Links vor Rechts

Eine Studie zur Untersuchung von Reihenfolge- und Transfereffekten bei der Aneignung eines präzisen Faustballangriffsschlags


Bachelorarbeit, 2010

69 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemdarlegung und Zielstellung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Physiologische und sportmotorische Grundlagen
2.1 Lernen, Bewegungsregulation und kontralateraler Lerntransfer
2.2 Motorisches Lernen
2.3 Seitigkeit und beidseitiges Üben im Sport

3 Forschungsstand

4 Forschungshypothesen

5 Methodisches Vorgehen
5.1 Allgemeines methodisches Vorgehen und Studiendesign
5.2 Beschreibung der Testbewegung
5.3 Versuchsaufbau
5.4 Probanden
5.5 Spezifischer Untersuchungsablauf
5.6 Verarbeitung der Daten und statistische Verfahren
5.7 Operationale Hypothesen
5.8 Zusammenfassung

6 Ergebnisse und Auswertung
6.1 Globalanalyse
6.2 Überprüfung der Reihenfolgehypothese
6.3 Einflussfaktoren
6.4 Überprüfung der Transferhypothese
6.5 Zusammenfassung

7 Zusammenfassung, methodische Ableitungen und Ausblick
7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse in Bezug auf die Forschungshypothesen
7.2 Vergleich der Ergebnisse mit einer ähnlichen Studie
7.3 Methodische Ableitungen
7.4 Zukünftige Forschungen

Literaturverzeichnis

Anhang A Testmanual zum Kernschlag-Präzisions-Test

B Voraussetzungsprüfung für die MANOVA

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Lernen durch Bewegungserfahrung

Abbildung 2: Gekreuzte Motorik des Menschen

Abbildung 3: Einflussfaktoren des technischen Lernprozesses

Abbildung 4: Modellhafte Vorstellung der interhemisphärischen Kommunikation im anfänglichen Übungsprozess bei der Aneignung motorischer Fertigkeiten am Beispiel der räumlichen Präzisionsanforderung des zielgenauen Werfens beim Dart

Abbildung 5: Hauptschlagart des Faustballs: der Kernschlag aus dem Stand ..25

Abbildung 6: Skizze Versuchsaufbau

Abbildung 7: Sportarten der Probanden in den einzelnen Gruppen für das Ausschließen von Vorerfahrungen im Faustball und ähnlichen Sportarten

Abbildung 8: Mittelwerte der Trefferpunkte beider Gruppen im Vergleich in den Messzeitpunkten Pre-, Zwischen-, Post- und Retentionstest, gemittelt über beide Hände

Abbildung 9: Leistungssteigerung der rechten Hand vergleichend zwischen beiden Gruppen über die Messzeitpunkte Pre-, Zwischen-, Post- und Retentionstest hinweg

Abbildung 10: Leistungssteigerung der linken Hand vergleichend zwischen beiden Gruppen über die Messzeitpunkte Pre-, Zwischen-, Post- und Retentionstest hinweg

Abbildung 11: Vergleich der Mittelwerte der Trefferpunktzahlen beider Gruppen im Transfertest gemittelt über beide Hände

Abbildung 12: Lernverlauf im Vergleich zwischen den Geschlechtern über vier Messzeitpunkte hinweg

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Deskriptive Beschreibung der Untersuchungsgruppen

Tabelle 2: Testintervall, Reihenfolge der Körperseiten während der Tests in den jeweiligen Gruppen

Tabelle 3: Mittelwerte (MW) und Standardabweichung (SD) der im Test erreichten Punktzahlen im Vergleich für Gruppe Re- Li und Li­Re mit jeweils linker und rechter Hand vom Pretest über vier Messzeitpunkte hinweg

