Mittel zur Erzeugung von nichtstandardisiertem Humor


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Humor in der Konversationsanalyse
2.1 Methoden der Konversationsanalyse
2.2 Analyse von Scherzkommunikation in der Konversationsanalyse

3. Nichtstandardisierter Humor
3.1 Mittel nichtstandardisierten Humors

4. Transkript und Fallbeispiele
4.1 Rahmen der Aufnahme
4.2 Transkript
4.3 Organisation des Gesprächs
4.4 Verwendung von stilistischen Mitteln
4.4.1 Prosodische Mittel
4.4.2 Abnahme von Wahrheitswerten
4.4.3 Veränderungen im Höflichkeitsstandard
4.4.4 Dramatisierungen
4.4.5 Anspielungen
4.4.6 Weitere Mittel
4.5 Deutung des Ausschnitts

5. Abschließendes

Referenzen

1. Einleitung

Auf vielerlei Art ist Humor teil des Alltages: Magazine beinhalten Witzseiten, Karikaturen oder Comics. Späße werden mündlich in Fernsehshows präsentiert, ebenso verbreiten sich feststehende Witze durch Erzählen. Humor ist allgegenwärtig. Heiterkeit und Lachen dienen immer auch der Entspannung und Unterhaltung. Außerdem spielen ebenso soziale Motive häufig eine große Rolle. Es wird zusammen gelacht über Dinge, die die Beteiligten witzig finden. Zusammengehörigkeit wird gestärkt, es kann über Dinge und Einstellungen zu Themen gesprochen werden, die in nüchtern-sachlicher Kommunikation schwieriger anzusprechen sind. Manchmal kommen Scherze eben auch nicht so an, wie sie gedacht waren oder werden nicht verstanden und können dann soziale Differenzen verursachen. Besonders kann dies der Fall sein bei interaktional spontan gebildetem (konversationellem) Humor. Hier werden, im Gegensatz zu feststehenden (standardisierten) Witzen, „aus dem Stehgreif“ Scherze kreativ gebildet, um beispielsweise Erzählungen unterhaltsam zu gestalten. Zusätzlich werden bei solchen nichtstandardisierten Witzen häufig ebenso eigene Ansichten, Einstellungen zu Menschen oder Dingen oder Weltwissen unterschwellig mittransportiert.

Es soll das Ziel dieser Arbeit sein, darzustellen, auf welche Art und mit welchen Mitteln Scherzhaftes in spontanem konversationellem Humor umgesetzt werden kann. Der vorliegende Fall beschäftigt sich allerdings nicht mit reinen Anekdoten, die ja in der Regel eine Erzählung mit ausleitender Pointe darstellen, sondern vielmehr mit in Teilerzählungen eingeflochtene Späße, auf die nicht konversationell hingearbeitet wird, sondern die spontan und kreativ eingeschoben werden.

Um auf dieses Ziel hinzuarbeiten, wird zunächst ein Überblick über generelle Methoden in der Konversationsanalyse gegeben, und dies im Anschluss mit der Analyse von Scherzkommunikation in der Konversationsanalyse verknüpft, bevor näher auf nichtstandardisierten Humor und dort angewendete Mittel eingegangen werden soll.

Das vierte Kapitel wird dann ein konkretes Fallbeispiel mit Hilfe einer Aufnahme und Transkript behandeln, um Vorhergegangenes beispielhaft zu veranschaulichen. Die Aufnahme aus alltagssituativem Kontext ist von humoristischen Erscheinungen durchzogen, die durch Analyse von verwendeten Stilmitteln aufgedeckt werden.

2. Humor in der Konversationsanalyse

Dieser Abschnitt soll auf den Hauptteil der Arbeit hinleiten, der in der Beschreibung von nichtstandardisiertem Humor und der Darstellung eines Fallbeispiels liegt. Es ist nötig, vorab knapp auf die Methoden der ethnomethodologischen Konversationsanalyse einzugehen und im Speziellen die Herangehensweise für eine Analyse von Scherzkommunikation darzulegen, um fortfahren zu können.

2.1 Methoden der Konversationsanalyse

Generell kann man sagen, dass die Konversationsanalyse zu einem hohen Grad konstruktivistisch und interaktionell geprägt ist. Den Untersuchungsgegenstand stellen praktisch lediglich gesprochene Dialoge dar. Hierbei ist die formale Konstruktion von Redebestandteilen zwischen den Aktanten besonders wichtig und bietet ein Hauptfeld an Untersuchungen. Die Konversationsanalyse arbeitet also datenzentriert, das heißt, Aufnahmen und Transkriptionen sind das zentrale Fundament, auf das theoretische Aussagen gründen. Durch ein Anfertigen von Tondaten und Transkriptionen können Phänomene visuell und akustisch beschreibbar gemacht werden. Dadurch, dass die Analyse prozessorientiert betrieben wird, werden Sequenzbildungen untersuchbar, ebenso wie Wechselwirkungen zwischen Äußerungen. Diese Form der Konversationsanalyse wird zumeist um den Zusatz „ethnomethodologisch“ erweitert. Ethnomethodologisch darum, weil die Erforschung und Erkundung von vermeintlich Bekanntem im Vordergrund steht, wobei die Daten eben genau dieselben sind, die auch den Personen, die in natürlichem Umfeld agieren, zu einer Deutung zur Verfügung stehen. Die Auffälligkeiten, über deren Bedeutung sich die Aktanten in natürlicher Umgebung unterbewusst klar sind, werden in der ethnomethodologischen Konversationsanalyse untersucht und ausgemacht. Dadurch können die Auffälligkeiten beschrieben werden, Rückschlüsse gezogen werden und schließlich auf die Kommunikation generell angewandt werden. Begründet wird anhand von (Handlungs-)Reaktionen der Interaktanten selbst.

