzen, als auch Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit verlangt.

Tabelle 2: Vorerfahrungen mit/ Beurteilungen von Gruppenarbeit durch die Schüler (n=23)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Evaluation vor der Einrichtung des Terrariums zeigt, dass der Anteil der Schüler, die Gruppenarbeit als Unterrichtsmethode der Einzelarbeit vorziehen, deutlich höher ist, als der Anteil der Schüler, die lieber alleine arbeiten. Dennoch arbeiten über 20 %der Schüler lieber in Eigenorganisation, ein Fakt, der sich hinsichtlich der Einschätzung bezüglich des Unruheempfindens und des Streitpotenzials (43,5%) während der Arbeitsphasen erklären lässt. Fast die Hälfte der Klasse gab an, dass Gruppenarbeiten generell durch Unruhe und Störungen gekennzeichnet sind. Wenngleich nur ein 8,7 % der Schüler zugaben, Streitereien in Gruppenarbeiten zu erleben, sind es 60,9 %, die zumindest ein deutlich negatives Konfliktpotenzial zugaben. Dies lässt Rückschlüsse auf mangelnde Wertevermittlung, Probleme des Einfügens in Ordnungen und mangelndes Verantwortungsbewusstsein ziehen. Lediglich 65 % der Schüler erfahren Gruppenarbeiten als Möglichkeit, selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten zu können.

3.3 Konsequenzen aus der Meinungsumfrage

Aus den Ergebnisse dieser Umfrage, die vor dem Projekt beziehungsweise der Unterrichtsreihe „Wir richten ein Terrarium mit Achatschnecken ein“ durchgeführt wurde, aber auch aus eigene Beobachtungen im Unterricht und den Resultate des Generationenbarometers leitete sich für mich die Fragestellung ab, inwieweit die Tierhaltung in der Schule Veränderungen im verantwortungsvollen und sozialen Umgang der Schüler mit ihrer Mit- und Umwelt bewirken kann und somit auch den bereits erläuterten didaktischen Zielsetzungen der Haustierhaltung zu entsprechen vermag.

Die Mehrheit der Schüler besitzt keine eigenen Haustiere, gleichzeitig wachsen nur 60 Prozent der Schüler mit Geschwistern auf. Fast die gesamte Klasse besucht nach Unterrichtsschluss die Nachmittagsbetreuung in der Schule, während sich im Zuge des G8-Ganges die Stundenanzahl pro Woche erhöht hat. Somit stellt es keinen Sonderfall dar, dass die Schüler oftmals bis nachmittags um 15 Uhr in der Schule verbringen und zuhause angekommen ihre Freizeit mit dem Computer oder dem Fernseher verbringen. Für die Schüler ist die Selbstverständlichkeit des Zusammenlebens von Menschen und Tieren nicht mehr erkenn- und nachvollziehbar. Nach einer repräsentativen Bevölkerungs-Stichprobe des Meinungsforschungsinstitut tns-emnid (2007) stehen als Themen aus dem landwirtschaftlichen Umfeld, die in der Schule künftig verstärkt unterrichtet werden sollten, mit 97 % „Richtige Ernährung“ und „Umweltschutz“ an der Spitze. Wie soll Schule, wie sollen Eltern das Thema Umweltschutz ohne Praxisbezug Kindern als relevantes Thema für ihr eigenes Leben vermitteln?

Gleichzeitig gestaltet sich für die Schüler oft auch das Zusammenleben beziehungsweise das Zusammenarbeiten mit Mitschülern im Unterricht als problematisch. Die generelle Tendenz Meinungsverschiedenheiten oder Andersartigkeit mit Streitereien oder sogar mit Handgreiflichkeiten zu lösen, erschwert nicht nur das Unterrichten für die Lehrperson. Die Schüler selbst spüren die Auswirkungen ihres Verhaltens, indem sie ihrer Zusammenarbeit als unruhig und von Streit bestimmt erleben, was aus ihrer geringen Kompromissbereitschaft und mangelnden sozialen Kompetenzen resultiert. Nicht nur die Lebenswelt der Schüler auch die Zielsetzungen des Unterrichts und Anforderungen an die Schüler haben sich in den letzten Jahren verändert. Die Fähigkeit kooperativ arbeiten zu können hängt meines Erachtens unabdingbar mit der Ausbildung von Sozialkompetenz und der Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein zusammen. Sie wird nicht nur in der Schule, sondern auch in der Berufswelt gefordert und gleichzeitig wird es vielen Kindern immer deutlicher erschwert, kooperative Fähigkeiten zu entwickeln, da in ihrer Lebenswelt Kooperationspartner fehlen, sei es durch den Erziehungsstil der Eltern bedingt, durch fehlende soziale Kontakt oder, wie Bergler[29] und Heimerich[30] es belegen, durch fehlende Haustiere.

Daraus ergibt sich für mich die Notwendigkeit, den Schülern die Entwicklung der oben genannten Fähigkeiten zu ermöglichen, indem sie die Sinnhaftigkeit in verantwortungsbewusstem, kooperativen und sozialem Verhalten erkennen und dieses Verhalten für sich und die Mitmenschen als positiv erleben.

4. Konzeption des Unterrichtsvorhabens

4.1 Vorstellung des Unterrichtskonzepts

Aufgrund der vorliegenden Umfrageergebnisse ist es notwendig, ein Unterrichtskonzept zu entwickeln, welches emotionale und kognitive Umstrukturierungsprozesse einleitet, deren Ziel ein Erkennen und Verändern eigener Verhaltensweisen und Einstellungen gegenüber der Mit- und Umwelt ist.