Tabelle 4: Deskriptive Statistik des Transfertests für beide Gruppen

Tabelle 5: T-Test bei gepaarten Stichproben, Vergleich Gruppe Li-Re (Lernzuwachs von Pre- zu Zwischentest mit der rechten Hand) und Gruppe Re-Li (Lernzuwachs von Pre- zu Zwischentest mit der linken Hand)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Weiterhin stehen folgende Bezeichnungen sowohl für das weibliche als auch für das männliche Geschlecht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemdarlegung und Zielstellung der Arbeit

Ungefähr 90% der Menschen sind Rechtshänder. Da bleibt es nicht aus, dass die wenigen Linkshänder im Alltag oft benachteiligt werden. Die Ausübung von Sport hebt diesen Personenkreis jedoch auf die gleiche Ebene mit denen, die ihre rechte Hand bevorzugen. In einigen Sportarten können Linkshänder sogar einen großen Vorteil gegenüber Rechtshändern erlangen. Bei Sportarten wie Basketball, Handball, Volleyball und anderen wird oft nur eine Extremität bevorzugt, obwohl die Verwendung der anderen Körperseite dennoch unerlässlich ist. Die Randsportart Faustball kann man dazu zählen. Die Notwendigkeit der Beidseitigkeit im Faustball wird in vielen Situationen deutlich, z. B. beim Abwehren oder Zuspielen eines Balls, der beim Auftreffen auf den Rasen im letzten Moment verspringt. Unter Zeitdruck würde es nur selten gelingen, noch um den Ball herum zu laufen, besser wäre eine schnelle Entscheidung, den anderen Arm zu benutzen. Ein weiterer Vorteil zeigt sich im Angriffsspiel. Beherrscht man verschiedene Angriffstechniken mit beiden Körperseiten, ist ein Überraschungseffekt für den Gegner garantiert. Faustball ist eine Spielsportart und zählt somit zu den situativen Sportarten. Situationsangemessenes Handeln, was das Beherrschen der Fertigkeiten mit beiden Armen einschließt, ist demnach unumgänglich. Dadurch wird die variable Verfügbarkeit erreicht und somit auch das Spielvermögen und die Handlungskompetenz erhöht. Es wird behauptet, wenn man eine Bewegung mit der rechten Hand lernt, auch die linke Hand automatisch mit lernt und umgekehrt. Um die Vorteile des beidseitigen Übens im Faustball zu untersuchen und empirisch abzusichern, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit dem Erlernen einer komplexen sportmotorischen Fertigkeit aus dem Faustball, indem beide Körperseiten in gegensätzlicher Reihung trainiert werden. Die Übertragung der erlernten Fertigkeit von einer Hand auf die andere erfolgt über den kontralateralen Lerntransfer, der in der vorliegenden Arbeit eine entscheidende Rolle spielt. Beide Hirnhemisphären werden für unterschiedliche Aufgabenanforderungen differenziell herangezogen, um die eingegangenen Informationen zu verarbeiten sowie zu speichern, um später ein Bewegungsprogramm zu erstellen und somit das Gelernte wieder anwenden zu können. Die Verarbeitung und Steuerung räumlicher Anforderungen erfolgt laut vorangegangener Studien in der rechten Hirnhälfte. Die Testfertigkeit, der Angriffsschlag (Kernschlag) aus dem Faustball, ist eine Aufgabe, welche Anforderungen an die Präzision, Orientierung und Koordination stellt. Infolgedessen kann man davon ausgehen, dass diese Aufgabe die rechte Hirnhemisphäre gezielt anspricht. Durch die gekreuzte Motorik übernimmt die rechte Gehirnhälfte die Steuerung der linksseitigen Extremitäten des Körpers. Nutzt man die linke Hand für die Ausführung der Testfertigkeit, dann kann sich auf Grund der angesprochenen Hirnhemisphäre ein effizientes Bewegungsmuster bilden. Über den Verbindungsbalken (corpus callosum) der Gehirnhälften wird diese Bewegungsrepräsentation auf die andere Hälfte übertragen und kann somit auch von der anderen Hand genutzt werden. Infolge der Aufgabenspezifik der beiden Hirnhemisphären lässt sich letztendlich vermuten, dass ein anfängliches Training mit der linken Körperseite beim Erlernen des präzisen Kernschlages von Vorteil für das spätere Leistungsniveau beider Körperseiten gegenüber anfänglichem Training mit der rechten Hand ist. Es sind noch relativ wenige Untersuchungen zum Phänomen des kontralateralen Lerntransfers und seiner Einbindung in die motorische Grundausbildung vorgenommen worden. Im Vordergrund der vorliegenden Arbeit steht dementsprechend das eigene Experiment. Welche Körperseite sollte beim Training des Angriffsschlages aus dem Faustball im Aneignungsprozess anfänglich benutzt werden? Welche ist die optimale anfängliche Seite?

