Das Motiv der Ehre in Arthur Schnitzlers "Leutnant Gustl"


Seminararbeit, 2008

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Einleitung

Im Sommer 1900 schreibt Arthur Schnitzler (1862-1931) in Reichenau/ Rax innerhalb von sechs Tagen die Novelle „Leutnant Gustl“[1] nieder. Der Erstabdruck des Textes erfolgt am 25. Dezember desselben Jahres in der Weihnachtsbeilage der Neuen Freien Presse und erregt nicht wenig Aufsehen.

Binnen kürzester Zeit erfolgen negative Reaktionen aus Militärkreisen, welche sich in erbitterten Angriffen gegen den Reserveoffizier Schnitzler äußern. Diese Angriffe münden in einem ehrenrätlichen Verfahren, in dessen Ergebnis dem Schriftsteller, weil er – so heißt es- die Standesehre verletzt habe, die Offizierscharge aberkannt wird.

Aber nicht nur die Wirkungsgeschichte der vorliegenden Novelle ist einzigartig; auch ihre Gestalt ist ungewöhnlich. Zum ersten Mal wird die Form des inneren Monologs so unverkennbar in der deutschen Literatur verwendet.[2]

Sie bietet einen tiefen und direkten Einblick in die inneren Konflikte des Protagonisten, die sich aus den Geschehnissen des 04.April 1900, dem Handlungstag der Novelle, speisen.

Der Plot, welcher sich zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens abspielt, ist schnell geschildert: Leutnant Gustl besucht ein Oratorium[3] des Wiener Musikvereins am Karlsplatz, welches ihn verdrießlich stimmt, da er die Andacht, die das Konzert seinem Publikum abverlangt, nicht aufbringen kann. Als die für ihn ermüdende Darbietung ein Ende gefunden hat, beabsichtigt er an der Garderobe seinen Mantel abzuholen, um rasch an die frische Luft treten zu können.

Bei der Kleiderabgabe angekommen drängt er den Bäckermeister Habetswallner – ihn noch nicht als Bekannten identifizierend- mehrmals unsanft beiseite. Zudem entfährt ihm eine grobe Beleidigung gegen ihn, wiewohl er des Öfteren aufgefordert wird, Haltung zu wahren. Hieraufhin weiß sich der Bäckermeister zur Wehr zu setzen: Er flüstert Gustl eine Entgegnung zu und hält seinen Säbel fest, um diesen an einem durch eine Drohgebärde mit der Waffe erzwungenen Widerruf zu hindern.

Da Gustl nun keine Möglichkeit sieht seine Ehre, die er durch den Vorfall er der Garderobe verloren zu haben glaubt, wiederherzustellen, steht er vor der Alternative den Militärdienst „mit Schimpf und Schand [zu] quittieren“[4] oder sich „eine Kugel vor den Kopf“[5] zu schießen. Der Leutnant, weil er sich alleine durch seine gesellschaftliche Position definiert, entscheidet sich für den Freitod und beginnt seinen angstvollen Spaziergang durch Wiens Straßen[6], an dessen Ende das „Nachtkastelladel“[7] Gustls mit dem todbringenden Revolver stehen soll. Auf seinem Weg durch den Prater trägt er sich mit Erinnerungen und Rachegedanken, äußert er Lebensanschauungen und triviale Vorurteile. Als er gegen morgen ein Kaffeehaus besucht, um sich für den entscheidenden Schritt zu stärken, eröffnet ihm der Kellner, dass den Bäckermeister Habetswallner, welcher hierselbst seine Tarockpartien spielt, nachts der Schlag getroffen habe. Trotzdem sich am Tatbestand des Ehrverlustes – nach militärischen Satzungen- indessen nichts geändert hat, fühlt sich der Leutnant, da die Wahrheit nicht mehr ans Licht kommen kann, rehabilitiert.

Im Folgenden soll untersucht werden, auf welche Weise ein derart hohler und falscher Ehrbegriff, wie er hier offenkundig wird, zustande kommen kann. In diesem Zusammenhang soll auch die Frage Erläuterung finden, wie die individuelle Disposition einer Figur (hier: Leutnant Gustl) beschaffen sein muss, um anfällig zu werden für die Propaganda einer Armee, die einen solchen Ehrbegriff vermittelt.