Handeln und das Wissen über das Handeln wird als von einander abhängig gesehen. Wichtig ist, wie über Typisierungen, die zu geteilten Wissensbeständen gehören, Handlungen vollzogen und vorweggenommen werden können, daher wird in der Konversationsanalyse mit Gesprächsdaten gearbeitet, denn Sprache ist nun mal das ideale System von Typisierungen (Kotthoff 1998:97). Wie eben dargelegt, sind die Erscheinungsformen während der Interaktion zwischen Gesprächspartnern besonders kennzeichnend für die Konversationsanalyse. Auch Spaßsequenzen in der Kommunikation sind interaktionell angelegt und werden in Kontexte eingebunden, basieren auf gegenseitige Verständigung und Ratifizierungen etc. Aus diesem Grund wird im nächsten Abschnitt näher darauf eingegangen, wie Scherzkommunikation mit welchen Methoden in der Kommunikationsanalyse angegangen werden kann.

2.2 Analyse von Scherzkommunikation in der Konversationsanalyse

Nach Kotthoff (1998:93) sind in der Konversationsanalyse von Scherz und Komik induktive und abduktive Methoden angebrachter als deduktive. Denn bei einer deduktiven Herangehensweise sind die Prämissen gegeben, während eine Konklusion gesucht wird. Das heißt, dass bei einem zu erforschenden Gegenstand offensichtlich erkennbar ist, was zu Grunde liegt. Darauf wird dann die Konklusion begründet, also Schlüsse anhand des Gegebenen gezogen. Anders bei Scherzkommunikation: Hier ist eher die Konklusion gegeben, das Resultat, die Folge. Es geht nun darum, zu ergründen, was zu dem Resultat geführt hat, also werden die Prämissen gesucht. Auch ist Humor schlicht zu vielfältig, um mit deduktiven Methoden zum Ziel gelangen zu können.

Bei induktiven und abduktiven Methoden wird nicht davon ausgegangen, dass der zu erkundende Phänomenbereich bereits ausreichend erfasst ist. Nach Peirce ist die Abduktion ein Gesamtprozess der Bildung einer erklärenden Hypothese und weiter das „einzige logische Verfahren, das irgendeine neue Idee einführt“[1] Durch die Abduktion lassen sich nicht nur theoretische Aussagen finden, so wie dies der Fall bei der Induktion alleine ist, sondern auch neue theoretische Aussagen erfinden. Dies bietet eine Möglichkeit von kreativem Schließen, jenseits von Laborbedingungen in wechselnden Kontexten (Reichertz 1993 in Kotthoff 1998:94). Durch eine Abduktion lassen sich also Hypothesen aufstellen, die erst anschließend deduktives Prüfen zulassen.

Trotz aller Theorie sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die qualitative Gesprächsforschung anvisiert, zu einer möglichst authentischen Beobachtung der kommunikativen Realität zu gelangen. Es wird nicht etwa angestrebt, eine Prüfung von Modellen und Theorien, die bereits aufgestellt wurden, mit der Erforschung von Kontexten zu untermauern.

Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch die Ansichten von Harvey Sacks (1992:419), die in der Reihe ,lectures’ im Jahr 1971 erschienen sind. Hiernach liegt das Fundament des „genauen Hinschauens“ darin, dass Dinge (auch wenn sie trivial erscheinen mögen) erst durch Beobachtung und theoretische Beschreibung wirklich aufgedeckt werden. Andernfalls würde es kaum auffallen, dass Merkmale überhaupt vorhanden sind oder ein typisches Verhalten widerspiegeln. Werden sie jedoch belegbar gemacht durch genaues Hinschauen bzw. Analyse kann man zu einer begründenden Beschreibung von Dingen gelangen, die man vermeintlich vielleicht schon immer gesehen hat, nun aber erst lernen kann sie bewusst zu sehen, zu ergründen und zu beschreiben. Nach diesem Konzept lässt sich in der Gesprächsanalyse auch mit Komik verfahren. Jeder verfügt über eine Vorstellung von Witz, Komik oder Scherzhaftem und weiß dies in der Regel in natürlicher Rede zu differenzieren von anderen Kontexten. Doch das Wissen, wie Scherzhaftes im Detail in einer Interaktion entsteht und wirkt und welches die Zusammenhänge zum Gesprächsrahmen oder die Bestandteile sind, muss erst analysiert werden. Für eine sinnvolle Analyse von Scherzkommunikation in jeglicher Hinsicht sind verschiedene Prozesse wichtig zu verstehen. Zum einen der Prozess der Produktion, wie Scherzhaftes in die laufende Interaktion eingeflochten wird, ebenso wie die Rezeption der Komik, nämlich ob bzw. ob überhaupt eine Wirkung eintritt, und wenn ja welche Wirkung bei den Rezipienten eintritt. Zum anderen muss auch die soziale Bedeutung für die Beteiligten beachtet werden. Überhaupt sollten Komponenten der interaktionalen Soziolinguistik bei Scherzkommunikation in die Konversationsanalyse einfließen, da unter anderem (soziale) Hintergründe der Interaktanten, Beziehungen der Gesprächspartner und Weltwissen der Gesprächsteilnehmer besonders bei Scherzkommunikation entscheidende Faktoren darstellen können.

Zusammenfassend erläutert Kotthoff (1998:126) den Beitrag der Konversationsanalyse und der interaktionalen Soziolinguistik für eine Analyse von Scherzkommunikation:

In Sequenzanalysen zeigen sich verschiedene Muster von Scherzaktivitäten und auch unterschiedliche Grade an Musterhaftigkeit. Witze, Frotzel- und Neckaktivitäten gehorchen weitgehend Gattungsregeln, die den Rezipienten von Anfang an die Verarbeitung der Informationen erleichtern. [...] Scherzaktivitäten haben Implikationen, die über das Humoristische hinausgehen. Sie können beispielsweise Kritik, Kompensation für Verletzungen, moralische Unterweisung, geteilte Werteordnung und vieles mehr mitkommunizieren.

Für eine Interpretation braucht man nun ebenso „lebensweltliche Relevanzstrukturen der Beteiligten“ (ibid).

Nach Kotthoff (1998:195) sind eben auch drei andere Bereiche neben der reinen Konversationsanalyse maßgeblich, durch die eine Analyse von Scherzkommunikation möglich gemacht wird. Die Bereiche müssen in eine Pragmatik integriert sein und sollen hier ebenso kurz erwähnt werden. Zum einen sei dies bei der Analyse von Scherzkommunikation die Diskursanalyse, die es möglich macht, Zusammenhänge jenseits von Sätzen im außersprachlichen Kontext zu berücksichtigen, aber auch die Soziolinguistik, da Scherzkommunikation „sozialdiagnostische Dimensionen“ habe. Das meint die Berücksichtigung von auftretenden Überschneidungen in der Kommunikation, nämlich von sprachlichen, kommunikativen und sozialen Komponenten. Schließlich führt sie zusätzlich die Anthropologie an, da „Dimensionen des Menschseins“ in der Komik angesprochen werden. Einerseits universale und kulturspezifische, andererseits dadurch, dass Scherzkommunikation Mehrdeutigkeit von Verhalten und Probleme „mehrschichtiger Zeichenverwendung“ verdeutlicht.

Nachdem nun zum einen ein Überblick über Methoden in der Konversationsanalyse gegeben wurde, als auch näher auf die Methoden eingegangen wurde, die bei einer Analyse von Scherzkommunikation im Speziellen beachtet werden sollten, wird sich der nächste Abschnitt mit dem Sonderfall des nichtstandardisierten Humors auseinandersetzen, im Besonderen mit den Fällen, die im vierten Abschnitt anhand von Beispielen diskutiert werden sollen.

3. Nichtstandardisierter Humor

Witze selbst, so auch in der Konversation, sind als standardisiert und fiktional anzusehen. Auch wenn sie in Gesprächskontexte thematisch integrierbar und ebenso als mündliche Kunst bezeichenbar sind (Kotthoff 1995:1), handelt es sich bei Witzen in den allermeisten Fällen nicht um spontan gebildete Scherze, sondern um die Wiedergabe von etwas bereits zuvor Bestehendem. Witze sind in ihrer Form bereits finit, werden textlich oder mündlich erlernt und dann bei gegebenem Anlass reproduziert.

[...]


[1] http://seidel.jaiden.de/peirce_eco.php

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Mittel zur Erzeugung von nichtstandardisiertem Humor
Hochschule
Universität Potsdam  (Germanistik)
Veranstaltung
Einführung in die Theorien und Methoden der Gesprächsanalyse
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V150268
ISBN (eBook)
9783640618040
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konversationsanalyse, Humor, nichtstandardisierter Humor, GAT, Analyse, Scherzkommunikation, Kotthoff, konversationeller Humor
Arbeit zitieren
B.A. David Spitzl (Autor:in), 2009, Mittel zur Erzeugung von nichtstandardisiertem Humor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150268

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