Um die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Verhaltens gegenüber sich und allen anderen zu erkennen und zu verstehen, müssen sich die Bedingungen unseren Verhaltens und Fühlens verändern; Erfahrungen, Einstellungen und das Denken. Erfahrungen verändern sich dann, wenn wir etwas erfahren, Einstellungen, wenn wir uns auf etwas (Neues, Unbekanntes) einstellen, das Denken, wenn wir lernen (über uns und andere) nachzudenken. Somit muss ein Um- und Überdenken des eigenen Verhaltens stattfinden, um in einem zweiten Schritt eine wirkliche Verhaltensänderung zu erreichen, hin zu einem verantwortungsvollen, sozialen Miteinander.

Indem sich die Schüler Expertenwissen auf dem Gebiet Schneckenhaltung aneignen, erfahren sie nicht nur bislang Unbekanntes über die Tiere, sie erfahren gleichzeitig über sich, inwieweit sie eigenständig und in Gruppen arbeiten, planen und organisieren können, oder welche Ängste und Interessen sie haben. Gleichzeitig müssen sie sich auf eine neue Situation einstellen, indem sie sich ihren Aversionen stellen und einen Teil ihrer Zeit mit der Versorgung der Tiere oder in Arbeitsgruppen verbringen. Die emotionale Verbundenheit mit den Tieren, die sich einerseits durch das Beobachten und Erkennen der Bedürfnisse der Tiere, andererseits durch den engen Kontakt der Schüler mit diesen und einem Gefühl von Zusammengehörigkeit und Stolz über die investierte Arbeit ausbildet, sollen sie lernen, über sich und eigene Einstellungen und Werte nachzudenken.

[...]


[1] Fitting-Dahlmann, S. 2

[2] Jurzykowski, 1997, S. 83

[3] Anmerk.: Im Sinne der Übersichtlichkeit wird von nun an von der geschlechtsneutralen 3. Person Plural „Schüler“ gesprochen.

[4] Vgl. Kernlehrplan für das Fach Biologie für die Jahrgangsstufen 5 – 9 in Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen

[5] „Handlungskompetenz wird verstanden als die Bereitschaft des Einzelnen sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht, sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten” (Kultusministerkonferenz 5.2.99)

[6] Kernlehrplan für das Fach Biologie für die Jahrgangsstufen 5 – 9 in Gymnasien des Landes NRW, S. 10

[7] Bull, S. 44ff

[8] Kernlehrplan für das Fach Biologie für die Jahrgangsstufen 5 – 9 in Gymnasien des Landes NRW, S. 14

[9] Ebd. S. 29ff

[10] Klimke, S. 66

[11] Generationenbarometer 2009, Pressemappe zur Pressekonferenz

[12] Bergler (1995), S. 23

[13] Ifak Institut, Statistika 2009 http://de.statista.com/statistik/diagramm/studie/87984/umfrage/art-der-haustiere-im-haushalt/[13] Bergler (1995), S. 23

[14] Greiffenhagen, S. 86

[15] Heimerich, S. 50

[16] Anmerk.: Schulexperimente sind deutlich von Tierversuchen aus der Medizin oder Pharmaforschung zu unterscheiden, da schulische Experimente dem realitätsnahen Erkenntnisgewinn, der Wertevermittlung und der Wissensvermittlung dienen, ohne den Lebewesen zu schaden.

[17] Bergler (1995), S. 7

[18] Bergler (1995), S. 12

[19] Heimerich, S. 50

[20] Vgl. Krischke, S. 18ff

[21] Olbrich, S. 24, 27

[22] Fitting-Dahlmann, S. 5

[23] Bergler (1995), S. 64

[24] Bergler (1995), S. 65

[25] Anmerk.: Gegen Ende der Unterrichtsreihe vergrößerte sich die Klasse um einen Schüler, der ebenso in das Projekt integriert wurde, jedoch an den Umfragen nicht teilnahm, da er die Entwicklungsschritte der anderen Schüler verpasst hatte, somit wurde im Folgenden n=24 bzw. n=23 (Krankheitsfall) gesetzt. Zu berücksichtigen ist, dass die Stichprobe aufgrund der Gruppengröße von 24 Schülern zu gering für wissenschaftliche Auswertungen ist. Die Ergebnisse spiegeln das persönliche Empfinden der Schüler der Klasse wider bzw. resultieren aus Beobachtungen durch Lehrpersonen und Eltern.

[26] Institut für Demoskopie Allensbach: http://de.statista.com/statistik/diagramm/studie/11678/umfrage/sich-um-tiere-zu-kuemmern-besonders-wichtig/#info

[27] Anmerk.: Zudem zeigte sich bei der Auswertung, dass die Schüler die Umfrage ernst nahmen und die mittlere Kategorie („stimmt weniger“) nicht auffällig oft als Erleichterung der Entscheidung genutzt wurde

[28] Generationenbarometer 2009, Pressemappe zur Pressekonferenz

[29] Bergler (1995),S. 61ff

[30] Heimerich, S. 50

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Achatschnecken im Klassenzimmer. Tierhaltung in der Schule zur Förderung sozialer Kompetenzen
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
66
Katalognummer
V151758
ISBN (eBook)
9783668197183
Dateigröße
1648 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schnecken, Terrarium, Arbeit mit Tieren, Empathie, Motivation
Arbeit zitieren
Frauke Preiss (Autor:in), 2009, Achatschnecken im Klassenzimmer. Tierhaltung in der Schule zur Förderung sozialer Kompetenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151758

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