Weitere Gegenstände der Untersuchung werden die Rolle der k.u.k. Armee in der damaligen Gesellschaft, sowie die genaueren Bestimmungen des Ehrenkodex sein. Auch der Ehrbegriff, wie Leutnant Gustl ihn – vor und nach seiner durchlittenen Nacht- versteht, soll näher beleuchtet werden, damit abschließend der Frage nach der von Schnitzler im vorliegenden Text ausgeübten Gesellschaftskritik auf den Grund gegangen werden kann.

Zunächst aber soll Ausführung finden:

Die Ehre als ethischer Wert

„Es gibt etwas“, schreibt Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) , „das mir über alles gilt und dem ich alles andere nachsetze, von dessen Behauptung ich mich durch keine mögliche Folge abhalten lasse, für das ich mein ganzes irdisches Wohl, meinen guten Ruf, mein Leben, das ganze Wohl des Weltalls, wenn es damit in Streit kommen könnte,- ohne Bedenken aufopfern würde. Ich will es Ehre nennen.“[8]

Den Begriff der Ehre definiert der Philosoph dabei folgendermaßen: „Ehre und guter Ruf im moralischen Sinn ist die Meinung anderer von uns, dass es wohl möglich sei, dass wir bei unseren Handlungen überhaupt und insbesondere bei unserer Wechselbeziehung mit ihnen nichts beabsichtigen, als das Rechte und Gute.“[9]

Die Ehre ist demnach die Anerkennung und Wertschätzung einer Person durch andere, die darauf beruht, dass sich besagte Person der jeweiligen Situation angemessen und in moralisch einwandfreier Weise verhält.

Wenn Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770- 1831) ausführt, dass die Ehre „das schlechthin Verletzliche“[10] sei, spielt er auf deren Vergänglichkeit an, wie sie auch in vorliegender Novelle als etwas Vergängliches gezeichnet wird. Vanitas vanitatum et omnia vanitas. „Nachmittags war noch alles gut und schön“, versichert Gustl, „und jetzt bin ich ein verlorener Mensch und muss mich totschießen.“

Eine Sozialstellung, also das eigene Ansehen in der Öffentlichkeit, ist unter Umständen unbeständig, wie hier deutlich wird. Gleiches gilt selbstverständlich für die Standesehre, beispielsweise derjenigen der k.u.k. Armee, von welcher fortan des Öfteren die Rede sein wird.

Eine solche Standesehre wird überhaupt erst möglich gemacht durch eine Klassifizierung von Menschen. Sie stellt Erwartungen an Personen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Man handelt als Vertreter einer bestimmten sozialen Schicht, nach einem allgemein anerkanntem Muster. Die Maßstäbe, an welchen sich jemand misst, wenn er nach solchen Begriffen der Ehre lebt, unterliegen notwendigerweise einem heteronomen Über-Ich. „Die Anderen sind ihm in seinem Lebensprozess Zeugen und Richter zugleich“[11], führt Laermann in diesem Zusammenhang aus. Arthur Schopenhauer (1788-1860) formuliert diesen Umstand an anderer Stelle dergestalt: „Die Ehre ist, objektiv, die Meinung anderer von unserem Wert und, subjektiv, unsere Furcht vor dieser Meinung.“[12]

Die individuelle Disposition des Protagonisten

Der falsch verstandene Ehrbegriff, wie er im zu interpretierenden Text vorliegt, kann erst dann in seinem ganzen Umfang verstanden werden, wenn die Wesenszüge der Titelfigur ausreichend erfasst sind.

Es ist das mangelnde Selbstvertrauen, welches den Protagonisten plagt und ihn veranlasst den eigenen Wert an seinem Marktwert und sozialen Status zu messen.

Die Ansprüche, die er als Person an sich selbst stellt, sind gering. Nur seine Reputation, nur sein guter Ruf sind ihm wichtig, nur sie lohnen die Mühe und den Einsatz, welche vonnöten sind, um als ehrenhafter Mann und Vaterlandsverteidiger zu gelten.

Die Titelfigur Gustl stellt einen Sozialcharakter ihrer Zeit: den Leutnant der k.u.k. Armee. In diesem Abschnitt soll die persönliche Disposition des Protagonisten näher beleuchtet werden.

