Sprechen und Zuhören - Entwicklung der kommunikativen Kompetenz


Seminararbeit, 2007

11 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Einleitung

Sprachunterricht hat eine lange Tradition. Bereits im antiken Griechenland war man sich der Möglichkeiten der Entwicklung kommunikativer Kompetenz bewusst. Aufgabe der Rhetorik war es, die Möglichkeiten zu erforschen und die Mittel bereitzustellen, die nötig sind, um eine Gemeinsamkeit zwischen Redner und Zuhörern herzustellen (Identifikation), auf deren Basis es ermöglicht wird, eine subjektive Überzeugung allgemein zu machen (Persuasion).

Bereits in den Homerischen Epen wird über Beredsamkeit reflektiert. Theorie und Lehre dieser Kunst entwickelten sich jedoch erst im 5.Jahrhundert v. Chr. aus praktischen Bedürfnissen heraus. Aristoteles merkte in seinem Hauptwerk zurRhetorikan, dass der Philosoph Korax[1]einer der ersten gewesen war, der sich mit der Sprache systematisch beschäftigte. Im antiken Griechenland entwickelte sich eine Schulkultur der Redekunst.

Aristoteles (384-322 v. Chr.) entwickelte eine systematische Darstellung der praktischen Sprache. Er versteht dies als das Vermögen, für jeden einzelnen Gegenstand und Fall zu erkennen, was in ihm an Überzeugendem liegt. Die systematische Beschäftigung mit dem Sprechen als bewussten Vorgang und Strategie im täglichen Miteinander führte sich weiter fort. Sowohl im alten Rom, als auch im Mittelalter und den Universitäten Europas nahm die Spracherziehung eine übergeordnete Rolle an. An den Universitäten des Mittelalters war nannte man das einheitliche GrundstudiumTrivium, weil in dieser Zeit Grammatik, Dialektik und Rhetorik als Grundlage jeder weiteren intellektuellen Betätigung studiert werden mussten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde mit dem Aufkommen derGenieästhetikunter deutschen Intellektuellen die Rhetorik abgewertet. Diese Abwertung führte dazu, dass im Laufe des 19. Jahrhunderts die Rhetorik als Lehrfach verschwand. Im 20. Jahrhundert und der Reflektion über die positiven, wie auch negativen Eigenschaften von Sprache als Führungs- oder Manipulationsinstrument scheint die Rhetorik weitgehenst rehabilitiert.

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, istSprechen und Zuhören – Entwicklung der kommunikativen Kompetenzweites und interessantes Wissensfeld, dessen Erschließung man sich von verschiedensten Seiten her nähern kann.

Diese Hausarbeit ist in drei Teile gegliedert.

Das Anliegen des ersten Teils ist es, einen Überblick über die seit den 70er-Jahren des 20.Jahrhunderts vollzogenekommunikative Wendeim Bildungsbereich zu geben.

Im zweiten Teil soll ein Einblick in die Formen der Vermittlung und Entwicklung der Sprachkompetenz an deutschen Schulen im 21.Jahrhundert ermöglicht werden.

Der dritte Teil wird einen Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen wagen.

1. Die kommunikative Wende

Im schulischen Alltag vor den 70er-Jahren des 20.Jahrhunderts nahm die Entwicklung der individuellen Sprachkompetenz eine untergeordnete Rolle ein. Zwar gab es Diskussionen, Unterrichtsgespräche, Referate, allerdings dienten diese Arten der Kommunikation in erster Linie der Organisation des Unterrichts und der Klärung eines Sachverhalts, der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung, nicht aber dem Einüben in das Führen von Gesprächen.2

„Erst die sogenanntenkommunikativen Wendeführte in den 70er-Jahren und 80er-Jahren dazu, dass kommunikatives Handeln zum zentralen Bezugsfeld der Sprachdidaktik wurde.“3Der Erwerb der sprachlichen und auf Interaktion bezogenen Kommunikationskompetenz wurden zum wichtigsten Ziel des Sprachunterrichtes. Diekommunikative Wendewurde angestoßen von den Ergebnissen soziolinguistischer Forschung zum schichtspezifischen Sprachgebrauch. Ein sich daran orientierender Deutschunterricht ging von der Einsicht aus, dass Sprachverwendung an soziale Faktoren gebunden ist, zu sozialer Ungleichheit beitragen und ein Mittel zur Ausübung von Herrschaft sein kann. In der Konsequenz bedeutete dies, dass auch der Sprachunterricht einen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft leisten sollte,

„ (…) entweder indem er zur Herstellung von Chancengleichheit im Bildungsbereich beitrug (kompensatorische Spracherziehung für Benachteiligte) oder indem er ideologiekritisch aufdeckte, wie Sprache zur Manipulation und zur Ausübung von Herrschaft, z.B. in der Sprache der Werbung oder der Politik, benutzt wurde.“4

Sprachunterricht möglichst schon in der Vorschulerziehung sollte somit Chancengleichheit bringen. Kommunikativer Sprachunterricht sollte dazu beitragen außerschulische Sprechsituation des Alltags erfolgreich bewältigen zu können.