Mit Hilfe der Befunde der vorliegenden Untersuchung können Hinweise zur Optimierung des Fertigkeitserwerbstrainings im Faustball gegeben werden. Traditionell zielt das Training oft nur auf die Verbesserung der rechten Körperseite ab. Für höhere Spielklassen ist aber letztendlich die variable Verfügbarkeit der Fertigkeiten auf beiden Seiten wichtig. Um von Aneignung sprechen zu können, muss eine Testfertigkeit verwendet werden, in der die Probanden noch keine Vorerfahrungen besitzen. Recht viele Teilnehmer kann man gewinnen, wenn man eine Randsportart wählt. In Deutschland gibt es nur ungefähr 40.000 im DTB registrierte, aktive Faustballspieler und -spielerinnen. Auch die geringe Verbreitung der Sportart weltweit (keine olympische Sportart, nur den World Games zugehörig mit der Beteiligung von Nationen wie Argentinien, Brasilien, Chile, Dänemark, Indien, Italien, Japan, Namibia, Österreich, Schweiz, Tschechien, Uruguay, USA und elf weitere) macht sie zu einem geeigneten Untersuchungsmittel. Damit die Sportnähe erhalten bleibt, die Ergebnisse besser in die Praxis übertragen werden können und somit Ableitungen für die Trainingsmethodik gegeben werden können, soll ein Feldexperiment vorgezogen werden, welches mittels vollständig gekreuztem Transferdesign durchgeführt wird.

1.2 Aufbau der Arbeit

Insgesamt ist die vorliegende Arbeit in sieben Kapitel unterteilt. Den theoriegeleiteten Teil bildet das Kapitel 2, welches physiologische und sportmotorische Grundlagen zum Forschungsgegenstand beleuchtet. Inhalt des zweiten Kapitels ist der Prozess des Lernens, die Bewegungsregulation und der kontralaterale Lerntransfer. Im Teilkapitel 2.2 wird auf das motorische Lernen eingegangen. Das Phänomen der Seitigkeit des Menschen und die Notwendigkeit des beidseitigen Übens wird abschließend in besagtem Kapitel erörtert. Bisherige Forschungen zum Thema sind im Kapitel 3 aufgezeigt und gehören ebenfalls dem Theorieteil der Arbeit an. Konkrete Forschungshypothesen für die vorliegende Arbeit sind im anschließenden Kapitel aufgestellt und bilden die Grundlage für das im Kapitel 5 vorgestellte methodische Vorgehen. Das Methodische Vorgehen wird in mehrere Unterpunkte aufgegliedert. Thematisiert wird neben dem allgemeinen methodischen Vorgehen und dem Studiendesign die Beschreibung der Testbewegung sowie der Versuchsaufbau. Im Abschnitt 5.4 wird näher auf die Probanden eingegangen und nachfolgend dann der spezifische Untersuchungsablauf vorgestellt. Relevant ist auch die Art und Weise der Verarbeitung der erhaltenen Daten, was in 5.6 vorgestellt wird. Das Kapitel 5 endet mit der Aufstellung der operationalen Hypothesen und einer kurzen Zusammenfassung zum methodischen Vorgehen in der Untersuchung. Das sechste Kapitel dient der Auswertung der im Experiment erhaltenen Ergebnisse. Nach einer Globalanalyse kommt es zur empirischen Überprüfung der Hypothesen sowie zur Anführung verschiedener Einflussfaktoren. Die Voraussetzungsprüfung für die MANOVA befindet sich im Anhang. Schlussendlich wird auch dieses Kapitel mit wenigen Worten zusammengefasst. Das abschließende siebente Kapitel resümiert die in Kapitel 6 dargestellten Ergebnisse erneut in Bezug auf die Forschungshypothesen und zeigt unter Punkt 7.3 methodische Ableitungen für die Trainingspraxis auf. Das Teilkapitel 7.2 widmet sich dem Vergleich der vorliegenden Studie mit einer ähnlichen Studie. Am Ende der Arbeit werden Hinweise für künftige Forschungen zu vorliegendem Forschungsgegenstand gegeben. Einige theoretische Sachverhalte sowie die im Experiment erhaltenen Befunden und zugehörige Diskussionen sind zu Zwecken der Verständlichkeit und schlüssigen Argumentation wiederholt angemerkt. In Anbetracht dessen verfügt die Arbeit über kurze Zusammenfassungen am Ende einiger Kapitel.