Soldatische Tugenden wären im Grunde „Tapferkeit, Heldenmut, Einsatzbereitschaft, Aufopferungswille etc.“[13]. Gustl aber werden andere Eigenschaften zugesprochen: Er wird als herablassend, aggressiv, antisemitisch und behaftet mit Minderwertigkeitsgefühlen dargestellt. Seine Feigheit und sein Standesdünkel, seine Borniertheit und seine dekadente Lebensweise zeichnen ihn aus.

Der Protagonist ist eine Durchschnittexistenz, welche gänzlich in Konventionen eingebettet lebt. Das dazugehörige Dogma lautet „Ehre verloren, alles verloren!“[14]

„Seine Gedanken“, schreibt Jüchen, „sind geborgte Gedanken, seine Gefühle entliehene Gefühle, sein Charakter ein konstruierter Charakter, hinter dem kein gestandenes Ich steht.“[15]

Leutnant Gustl, dessen Name „eine burleske Verbindung von Offiziersgrad und Kosenamen“[16] zum Ausdruck bringt, stammt aus Grazer Familie. Die finanzielle Situation der Eltern ist prekär.[17] Gustl hat nicht die Möglichkeit zur Kavallerie zu gehen, da die Haltung eines Pferdes unerschwinglich gewesen wäre. Erwähnenswert ist des Weiteren sein Versagen in der Schule: Weil Gustl das Gymnasium nicht zum Abschluss gebracht hat, wurde er in die Kadettenschule „gesteckt“.[18]

Auffällig ist auch die dekadente Lebensweise der Titelfigur. Seine Freizeit verbringt der Leutnant im Kaffeehaus; die Langeweile vertreibt er durch Kartenspiel – am Mittwoch der Karwoche, dem Handlungstag der Novelle hat er 160 Gulden Schulden - oder indem er fremden Mädchen nachjagt.

Sein Liebesleben ist relativ karg und seine geschlechtlichen Erfahrungen beschränken sich auf Prostituierte und Grisetten. Er –der unterwegs ist von Duell zu Duell und von Liebelei zu Liebelei- ist unfähig seine sinnlichen Energien dauerhaft auf ein Objekt zu fixieren. Lose sexuelle Beziehungen bezeichnet der Protagonist als das „einzige reelle Vergnügen“[19]

Dass sich der Protagonist vieler Sprachklischees bedient, mag in Anbetracht der Tatsache, dass Gustl – wie erwähnt- als Durchschnittsexistenz gelten muss, nicht weiter verwunderlich scheinen. Er hat den soldatischen Formalismus in seine Denk- und Redeweise übernommen und spricht wenige, kurze Sätze. Gustl tätigt unmittelbare persönliche Äußerungen bar aller Individualität, indem er etliche Wendungen der Umgangssprache aufnimmt.[20]

Typisch für die Mentalität des Sprechenden sind einerseits solche Sprachschablonen, andererseits der kleine Wortschatz, über den Gustl zweifelsohne verfügt. Eine derartige Spracharmut weist auf die kulturlose Herkunft der Titelfigur hin, aber auch auf ihre individuelle Begrenztheit. Gustl ist weniger Person als Typus.

Besonders geeignet, um die Verfassung und die Wesensart des Protagonisten treffend darzustellen, ist der innere Monolog, wie Schnitzler ihn hier gewählt hat. Kaum eine andere Technik erlaubt es, eine scheinbar völlig ungeordnete Abfolge von Sachgehalten und eine derartige Informationsdichte miteinander zu verbinden. Einige biographische Informationen werden unumwunden ausgesprochen, andere lassen sich nur – oft gegen Gustls Willen- erschließen. Doch nicht nur Informationen über das Datum, Gustls Alter oder sein geplantes Ökonomiestudium liegen bloß: „Alles, was die Novelle an Personenkritik, Zeitkritik, Gesellschaftskritik enthält, plaudert der Leutnant, in schönstem Wienerisch haltlos dahin schwätzend, aus. So offenbart er seine ganze Oberflächlichkeit, Beschränktheit, seinen Standesdünkel, seine Missachtung alles Zivilen, seinen dummen Antisemitismus und seinen grenzenlosen Narzissmus.“[21]

Charakteristisch für Gustl ist die Angst, nicht dazuzugehören. Als ihm während des Oratoriums im Konzertsaal die Zeit lang wird, beunruhigt ihn der Gedanke, dass jemand von seinem Missvergnügen mitbekommen könnte: „Was guckt mich der Kerl dort immer an? Mir scheint, der merkt, dass ich mich langweil’ und nicht herg’hör’… Ich möchte Ihnen raten, ein etwas weniger freches Gesicht zu machen, sonst stell’ ich Sie mir nachher im Foyer!“[22]

Überhaupt, so scheint es, ist Gustl von außen gelenkt: Zum Beispiel will Gustl wissen, wer sich über seinen Tod am meisten kränken würde. Auch wie viele Kompanien ausrücken bei seinem Begräbnis, überlegt er, und offenbart einmal mehr seinen Konventionszwang.

