Das poetologische Prinzip des Spaziergangs

Ein Spaziergang zweiten Grades


Essay, 2010

10 Seiten, Note: 6


Leseprobe


Ein Spaziergang zweiten Grades

Es gilt, das 'poetologische Prinzip des Spaziergangs'1 zu erklären. Hiervon später. Der Kaffee schmeckt einzigartig. Ich bin mir der äussersten Notwenigkeit bewusst, meine Notizen zuerst vollständig zu ordnen und zu sichten, zu sichten und zu ordnen. Für diese grossartige Aufgabe brauche ich die nötige Ruhe, um meine Notizen zu ordnen und zu sichten, bevor ich es endlich niederschreiben kann. Ein Studierzimmer, eine Denkkammer. Dunkel, nur keine Ablenkung. Nicht jetzt. Wo ich endlich meine Aufgabe in Angriff nehmen kann. Aber es ist äusserst wichtig, zuerst alle Informationen und Notizen zu sichten und zu ordnen. Lieber Leser, bist du dir der kolossalen Aufgabe denn bewusst, dieser Geschichte hinterher zu laufen und dabei durchzuhalten? Da taucht am Wegrand ein Wirtshaus auf, My Place. Das Bier schmeckt einzigartig. Die Akademie hat mir noch nie getaugt, wie mein alter Schulkamerad Johan Kramer.mmer sagte. Er sagte, ich hätte immer gesagt, die Akademie ist der grösste Feind der Freiheit im Staat. Der Staat macht uns alle gleich. Gleich wie, aber er hat uns immer alle Freiheit nehmen wollen und die Akademien sind sein rechter Arm. Die Akademie ist der liebste Feind der Freiheit. Davon später mehr. Er sagte auch, dass ich schon immer diese äusserst wichtige Arbeit zum 'poetologischen Prinzip des Spaziergangs'2 habe schreiben wollen. Es sei schon immer meine Stärke gewesen, meine Arbeiten zu Ende zu bringen, hat er gesagt. Johan Kramer.st aus gutem Haus. Seine Eltern haben eine kleine Wohnung in der Riedtligasse, direkt hinter dem alten Schlachthof. Auf der hinteren Seite des Blumengartens, den die Mutter bis zu ihrem Tode mit aller Liebe gestaltet hat, geht ein Abhang direkt zur Limm. Die Leute stürzen sich immer wieder in die Limm. Aber die Mutter hat das nie gestört, sagte er. Aber die Umstände müssen richtig sein. Es ist äusserst wichtig die Notizen zuerst zu sichten und zu ordnen, bevor ich mich überhaupt der Aufgabe stellen kann, sie in einer Arbeit zum 'poetologischen Prinzip des Spaziergangs'3 niederzuschreiben. Zum Beispiel gilt es festzuhalten, dass Johan und ich schon immer zusammen in dieses Wirtshaus gingen, dann ich darf mich hier nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten. In der Riedtligasse wären die Umstände richtig. Da könnte man sich endlich konzentrieren und die Arbeit zu Ende bringen. Denn er hat immer gesagt, dass ich in seiner Kammer an der Riedtligasse die schönsten Ideen gehabt hätte. In der Riedtligasse waren wir meistens gemeinsam. Wenn ich alleine war, habe ich gerne an der Wand gestanden und der Mutter bei der Arbeit im Blumengarten zugesehen. Sie hat ihre Arbeit immer gemacht. Es kann mir also nur in meiner Denkkammer an der Riedtligasse möglich sein, meine Arbeit niederzuschreiben. Das wusste ich. Denn eine Denkkammer ist immer zugleich auch eine Gehkammer. Nur im Gehen kann man Denken. Dachte ich mir und ging weiter ins Wirtshaus. Denn wäre es nicht vielleicht besser diese Arbeit gar nicht zu schreiben, dachte ich mir. Wenn nun nicht alle meine Notizen in der richtigen Ordnung sind. Oder wenn etwas passiert während ich in meiner Denkkammer bin an der Riedtligasse. Es kann immer wieder etwas passieren. Aber diese Notizen, immer wieder diese Notizen. Ich habe nach meinen ersten Jahren an der Akademie alle meine Notizen verbrannt. Ich wusste es konnte gefährlich werden. Aber Johan hat immer gesagt, es gelte die Notizen im Auge zu behalten. Vor allen Dingen die, welche ich in der Kammer an der Riedtligasse gemacht habe, denn diese sind die besten, hat er immer gesagt. Und nun liegen sie da, in der dritten Schublade von unten, im alten Sekretär der Mutter. Direkt am Fenster. Von da konnte ich sie immer im Blumengarten sehen. Sie hat gerne da gearbeitet. Nur mit diesen Notizen ist es mir überhaupt möglich, meine äusserst wichtige Arbeit über 'das poetologische Prinzip des Spaziergangs'4 endlich zu Ende zu bringen. Aber nur in meiner Kammer kann mir das glücken. Meine Kammer, mein Kerker. Nur wenn ich alleine in meiner Kammer bin, kann ich vielleicht meine Notizen endlich ordnen und sichten. Ich muss sie unbedingt zuerst ordnen und sichten, bevor ich meine Arbeit niederschreiben kann. Denn das ist essentiell. Nur darauf kommt es an. Dafür bin ich extra wieder in die Akademie gekommen, um endlich meine Arbeit über 'das poetologische Prinzip des Spaziergangs'5 einzureichen. Ich setze mich also an den Tisch der fahrenden Handwerksburschen. Die Mutter von Johan hat immer gekocht, aber darüber kann ich jetzt nicht nachdenken, denn ich muss unbedingt meine Arbeit niederschreiben. So sass ich bei Speck und Bohnen und dachte an die Zukunft unserer Nationen. Hierüber wird noch viel nachzudenken sein. Ich hätte auch bei meinen Studienkollegen aus der Zeit an der Promenade sitzen können. Aber ich ging direkt an ihnen vorbei und setze mich an den Tisch mit den Handwerksburschen. Bei ihnen fühle ich mich wenigstens sicher, denn es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Zum Beispiel mit diesen Notizen. Was, wenn die Notizen nicht mehr dort sind? Aber Johan hat nie jemanden anderes in meine Denkkammer hereingelassen. Denn nur da kann ich meine Arbeit endlich niederschreiben, wie ich weiss und Johan immer sagte. Die Studienkollegen am anderen Tisch essen Schweinebraten mit Kartoffelpuffern. Eigentlich würde ich lieber Schweinebraten essen. Ich will also zahlen, denn ich muss mich beeilen, wenn ich meine Arbeit zu Ende bringen will. Das Essen war einzigartig. Und ausserdem hat die Wirtshaustochter ein tiefes Dekollté und pralle Brüste. Das gilt es festzuhalten. Aber nur in meiner Denkkammer kann ich die Arbeit vollenden. Ich muss gehen, meine Notizen ordnen und sichten. Nur so kann ich es schaffen. An eine Korrektur ist nicht zu denken. Nicht in der Denkkammer an der Riedtligasse. Nur da kann ich es schaffen, hat Johan immer gesagt. Denn die Umstände müssen optimal sein. Das ist essentiell. Aber davon später mehr. Kaum draussen, da sehe ich 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Menschen in eine Richtung gehen, da muss was los sein, das wusste ich. Schon immer. Ich war schon in der Schule ein gescheitelter Knabe gewesen. Und ich wusste, dass ich meine Arbeit schreiben musste. Ein unheimlicher Reim. Das kann einem Angst einjagen. Aber die Tatsache, dass 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Menschen in eine Richtung streben, muss etwas bedeuten. Das könnte essentiell sein. Das wusste ich schon immer. Es kann ja nichts anderes bedeuten. Ich muss also meine