2 Physiologische und sportmotorische Grundlagen

Warum ist es so, dass es für unterschiedliche Bewegungsaufgaben eine optimale Körperseite gibt, mit der man das Training beginnen soll? Es ist „seit langem bekannt, dass beide Hirnhemisphären für unterschiedliche Aufgaben differentiell herangezogen werden. Während die linke Hemisphäre vor allem die zeitlich- sequentielle Steuerung von Handlungen übernimmt, wird deren räumliche Orientierung stärker in der rechten Hemisphäre verarbeitet“ (Weigelt, 2004, S.59).

Viele neurophysiologische Forschungen konnten diesen Fakt bisher belegen, der auch in dieser Arbeit einen wesentlichen Stellenwert einnimmt. Deshalb soll in diesem Kapitel einiges noch einmal erwähnt und kurz beleuchtet werden. Unter anderem sind für diese Arbeit folgende physiologische und sportmotorische Aspekte wesentlich: Motorisches Lernen, also das Aneignen neuer Bewegungsfertigkeiten, Bewegungskontrolle bzw. Bewegungsregulation und - steuerung sowie in diesem Zuge auch der kontralaterale Lerntransfer und das beidseitige Üben im sportlichen Trainingsprozess.

2.1 Lernen, Bewegungsregulation und kontralateraler Lerntransfer

Der Begriff des Lernens wird in vielerlei Hinsicht definiert. Zusammengefasst könnte man sagen, dass Lernen ein Prozess ist, der das Aufnehmen, Verarbeiten und Umsetzen von Informationen umschließt. Informationen werden dabei über verschiedene Analysatoren aufgenommen (kinästhetischer, statico- dynamischer, taktiler, optischer und akustischer Analysator) und über afferente Nervenbahnen zur Verarbeitung ins Gehirn weitergeleitet, um anschließend über efferente Bahnen zu den verschiedenen Organen, z. B. zu den Muskeln, geleitet zu werden (Abb. 1). Demnach beruht das Lernen auf gesammelten Erfahrungen, die eine Verhaltensänderung des Organismus bewirken, welche ihn befähigen situationsangemessen zu reagieren und zu handeln. Um von Lernen zu sprechen, ist also ein bestimmtes Maß an Übung, im Sport würde man von Training sprechen, zum Erfahrungssammeln nötig. Die sportlichen Handlungen werden je nach Situation geplant, initiiert und schließlich ausgeführt (Abb. 2).