Zudem zitiert er fortwährend die Meinung anderer, um sein Verhalten beziehungsweise seine Entscheidungen zu sanktionieren: „Und der Mirovic hat mir g’sagt, es ist ihm ebenso gegangen“[23], berichtet Gustl, nachdem er zum Ausdruck gebracht hat, wie sehr er sich „im vorigen Jahr’ bei den Manövern“[24] gewünscht hätte, dass es „plötzlich Ernst gewesen wär’.“[25] Als er den Entschluss gefasst hat, sich ob der Schande seiner verlorenen Ehre umzubringen, überlegt er sogleich, was Vorgesetzte und Kollegen wohl davon halten könnten: „Wenn ich den Oberst fragen möchte’ oder den Kopetzky- oder den Blany- oder den Friedmair: -jeder möcht’ sagen: Es bleibt Dir nichts anderes übrig!“[26]

Die Angst des Leutnants nicht dazuzugehören, drückt sich auch in seiner Begegnung mit einem Doktor aus, den er aufgrund einer spöttischen Bemerkung, zum Duell herausfordert, das für 05.April 1900, also einen Tag nach Gustls Besuch des Wiener Musikvereins, den angesetzt ist. „Herr Leutnant“, sagt der Akademiker, „Sie werden mir doch zugeben müssen, dass nicht alle ihre Kameraden zum Militär gegangen sind, ausschließlich um das Vaterland zu verteidigen!“[27]

Gustl bezieht die allgemein gehaltenen Worte auf sich selbst: „Der Doktor hat das absolut in dem Ton gesagt, als wenn er direkt mich gemeint hätt’.[28] Er hätt’ nur noch sagen müssen, dass sie mich aus dem Gymnasium hinausgeschmissen haben, und dass ich deswegen in die Kadettenschul’ gesteckt worden bin…“[29]

Die Angst Gustls, dass Andere ihn nicht ausreichend respektieren, führt zu einer so großen Unsicherheit, dass der Ausspruch des Doktors ihn an der Wurzel seiner Identität trifft.[30]

Seiner Angst begegnet Gustl, indem er den Akademiker bei sich selbst verunglimpft: „Und da kommt so ein Tintenfisch daher, der sein Lebtag nichts getan hat, als hinter Büchern gesessen…“

Auf diese Weise erschließen sich auch Gustls Antisemitismus und sein Hass auf die Einjährig- Freiwilligen[31], welche als Sicherung des verbliebenen Besitzstandes, Stifter einer scheinhaften Identität und als Ersatz für das bürgerliche Selbstverständnis fungieren.[32]

„Es ist doch fabelhaft, da sind auch die Hälfte Juden… nicht einmal ein Oratorium kann man mehr in Ruhe genießen“[33], denkt Gustl, dem sowohl die nötige Andacht als auch das musikalische Verständnis fehlen, die vonnöten wären, um sich an Mendelssohn-Bartholdys „Paulus“ zu erfreuen. Der Antisemitismus, den der Leutnant hier zur Schau trägt, wurzelt allein in der Angst vor sozialer Deklassierung. Ihn ängstigt insbesondere die Tatsache, dass Juden auch im Offizierstand vertreten sind, da er seine Mittellosigkeit durch seine sozialen Rang wettzumachen versucht: „Überhaupt, dass sie noch immer so viele Juden zu Offizieren machen- da pfeif’ ich auf den ganzen Antisemitismus!“[34]

Aber nicht nur die Juden, auch die Einjährig-Freiwilligen erregen Gustls Ärgernis: „…was hat das für einen Sinn? Wir müssen uns jahrelang plagen, und so ein Kerl dient ein Jahr und hat genau dieselbe Distinktion wie wir…“[35]

Der Protagonist fürchtet einen Prestigeverlust- seine Statusangst bezieht sich darauf, dass den Einjährig-Freiwilligen nach Ablauf ihrer Dienstzeit die gleichen Privilegien eingeräumt werden, wie den Berufsoffizieren.

Die Minderwertigkeitsgefühle Gustls, die hier offenbar werden, zeigen sich auch an anderer Stelle: Er wagt nur Schwache und Zivilisten zu bedrängen, weil er glaubt ihnen gegenüber dieses Recht zu haben. Im Foyer drängt er den Bäckermeister beiseite, in dem er anfangs nur einen Dicken sieht. Als er ihn als Bekannten identifiziert, ändert sich sein Verhalten und er bekommt es mit der Angst zu tun. Hieraufhin gewinnt der Bäckermeister die Oberhand, welchen Gustl nicht wagt, mit der Faust anzugreifen, da er sich gegen den starker Bäckermeister wehrlos sieht.

„Der Versuch der Verdrängung der eigenen Minderwertigkeitsgewissheit wird sichtbar als Aggression gegen alle, die real oder eingebildet als Rivalen in jenen als Ausdruck besonders starker Persönlichkeit, das heißt Männlichkeit aufgefassten Bereichen auftreten“[36], schreibt Allerdissen. Freilich, in solchen Fällen, in denen der Kontrahent überlegen ist, trifft dies nicht zu und die Angriffslust wird dann in Beleidigungen umgewandelt, welche der Leutnant nicht auszusprechen wagt.

Nichtsdestotrotz: Aus Minderwertigkeitsgefühlen resultieren in Gustls Fall Aggressionen,[37] welche ihrerseits in engem Kontakt mit sexuellen Impulsen stehen. Dass das Verhalten der Titelfigur von ihren Triebregungen bestimmt ist, wird ihr selbst aber nicht klar. „Das Mädel drüben in der Loge ist sehr hübsch“[38], sinniert Gustl. Da sich dieser Impuls im Moment aber nicht weiter verfolgen lässt, da das Konzert noch in vollem Gange ist, geht der Leutnant in Gedanken über zu seinem bevorstehenden Duell: „Warten’s nur, Herr Doktor, Ihnen wird’s vergeh’n, solche Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel hau ich Ihnen herunter.“[39]

[...]


[1] Schnitzler, Arthur: „Leutnant Gustl“. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2001

[2] Vorbild ist der Roman „Les lauriers sont coupés“ (1888) von Edouard Dujar­din, der ebenfalls den Modus des „inneren Monologs“ gewählt hatte.

Auch Hermann Bahr nahm 1891 in seinem Essayband „Die Überwin­dung des Naturalismus“ mit der Forderung nach Aufzeichnung „der Vorbereitung der Gefühle, bevor sie sich noch ins Bewusstsein hinein ent­schieden haben“ Schnitzlers formale Neuerung des durchgängigen inneren Monologs theoretisch vorweg.

[3] Bei diesem Oratorium handelt es sich nachgewiesenermaßen um „Paulus. Oratorium nach Worten der heiligen Schrift“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847).

[4] S.19

[5] ebd.

[6] Die Stationen Gustls im Einzelnen (Orte, die nur genannt, aber nicht besucht werden, stehen in Klammern): Musikverein, Karlsplatz – (Gasthaus „Zum Grünen Tor“, Lerchenfelder Straße 14) – (Gartenbaugesellschaft, Parkring) – Ring – (Gasthaus Leidinger, Kärntner Straße 61) – (Café Hochleitner) – (Reiterkaserne Hamerlingsplatz) – Aspernbrücke – (Kagran) – (Ronacher, Seilerstätte 9) – (Gusshausstrasse) – Prater – Zweites Kaffeehaus, Praterhauptallee 9 – (Gasthaus „Zum Weingartl“, Getreidemarkt 5) – Nordbahnhof, Praterstern – (Schießstätte, Wagramer Straße/ Arbeiterstrandbadgasse) – Praterstraße – Kirche: St.-Nepomuks-Kirche, Praterstraße – Burghof – Volksgarten, Burgring – (Strozzigasse) – (Florianigasse)

Entnommen aus: Polt- Heinzl, Evelyne: „Erläuterungen und Dokumente. Arthur Schnitzler. Leutnant Gustl.“ Stuttgart: Reclam, 2000. S.10f.

