Die Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes


Masterarbeit, 2010

143 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einle36itung

2 Methoden

3 Das Vermächtnis von Henry Dunant
3.1 Henry Dunant und das IKRK
3.2 Die Internationale Rotkreuz und Rothalbmond Bewegung
- Organisationsstruktur
- Schutzzeichen
- Grundsätze
3.3 Das Österreichische Rote Kreuz
- Aufgaben
- Organisationsstruktur

4 Die Grundlagen der Migrationspolitik des ÖRK
4.1 Basis
- Berlin-Charta
- Selbstverpflichtungen von Istanbul
- Migrationsstudie und Positionspapier des Österreichischen Roten Kreuzes
4.2 Prozess und Output

5. Zuwanderung, Integration und Einbürgerung
5.1 Migration
- Push und Pull Faktoren
- Migrationswege
5.2 Integration
- Assimilation
- Pluralistische Gesellschaft
- Kulturdifferenz als neue Form des Rassismus
5.3 Die Migrationspolitik in den klassischen Einwanderungsländern
5.4 Die Europäische Union als Barriere für Nichtmitglieder
5.5 Die Migrationspolitik Österreichs
- Einwanderungsland Österreich
- Fremdenrechtspakete
- Integrationsvereinbarung und Staatsbürgerschaft
- Vorhaben der aktuellen Regierung
5.6 Die Positionen des Österreichischen Roten Kreuzes
- Factbook
- Integration
- Zuwanderung und Staatsbürgerschaft
- Arbeit der aktuellen Regierung

6 Arbeitsmarkt, Bildung und Wohnen
6.1 Migration nach ökonomischen Gesichtspunkten
6.2 Arbeitsmigration nach Österreich
- Historisches
- Gesetzeslage
- Ethnische Segmentierung
6.3 Bildung von Migranten in Österreich
- Bildungsabschlüsse und Dequalifizierung
- Die Chancen der Kinder
- Deutsch als Zweitsprache
6.4. Wohnsituation von Migranten in Österreich
- Verteilung über Österreich
- Wohnstandard
- Erwerb von Immobilien
6.5 Positionen des ÖRK
- Arbeitsmarkt
- Bildung
- Sprachförderung
- Wohnsituation

7 Medien und Migration
7.1 Die Rolle der Medien
7.2 Die Position des ÖRK

8. Die Projekte im Migrationsbereich
8.1 Soziale Dienste und Zivilgesellschaftliches Engagement
8.2 AMBER-MED
8.3 MigraMobil
8.4 Deutschkurse
8.5 Integration durch Ehrenamt
8.6 Elongó und Startwohnungen

9 Zusammenfassung der Ergebnisse
9.1 Die Grundlagen der Migrationspolitik des ÖRK
9.2 Zuwanderung, Integration und Einbürgerung
9.3 Arbeitsmarkt, Bildung und Wohnen
9.4 Medien und Migration
9.5 Die Projekte im Migrationsbereich

10 Conclusio

11 Abkürzungsverzeichnis

12 Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis
- Bücher
- Internet
- Zeitungen und Zeitschriften

Anhang

1 E-Mail Befragung – Migrationsbeauftragte des ÖRK
1.1 Erste Befragung
1.2 Zweite Befragung

2 Interview mit dem Generalsekretär des ÖRK

3 Interview mit der Migrationsbeauftragten des ÖRK

Abstract

Migration ist ein Thema, das aus den Schlagzeilen nicht mehr wegzudenken ist. Keiner kann sich den Debatten über Einwanderung und Integration entziehen. Da viele Medienkonsumenten inhaltlich zu wenig über die Mechanismen der Wanderungsprozesse wissen, erhalten die Leser dieser Arbeit eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Formen von Migration. Zudem wird auf die Situation der Zuwanderer hinsichtlich ihrer Bildung, Arbeits- und Wohnsituation eingegangen.

Zwischen den einwanderungsfreundlichen und zuwanderungsskeptischen Staaten bestehen massive Unterschiede. Diese Differenzen werden anhand klassischer Einwanderungsländer und den Nationen der EU, insbesondere Österreich, gegenüber gestellt.

Während nach den Ereignissen von 9/11 viele Nationen hohe Mauern und Barrieren für Migranten errichteten, setzte die Rotkreuz Bewegung einen diametralen Akzent. Infolge der Regionalkonferenzen der Föderation der nationalen Rotkreuz und Rothalbmond Gesellschaften fand ab dem Jahr 2002 eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Migration statt. Diese Entwicklung beeinflusste das Wirken des Österreichischen Roten Kreuzes.

In dieser Arbeit wird versucht diese Tätigkeit der nationalen humanitären Organisation im Bereich der Migration hervorzuheben. Neben eigenen Projekten, Vorschlägen und Statements für eine zukünftige und aktuelle Migrationspolitik erhält der Leser einen Einblick über den Aufbau dieser internationalen Organisation.

Vorwort

Eine Diplomarbeit ist wie die Anfertigung eines Bildes. Zunächst ist alles voll von weißer Farbe. Der erste Pinselstrich ist der schwierigste. Nicht selten überlegt der Künstler, wo er damit beginnt. Vielleicht bessert er den breiten oder manchmal zaghaft ausgeführten Streifen immer wieder aus, denn die Unsicherheit vor dem Ganzen ist eventuell zu groß. Einige kommen über diese Phase nicht hinaus. Das Bild gelangt in den Schrank und wird möglicherweise nie vollendet werden. Andere wagen den nächsten Schritt und tasten sich mit jedem Strich langsam voran. Selbst, wenn sie das Gemalte wieder mit einer Deckfarbe ungeschehen machen müssen. Trotz dieser Fortschritte wird das eine oder andere Mal der Stolz über das Geschaffene von einem Zweifel begleitet werden. Letztendlich überwiegt beim letzten Strich das erhabene Glücksgefühl und der Schaffende kann es nicht glauben, ein Ende erreicht zu haben. Betrachter dieses Bildes werden die Nöte, Ängste, den Stolz und den Fleiß nicht in ihre Interpretation mit einfließen lassen. Für sie zählt nur der Augenblick, der über das Gefallen oder Missfallen entscheidet. Ein Maler sollte sich jedoch immer auf die Intention und den Entstehungsprozess seines Werkes zurückbesinnen. Niemals darf sein Wirken nur von positiver oder negativer Kritik alleine getragen sein.

In diesem Sinne möchte mich zunächst bei meinem Betreuer, Univ.-Prof. Gärtner, für seine professionellen Ratschläge und seine immerwährende Unterstützung bedanken. Die Ratschläge beim Entstehen der einen oder anderen Seminararbeit und bei dieser Arbeit waren immer äußerst hilfreich. Mein Dank gilt zudem seiner intensiven und schnellen Auseinandersetzung mit dem Geschriebenen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Werke so prompt und ausführlich beantwortet werden.

Mein Dank gilt zudem meiner Frau, die jedesmal sehr viel Geduld aufbringt, mich leitet und eine hervorragende Lektorin ist.

Für die Bereitschaft auf alle meine Fragen prompt einzugehen, möchte ich mich zuletzt bei Eulamie Esclamada sehr herzlich bedanken.

1 Einleitung

Wenige Tage vor Weihnachten 2009 entspann sich in Österreich eine höchst emotionale Debatte über die Errichtung eines dritten Aufnahmezentrums für Asylwerber[1]. In Geheimverhandlungen zwischen dem Bürgermeister des Zielortes und der Bundesministerin für Inneres (BMin.) Maria Fekter wurde die südburgenländische Gemeinde Eberau ausgewählt. Während der Ortsvorsteher an der Implementierung von Arbeitsplätzen interessiert war, lag das Interesse der Ministerin in der raschen Erfüllung der Regierungsübereinkunft. Diese sieht vor, neben den Zentren in Thalham und Traiskirchen, einen dritten Standort im Süden von Österreich zu bauen. Gerade weil die beiden Verhandlungsparteien eine Einigung erzielten, wütete gegen diese Entscheidung eine massive und hoch geladene Protestwelle. Sowohl die Einwohner, die per Flugblatt informiert worden waren, wie die burgenländischen Landespolitiker richteten ihren Zorn an die Paktierenden (vgl. Die Presse 2009a, 2009b).

Bereits nach kurzer Zeit wuchs eine Bürgerinitiative in Eberau heran, die sich dem Bau entgegenstellte. Gründe dafür wurden einige genannt. Dazu gehört die Angst vor der Kriminalität zukünftiger Asylwerber, eine zu geringe Gemeindegröße für 300 Aufzunehmende und das Ausbleiben von Gästen im Rahmen des sanften Tourismus. Wenige Monate vor der Wahl zum burgenländischen Landtag hob Landeshauptmann Niessl den Baubescheid aus formalen Fehlern auf. Die Ministerin drohte daraufhin mit dem Gang zu den Höchstgerichten. Weitere Munition erhielt der Konflikt durch Wortmeldungen von Politikern der Koalitionsparteien. Während Angehörige der Fraktion der Innenministerin Rückendeckung gaben, traten hohe Amtsinhaber der SPÖ für die Abweisung der Errichtung ein. Letztendlich landete die Auseinandersetzung bei der Regierungsspitze, die ihre jeweiligen Parteigänger unterstützte. Das Niveau bei dieser Debatte erreichte einen weiteren Tiefpunkt, indem die Geografiekenntnisse der ersten Klasse Mittelschule ausgepackt wurden, um die Himmelsrichtung Süden in Österreich zu definieren (vgl. Die Presse 2009b, 2009c, 2009d, 2009e, 2009f, 2009g, Prior 2010b).

Es scheint als möchte es sich kein hoher Vertreter der beiden Volksparteien ÖVP und SPÖ im Wahljahr 2010 mit einem Parteikollegen verscherzen. Neben dem Burgenland sind Landtagswahlen in Wien und in der Steiermark angesetzt. Deshalb fand die Definition Süden für das Bundesland Kärnten mehr wohlgefallen, als jene die mit dem Burgenland verknüpft ist. Postwendend meldete der Landeshauptmann von Kärnten Dörfler, dass eine Errichtung in seinem Bundesland auf keinen Fall in Frage käme. Der Ausgang dieser Debatte blieb bis zum heutigen Tag offen (vgl. Die Presse 2009h, Prior 2010a, 2010b).