Hacker unterteilt diese psychischen Lernschritte in drei Regulationsebenen. Am Anfang des Lernprozesses einer sportlichen Bewegung sind diese Schritte der psychischen Regulation sehr bedeutsam und werden sehr bewusst ausgeführt (kognitiv- intellektuelle Regulationsebene). Eine Mittelstellung nimmt die perzeptiv begriffliche Ebene ein. Hat man die Bewegung automatisiert, liegt der Fokus nicht mehr auf der Bewegungsausführung. Die Prozesse laufen weitgehend unbewusst ab (kognitiv- sensomotorische Regulationsebene). Die kognitiv- intellektuelle Ebene ist demnach die Regulationsebene, die beim Lernen einer neuen Bewegung die entscheidende ist. Deshalb soll folgend die damit einhergehende Physiologie der Bewegungskontrolle etwas genauer betrachtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau eines Analysators (aus Hartmann & Minow 1999, S. 224).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Lernen durch Bewegungserfahrung[1]

Bewegungskontrolle ist die Ausführung koordinierter Bewegungen, die an komplexe Steuerungs- und Regelungsprozesse im menschlichen Organismus gebunden ist. Zunächst wird im Kleinhirn ein Bewegungsplan erzeugt und zu einem Bewegungsprogramm umgewandelt. Diese Signale gelangen über den Hirnstamm ins Rückenmark und weiter in das jeweilige Erfolgsorgan, wo es zur Ausführung des Programms kommt. Die zuvor ankommenden Signale im Kleinhirn wurden in unterschiedlichen Hirnhemisphären verarbeitet. Je nachdem welche Informationen aufgenommen wurden, erfolgt je nach Aufgabencharakteristik das Heranziehen der jeweils dafür vorgesehenen Hirnhemisphäre. Inwieweit sind beide Hemisphären für die Bewegungssteuerung zuständig und wie hängt es zusammen, mit welcher Körperseite man eine Bewegungsaufgabe bewältigt? Beide Hirnhemisphären sind über das corpus callosum miteinander verbunden und jeweils für die Motorik der Extremitäten der Gegenseite verantwortlich. Man spricht von einer gekreuzten Motorik, da die Ansteuerung der rechten Hand durch die linke Gehirnhälfte und die linke Hand von der rechten Hemisphäre initiiert wird (siehe Abb. 3). Dies ist möglich durch die so genannten Pyramidenbahnen des Extrapyramidalen Systems.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gekreuzte Motorik des Menschen[2]

Aber welche Auswirkungen hat diese Verschaltung der Hemisphären und die gekreuzte Motorik auf das Ausführen von verschiedenen Bewegungsaufgaben? Dass beide Hirnhälften für unterschiedliche Aufgaben differentiell herangezogen werden, konnte bereits durch neurophysiologische Untersuchungen bestätigt werden. Weigelt (2004) unterteilt die unterschiedlichen Aufgabentypen in:

„räumlich- motorische Anforderungen (z. B. räumliche Orientierung, Koordination und Präzision), zeitlich- sequentielle Anforderungen (z. B. Bewegungs-, Frequenz- und Reaktionsschnelligkeit) und muskeldynamische Anforderungen (z. B. Dosierung, Kontrolle und Maximierung des Krafteinsatzes)“ (Stöckel, 2009, S.50).

Die Spezialisierungen kann man den Hirnhemisphären wie folgt zuordnen:

„Während die linke Hirnhemisphäre vor allem die zeitlich sequentielle Steuerung von Bewegungen übernimmt [...], ist die rechte Hirnhemisphäre vor allem für die räumliche Orientierung und Kontrolle von Bewegungen zuständig [...]. Dabei wird der dominanten, linken Hemisphäre stärker die Steuerung (ohne Feedback) der dynamischen Eigenschaften einer Aufgabe zugeschrieben und der nicht-dominanten, rechten Hemisphäre die Kontrolle (durch sensorische Rückmeldung) finaler Bewegungszustände [...]“ (Stöckel, 2009, S. 18).