[7] S.35

[8] Zhiwen, Yang: „Ehre- Ehe. Wiederkehrende sozial-gesellschaftskritische Motive im erzählerischen Werk Arthur Schnitzlers“. Beijing, 1987. S.36

[9] ebd. S.35

[10] Hegel in seiner „Vorlesung über die Ästhetik“: „Indem nun die Ehre nicht nur ein Scheinen in mir selber ist, sondern auch in der Vorstellung und Anerkennung der anderen sein muss, welche wiederum ihrerseits die gleiche Anerkennung ihrer Ehre fordern dürfen, so ist die Ehre das schlechthin Verletzliche.“

[11] Laermann, Klaus/ Janz, Rolf-Peter: „Arthur Schnitzler: Zur Diagnose des Wiener Bürgertums im Fin de siècle.“ Stuttgart: Metzler, 1977. S.115

[12] Arthur Schopenhauer: „Parerga und Paralipomena“. In: „Sämtliche Werke. Bd. 5 und 6.“ Hrsg. von A. Hübscher. Mannheim, 1988

[13] Zhiwen [Anm.8], S.51

[14] S.22

[15] Jüchen, Aurel von: „Das Tabu des Todes und der Sinn der Sterbens“. Stuttgart: Radius- Verlag, 1984. S. 75

[16] Lindken, Hans-Ulrich: „Arthur Schnitzler. Aspekte und Akzente.“ Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, 1987. S.141

[17] Gustl hat auch eine Schwester, die Klara heißt und 28 Jahre alt, aber nicht verheiratet ist- vermutlich, weil es an der Mitgift fehlt.

[18] S.14

[19] S.34

[20] Im Einzelnen sind das: „Das Wichtigste ist kaltes Blut.“ (S.12)/ „Man muss gelegentlich ein Exempel statuieren.“ (S.13) / „Das nimmt noch einmal ein Ende mit Schrecken.“ (S.15) / „Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ (S.39)/ „Ehre verloren, alles verloren!“ (S.22)

[21] Jüchen [Anm.15], S.73

[22] S.10

[23] S.14

[24] ebd.

[25] ebd.

[26] S.19

[27] S.13

[28] Polt-Heinzl führt in diesem Zusammenhang aus: „Gustls Vermutung, der Doktor wüsste von seinem eigenen Verweis aus dem Gymnasium ist nicht unwahrscheinlich. Schnitzler verwendet in seinem Werk häufig die Figur des Arztes als isolierten, in seiner Funktion oft attackierten Trägers der Wahrheit (Professor Bernardi, Dr.Wehwald in „Das Tagebuch der Redegonda“, Dr.Mauer in „Das weite Land“).“

Polt-Heinzl [Anm.6], S.12

[29] S.14

[30] Vgl. Scheible, Hartmut: „Arthur Schnitzler in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten“. Hamburg: Rowohlt, 1976. S.83f.

[31] Wehrpflichtige, die aufgrund ihrer höheren Schuldbildung statt drei Jahren nur ein Jahr dienen müssen, wenn sie sich freiwillig melden.

[32] Vgl. Scheible [Anm.30], S.83

[33] S.15

[34] S.11

[35] S.22

[36] Allerdissen, Rolf: „Arthur Schnitzler: Impressionistisches Rollenspiel und skeptischer Moralismus in seinen Erzählungen.“ Bonn: Bouvier, 1985. S.23

[37] Vgl. auch Allerdissen [Anm.36], S.27: „Das latente Minderwertigkeitsgefühl Gustls bewirkt dabei eine Überempfindlichkeit, die ihn schon auf die geringsten Anzeichen einer Aggression unverhältnismäßig scharf reagieren lassen. Das Duell, zu dem Gustl jederzeit bereit ist, hat die größte Bedeutung für die Bewältigung der eigenen Angst.“

[38] S.9

[39] S.10

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Motiv der Ehre in Arthur Schnitzlers "Leutnant Gustl"
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V150185
ISBN (eBook)
9783640618217
ISBN (Buch)
9783640618767
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motiv, Ehre, Arthur, Schnitzlers, Leutnant, Gustl
Arbeit zitieren
Carolin Catharina Wolf (Autor:in), 2008, Das Motiv der Ehre in Arthur Schnitzlers "Leutnant Gustl", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150185

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