Bei all diesen Diskussionen fällt auf, dass das Wesentliche dabei nicht betrachtet wird. Asylwerber sind keine Kriminellen, die von Staat zu Staat wandern und auf eine Maximierung einer Beute und der Verunsicherung der heimischen Bevölkerung aus sind. Vielmehr sind es Personen, die einem hohen Maß von Traumatisierungen psychischer und physischer Natur ausgesetzt wurden. Asyl in einem Land zu beantragen ist ein Menschenrecht und jeder Betroffene wäre froh, dieses für sich in Anspruch nehmen zu können. Dies ist ein Punkt, der gerne in den Hintergrund geschoben wird, um den menschlichen Aspekt möglichst auszublenden. Trotz dieses Versteckens wird leider offensichtlich, dass es in Österreich nicht leicht ist, fremd zu sein. Sei es als Bürger eines anderen Staates oder als Neuankömmling aus einem entfernten Bundesland (vgl. Prior 2010a).

Die Positionierung gegenüber dem Anderen hat eine gewisse Tradition. Durch den Eisernen Vorhang getrennt, gab es Personen jenseits und diesseits der Grenze. Ein Austausch, besonders in der Grenzregion war von keinem Regime erwünscht. Fantasien konnten im Zustand des Abschottens und der Zuspitzung von Ängsten wunderbar gedeihen. Sie war jedoch nicht die Basis eines Grundvertrauens, das Menschen in der gegenseitigen Auseinandersetzung benötigen. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass 20 Jahre nach dem Fall dieser Barriere so manche Grenzbalken noch in vielen Gedankengebäuden zu finden sind. Während viele Menschen 1989 jubelten, weckte diese Veränderung bei einigen Personen den Wunsch, das alte System der Distanz zu errichten.

Zwei Jahrzehnte nach diesem Transformationsprozess ist es beinahe selbstverständlich geworden, Autokennzeichen der europäischen Staaten Rumänien, Bulgarien, Tschechien, Slowakei und Slowenien im Straßenverkehr anzutreffen. Alltäglich wandern (lat. migrare)[2] Menschen von einem Land zu einem anderen, um dort zu leben, zu arbeiten und sich in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Einige erlangen mit der Zeit sogar die Staatsbürgerschaft des Aufnahmelandes und schicken ihre Kinder in diesem in die Schule. Während viele Länder bereits den Mehrwehrt an einer Zuwanderung durch Migranten erkannt haben, hinkt Österreich dieser Entwicklung noch hinterher. Positiv reagieren jedoch viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die Veränderung in der Zusammensetzung der österreichischen Gesellschaft (Australian Government 2009a, Citizenship and Immigration Canada 2009a, UK Immigration 2009a).

Der Autor dieser These arbeitete mehr als zehn Jahre freiwillig für das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) als Sanitäter und Einsatzfahrer. In dieser Zeit konnte der Verfasser nicht nur wertvolle Erfahrungen sammeln, sondern außerdem ein wenig Einblick in die Philosophie dieser NGO erhalten. Durch eine Seminararbeit, die sich mit dem Regierungsprogramm der laufenden Legislaturperiode zum Thema Migration auseinandersetzte, hatte der Autor die Möglichkeit in Kontakt mit dem ÖRK zu kommen. Im Rahmen der erwähnten Arbeit stellte sich heraus, dass diese NGO sehr aktiv in der Migrationspolitik tätig ist. Den Verfasser würde es deshalb sehr interessieren, auf welcher Grundlage diese Politik basiert und wie sich das ÖRK zu Zuwanderung, Integration und Einbürgerung äußert. Sehr massiv wird diese Thematik in den Medien transportiert. Für den Autor wäre es von großer Relevanz, wie die NGO die Rolle jener sieht. Ein weiteres Interesse hätte der Verfasser, welches Engagement das ÖRK mit seinen Einrichtungen für Migranten an den Tag legt und ob es in diesem Fall Kooperationen mit anderen Organisationen gibt. Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen, die in dieser Arbeit behandelt werden sollen:

- Auf welcher Grundlage basiert die Migrationspolitik des ÖRK?
- Wie positioniert sich das ÖRK bezüglich Zuwanderung, Integration und Einbürgerung?
- Welche Position nimmt das ÖRK zu den Rahmenbedingungen von Migranten hinsichtlich Arbeitsmarkt, Bildung und Wohnen ein?
- Wie sieht das ÖRK die Rolle der Medien in ihrer Berichterstattung gegenüber den Migranten?
- Wie engagiert sich das ÖRK mit seinen Einrichtungen und in Kooperationen mit anderen NGOs für Migranten?

Im nächsten Kapitel werden die Methoden beschrieben.

2 Methoden

Bevor die Fragestellungen beantwortet werden ist es notwendig, dass der Leser die Intentionen und den Aufbau des internationalen und nationalen Roten Kreuzes versteht. Deshalb erhält der Lesende Auskunft über die Gründung, die wichtigsten Gremien und den Rechtsstatus dieser Organisation. Durch diese Information ist es möglich die grundlegende Arbeit zu verstehen und die wichtigsten Konferenzbeschlüsse und Dokumente der jeweiligen Teilorganisation zuordnen zu können. Als Quellenmaterial dient neben Büchern das Internet.

Bei der ersten Frage erhält der Leser eine grafische Übersicht, welche die Struktur der Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes wiedergibt. Im Rahmen der Beantwortung wird ausführlich auf die Grundlagen eingegangen, während die anderen Bereiche thematisch angeschnitten werden. Die Darstellung erfolgt mit Hilfe von Dokumenten und Publikationen, die auf der Homepage des ÖRK veröffentlicht wurden.

Die folgenden drei Fragestellungen werden mit Hilfe hermeneutischer Verfahren beantwortet. Neben einschlägiger Fachliteratur, orientiert sich der Autor bei seinen Quellen am 2. Österreichischen Migrations- und Integrationsbericht, an einer Publikation eines Politikmagazins und an einer aktuellen Studie der Vereinten Nationen. Hinsichtlich Zuwanderung, Integration und Einbürgerung werden dem Leser ein Basiswissen über die wichtigsten Faktoren der Migration vermittelt. Zudem erhält dieser Informationen über die Wege, die Zuwanderer im Wanderungsprozess beschreiten. Weitere wesentliche Kapitel sind die Darstellung von verschiedenen Theorien zur Integration, der Politik in klassischen Einwanderungsländern und in der EU. Zudem wird auf die Migrationspolitik Österreichs eingegangen. Anschließend werden die Positionen des ÖRK zu diesem Themenbereich gegenübergestellt. Die Publikationen und Dokumente dieser NGO stammen von der Homepage bzw. liegen in gedruckter Form vor.

Im Kapitel 6 Arbeitsmarkt, Bildung und Wohnen wird auf das Migrationsmodell hingewiesen, das sich nach ökonomischen Gesichtspunkten ausrichtet. Außerdem wird auf die Arbeitsmigration nach Österreich in einem historischen Rückblick eingegangen, der letztendlich in die aktuelle Gesetzeslage mündet. Anschließend wird die Bildung der Zuwanderer hinsichtlich der Höhe des Abschlusses, der Schulbildung der nachkommenden Generationen und den Sprachkenntnissen betrachtet. Ein weiteres Thema in diesem Kapitel stellt die Wohnsituation der Migranten dar. Neben dem Standard der Wohnungen und dem Erwerb von Immobilien wird auf die Verteilung von Einwanderern in Österreich eingegangen. Diese Inhalte werden aus Sicht des ÖRK dargestellt. Gedruckte Publikationen, Stellungnahmen und Dokumente von der Homepage der NGO bilden die Grundlage für die Gegenüberstellung.

Die Rolle der Medien wird auf der Basis einer Diskussion, die im Herbst in der Zeitungs- und Fernsehlandschaft stattgefunden hat, dargestellt. Dokumente und gedruckte Veröffentlichungen bilden die Grundlage für die Postionen des ÖRK.

Bezüglich der Beschreibung der letzten Fragestellung werden Ausschnitte aus der Arbeit des ÖRK aufgezeigt. Wenn Kooperationen mit anderen NGOs bestehen, wird daraufhin explizit hingewiesen. Die Darstellung erfolgt aufgrund von Dokumenten und Publikationen der Homepage und gedruckten Medien der NGO.

Sämtliche Fragestellungen werden durch zwei intensive Interviews unterstützt, wobei eines mit dem Generalsekretär und das andere mit der Migrationsbeauftragten des ÖRK geführt wurden. Letztere befragte der Autor dieser Arbeit zusätzlich durch E-Mail Kontakt.

Henry Dunant ist die wesentliche Figur in der Rotkreuz Bewegung. Auf ihn und sein Vermächtnis wird im nächsten Kapitel eingegangen.

3 Das Vermächtnis von Henry Dunant

3.1 Henry Dunant und das IKRK

Der in Genf geborene Henry Dunant[3] entstammte einer Kaufmannsfamilie, die ihr Handeln nach den Maßstäben des calvinistischen christlichen Weltbildes richtete. Eine erste Niederlage in seinem Leben war der erzwungene Abgang vom Gymnasium, da es ihm im Unterrichtsfach Französische mangelte. Seine Ausbildung setzte er als Banklehrling fort. Bereits als Kind vom karitativen Engagement seiner Familie geprägt, gründete er den Christlichen Verein junger Männer[4] mit. Ziel des Vereins war, Zeit und Geld für humanitäre Zwecke zu opfern bzw. die Bibel zu lesen (vgl. Hasler 2005, S. 27-39, Dempfer 2009a, S.39).

In Folge seiner Tätigkeiten für eine Bank gelangte er nach Algerien und knüpfte dort persönliche und geschäftliche Kontakte. Schließlich gründete er in diesem nordafrikanischen Land, die damalige Kornkammer der Franzosen, mit Hilfe der Geldgeber General Dufour und Gustave Moynier ein Mühl-Unternehmen. Der als Wirtschaftsmann nicht gerade von Erfolg verwöhnte Dunant versuchte direkt beim französischen Kaiser Napoleon III. Zugeständnisse für seine Gesellschaft in Algerien zu erwirken. Aufgrund der Unterstützung der Franzosen gegenüber der italienischen Einigungs- und Sezessionsbewegung von Österreich, befand sich der Kaiser 1859 mitten in der Lombardei. Henry Dunant reiste ihm hinterher, um diesen für seine Angelegenheiten günstig zu stimmen. Zu einem Treffen sollte es nicht kommen. Am 24.6.1859 kämpften französische und italienische Truppen entlang einer 20 Kilometer langen Frontlinie gegen die Armeen des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. In die Geschichte ist sie als die Schlacht von Solferino eingegangen. Der Genfer Geschäftsmann war zu diesem Zeitpunkt im Ort Castiglione, der mit Verletzten überschwemmt wurde. Während die Frauen aus dieser Gemeinde mit der Versorgung begannen, war Dunant überwältigt von den Grausamkeiten dieses Konflikts. Er begann nunmehr beinahe stabsmäßig die Anlieferung von Hilfsgütern zu organisieren. Zudem setzte er sich bei den französischen Truppen für eine Freilassung der österreichischen Ärzte ein, um eine bessere medizinische Unterstützung für alle Soldaten zu erwirken (vgl. Hasler 2005, S.42-53, Dempfer 2009a, S.30ff, Ladurner 2009, S.9, 21, 40f, 96f, 109).

Das Verdienst von Henry Dunant war nicht, wie so oft fälschlicherweise dargestellt, als erster mit einer Versorgung der Verwundeten begonnen zu haben. Vielmehr lagen sie darin, seine Erfahrungen aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Tief bewegt von den Ereignissen schilderte er in seinem Buch Eine Erinnerung an Solferino die entsetzlichen Verletzungen der Soldaten. Dunant meinte, dass letztere durch ihren Zustand keine Feinde mehr seien. Neben den vorhandenen Gräuel war er über den schlechten Standard der Feldchirurgie entsetzt. Fortan setzte er sich mit seiner Botschaft bei Königs- und Fürstenhäuser ein, dass eine Wiederholung dieser Ereignisse nicht mehr stattfinden dürfe (vgl. Dunant 1988, S.14, Hasler 2005, S.58-64, Dempfer 2009a, S.33f, Ladurner 2009, S.100-104).

Basierend auf den Ideen von Henry Dunant, die er in seinem Buch darstellte, wurde aus der sogenannten Gemeinnützigen Gesellschaft im Februar 1863 der Privatverein Internationales Komitee vom Roten Kreuz[5] (IKRK) gegründet. Im Gründungsgremium befanden sich fünf Personen. Präsident wurde General Dufour, sein Stellvertreter Moynier. Als Hommage an die Schweiz wurde als Symbol die umgekehrte Nationalflagge, das Rote Kreuz auf weißem Grund gewählt. Henry Dunant bekam bereits zu dieser Zeit seinen späteren erbitterten Widersacher Moynier zu spüren. Er erhielt eine untergeordnete Rolle im Verein, sollte jedoch zugleich seine internationalen Kontakte im Sinne des IKRK einsetzen. Zudem gab es eine ausführliche Debatte über die Neutralität der Sanitätstruppen in Konflikten. In dieser Causa konnte sich Dunant durchsetzen. Im August 1864 unterzeichneten die ersten Staaten die Genfer Konvention zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten. Weitere Länder sollten sich in den kommenden Jahrzehnten anschließen (vgl. Anhang, S.133, Hasler 2005, S.65-97, Dempfer 2009a, S.34ff, Ladurner 2009, S.105).

Persönlich geriet der geistige Gründer des IKRK in Genf zunehmend ins gesellschaftliche Abseits. Das Geschäft mit den Mühlen in Algerien ging in Konkurs, eine Gerichtsklage wurde anhängig. In erster Instanz freigesprochen, verlor er in der zweiten. Der Ausschluss aus dem IKRK und dem Christlichen Verein junger Männer folgten. Fortan hatte er Schwierigkeiten sich ökonomisch über Wasser zu halten. Moynier versuchte außerdem Dunant seine Rolle als Gründer streitig zu machen. Bei der Pariser Weltausstellung ließ er eine Büste von ihm verschwinden. Das Preisgeld für den Gewinn der Goldmedaille bei diesem Weltereignis ging an den Verein und wurde nicht an die eigentlichen Adressaten Moynier, Dufour und Dunant ausbezahlt[6] (vgl. Hasler 2005, S.111-129, Dempfer 2009a, S.37).

Henry Dunant, zeitweise sehr aktiv beim Französischen Roten Kreuz, entwickelte weitere humanitäre Visionen und geriet jahrelang in Vergessenheit. Eine Neuauflage seines Bestsellers brachte die Erinnerung an ihn zurück. Im Dezember 1901 erhielt er mit dem französischen Pazifisten Passy den ersten Friedensnobelpreis. Knapp neun Jahre konnte er diese Ehrung genießen. Am 30. Oktober 1910 verstarb der Gründer der humanitären Bewegung (vgl. Hasler 2005, S. 149, 200, 206, Dempfer 2009a, S.38f).

150 Jahre nach der Schlacht von Solferino arbeiten die einzelnen Organisationen der Rotkreuz Bewegung weiterhin für die Menschen.

3.2 Die Internationale Rotkreuz und Rothalbmond Bewegung

- Organisationsstruktur

Aus dem Gründungskomitee mit seinen fünf Mitgliedern ist die global größte Hilfsorganisation im Laufe der Jahre entstanden. Eine Publikation spricht von einer halben Million hauptberuflicher und einhundert Millionen freiwilliger Mitarbeiter (vgl. Dempfer 2009a, S.15). In Abbildung 1 wird die Struktur dieser Internationalen Bewegung wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Organisationsstruktur der Internationalen Rotkreuz und Rothalbmond Bewegung

Die Internationale Rotkreuz Konferenz findet alle vier Jahre statt und wird von der Ständigen Kommission vorbereitet. An ihr nehmen Vertreter des IKRK, der Föderation der Nationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften[7], der Nationalen Gesellschaften vom Roten Kreuz und Roten Halbmond[8] und Regierungsgesandte aller Staaten, welche die vier Genfer Abkommen von 1949 unterzeichnet haben, teil. Ziel dieses höchsten Organs ist, alle Fragen, die mit der Bewegung zusammenhängen, einer Diskussion zu unterbreiten. Für die Umsetzung der Beschlüsse ist die Ständige Kommission zuständig, sie vertritt das Internationale Rote Kreuz zwischen den Sitzungszyklen gegenüber Dritten. Außerdem ist sie für die Koordination der Tätigkeiten des IKRK und der Föderation zuständig. Zusammengesetzt ist dieses Gremium aus Abgesandten der letztgenannten Institutionen bzw. aus Personen, die bei der Konferenz gewählt werden (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007a, Hobe 2008, S.157).

Das IKRK ist bis heute ein privatrechtlicher Verein, dem nur Schweizer Staatsbürger angehören können. Sein Komitee besteht aus maximal 25 Personen, die aus ihrer Mitte einen Präsidenten wählen. Es hat seinen Hauptsitz in Genf und vermittelt als neutraler Agiteur in bewaffneten Konfliktsituationen. Das IKRK hat sich die Verbreitung und Umsetzung des Humanitären Völkerrechts auf die Fahnen geschrieben, deren Grundstock die vier Genfer Abkommen von 1949 bilden. Es ist im Internationalen Völkerrecht verankert und soll den Menschen im Krieg Leiden möglichst ersparen. Dazu gehören u.a. der Schutz der Zivilbevölkerung, das Vermeiden grausamer Waffen, die Zusammenführung auseinandergebrachter Familien[9] und eine humanitäre Behandlung von Kriegsgefangenen. Damit dieses umgesetzt wird, unterrichten Mitglieder des IKRK Personen, die evtl. in solche Konflikte geraten können bzw. werden diese Gedanken in Schulklassen getragen. Als Erfolg konnte der Verein verbuchen, dass dieses völkerrechtliche Instrument nicht nur bei internationalen, sondern außerdem bei nationalen Waffengängen Gültigkeit besitzt. In den letzten Jahren etablierte sich das IKRK als Schutzinstitution für politische Häftlinge (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007b, 2007e, 2007f, 2007g, 2007h, 2007i, 2007j, Hobe 2008, S.157, 540-617, Dempfer 2009a, S.66ff).

Neben diesen Tätigkeiten fällt diesem Verein die Aufgabe zu, Anträge zur Gründung nationaler Gesellschaften einer Überprüfung zu unterziehen. Zu den Basisvoraussetzungen gehört die Akzeptanz von insgesamt zehn Bedingungen. Darunter fallen die Unterzeichnung der Genfer Abkommen und der Zusatzprotokolle, die Implementierung eines Schutzzeichens und weitere Maßnahmen, die eine Anpassung der jeweiligen Gesellschaften an die nationale Identität verhindern sollen. Der Anerkennung durch das IKRK folgt eine durch die Regierung des jeweiligen Landes (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007d, Hobe 2008, S.156f, Dempfer 2009a, S.66f).

Innerhalb der Rotkreuz und Rothalbmond Bewegung kam es zu Ungereimtheiten als 1919 die nationalen Gesellschaften einen eigenen Verein gründeten[10]. Das Anliegen der IFRC ist, humanitäre Aspekte und Handlungen ihrer Mitglieder zu fördern. Mit diesen Aktionen soll ein Beitrag zur Erhaltung und Stärkung des Friedens gewährleistet werden. Aufgrund dieser Grundsätze engagiert sich die Föderation weltweit, wenn Naturkatastrophen und Notstände Menschenleben bedrohen oder beeinträchtigen. Dazu gehört außerdem eine Hilfestellung gegenüber Flüchtlingen, die oftmals in Kooperation mit dem Flüchtlingswerk der UNO (UNHCR) durchgeführt wird (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007c, Hobe 2008, S.157, Dempfer 2009a, S.46ff, 68-74).

- Schutzzeichen

Das Schutzzeichen zeigt gegenüber allen Beteiligten die Neutralität an. Weltweit wird das Rote Kreuz in 152 nationalen Gesellschaften, in 33 der Rote Halbmond und in einer der Rote Kristall verwendet. Wie oben dargestellt wurde, ist das Rote Kreuz kein religiöses Symbol. Aufgrund des Krieges Russlands gegen das Osmanische Reich setzte das IKRK den Roten Halbmond als gleichwertiges Zeichen durch, um etwaige Verletzungen gegen Gefühle des Glaubens zu verhindern. Den 186 Mitgliedsstaaten bleibt es nun vorbehalten, welches Symbol ihre nationale Gesellschaft führt[11]. Eine weitere Problematik wurde im Nahen Osten und in Afrika gelöst, wo seit 2005 ein drittes Zeichen, der Rote Kristall verwendet werden kann[12]. Bei ihren Tätigkeiten verwenden die Delegierten des IKRK[13], der Föderation und nationaler Gesellschaften die Schutzzeichen ihrer entsendenden Organisation (vgl. Anhang, S.133, Dempfer 2009a, S.23, 37, 40-46, Österreichisches Rotes Kreuz 2007i, 2007j, 2007k, 2007 l, Hobe 2008, S.157f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die drei Internationalen Schutzzeichen der Bewegung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Schutzzeichen des IKRK

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Schutzzeichen der Föderation

Ein weiteres Charakteristikum neben den Gremien und den Schutzzeichen sind die Grundsätze der Bewegung.