Wenn also jede Hemisphäre für die Verarbeitung bestimmter Anforderungen verantwortlich ist, dann lässt sich festhalten, dass es je nach Anforderungscharakteristik eine Körperseite gibt, mit der man eine neue Bewegung schneller und effektiver lernt. Auch konnte in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass vom Üben auf einer Körperseite, sowohl die geübte als auch die ungeübte Seite profitiert, was die Verschaltung der Hemisphären und den Austausch untereinander ebenfalls belegt. Wie der Austausch zwischen den Gehirnhälften und die Verschaltung über den corpus callosum jedoch genau funktioniert, ist noch umstritten und bedarf weiterer Studien, insbesondere zur Bewegungskontrolle. Entscheidend ist im Zusammenhang mit dem kontralateralen Lerntransfer noch die Richtung der Übertragung. Sollte die kontralaterale Übertragung von einer Körperseite auf die andere größer sein als in umgekehrter Richtung, dann bezeichnet man den Transfer als asymmetrisch. Bei gleich großem Transfer in beide Richtungen spricht man von symmetrischem Transfer. Da es in dieser Arbeit darum geht, eine optimale anfängliche Körperseite für eine Fertigkeit heraus zu finden, müsste also ein asymmetrischer kontralateraler Lerntransfer nachgewiesen werden. Durch die unterschiedlichen Reihungen der zuerst benutzen Körperseite sollte sich die Richtung herausfinden lassen, bei der der Lerneffekt, also der Transfer, am größten ist. Im Fall dieser Arbeit sollte sich demnach herausfinden lassen, ob bei einer bestimmten Präzisionsanforderung ein anfängliches Training mit der linken Körperseite sinnvoller sei, als den Lernprozess mit der rechten Seite zu beginnen, um die Effekte des kontralateralen Lerntransfers beim Neulernen einer Fertigkeit optimal ausnutzen zu können. Außerdem lässt sich für die Arbeit ableiten, dass sich ein anfängliches Üben mit der linken Seite positiv auf beiden Körperseiten auswirkt. Eine Annahme besteht konkret darin, dass die optimale anfängliche Trainingsseite die linke Seite sowie die optimale anfängliche Reihung der Körperseiten von links nach rechts ist, wenn die Anforderung der zu erlernenden Bewegungsfertigkeit eine Präzisionsanforderung ist. Die Einhaltung der Reihenfolge der Körperseiten beim Aneignen einer bestimmten Fertigkeit mit Präzisionsanforderung hat demnach einen Einfluss auf das spätere Niveau der beherrschten Fertigkeit, da sich ein besseres Bewegungsmuster bilden kann, wenn anfänglich die Hemisphäre angesprochen wird, die für die Verarbeitung der Aufgabe spezialisiert ist. Die wichtigsten Studien, die bisher zu diesem Thema des kontralateralen Lerntransfers durchgeführt wurden, findet man tabellarisch zusammengefasst bei Stöckel (2009, S. 47).

2.2 Motorisches Lernen

Wie zuvor erwähnt, interessiert in dieser Arbeit unter anderem in welche Richtung der interhemisphärische Austausch besser funktioniert. Hierfür soll eine Bewegung neu gelernt werden. Dazu ist es nötig, das motorische Lernen etwas näher zu betrachten. Hartmann und Senf definieren das motorische Lernen wie folgt:

„Motorisches Lernen ist eine umweltbedingte, erfahrungsabhängige und relativ überdauernde Initiierung bzw. Modifikation sportmotorischer Bewegungsabläufe auf der Grundlage von Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprozessen. Es ist ausgerichtet auf den Erwerb motorischer Handlungskompetenz und der Lernfortschritt bzw. das Lernniveau werden durch die Beherrschung von motorischen und vielfältigen sporttechnischen Fertigkeiten und zweckmäßigen Verhaltensweisen geprägt“ (Hartmann & Senf, 1997, S.135).