Arbeit zu 'dem poetologischen Prinzip des Spaziergangs'6 beenden. Das muss so sein, denn wenn mehrere Menschen in eine Richtung streben, wie Johan schon sagte, und ich schon immer wusste, musste was los sein. Schon wieder dieser unheimliche Reim. Das ist beängstigend. Aber jetzt nur nicht ablenken lassen. Die Arbeit ist das Wichtigste. Nur darum kann es mir jetzt gehen. Das eingesehen zu haben, kann ich mir als eine grosse Leistung anrechnen. Das war sicher. Ich ging also in die Richtung dieser Menschen, obschon ich mir nicht sicher war. Aber das wusste ich. Denn das muss man einfach einsehen. Das ist doch klar für einen Professor des Lebens (Prof. Leb.). Aber die Arbeit kann nicht warten, denn nur jetzt kann ich sie endlich niederschreiben. In meiner Denkkammer, in meinem Schreib- und Geisterzimmer. Vielleicht liefen aber diese 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Menschen auch vor etwas davon. Darüber werde ich mir ein andermal Notizen machen. So gehe ich denn doch in der anderen Richtung davon. Da springt mir ein junges Mädchen vor den Weg. „Ei der Herr, wieso so traurig? Seid ihr denn nicht der hochgelobte Denker und Philosoph unserer Akademie, der so eindrücklich bewiesen hat, dass nur durch Tugendhaftigkeit bei der Erfüllung der vorbestimmten Aufgabe die wahrhafte Einsicht erreicht werden kann?“ Das muss ich mir unbedingt notieren. Immer wieder diese Notizen. Auf jeden Fall zuerst ordnen und sichten. Dann kann ich es vielleicht schaffen. Es herrscht äusserste Notwendigkeit, dass ich in diesem Zustand meine Arbeit über 'das poetologische Prinzip des Spaziergangs'7 endlich beenden kann. Drei Bier sind eindeutig genug. Das muss ich mir merken. Aber dazu später mehr. Ich brauche jetzt meine Denkkammer. Wenn ich doch wenigstens manchmal auf dem Kopf gehen könnte. Das wäre mir lieb. Denn was wäre der Philosoph ohne die Philosophie. Das wäre wie Gehen ohne zu Denken. Oder Denken ohne zu Gehen. Aber kann man überhaupt Gehen ohne dabei zu Denken? Johan hat immer gesagt ich denke zu viel, das sei gefährlich. Aber Johan Kramer.at sich umgebracht. Eigentlich ist er viel zu früh gestorben. Er hat immer gesagt, dass ich mich einmal erhängen werde, im Wahnsinn einmal Selbstmord begehe, dass ich einmal das Denken übertreiben werde. Oben am Baum, im Park vor der Akademie, da werde ich mich erhängen. Viel zu früh und vor meiner Zeit. Ich habe viel darüber nachgedacht und ich denke er hat recht. Aber Johan ist tot. Seine Mutter hatte frische Blumen zu seiner Beerdigung gebracht und allen Gästen die Hand gegeben.

[...]


1 Mit Fussnote

2 Mit Fussnote

3 Mit Fussnote

4 Mit Fussnote

5 Mit Fussnote

6 Mit Fussnote

7 Mit Fussnote

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Das poetologische Prinzip des Spaziergangs
Untertitel
Ein Spaziergang zweiten Grades
Hochschule
Universität Zürich
Note
6
Autor
Jahr
2010
Seiten
10
Katalognummer
V151539
ISBN (eBook)
9783640638468
ISBN (Buch)
9783640639021
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Erzählung, Spaziergang, poetologisches Prinzip, literarischer Spaziergang, 3-tägiger Spaziergang, Wissenschaftliche Arbeit
Arbeit zitieren
Liz. Phil. Michael Eugster (Autor:in), 2010, Das poetologische Prinzip des Spaziergangs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151539

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