- Grundsätze

Seit der XX. Internationalen Rotkreuz-Konferenz in Wien im Jahr 1965 verpflichten sich alle Mitglieder dieser Bewegung nach diesen insgesamt sieben Grundsätzen ihre Handlungen auszurichten. Sie lauten: Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität (Österreichisches Rotes Kreuz 2007m, 2007n).

Bei sämtlichen Aktionen stehen der Mensch und die Minimierung von Leiden, die Prävention von Krankheiten und die Achtung seiner Würde im Mittelpunkt. Zudem tritt sie auf Basis der Menschlichkeit für Völkerverständigung und Frieden ein. In ihren Handlungen achten die Mitarbeiter im Sinne der Unparteilichkeit weder auf Herkunft, religiöses Empfinden, Hautfarbe, Status oder politische Meinung von Hilfsbedürftigen. Das Neutralitätsprinzip, für das Henry Dunant vehement eingetreten war, verbietet die Teilnahme an inhaltlichen Auseinandersetzungen und bewaffneten Konflikten in Krisengebieten. Damit können die Delegierten der Bewegung für beide Parteien als Ansprechpersonen agieren. Nationale Gesellschaften unterstützen zwar ihre jeweiligen Regierungen im humanitären Bereich, sie sind jedoch von diesen unabhängig und handeln nach den Prinzipien der Grundsätze. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Erbe von 1863 nunmehr von einer hohen Anzahl an Freiwilligen weltweit (Universalität) gelebt wird. Letztendlich ist die Einheit von großer Bedeutung. In jedem Staat darf nur jeweils eine Rotkreuz- oder Rothalbmond-Gesellschaft gegründet werden (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007m, 2007n).

Im nächsten Kapitel wird nun die österreichische nationale Rotkreuz-Gesellschaft vorgestellt.

3.3 Das Österreichische Rote Kreuz

- Aufgaben

Die nationale Gesellschaft der Internationalen Rotkreuz und Rothalbmond Bewegung besteht seit 1880, inmitten der Regentschaft von Kaiser Franz Joseph I[14]. Auf Basis der sieben Grundsätze und dem Mission Statement der Föderation „Das Leben von Menschen in Not und sozial Schwachen durch die Kraft der Menschlichkeit verbessern“ (Österreichisches Rotes Kreuz 2007o) gestaltet sich heute die Arbeit dieser Organisation. Um noch stärker auf den humanitären Charakter hinzuweisen wird mit dem Slogan „ Aus Liebe zum Menschen“ (Österreichisches Rotes Kreuz 2007x) geworben. In Österreich ist das Rote Kreuz v.a. durch seine Tätigkeit im Rettungs- und Krankentransport bekannt. Weitere Aktionsfelder werden hierbei völlig ausgeblendet. Zu den weiteren Aufgaben zählen: Blutspendedienst, Aus-, Fort- und Weiterbildung eigener Mitarbeiter und der Bevölkerung besonders hinsichtlich Erster Hilfe, Gesundheits- und Soziale Dienste, Katastrophenhilfe in Krieg und Frieden, Suchdienst, Migration, Verbreitung des Humanitären Völkerrechts und der Genfer Abkommen, Entwicklungszusammenarbeit, Jugendarbeit im Rahmen des Jugendrotkreuzes in den Schulen und in eigenen Gruppen (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007o, 2007p, 2007q, 2007t, 2007x).

- Organisationsstruktur

Rechtlich betrachtet ist das ÖRK ein Privatverein, dem neun Mitglieder, die Landesverbände angehören. Eine besondere Rechtsstellung kommt ihm durch ein eigenes Rotkreuz-Gesetz im Sinne des Humanitären Völkerrechts zugute, das u.a. die nichtgerechtfertigte Verwendung des Schutzzeichens ahndet[15]. Die Landesverbände sind mit einem eigenen Budget, Strukturen und Statuten ausgestattet. Sie gliedern sich in Bezirks- und Ortsstellen. Somit können zwischen einzelnen Landesverbänden Unterschiede hinsichtlich der Gestaltung ihrer Tätigkeitsschwerpunkte, Größe und juristischer Handhabe gegenüber den Bezirks- und Ortsstellen bestehen. Eine Sonderstellung nimmt das Generalsekretariat des ÖRK ein. Es vertritt die nationale Gesellschaft bei den höheren internationalen Gremien, der Regierung und verbreitet die Ideen des Roten Kreuzes in der Öffentlichkeit. Zudem setzt es die Beschlüsse und Entscheidungen der höchsten Organe um. Das Generalsekretariat koordiniert die Katastrophenhilfe, wenn diese die Möglichkeiten eines Landesverbandes übersteigen oder eine internationale Kooperation notwendig ist. An der Spitze des ÖRK steht der ehrenamtlich wirkende Präsident. Mit der Geschäftsführung sind hauptberufliche Mitarbeiter, der Generalsekretär und sein Stellvertreter betraut (vgl. Anhang, S.145, Österreichisches Rotes Kreuz 2007r, 2007s, 2007t, 2007u, 2007v, 2007w).

Im folgenden Kapitel werden die Grundlagen der Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes dargestellt.

4 Die Grundlagen der Migrationspolitik des ÖRK

Der Aufbau der Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes wird laut den Forschungsergebnissen des Autors in Abbildung 5 wiedergegeben. Inhaltlich besteht sie aus den Teilbereichen Asylwesen, Migration und Integration (vgl. Anhang, S.137f). Strukturell gliederte der Autor dieser Arbeit die Migrationspolitik in die Bereiche Basis, Prozess und Output. Jene werden in der Folge dargestellt, wobei der Fokus auf den erstgenannten Sektor gelegt wird.

4.1 Basis

Wie bereits in Kapitel 3.2 erwähnt, stellen für sämtliche Tätigkeiten der Bewegung die Rotkreuz-Grundsätze das Fundament für jegliche Initiativen dar. In seinem Positionspapier kam es zu einer Präzisierung, die unter diesem Kapitel aufgezeigt wird. Wesentliche Triebfeder hinsichtlich der Thematik Migration und Integration waren die Europäischen Regionalkonferenzen der Föderation[16] in Berlin 2002 und in Istanbul 2007. Die Beschlüsse dieser Sitzungen sind als die eigentliche Basis der Arbeit in diesem Bereich für alle europäischen Nationalgesellschaften zu sehen. In der Folge werden die beiden Dokumente in gebotener Kürze dargestellt (vgl. Anhang, S.134ff).

- Berlin-Charta

Inhaltlich war der Fokus dieser Konferenz auf Migration und Gesundheit gelegt worden. Die Charta spiegelt einerseits die Vernetzung dieser beiden Themen wider, anderseits werden diese Bereiche in diesem Dokument getrennt angesprochen. Bereits in der Einleitung wird deutlich, dass Migration, Xenophobie und Ausgrenzung von Zuwanderern essentielle Gebiete für die Arbeit der Föderation in den kommenden Jahren sind. Migration stand deshalb nicht nur auf der Tagesordnung der Europäischen, sondern zudem jener der Asia-Pacific, der Amerikanischen und Afrikanischen Regionalkonferenz. Das Thema wurde nicht wegen eines politischen Ereignisses aufgegriffen. Vielmehr waren die nationalen Gesellschaften zunehmend mit dem Phänomen von Wanderungsprozessen konfrontiert. Zudem ist die Betreuung von Flüchtlingen in der Rotkreuz Bewegung stark tradiert. Mit großer Besorgnis wurden die zunehmende Nichtbeachtung der Menschenrechte und des Humanitären Völkerrechts durch Regierungen und Bürger betrachtet. Die teilnehmenden nationalen Gesellschaften legen deswegen ihre Ziele auf diese angesprochenen Themenfelder, um diesen Strömungen entgegenzuwirken (vgl. Anhang, S.134ff, Österreichisches Rotes Kreuz 2007y).

In der Berlin-Charta wird eine Gesundheitsversorgung für alle Bewohner eines Staates eingefordert, egal, ob sie sich legal oder illegal im Land befinden. Besonders Kinder sind in einem solchen Fall betroffen. Wie im medizinischen Sektor, sind Zuwanderer mit menschlicher Würde, mit Toleranz unter der Einhaltung der Menschenrechte zu behandeln. Welche Rechtsgrundlage des Aufenthalts im Nationalstaat im individuellen Fall gegeben ist, darf dabei keine Rolle spielen. Neben diesen Aspekten tritt die Föderation in der Europäischen Regionalkonferenz für ein Klima der Gewaltfreiheit und der ethnischen Vielfalt ein, sowohl in ihren Mitgliedsländern, wie innerhalb der nationalen Gesellschaften. Letztere verpflichten sich diese Inhalte bei ihren Regierungen einzufordern. Um verstärkt in diesem Bereich tätig werden zu können sollen die Mitglieder Aktionspläne zu Migration und Gesundheit entwerfen und engagiert umsetzen. Dazu werden Partnerschaften mit nationalen und internationalen Organisationen, die Erfahrungen in diesem Bereich haben, eingegangen. Zudem sind Kooperationen mit der EU, dem Europarat, dem UNHCR usw. erwünscht. (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007y).

Auf die Berlin-Charta nehmen die Selbstverpflichtungen von Istanbul im Jahr 2007 Bezug.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Übersicht über die Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes

- Selbstverpflichtungen von Istanbul

Die Nachfolgekonferenz von Berlin fand im Jahr 2007 in Istanbul statt. Bereits in der Einleitung zum Abschlussdokument wird auf die Zunahme der Bedeutung von Migration seit der letzten Sitzung in der deutschen Hauptstadt hingewiesen. Außerdem wird der Begriff des Migranten definiert (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007z, S.1). Dieser „…erstreckt sich unter anderem auf Asylwerber, Flüchtlinge, Binnenvertriebene, Opfer von Menschenhandel, Migranten ohne legalen Status und Wirtschaftsmigranten“ (Österreichisches Rotes Kreuz 2007z, S.2).

Laut den Selbstverpflichtungen betonen die Verfasser, dass Zuwanderer zu einer kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereicherung in den Zielländern beitragen. Ihre Integration ist ein wesentliches Anliegen der IFRC. Gleichzeitig werden die Schwierigkeiten und Probleme anerkannt, die durch diesen Prozess entstehen. Deswegen soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gesellschaften der Herkunfts- und Einwanderungsstaaten eine Forcierung erfahren, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Neben diesen Aspekten und der nochmaligen Einforderung der verstärkten Entwicklung von Aktionsplänen und Programmen der nationalen Gesellschaften tritt die Konferenz von Istanbul für ein globales Denken hinsichtlich Migration ein. Europa kann die Auswirkungen der Wanderungsprozesse allein nicht lösen. Deswegen soll dies Thema der Internationalen Rotkreuz Konferenz sein. Zudem werden, wie bereits in der Charta von Berlin festgelegt, internationale Partnerschaften mit Organisationen eingefordert (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007z, S.2ff).

Eine Wiederholung erfährt der Leser gegenüber der Absage jeglicher Form von Rassismus, Ausgrenzung und Xenophobie in den Mitgliedsländern. Ähnlich ist dies hinsichtlich der Verpflichtung zu einer humanitären Organisation der ethnischen Vielfalt und der gesundheitlichen Versorgung von Zuwanderern. Neu hingegen sind konkrete Aufforderungen an ihre Mitglieder und Regierungen. Um einer Marginalisierung der Migranten entgegenzusteuern sollen in den nationalen Staaten soziale Dienste eingerichtet werden. Zuwanderer sind in die Arbeit mit einzubeziehen. Zugleich ist es ein Anliegen Jugendliche für dieses Thema zu sensibilisieren. Gegenüber den Regierungen setzte sich die Europäische Regionalkonferenz der Föderation vehement für einen Zugang zu allen Migranten bzw. Schubhäftlinge ein. In Ausübung einer anwaltlichen Funktion für die Festgesetzten und Zuwanderer mit unterschiedlichem Status verlangt sie, dass die Mitarbeiter der nationalen Gesellschaften vor juristischer Verfolgung geschützt werden. Außerdem sieht sich diese Bewegung als Mahner der Menschenrechte. Sie tritt für die humanitäre Behandlung von Migranten und die Regelung des Status von Zuwanderern ein, deren Aufenthalt juristisch nicht einwandfrei ist. Für den Generalsekretär des ÖRK, der selbst Konferenzteilnehmer war, ist der größte Erfolg der Konferenz das konkrete Eintreten von Menschen mit einem irregulären Status. Dieser Begriff ist bewusst gewählt, um sich von der politischen Bezeichnung illegal abzugrenzen. Die Rotkreuz Bewegung fragt nicht, ob jemand rechtens in einem Land ist, für die humanitäre Organisation ist die Bedürftigkeit des Einzelnen ausschlaggebend. Deshalb muss diesen geholfen werden (vgl. Anhang, S.136, 148, Österreichisches Rotes Kreuz 2007z, S2ff).

Aufgrund dieser beiden Dokumente ist ersichtlich, dass das ÖRK eigene Positionen und Programme zur Thematik Migration entwerfen musste. Die Migrationsstudie und das Positionspapier werden im nächsten Punkt dargestellt.

- Migrationsstudie und Positionspapier des Österreichischen Roten Kreuzes

Nach der Konferenz von Berlin gab das Österreichische Rote Kreuz im Jahr 2003 eine Studie beim Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte in Auftrag. Einerseits sollte eine Bestandsaufnahme der bestehenden Situation von Migranten in Österreich erfolgen, anderseits das Potenzial für Projekte des ÖRK beleuchtet werden. Mit über 400 Seiten ist die Studie sehr umfangreich und enthält Empfehlungen für die Abteilungen des Generalsekretariats und die einzelnen Landesverbände (vgl. Evrensel/Höbart 2004, S.4, 13ff, 383ff, Anhang, S.135).

Das Positionspapier zum Thema Migranten-Flüchtlinge-Asylwerber wurde im Jahr 2007 publiziert. Empfehlungen dazu sind bereits in der oben erwähnten wissenschaftlichen Arbeit vorhanden. Die Veröffentlichung der nationalen Gesellschaft, bei denen die Standpunkte dargelegt werden, gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil widmet sich der besonderen Stellung Österreichs als Aufnahme- und Transitland für Migranten und Asylwerber. Als Basis für die Tätigkeit im Migrationsbereich werden die sieben Rotkreuz-Grundsätze, die Berlin-Charta und weitere nicht namentlich angeführte Dokumente genannt. Im Wesentlichen werden die Positionen der Konferenzen von Berlin und Istanbul im Kern wiedergegeben. Migration wird als Materie verstanden, die alle Menschen betrifft (vgl. Evrensel/Höbart 2004, S.383, Österreichisches Rotes Kreuz 2007aa, S.1, 2007ab, Anhang, S.131).

Der zweite Teil ist der Beschreibung der bisherigen Aktivitäten gewidmet. Ansätze aus den Bereichen Prozess und Basis der Abbildung 5 finden sich in diesem Abschnitt des Positionspapiers wieder. Erste Aktivitäten werden mit dem Jahr 1998 angegeben. Darunter fällt das Kooperationsprojekt Netzwerk Asylanwalt, bei dem die Caritas und das ÖRK als Projektträger fungieren. Hinsichtlich einer humanitären Asylpolitik werden im dritten Teil fünf Hypothesen genannt, die eine Verbesserung der bisherigen Gesetze und juristischen Praxis erbringen könnten. Den dritten Teil des insgesamt vierseitigen Dokuments finalisiert ein Appell, diese Thematik in einer Kooperation zwischen NGOs und Regierungsbehörden anzugehen. Im letzten Teil erhält der Leser eine Information, wie viele Personen derzeit von Migration und Flucht betroffen sind. Der Schwerpunkt liegt in der Darstellung von Zahlenmaterial flüchtender Menschen (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007aa, S.2ff, 2007ab).

Wie in der Folge ersichtlich werden wird, ist die Migrationspolitik der Europäischen Regionalkonferenz der Föderation und des Österreichischen Roten Kreuzes kein statischer, sondern vielmehr ein dynamischer Prozess. Die humanitäre Organisation engagiert sich seit der Konferenz von Berlin vermehrt in diesem Sektor und setzt die Aktivitäten im Sinne der Verpflichtungen von Istanbul fort. Im nächsten Kapitel werden die Bereiche Prozess und Output in ihren Grundzügen beschrieben.

4.2 Prozess und Output

Migration ist im Generalsekretariat prinzipiell eine Materie, die alle Abteilungen betrifft. Jedoch hat der Autor dieser Arbeit einige Abteilungen und Bereiche dieser Institution identifiziert, die aufgrund der vorhandenen Dokumente verstärkt zu diesem Thema arbeiten. Einerseits geschieht dies bei bestimmten Projekten oder Publikationen gemeinsam, anderseits sind einzelne Abteilungen hinsichtlich einiger Materien sehr spezialisiert. Dazu gehört z.B. die Sektion Recht und Migration, deren Juristen Gesetzestexte analysieren und entsprechende Kommentare an Regierungsstellen abgeben. In dieser Abteilung befindet sich eine eigene Migrationsbeauftragte[17]. Sie koordiniert die Zusammenarbeit zwischen dem Generalsekretariat und den Landesverbänden. Die Migrationsbeauftragte plant nach den Bedürfnissen der Bundesländer spezifische Projekte und versucht die betroffenen Landesverbände für eine Umsetzung zu gewinnen. Letztere investieren je nach Budgetlage mehr oder weniger in die Migrationsarbeit und -strukturen. Außerdem fasst die Migrationsbeauftragte die gesamten Tätigkeiten und Ereignisse zur Thematik Migration und Integration in Österreich zusammen und publiziert diese mit Hilfe des Newsletters Migration, der monatlich erscheint (vgl. Anhang, S.130ff, 141f, 145ff, Österreichisches Rotes Kreuz 2003f, Kerschbaum/Schneider 2005, Österreichisches Rotes Kreuz 2007ag, Kerschbaum/Kopetzky 2009, Griessner 2009a, S.70f).

Eine Sonderstellung nimmt die Abteilung ACCORD ein, die eine Abkürzung für Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation ist. Sie ist eine Abteilung des ÖRK, arbeitet jedoch unabhängig und mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung durch das BMI, UNHCR, Europäischer Flüchtlingsfonds bzw. weiteren NGOs im Asylsektor zusammen. Die Aufgaben von ACCORD sind die Herstellung von Recherchen über die Herkunftsländer von Asylwerbern. Solche ausführlichen Informationen sind eine wesentliche Basis zur Bewertung des Antrages. Zwar hat das Innenministerium seit kurzer Zeit eine eigene Stelle für diesen Zweck eingerichtet, es werden jedoch immer wieder Aufträge an diese Institution vergeben. Außerdem verfügt ACCORD über eine Datenbank mit Länderinformationen, auf die Personen, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, kostenlos zugreifen können. Zusätzlich schulen Mitarbeiter dieser Abteilung Menschen, welche in diesem Bereich arbeiten. Um die Qualität zu heben, wurde ein eigenes Handbuch für diese Zwecke publiziert. Dieses ist kostenlos per Internet abrufbar (vgl. Scholdan 2004, Österreichisches Rotes Kreuz 2007aa, S.2, 2007ac, 2007ad, 2007ae, 2007af, Achleitner 2009a, S.72f).

Das ÖRK kann mit seinen Strukturen, nicht alle Erfordernisse abdecken. In Abbildung 5 findet der Leser einige NGOs mit denen die österreichische nationale Gesellschaft im Rahmen des Asylwesens und der Migration zusammenarbeitet. Hinsichtlich des Netzwerkes Asylanwalt stehen Juristen des ÖRK zur Verfügung, um Asylwerber vor dem Asylgerichtshof zu vertreten. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt X Change[18]. Sogenannte Botschafter, die einen Migrationshintergrund haben, besuchen Schulen und erzählen von ihren Erlebnissen in Österreich. Zudem besteht die Möglichkeit für Schüler, z.B. eine Einrichtung einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft zu besuchen und sich mit diesen auszutauschen. Neben diesen beiden Säulen können Jugendliche bei einer der unterstützenden Organisationen hinein schnuppern oder ehrenamtlich mitarbeiten. Das ÖRK ist einer dieser Organisationen, die es Jugendlichen ermöglicht, für Migranten seine Freizeit zu investieren. Zudem fungiert die Migrationsbeauftragte als Botschafterin des Projekts (vgl. Anhang, S.147, Österreichisches Rotes Kreuz 2007aa, S.2, Verein Lernen aus Zeitgeschichte 2009a, 2009b, 2009c, 2009d).

Durch den nunmehr jahrelangen Prozess innerhalb des Generalsekretariats und der Landesverbände ist ein Konvolut an Projekten, Publikationen und Dokumenten entstanden. Gerade im Bereich der Projekte werden die Kooperationen zwischen den unterschiedlichen Strukturen der Bundesländer und dem Generalsekretariat deutlich. Sie werden in Kapitel 8 behandelt. Die in der Abbildung 5 dargestellten weiteren vier Säulen sind v.a. durch die Zusammenarbeit der Abteilungen und Bereiche im Generalsekretariat entstanden. Vereinzelt kam es zu eigenständigen Arbeiten und Verschränkungen mit den Landesverbänden. Stellungnahmen zur Tagespolitik und Gesetzen, die Dokumentation und Publikation der bisherigen Tätigkeiten, die Zusammenführung von durch Flucht getrennten Familien und die Produktion von Medien für die Schulen sind Leistungen des Generalsekretariats. Als bisheriger Höhepunkt ist die Publikation der Migrations- und Integrationscharta am 23.4.2008 zu sehen. Dieses aus neun Punkten bestehende Dokument wurde im Jänner 2009 durch eine Publikation im ÖRK eigenen Magazin Henri einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Dieses Schwerpunktheft stellt ausführlich die Positionen des Roten Kreuzes auf Basis der Charta dar. In der weiteren Folge werden bei der Beantwortung der Fragen Dokumente aus dem Sektor Output einfließen. Da das Asylwesen in Österreich und Europa eine sehr komplexe Materie darstellt und das ÖRK zu dieser Thematik sehr engagiert tätig ist, muss dafür eine eigene schriftliche Arbeit verfasst werden. Deshalb wird dieser Bereich nur rudimentär bei den entsprechenden Kapiteln angeschnitten (vgl. Anhang, S.131, 138ff, Österreichisches Rotes Kreuz 2008a, 2009a).

Einwanderung, Integration und Einbürgerung sind die Themen des nächsten Kapitels. Der Leser erhält Kenntnis über die Mechanismen der Migration und Modelle in klassischen Einwanderungsländern hinsichtlich Zuwanderung und Einbürgerung. Zudem werden die Politik der EU und Österreichs hinsichtlich Migration und die Positionen des ÖRK zu allen angesprochenen Aspekten dargestellt.

5. Zuwanderung, Integration und Einbürgerung

5.1 Migration

Ein in der wissenschaftlichen Literatur sehr häufig zitiertes Modell, das die Ursachen von Ab- und Zuwanderungsprozessen beschreibt, ist jenes der Push und Pull Faktoren.

- Push und Pull Faktoren

Als Push Faktoren können jene Bereiche angeführt werden, die eine derartige Beeinträchtigung des Lebens bewirken, sodass eine Abwanderung in Erwägung gezogen wird. Dazu gehören, gerade hinsichtlich der Klima-Konferenz von Kopenhagen 2009, die noch vielfach negierten Umwelteinflüsse. Naturkatastrophen, wie Orkane, Hagel, Dürren, Überschwemmungen, Umweltgifte und Wasserknappheit werden in der Öffentlichkeit noch immer zu wenig als Migrationsgrund wahrgenommen. Diese können verheerende Auswirkungen auf Menschen haben, deren Lebensgrundlage der Agrarsektor darstellt und die zusätzlich von der Zerstörung ihrer Behausungen betroffen sind. Neben diesen angeführten, z.T. auf Klimaveränderungen basierenden, Einflüssen ist der globale Druck auf dem Landwirtschaftsmarkt nicht zu unterschätzen. Gerade Bauern aus Entwicklungsländern können dem Wettbewerb einer stark subventionierten Agrarökonomie europäischen Charakters nicht standhalten. Die eigenen Produkte sind am Markt, trotz niedrigster Löhne, nicht wettbewerbsfähig. Selbst die Fischer sind davon betroffen, da Fangflotten die Genehmigungen von wenig liquiden Regierungen aufkaufen. Die Lebensgrundlage der Fischer wird dadurch zerstört. Meeresfrüchte werden in den ehemals fischreichen Staaten aus Europa importiert und zum Verkauf und Verzehr freigegeben. Neben diesen Aspekten, der besonders den primären Wirtschaftssektor betrifft, fanden weltweit mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) Strukturmaßnahmen in Staaten statt. Als Folge dieser Anpassungen an die Wünsche dieser Institution wurden Kürzungen im Gesundheits- und Bildungsbereich vorgenommen. Dadurch setzte infolge vermehrter Arbeitslosigkeit ein Brain-Drain der höher Gebildeten ein, die somit eine Lücke in den Schulen und Krankenhäusern hinterließen. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass Regierungen die eine hohe Arbeitslosigkeit abbauen wollen, Maßnahmen zur Förderung der zeitweiligen Abwanderung setzen. Weitere Push Faktoren sind kriegsähnliche Zustände, Missachtung von Menschenrechten, das Ausbrechen von Frauen aus patriarchalen Strukturen und die Verstärkung kapitalistischer Wünsche durch Werbesendungen, die mittels Satelliten empfangen werden können. Letztendlich darf bei einigen Ländern und Kulturen nicht die Entsendung eines Mitgliedes aus dem Familienverband vergessen werden (vgl. Han 2003, S.129ff, Han 2005, S.14ff, Oswald 2007, S.71, Bauer 2008a, S.5, Bauer 2008b, Dannecker 2008, S.92ff, Vermeren 2008, S.9, Ziegler 2008, S.17, Kopetzky-Tutschek 2008, S.4, Amnesty International 2009, S.11, Kopetzky-Tutschek 2009, S.4ff, Mau/Verwiebe 2009, S.111).

Werbung wirkt nicht nur als Push, sondern außerdem als Pull Faktor. Besonders das Auftreten von emigrierten und auf Urlaub weilenden Verwandten kann den Wunsch wecken, es diesen gleich zu tun. Nicht selten werden bei diesen Besuchen Erfolge vorgezeigt, die tatsächlich nicht statt gefunden haben oder nur mit großer Mühe erarbeitet werden konnten. Dazu zählen v.a. Statussymbole, wie teure Autos, Uhren, das Führen einer Firma oder der Erwerb von Eigentum. Staaten wirken besonders dann als Anziehungsfaktoren, wenn sie einen Mangel an bestimmten Berufsgruppen aufzuweisen haben. Dann setzt ein regelrechter Wettbewerb ein, um die für den jeweiligen Markt geeigneten Personen zu erhalten. Einige Länder, die von Auswanderung betroffen waren, nutzen den Umkehrungsprozess. Sie werben ihre Landsleute, die im Ausland gearbeitet und spezielle Kenntnisse erworben haben, gezielt an und führen so einen Rückholung des verloren gegangenen Brain-Drain ein (vgl. Han 2005, S.14ff, Bauer 2008a, S.5, Bauer 2008c, S.67, Kopetzky-Tutschek 2008, S.4, Kopetzky-Tutschek 2009, S.4ff).

- Migrationswege

Massenmedien suggerieren die Vorstellung, dass reiche Industrieländer von Personen aus Entwicklungsländern regelrecht überschwemmt werden. Der aktuelle Jahresbericht des United Nations Development Programme (UNDP), der sich eingehend mit der Thematik Migration auseinandersetzt, widerlegt diese von Vorurteilen behaftete Annahme. Laut diesem Bericht sind rund eine Milliarde Menschen von Migration betroffen. Drei Viertel davon wandern innerhalb ihres eigenen Landes und werden deshalb als Binnenmigranten bezeichnet. Das restliche Viertel migriert international. Zwar erlangen drei Viertel der internationalen Migranten einen höheren Lebensstandard, der größte Teil dieser Personen migriert jedoch in Länder, die in etwa dem Entwicklungsstand, dem Human Development Index (HDI) ihrer Herkunftsstaaten entsprechen. Der Bericht kommt außerdem zu dem Schluss, dass je größer dieser HDI ist, desto höher die Bereitschaft der Menschen ist in ein anderes Land auszuwandern. Nur in etwa 70 Millionen Personen gelangen von einem Entwicklungsland in ein Industrieland Europas, Nordamerikas oder nach Australien. Die größte Zuwanderergruppe innerhalb Europas sind die Bewohner dieses Kontinents selbst (vgl. Oswald 2007, S.74ff, 154, UNDP 2009, S1ff).

Migration ist keine Entscheidung, die von einem Tag auf den anderen Tag gefällt wird. Als Ausnahmen sind Kriege, innerstaatliche Konflikte und Naturgewalten zu nennen, die Menschen zu Flüchtlingen machen. Die Entscheidung wird nicht selten innerhalb des Familienverbandes gefällt. In vielen Fällen steuert dieser einen beträchtlichen Betrag bei, um die hohen Kosten für die Reisen in das Zielland zu finanzieren. Bei legaler Migration müssen Dokumente, Fahrtkosten und evtl. Abgaben an Jobvermittler aufgewandt werden. Einige Länder führen zudem eigene Büros, die eine Arbeit im Ausland ermöglichen. Anwerbeländer können somit in direkten Kontakt mit diesen Stellen treten. Neben diesen Vermittlungsstellen sind Verwandte und Freunde diejenigen, die Informationen über das gewünschte Zielland liefern. Dadurch entsteht ein Netzwerk an Menschen, denen aufgrund dieser Datenlage eine Migration als nützlich erscheint. Die ethnic Community wird durch Kettenmigration größer und bietet dem Zugewanderten eine erste Orientierung, Jobangebote und eine Infrastruktur, die an das Herkunftsland erinnert. Migranten dieser ersten Generation arbeiten die Fahrtkosten ab, indem sie das Ersparte an ihre Familie rücküberweisen. Selbst nach der Tilgung dieser Schuld wird von dem Ausgesandten erwartet, dass er eine weitere finanzielle Unterstützung wahrnimmt und somit den ökonomischen Status der Familie hebt. Der Herkunftsstaat profitiert von diesen Überweisungen. Seine Wirtschaft wird gefördert. Höheren Kosten und Risiken sind illegale Migranten ausgesetzt. Neben der Bestechung von Beamten und Schleppern müssen sie sich bei der Überquerung der Grenzen einigen Gefahren, wie das Verstecken in einem Lastwagen oder das Überqueren des Meeres in einem unsicheren Boot, über sich ergehen lassen. Außerdem ist es für sie oft ungewiss, was mit ihnen nach der Ankunft passiert. In einigen Fällen sind sie den Schleppern weiterhin ausgeliefert, bis eine Restschuld bezahlt wurde. Frauen werden dem Risiko des Abgleitens in die Sexindustrie ausgeliefert (vgl. Han 2003, S.123ff, 133f, 198f, 238f, 245, Han 2005, S.15f, Han 2006, S.186, Oswald 2007, S.72f, Kopetzky-Tutschek 2008, S4f, Pries 2008, S.21ff, Vermeren 2008, S.7f, Kopetzky-Tutschek 2009, S.5f).

Eine neue Form, die durch die Globalisierung forciert wurde, ist die sogenannte Transmigration. Menschen wandern in dieser Form nicht mehr dauerhaft in ein anderes Land aus, sondern pendeln zwischen ihrem Herkunfts- und Zielland oder wechseln in neue Staaten. Insbesondere junge Frauen und Männer, die gesund sind und Mut zum Risiko haben, nehmen solche variablen Zustände in Kauf. Durch verfügbare Medien, wie Zeitungen und Fernsehsendungen, werden sie auf dem aktuellen Stand über die Ereignisse in ihrem Ursprungsstaat auf dem Laufenden gehalten. Die Verringerung der Reisekosten in den letzten Jahren ermöglicht sogar eine Heimreise über ein verlängertes Wochenende. Transmigration eröffnet die Variante, dass eine Familie über die ganze Welt verstreut arbeitet und gleichzeitig in Verbindung miteinander steht. Mehrfache Staatsbürgerschaften und Zweit- bzw. Drittsprachenkenntnisse sind nur einige der Folgen. Einige Regierungen stellen sich in diesem Zusammenhang die Frage, wem gegenüber diese zugewanderten Personen bei zukünftigen Konflikten loyal sind (vgl. Han 2003, S.134, Han 2005, S.31, Bauer 2008d, S.31, Hobsbawm 2008, S.18f, Pries 2008, S.21ff, Mau/Verwiebe 2009, S.112, 290f, Milborn 2009, S.202).

Egal, welche Form der Migration gewählt oder durchgemacht wird, sie ist während der Reise und in den ersten Jahren im Zielland mit einem hohen Stressfaktor belegt, da eine Anpassungsleistung von ihnen verlangt wird (vgl. Han 2005, S.234f). Im folgenden Kapitel werden in gebotener Kürze Modelle aufgezeigt, wie Migranten in der Aufnahmegesellschaft integriert werden können.

5.2 Integration

Aufgrund der Erfahrungen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Einwanderungsgesellschaften haben sich unterschiedliche Modelle der Eingliederung von Migranten ausgebildet. Im klassischen Sinn werden die Begriffe Assimilation und die pluralistische Gesellschaft verwendet.

- Assimilation

Im Rahmen dieses Modells wird von den zugewanderten Personen verlangt, dass sie nach einer bestimmten Zeit des Aufenthalts in der Mehrheitsgesellschaft aufgehen. Damit ist eine Anpassung an die Kultur, die Tradition und die Sprache gemeint. Schafft es der Migrant der ersten Generation nicht vollständig, dann wird dies von den nachfolgenden Generationen eingefordert. Idealisiert verläuft dieser Prozess folgendermaßen ab: Ein Migrant erhält zunächst eine Orientierung und Unterstützung in seiner ethnic Community. Erste Auseinandersetzungen mit Menschen, Medien und Erzeugnissen der Mehrheitsgesellschaft fördern die Anpassung an diese. Dieser Vorgang wird Akkulturation genannt und wird nur ermöglicht, wenn der Zugewanderte den Sprung aus der Community vollbringt. Erfährt jener eine Ablehnung bzw. massive Gegenwehr gegenüber seiner Herkunft und den damit verbundenen Traditionen kann dies die Separation und Segregation fördern. Separation stellt die Distanzierung von Seiten des Migranten gegenüber der Aufnahmegesellschaft dar, Segregation[19] den umgekehrten Weg. Scheitert dieser Anpassungsprozess, erfolgt ein Zurückziehen nach innen, der Migrant bricht möglicherweise alle Kontakte ab. Gelingt der Akkulturationsprozess hingegen, folgt die Phase der Integration, ein Teilhaben an der Gesellschaft und eine allmähliche Aufgabe der eigenen Kultur und Traditionen. Mit der Assimilation wird dieser Prozess, wie bereits oben dargestellt, abgeschlossen. Eine weitere Variante dieses Vorganges bildet die Binnenintegration. Sie findet statt, wenn die Kontakte mit der Mehrheitsgesellschaft gering bleiben, jedoch die Integration in der ethnic Community erfolgt. Insgesamt ist bei den Autoren, welche die Assimilationstheorien darstellen, auffallend, dass der Begriff Integration zwischen Extremen pendelt. Einerseits kann dieser näher zum Bereich der Akkulturation oder zur Assimilation angesiedelt sein (vgl. Han 2005, S.64ff, 185, 234ff, Oswald 2007, S.14, 93, 110,Kopetzky-Tutschek 2008, S.5ff, Kopetzky-Tutschek 2009, S.6f).

- Pluralistische Gesellschaft

Die pluralistische Gesellschaft soll dem Migrant das Ausleben seiner Kultur und Traditionen im Zielland ermöglichen. Je nach Definition kann unter Integration ein mehr oder weniger Partizipieren an den Zielen des Staates bedeuten. Mitunter führt dies zu einem nebeneinander Leben in einem Staat, wobei der Konsens nur die minimalen Bedürfnisse, wie z.B. die Entrichtung von Steuern, gewährleistet (vgl. Han 2006, S.65ff, 97, Kopetzky-Tutschek 2008, S.8, Kopetzky-Tutschek 2009, S.7).

Aufgrund mehrerer Ereignisse bzw. gesellschaftlicher Realitäten, wie die Unruhen in den Pariser Vorstädten im assimilationsfördernden Frankreich und die Terroranschläge im pluralistischen Vereinigten Königreich, sehen Kritiker beide Modelle als gescheitert an. Zudem ist ersichtlich, wie dehnbar der Begriff der Integration verwendet werden kann. Ein massiver Kritikpunkt gegenüber den Verfechtern dieser beiden Systeme ist, dass Kultur als sehr statisch betrachtet wird. Darauf wird im nächsten Kapitel eingegangen (vgl. Milborn 2009, S.199).

- Kulturdifferenz als neue Form des Rassismus

Kultur ist ein dynamischer Prozess und bei weitem nicht an die Hochleistungen in Literatur, darstellende Kunst und Musik festgemacht. Vielmehr gehören alle Schaffensprozesse dazu, die Menschen in einer Gesellschaft vollbringen. Deshalb beeinflussen Zuwanderer durch ihre Herkunftskulturen, die zwischen jeden einzelnen Familien eines Landes höchst unterschiedlich sein können, diesen Prozess. Infolge der Einwanderung werden somit die Kulturen im Zielland verändert, wie jene der Zuwanderer in ihren Familien und Communities. Besonders transnationale Migranten werden durch den Wechsel zwischen verschiedenen Ländern sehr massiv in ihrer eigenen Kultur beeinflusst bzw. tragen zu einer Veränderung in ihren Wirkungsstätten bei. Wer hingegen Kultur als statisch und in sehr engen Kreisen abgegrenzt sieht, wird fremde Kulturen als Bedrohung empfinden. Alte Ressentiments und rassistische Bemerkungen gegenüber Menschen anderer Hautfarbe, Sprache, kontinentale Herkunft haben ihre Salonfähigkeit zu einem Großteil verloren. Jedoch findet sich eine neue Form diskriminierender Handlungen im Alltag und in den Medien. Um eine Differenz zu anderen Individuen herzuleiten, wird eine Unterschiedlichkeit in der Kultur von Migranten konstruiert. Während an der Wende vom 19. zum 20. Jh. eine biologistische Sichtweise, wie verschiedene Schädelgrößen, Rassismus begründeten, werden Menschen aufgrund ihrer zugeschriebenen Kultur marginalisiert und in ihren Handlungen auf diese Sichtweise reduziert. Kriminelle Aktivitäten, Gewalt oder das Denken und Agieren einzelner Personen werden somit häufiger auf deren Traditionen zurückgeführt. Wie Medien in Österreich dies darstellen, wird in Kapitel 7 beschrieben (vgl. Bolten 2007, S.12ff, Bauer 2008e, S.99, Sauer 2008, S.53f, Gärtner 2009, S.72ff, Koller 2009, S.8ff, 96f, 106, Kopetzky-Tutschek 2009, S.7).

Print und visuelle Medien berichten nicht nur über Kriminalität von Ausländern, sondern setzen sich mit unterschiedlichen Zuwanderungssystemen auseinander. Hervorgehoben werden sehr häufig jene der klassischen Einwanderungsländer Vereinigtes Königreich (UK), Canada (CDN) und Australien (AUS). Da eine ausgiebige Behandlung der einzelnen Systeme im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, sollen essentielle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen Ländern dargestellt werden.

5.3 Die Migrationspolitik in den klassischen Einwanderungsländern

Unabhängig von den einzelnen Strukturen fällt auf, dass ein Interessent bei der Durchsicht der einzelnen Homepages über mehr als ausreichende Englischkenntnisse verfügen muss. Ein wenig weicht davon die Seite der kanadischen Einwanderungsbehörde ab, die neben der englischen eine französische Version anbietet (vgl. Australian Government 2009a, Citizenship and Immigration Canada 2009a, UK Immigration 2009a).