Für das Bewegungslernen ist folglich sowohl ein motorisches Lernen als auch ein kognitives Lernen notwendig, welches zum Beispiel für das Bilden einer Bewegungsvorstellung oder das Planen einer Bewegungshandlung von Nöten ist. Um einen Nachweis zu bringen ob gelernt wurde, könnte man den Lernerfolg mit Hilfe eines Vergleichs mit der vorangegangenen Leistung messen. Die Bewegungsaufgabe wird außerdem mit zunehmendem Lernstadium qualitativ und quantitativ besser gelöst. Die Leistung ist stabiler und auch nach einer Pause wieder abrufbar sowie in neuen Situationen einsetzbar. Den Prozess des Lernverlaufs teilen Meinel und Schnabel in drei Stufen ein: „erste Lernphase - Entwicklung der Grobkoordination, zweite Lernphase - Entwicklung der Feinkoordination, dritte Lernphase - Stabilisierung der Feinkoordination und Ausprägung der variablen Verfügbarkeit“ (Meinel & Schnabel, 2004, S. 160).

Das motorische Lernen bestehe im Erwerben, Verfeinern und Stabilisieren motorischer Handlungen bzw. Fertigkeiten und Verhaltensweisen und sei immanenter Bestandteil der Gesamtentwicklung der Persönlichkeit. Es sei ein Lernprozess, deren Hauptinhalt die Bewegungsleistung, die Bewältigung einer motorischen Aufgabenstellung ist, die zur Ausbildung motorischer Fertigkeiten führe (Meinel et al., 2004, S. 158). Im vorliegenden Experiment wird vorrangig die erste Stufe des Modells von Meinel et al. angestrebt, d. h. dass die Teilnehmer die Testaufgabe bis zur Grobform erlernen. Eventuell kann es aber auch bis zur Herausbildung der Feinform kommen, je nach Komplexität und Schwierigkeit der Testfertigkeit. Aber auch die Behaltensleistung, also Nachhaltigkeit, soll angestrebt werden und damit auch eine Übertragbarkeit des Gelernten auf ähnliche Situationen. Somit können die Ergebnisse des Experiments einen Hinweis geben, mit welcher Körperseite im Lernprozess eventuell begonnen werden sollte oder inwieweit es sich auswirkt, wenn man die linke Extremität schon von Beginn an in den Übungsprozess einbezieht. Den motorischen Lernprozess beeinflussen viele Faktoren (Abb. 4). Die Seitigkeitstypologie zählt Weineck (2007) unter anderem auch zu den Einflussfaktoren des technischen Lernprozesses. Demnach soll dieser Faktor eine große Rolle in dieser Arbeit spielen und müsste im Trainingsprozess folglich auch optimiert werden um schnell und effektiv eine neue Bewegungsfertigkeit zu lernen.

[...]


[1] Abbildung entnommen aus http://www.schilanglauf.net/content/view/13/41/ Zugriff am 10. Dezember 2009, Urheber unbekannt

[2] Abbildung entnommen aus http://www.klaeui-web.ch/tag/linkshander/ Zugriff am 28.01.2010, Urheber unbekannt

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Links vor Rechts
Untertitel
Eine Studie zur Untersuchung von Reihenfolge- und Transfereffekten bei der Aneignung eines präzisen Faustballangriffsschlags
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Allgemeine Bewegungs- und Trainingswissenschaft)
Note
1,5
Autor
Jahr
2010
Seiten
69
Katalognummer
V150269
ISBN (eBook)
9783640648047
ISBN (Buch)
9783640647811
Dateigröße
2691 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lateralität, Volleyball, Faustball, Sport, Angriff, Reihenfolgeeffekte, Transfer, Aneignung, Motorisches Lernen, Lernen, Experiment, Kontralateraler Lerntransfer, Fertigkeiten, Präzision, Training, Cross-over-Design, Kernschlag
Arbeit zitieren
Susann Vogel (Autor:in), 2010, Links vor Rechts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150269

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Links vor Rechts



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden