Forschungsdesign - Was muss bei Experteninterviews beachtet werden?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Hausarbeit

Frage 1:

Was ist bei der Durchführung von Befragungen im Allgemeinen, bei Experteninterviews im Besonderen zu beachten??

Befragungen dienen zur Ermittlung von Fakten, Wissen, Einstellungen, Meinungen und Verhalten. Sozialwissenschaftliche Sachverhalte, d.h. die soziale Wirklichkeit oder Realität sollen gemessen werden. Jede Befragung dient dem Zweck, Antworten zu erhalten, die der Beantwortung der Forschungsfrage dienen.[1] Der Unterschied zwischen wissenschaftlicher und der Alltagsbefragung besteht vor allem in der systematischen Vorgehensweise. Der Wissenschaftler orientiert sich an seiner Forschungsfrage.[2] Das bedeutet jeder Befragung müssen gründliche Vorüberlegungen vorhergehen: Was möchte der Forscher vom Befragten wissen? Weiterhin muss geklärt werden, wer befragt wird und welche Form der Befragung angewandt wird. Sind die Individuen in der Zielgruppe bereit, an der Befragung teilzunehmen? Vor jeder Durchführung einer Befragung muss geklärt werden ob dem Forscher(-team) ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Befragung wie geplant durchzuführen. Damit sind sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen und ein richtiges Zeitmanagement des gesamten Forschungsprojektes gemeint.

Viele Lehrbücher zum Thema ordnen die Methode der Befragung und ihre Formen verschieden ein. Es gibt geschlossene Befragungen, meist in Form eines standardisierten Interviews oder offene Befragungen (nicht-standardisiert), z.B. Gruppendiskussionen oder narrative Interviews. Man unterscheidet zudem zwischen quantitativer und qualitativer sowie schriftlichen und mündlichen Befragungen. Quantitative Befragungen finden primär in Form von standardisierten Befragungen und qualitative Befragungen in Form von offenen Befragungen statt. Zudem kann man auch teil-strukturierte Befragungen durchführen; diese bestehen aus offenen und geschlossenen Fragen. Bei der quantitativen Befragung ist das primäre Ziel, mitsamt der erhobenen Stichprobe Rückschlüsse auf eine größere Grundgesamtheit zu schließen, beispielsweise der gesamten Bevölkerung. Man will Tatsachen erklären und verallgemeinern. Qualitative Interviews dienen eher dazu, durch offenere Befragungen bestimmte Abläufe, Einstellungen oder Phänomene zu verstehen. Im Folgenden weniger auf die Unterschiede zwischen den beiden Erhebungsmethoden eingegangen, da diese in Frage 4 detailierter beschrieben werden.

In welchen Schritten läuft eine Befragung ab? Zuerst muss eine Forschungsfrage konzipiert werden. Bei jeder Konzeption dieser Frage müssen die in ihr enthalten Begriffe klar definiert werden. Die große Fragestellung wird daraufhin zum Zweck der Befragung in einzelne kleinere Fragen umgesetzt und in einen Fragebogen oder einen Gesprächsleitfaden übertragen. Bei der Konstruktion eines Fragebogens oder eines Gesprächsleitfadens (der bei der Methode Befragung auch häufig aus Fragen besteht) muss einiges bedacht werden: Man beginnt die Befragung stets mit einer Einleitungsfrage. Diese soll das Interesse des Befragten wecken, Vertrauen zum Befrager aufbauen und leicht zu beantworten sein. Man sollte dem Befragten das Gefühl geben, er sei wichtig für den gesamten Forschungsablauf. Weiterhin muss man darauf achten, wie die Fragen formuliert werden: man sollte einfache Wörter benutzen und die Fragen sollten klar und deutlich formuliert sein. Zudem sollten Suggestivfragen vermieden werden: Jene Frage die eine bestimmte Antwort vorab nahe legen. Sind die Fragen zu kompliziert oder zu eintönig formuliert, können sie sich negativ auf die Motivation des Befragten auswirken. Schwierige Fragen sollten im mittleren Drittel gestellt werden, dann ist erfahrungsgemäß die Motivation des Befragten am Größten. Zum Abschluss können dann die leicht zu beantworteten, soziografischen Fragen gestellt werden.[3] Bei der Auswahl der Fragen unterscheidet man zwischen offenen und geschlossenen Fragen. Bei geschlossenen Fragen sind Antwortkategorien vorgegeben, bei offenen Fragen nicht. Es ist auch eine Kombination aus beiden möglich. Weiterhin sollte man bei einem Fragebogen darauf achten, dass dieser ansehnlich und übersichtlich gestaltet ist. Bei schriftlichen Befragungen entscheidet u.a. dieses Kriterium über die Rücklaufquote. Wurde der Fragebogen/ der Gesprächsleitfaden fertig konstruiert, ist es ratsam, ihn in einem sogenannten pretest zu prüfen. Dazu benötigt man nur eine geringe Anzahl der gesamten Stichprobe. Dieser prestest soll dabei helfen, eventuelle Fehler auszubessern. Anschließend nimmt man Kontakt auf mit den Personen, die befragt werden sollen. Führt man die Befragungen nicht selber durch, aufgrund zu hohem zeitlichen Aufwand etc., ist eine Schulung der Interviewer unabdingbar. Zur Dauer der Befragungen gibt es einen Richtwert, nach dem persönliche Interviews nicht länger als 60 Minuten und Telefoninterviews nicht länger als 40 Minuten dauern sollten.[4] Bei mündlichen Befragungen sollte auf die Atmosphäre des Gespräches geachtet werden und der Interviewer sollte intensiv auf den Interviewpartner eingehen. Dem Befragten muss versichert werden, dass seine Daten vertraulich und anonymisiert behandelt werden; Rückschlüsse aus Antworten auf einzelne Personen müssen absolut ausgeschlossen werden.[5] Einige häufige Fehlerquellen muss man bei der Durchführung uns Auswertung von Befragungen im Auge haben: erstens das Phänomen der sozialen Erwünschtheit. Sind dem Befragten bestimmte Antworten peinlich oder er vermutet, seine Antwort sei moralisch verwerflich, wird er möglicherweise nicht die Wahrheit sagen. Weiterhin muss man darauf Acht geben, dass durch die Formulierungen der Fragen (unklar, unverständlich etc.) keine Fehler entstehen. Eine andere Fehlerquelle kann der Interviewer selbst oder die Interviewsituation sein. Man muss darauf acht geben, dass der Interviewer sorgfältig geschult wurde und dass die Situation für den Befragten angenehm ist.[6]

Das Experteninterview ist eine spezielle Methode der Befragung. Da es eine sehr aufwendige Methode der Datenerhebung, werden meist nur wenige Experten befragt. Diese werden häufig nicht per Zufallsstichprobe wie bei quantitativen Befragungen ermittelt, sondern mit Hilfe anderer Strategien. Aus diesen Gründen lassen sich Ergebnisse aus Experteninterviews schwer verallgemeinern, vergleichen und statistische Auswertungsverfahren können nicht angewandt werden. Kromey ordnet das Experteninterview als nicht-standardisierte, mündliche Befragung ein.[7] Experteninterviews können auch teil-standardisiert und schriftlich durchgeführt werden, dies ist jedoch seltener der Fall. In der Regel werden Experteninterviews als teilstrukturierte leitfadengestützte Interviews eingeordnet. Ausführlicher auf Vorbereitung, Durchführung und Auswertungen von Experteninterviews wird in der folgenden Frage eingegangen.

Stellen Sie Schritte bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Experteninterviews dar!

Zur Vorbereitung eines Experteninterviews gehört es die leitende Forschungsfrage zu entwickeln und Hypothesen zu formulieren. Der Forscher sollte sich über die Fragestellung und das eigene Erkenntnisinteresse klar werden. Der Interviewer muss sicherstellen, dass er sich genügend Wissen auf dem untersuchten Feld angeeignet hat, um die Befragung auf dem Wissensniveau eines Experten durchzuführen. Der Interviewer muss sich ausführlich mit dem Thema und insbesondere mit Fachtermini und grundlegenden Befunden vertraut machen. Außerdem muss das Thema vorstrukturiert werden. Ein Experteninterview kann sowohl wenig strukturiert als auch stark strukturiert sein.[8] Im nächsten Schritt müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, wer als Experte geeignet sein und über die benötigten Informationen verfügen könnte. Dies ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Oftmals braucht es mehrere Experten, um alle nötigen Informationen zusammen zutragen. Grundsätzlich sollte ein Experte sich mit dem Thema gut auskennen. Man hofft, dass der Experte aufgrund seiner Kenntnisse eine gewisse Distanz und Objektivität zum Thema hat, und es dadurch in größere Zusammenhänge einordnen kann. Ob dies der Fall ist, sollte vom Interviewer kritisch betrachtet werden! Hat man Experten anhand verschiedener Kriterien ausgewählt (Funktion, Status etc.), werden diese kontaktiert, durch Anschreiben oder Anrufe. Darin sollten die Ziele und Inhalte der Forschung, ungefährer Dauer des Interviews und ein Terminvorschlag enthalten sein. Man muss damit rechnen, dass die angefragte Person die Rolle als Experte nicht akzeptiert oder das Interview aus anderen Gründen ablehnt.[9] Weitere Entscheidungen müssen getroffen werden: Man muss sich überlegen ob das Interview face-to-face, per Telefon oder per E-Mail durchgeführt werden soll. Wenn es Zeit, Finanzen und Räumlichkeiten zulassen sollte die erste Variante bevorzugt werden, da durch ein face-to-face-Gespräch eine viel intensivere Gesprächsatmosphäre entsteht und viel intensiver auf den Interviewpartner eingegangen werden kann. In den letzten Jahren werden auch häufig Telefonexperteninterviews durchgeführt. Möchte man viele Experten zu einem Thema befragen, bietet sich diese Variante aufgrund von Kosten- und Zeitersparnis an.

[...]


[1] Vgl. Kromey (2002): S.351

[2] Vgl. Bellers/ Kippe (1999): S.109

[3] Vgl. Behnke et al. (2006): S. 214ff., Bellers/Kippe (1999): S.113

[4] Vgl. Behnke, Baur, Behnke (2006): S. 219

[5] Vgl. Bellers/Kippe (1999): S.113

[6] Vgl. Behnke, Baur, Behnke (2006): S. 225f.

[7] Vgl. Kromey (2002): S.84

[8] Vgl. Schnell et. al /2005): S.323

[9] Vgl. Gläser/ Laudel (2009): S.117

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Forschungsdesign - Was muss bei Experteninterviews beachtet werden?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Sozial- und Verhaltenswissenschaften)
Veranstaltung
Forschungsdesign
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
16
Katalognummer
V150817
ISBN (eBook)
9783640626489
ISBN (Buch)
9783640626885
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Forschungsdesign, Experteninterviews
Arbeit zitieren
Juliane Heinz (Autor:in), 2010, Forschungsdesign - Was muss bei Experteninterviews beachtet werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150817

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