Neben den Fremdsprachenkenntnissen ist mehr oder weniger eine akribische Beschäftigung mit den zu erfüllenden Voraussetzungen und den entsprechenden Formularen notwendig. Zwar befindet sich das vormals vielfältige System des United Kingdom, mit bis zu 80 verschiedenen Visa-Varianten, in einem Umbruch der Vereinfachung, jedoch ist dies gut strukturiert. Diesem Anspruch wird ebenfalls die kanadische Einwanderungsbehörde gerecht. Viel mehr Recherchearbeit benötigt ein zukünftiger Migrant beim Durcharbeiten der australischen Homepage (vgl. Australian Government 2009a, Citizenship and Immigration Canada 2009b, UK Immigration 2009b).

Trotz unterschiedlicher Benennungen tritt aus dem Vergleich der verschiedenen Systeme eine Gliederung in folgendes System hervor: hoch qualifizierte, qualifizierte bzw. weniger qualifizierte Zuwanderer, Studenten, Urlauber und Arbeitssuchende auf Zeit. Je nach Staat bestehen Unterschiede hinsichtlich der gewünschten Jobbranchen, der Zuordnung bestimmter Berufsgruppen in den Bereich der ersten und zweiten Gruppe und der Möglichkeit zwischen den einzelnen Visaanträgen nach einer bestimmten Dauer zu wechseln. Hervorstechend sind bei Australien eigene Programme für Ärzte, Pflegepersonal, Flug- und Schifffahrtspersonal. In Canada und Australien ist es außerdem möglich über Regionen als Zuwanderer aufgenommen zu werden. Hier variieren die Bedürfnisse sehr stark zwischen den einzelnen Ländern innerhalb eines Staates. Einen eigenen Status hat in Canada die Region Quebec. Wer in diesen französischsprachigen Bereich von Canada einwandern will, muss die Kriterien dieses autonomen Gebietes erfüllen (Australian Government 2009b, 2009c, Citizenship and Immigration Canada 2009c, UK Immigration 2009b).

Bei der Durchsicht der Systeme scheint mehr als augenfällig, dass diese Staaten um Zuwanderer aus den ersten beiden Bereichen werben. Um eine permanente Aufenthaltsbewilligung zu erreichen müssen mehrere Kriterien erfüllt werden. Gerade im Sektor der Hochqualifizierten sind die Anforderungen zwischen UK, CDN und AUS mit wenigen Ausnahmen ähnlich. Oftmals variiert die Gewichtung hinsichtlich der Ausbildung, Sprachkenntnisse, Alter des Antragsstellers, gewünschte Berufsgruppe, Berufserfahrung, zuletzt erzieltes Einkommen, Barvermögen, berufliche Erfahrungen oder Ausbildung im gewünschten Zielland, Bildungsstand und Beruf des Partners, Verwandtschaft im Zielland und evtl. Geldbeträge bei der Einreise (Australian Government 2009d, Citizenship and Immigration Canada 2009d, workpermit.com 2009a, 2009b).

Mit Hilfe eines Punktetests kann ein Antragsteller des hochqualifizierten Sektors herausfinden, ob er für diese Art des Visa in Frage kommt oder nicht. Im Falle von United Kingdom findet ein Interessent dies leichter, als bei Canada bzw. Australien. Die unterschiedlichen Ansprüche konnte der Autor dieser Arbeit durch einen Selbsttest herausfinden. Für Australien hätte es knapp nicht gereicht[20], für die beiden anderen Länder schon (vgl. Australian Government 2009d, Citizenship and Immigration Canada 2009e, workpermit 2009c).

Während im Bereich der Hochqualifizierten, der v.a. Akademiker anspricht, in den meisten Fällen kein Jobangebot vorliegen muss, ist dies beim zweiten Sektor notwendig. Ausnahmen bilden Regionalprogramme und Patenschaften. Letztere sind Verwandte, die eine Garantie für den Zuwanderer übernehmen. Ein Punktetest zeigt dem Interessenten im Vorfeld an, ob er für diese Art der Migration in Frage kommt oder nicht (vgl. Australian Government 2009e, 2009f, Citizenship and Immigration Canada 2009f, 2009g, UK Immigration 2009b, workpermit 2009a, 2009b, 2009d).

Der Punktetest darf nicht als ein Examen missverstanden werden, bei dessen positiven Abschluss die Zuwanderung gesichert ist. Vielmehr sind die unterschiedlichen Varianten als Orientierungshilfen für den Interessenten gedacht und als Grundlage für die Entscheidung des Beamten zu sehen. Letztere entscheiden über den einzelnen Antrag, der teilweise vorab online gestellt werden kann. Bei den Verfahren müssen im Formular zudem die Unbescholtenheit, die Gesundheit, die Ausbildung, die Sprachkompetenzen, das Vermögen mit Hilfe von Attesten, Zeugnissen und behördlichen Dokumenten nachgewiesen werden (vgl. Australian Government 2009d, Citizenship and Immigration Canada 2009c, 2009h, workpermit.com 2009c).

Gerade der Sektor der weniger Qualifizierten wird oftmals zeitlich begrenzt und ist von den Bedürfnissen des jeweiligen Arbeitsmarktes abhängig. In UK ist dieser Bereich derzeit zugunsten von Arbeitnehmern aus dem EU-Bereich gesperrt. Trotzdem werden Programme angeboten, die eine Art Hineinschnuppern in den Staat ermöglichen sollen. Gerade ein Studienaufenthalt, der einen akademischen Abschluss im Gastland nach sich zieht, ist eine sehr gute Eintrittskarte für eine zukünftige Einwanderung (vgl. Australian Government 2009d, 2009g, Citizenship and Immigration Canada 2009i, UK Immigration 2009b).

Für Menschen, die eine gute und hohe Qualifikation besitzen, wirken diese Angebote und Strukturen sehr einladend. Dementsprechend sind die Homepages für diese Zielgruppe gestaltet. Weitere Möglichkeiten, wie die Einbürgerung, werden bei Canada und Australien ausgewiesen und transparent dargelegt. Bevor diese stattfindet, werden bei einem Test Sprach- und Landeskenntnisse abgefragt. Bei einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis kann dies in Canada nach drei Jahren erfolgen. In Australien sind die Anforderungen etwas bürokratischer gestaltet. Der jeweilige Individualfall kann mit Hilfe eines citizen wizard auf der Homepage der Einwanderungsbehörde abgefragt werden (vgl. Australian Government 2009h, Citizenship and Immigration Canada 2009j).

Während das Vereinigte Königreich aufgrund seiner ehemaligen Kolonien und des Commonwealth eine offensive Einwanderungspolitik betreibt, verhält sich das übrige Europa dieser Thematik gegenüber abwartend.

[...]


[1] Um die Lesbarkeit dieser Arbeit zu vereinfachen wird nur die männliche Form verwendet. In der Mehrzahl werden beide Geschlechter angesprochen.

[2] vgl. Han 2005, S.7.

[3] Henry Dunant war Kantonsbürger von Genf und zugleich französischer Staatsbürger (vgl. Hasler 2005, S.47).

[4] Dieser ist international unter der Bezeichnung YMCA bekannt (M.K-T.).

[5] Zunächst wurde am 9.2.1863 aus der Gemeinnützigen Gesellschaft ein Ständiges Internationales Komitee gegründet und am 17.2.1863 in Internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege umbenannt (vgl. Dempfer 2009, S.35).

[6] Dunant versuchte immer wieder seine Schulden aus dem Konkurs zurückzuzahlen (vgl. Hasler 2005, S.137).

[7] In weiterer Folge als Föderation oder IFRC wiedergegeben.

[8] In weiterer Folge als Nationale Gesellschaften wiedergegeben.

[9] Das IKRK kümmert sich um Binnenvertriebene, sogenannte internal displaced persons (vgl. Anhang, S.130).

[10] Dieser hieß zu Beginn Liga und nicht Föderation (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007c).

[11] Das größte Land islamischen Glaubens, Indonesien, verwendet das Rote Kreuz (M. K-T.).

[12] Als religiöse Zeichen wurden das Rote Kreuz und der Rote Halbmond in Israel, Palästina und Eritrea interpretiert. Gerade im Nahost-Konflikt konnten im Grenzbereich viele Verletzte nicht optimal versorgt werden. In Palästina wurde der Rote Magen David Adom nicht als Schutzzeichen anerkannt, in Israel nicht der Rote Halbmond. Unter dem Roten Kristall als gemeinsames Schutzzeichen konnten die gravierendsten Probleme in diesem Bereich gelöst werden. Zudem kann für alle drei Zeichen die Abkürzung RC (Red Cross, Red Crescent, Red Cristall) verwendet werden (vgl. Anhang, S.133f, Dempfer 2009a, S.42ff).

[13] Das IKRK ist selbst Völkerrechtssubjekt und kann Gesandte entsenden bzw. empfangen. Delegierte müssen nicht Schweizer Staatsbürger sein (vgl. Hobe 2008, S.158, 381).

[14] Eine dementsprechende Tafel befindet sich im Gebäude des Generalsekretariats (M.K-T.).

[15] Die letzte Novelle dieses Gesetzes wurde mit 1.Februar 2008 rechtsgültig (vgl. Österreichisches Rotes Kreuz 2007s).

[16] Dazu gehören neben den europäischen, die zentralasiatischen Staaten. Insgesamt sind bei dieser Konferenz 52 Staaten vertreten (vgl. Anhang, S.134).

[17] Diese hat einen philippinischen Migrationshintergrund. Sie ist Absolventin der Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Innsbruck und arbeitete vor ihrer Tätigkeit für das ÖRK beim Land Tirol (M.K-T).

[18] Dies ist das Nachfolgeprojekt von A letter to the stars, bei dem Schülern mit Hilfe von Zeitzeugen die schrecklichen Ereignisse des Holocaust näher gebracht wurden (M.K-T.).

[19] In der wissenschaftlichen Literatur wird zumeist nur der Begriff Segregation angeführt.

[20] Für UK wurde aufgrund der Niederlassungsfreiheit der EU Kroatien als Herkunftsland bei der Angabe des derzeitigen Einkommens angegeben.

Ende der Leseprobe aus 143 Seiten

Details

Titel
Die Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes
Hochschule
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
143
Katalognummer
V150906
ISBN (eBook)
9783668699793
ISBN (Buch)
9783668699809
Dateigröße
1289 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
migrationspolitik, österreichischen, roten, kreuzes
Arbeit zitieren
M.Ed. Michael Kopetzky-Tutschek (Autor:in), 2010, Die Migrationspolitik des Österreichischen Roten Kreuzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150906

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