Dabei wurden die Unterschiede zwischen schriftlichen und mündlichen Sprachhandeln stärker Gewichtung verliehen als im vorherigen Deutschunterricht. Es wurde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass man in der Gesellschaft für seine Interessen häufiger mündlich als schriftlich eintreten muss. Flexibilität im Umgang mit Kommunikationsprozessen im Bezug auf den Gesprächpartner war ein weiteres Anliegen. Das Wissen um den „ (…) schichtspezifischen Sprachgebrauch („elaborierter Code“ und „restringierter Code“)“5Pragmalinguistische Untersuchgsergebnisse wurden in den Unterricht aufgenommen. So wurde die theoretische Beschäftigung mit der Sprache zum Unterrichtsinhalt. Der neu geschaffene und eigenständige Arbeitsbereich dermündlichen Kommunikationbrachte auch methodische Schwierigkeiten mit sich.

„Wie sollte man im Unterricht das Sprachverhalten in außerschulischen Situationen untersuchen und einüben? Wie sollte man ein so komplexes Geschehen wie ein Gespräch überhaupt strukturieren? Und in lehrbare Elemente zerlegen?“6

Der theoretische Lernbetrieb der Schule, sollte praxisnahe Anwendungsmöglichkeiten der Kommunikation lehren, eine „Ernstfalldidaktik“7, also vom Lehrer erkannte Konflikte sollten aufgegriffen und zum Gegenstand im Unterricht gemacht werden.

Langsam setzte sich die Erkenntnis in den Schulen durch, dass nicht nur projektbezogener Unterricht gegeben werden kann. Weiterhin erkannte man, dass auch gestellte Gespräche, die jeglicher Wahrhaftigkeit entbehren einen wertvollen Beitrag zum theoretischen Diskurs über Sprache leisten können, weil die Schülerinnen und Schüler sich im „Schonraum Schule“8in verschiedenen Handlungsmustern erproben können ohne ernsthaft Rechenschaft ablegen zu müssen.

1.1 Zusammenfassung und Problemstellung

Vor derkommunikativen Wende, die maßgeblich durch Hans-Eberhard Piphos Buch„Kommunikative Kompetenz“9eingeleiten worden war, hatte man versucht über Simulation, Imitation, Repetition Sprachhandlungsmuster zu bilden. Dies führte jedoch zur Eintönigkeit und Begrenzung des Lernvorgangs. Piepho betonte die Bedeutung von Authentizität der Kommunikation. Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit bekommen, reale Sprechsituationen zu verwirklichen, um somit die Bewältigung von Lebenssituationen leisten zu können.. Später erkannte man dann jedoch, dass auch die eindimensionale Ausführung dieses Ansatzes einer gewissen Gefahr in sich barg; nämlich dass die kognitive Ebene, also die Qualität der Inhalte und Sprache aus dem Blick geraten könnte. Nach derkommunikativen Wendeeröffnete sich der Diskurs über „Integration von Habitualisierung9(Reflexbildung), Kognitivierung (Qualität der Inhalte) und Kommunikation (Authentizität der Sprechintention)“.10

Das Konzept der kommunikativen Kompetenz erfährt aufgrund der konkreten schulischen Belange eine Wandlung dergestalt, das Wissen für Handeln verfügbar macht. Die neuen sprachlichen Aufgaben kommunikativer Organisation von praktischer Kooperation und Sprechen und Zuhören zur Optimierung des lebensweltorientierten Handelns.

[...]


[1]Korax (auch: Corax) lebte im 5. Jahrhundert v. Chr. auf Sizilien und gilt als einer der Ahnherren der Rhetorik.

2Vgl. Ulrich, Winfried; Didaktik der deutschen Sprache (Band 1); S.140; Z.1 ff.

3Steinig, Wolfgang / Huneke, Hans-Werner; Sprachdidaktik Deutsch; S. 54, Z.20-23.

4Ebd. S. 54; Z.15-19.

5Ulrich, Winfried; Didaktik der deutschen Sprache (Band 1); S. 140; Z.14-15.

6Ebd. S. 141; Z. 16-19.

7Ebd. S. 141; Z. 26

8Ebd. S. 141; Z. 36

9Piepho, Hans-Eberhard: Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht, 1974

9Habitualisierung beschreibt nach Pierre-Felix Bordieu (1930-2002), den Sozialisationsprozess, die durch diejenige Klasse vermittelt wird, in der ein Kind aufwächst. Dadurch werde der Heranwachsende mit der klassenspezifischen Art wahrzunehmen, zu denken, zu handeln ausgestattet.

10Vgl. Piepho, Hans-Eberhard: Kommunikative Kompetenz als Lernziel im Englischunterricht, 1974

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Details

Titel
Sprechen und Zuhören - Entwicklung der kommunikativen Kompetenz
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
11
Katalognummer
V150192
ISBN (eBook)
9783640614998
ISBN (Buch)
9783640615698
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spracherziehung, Sprechen und Zuhören, Rhetorik, Sprachkompetenz, Kommunikation, Zuhören
Arbeit zitieren
Dennis Scholze (Autor:in), 2007, Sprechen und Zuhören - Entwicklung der kommunikativen Kompetenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150192

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