Migration und Bildung


Seminararbeit, 2008

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Migranten

3 Die Bedeutung von Sprachkenntnissen

4 Defizitäre Herkunfts- und Lernkultur

5 Die Rolle der Schülerschaft

6 Migration: Entwicklungsaufgabe der Schulen

7 Zusammenfassung

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Nach den Studien PISA I und PISA II sind die Kinder der Migranten bzw. die Schüler mit Migrationshintergrund in aller Munde gewesen: Begriffe wie „institutionelle Benachteiligung“, „Sprachbarriere“ und „Interkulturelle Bildung“ waren plötzlich in aller Munde; der Ruf nach einer Bildungsreform wurde laut und die Themen „Migration“ und „Bildung“ wurden als ein separates Forschungsgebiet entdeckt, in dem sich bis heute die unterschiedlichsten Menschen, Wissenschaftler und einfache Publizisten tummeln. Von pragmatischen Feststellungen und Lösungsansätzen, über utopische Vorstellungen bis hin zu „gewagten“ Thesen (z. B. Isabell Diehm, die tatsächlich festgestellt hat, dass die schulische Situation und die schulische Entwicklung von Migranten zusammenhängend betrachtet werden müssen – vgl. Diehm, Isabell: Schulentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft: Ein „blinder Fleck“ der aktuellen Reformdebatte. In: Ackermann, Heike/ Rahm, Sibylle (Hrsg.): Kooperative Schulentwicklung, Wiesbaden 2004) findet man zu (fast) jeder Frage eine Antwort. Die folgende Arbeit beschäftigt sich auszugsweise mit einer Benachteiligung von Migrantenkindern bzw. Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland und, die Benachteiligung vorausgesetzt, den Gründen dafür. Im Zuge dessen werden ausgewählte Faktoren wie Sprache, Lernkultur der Migranten und die Schülerschaft betrachtet, um danach auf die Herausforderungen für und Forderungen an die Institution Schule einzugehen.

Grundlegend für eine solche Arbeit sind die Arbeiten der Professorin für empirische Unterrichtsforschung Prof. Dr. Petra Stanat, die sich vornehmlich mit der Auswertung von Studien rund um die PISA I und PISA II Studien befasst hat, sowie das 2008 erschienene Buch „Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem“ von Dr. phil. habil. Heike Diefenbach.

2 Migranten

Um über die Rolle von Migranten in Deutschland bzw. im deutschen Schulsystem sprechen zu können, muss zuerst einmal geklärt werden, wer im Folgenden als Migrant oder Schüler mit Migrationshintergrund bezeichnet werden soll. Im öffentlichen Diskurs darüber scheint die Meinung geteilt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den wirklichen Migrantenkindern und –jugendlichen, die im Rahmen der bilateralen Verträge zwischen Deutschland und Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1966) und Jugoslawien (1968) nach Deutschland gekommen sind und den Nachkommen der nach Deutschland zugewanderten Gastarbeiter.[1] Notwendig für die Verwendung des Wortes „Migrantenkind“ oder Migrantenschüler“ ist eine Zuwanderung aus einem anderen Gebiet nach Deutschland. Da es in den Sozialwissenschaften keinen gemeinsamen Definitionsansatz für „Migranten“ gibt, muss man sich zwangsläufig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner im Bezug auf Migration stützen. Dabei handelt es sich nach Han um einen dauerhaften Wohnortwechsel aus einem Land in das andere.[2] Zusätzlich betont Eisenstadt, dass es bei Migration um einen soziokulturellen Wechsel des Wohnortes geht[3]. Damit kann man festhalten, dass Migranten in der Regel aus einem anderen Land kommen und damit in der Regel einen anderen soziokulturellen Hintergrund haben. Demnach wären Migrantenkinder, wenn man den Begriff naiv betrachtet, die Kinder einer Familie, die nach Deutschland eingewandert ist. So einfach, wie sich der Sachverhalt in dieser Betrachtungsweise darstellt ist es (natürlich) nicht, denn das würde implizieren, dass sich der Begriff „Migrantenkinder“ nur auf die Kinder (und Jugendlichen) bezieht, die bereits im Ausland geboren und zumindest zum Teil erzogen und sozialisiert worden sind. Damit wären in Deutschland geborene Kinder von Migranten keine Migrantenkinder. Die Formulierung „Migrantenkinder“ würde damit nur einen verschwindend geringen Teil der Schüler mit Migrationshintergrund erfassen. Die Ausführungen von Diefenbach zu Migrantenkindern 1. und 2. Ordnung enden damit, dass der Terminus „Migrantenkinder“ oder „Schüler aus Migrantenfamilien“ als Sammelbegriff für eben diese zutreffend ist. Dabei soll „Schüler mit Migrationshintergrund“ für die Schüler und Jugendlichen vorbehalten sein, deren Migrationshintergrund auf Migrationserfahrungen ihrer Großeltern bzw. deren Vorgeneration zurückzuführen ist.[4] Die Vermischung bzw. die in Deutschland stattfindende Assoziation zwischen „Migrantenkind“ und „Ausländer“ liegt in der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland begründet, durch deren Einbürgerungsgesetze Migrantenkinder 1. und 2. Ordnung – also Migrantenkinder – in der Regel Ausländer gewesen sind. Das hat sich zwar in den letzten Jahrzehnten – nicht zuletzt durch die Einbürgerung von Migrantenkindern und den Zuzug von Aussiedlern mit deutscher Staatsbürgerschaft ­– grundlegend geändert, allerdings wird erst in neueren Studien zwischen den verschiedenen Kategorien der Migranten unterschieden.[5] Die Zahl, die die Menge der Migrantenkinder quantifiziert, ist auf Grundlage der IGLU – Studie von Schwippert, Bos & Lankes – auf 20% der Grundschüler beziffert worden.[6] Entsprechende Anteile finden sich bei Stanat[7] auf Grundlage der PISA – Studie für 15jährige an allgemeinbildenden Schulen (eine Verdopplung der Zahl von 10% im Jahr 2000). Ein Fünftel Migrantenkinder im Schulsystem illustriert eindrucksvoll die Relevanz für das Bildungssystem.

3 Die Bedeutung von Sprachkenntnissen

Um einen Bildungserfolg in einem Bildungssystem sicher zu stellen muss man, so trivial sich das auch anhört, dafür sorgen, dass die Kommunikation und das Verständnis zwischen Lehrern und Schülern, insbesondere den Schülern mit Migrationshintergrund und Migrantenkindern, möglich sind. Insofern ist eine einheitliche Sprache – im Falle der Bundesrepublik das Deutsche – wichtig und zwangsweise erforderlich, um auch für ein späteres Leben die Grundlagen zu schaffen.[8] Derzeit scheint die Förderung von Kenntnissen der deutschen Sprache das Ziel nicht nur der Bildungspolitiker, sondern auch der Beschäftigten in der pädagogischen Praxis zu sein.[9] Grundlegend ist dabei die Ansicht, dass Migranten mit Sprachdefiziten bei der Anwendung der Sprache Deutsch im meritokratischen[10] Schulsystem dazu gezwungen werden niedere Bildungswege einzuschlagen. Konkret führen Sprachdefizite dazu, dass Migrantenkinder und Schüler mit Migrationshintergrund dazu gezwungen werden keinen oder nur Hauptschulabschlüsse zu erwerben.[11]

[...]


[1] Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem. Erklärungen und empirische Befunde. 2., aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S. 19.

[2] Han definiert Migration wie folgt: Es handle sich um „ ... solche Bewegungen von Personen und Personengruppen im Raum […], die einen dauerhaften Wohnortwechsel […] bedingen“; vgl. Han, Petrus: Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle, Fakten, politische Konsequenzen, Perspektiven. Stuttgart 2000, S. 7.

[3] Für Eisenstadt ist Migration „[...] the physical transition of an individual or a group from one society to another” – ein Umzug von Nordrhein Westfalen nach Hamburg ist also nicht als “Migration” zu bezeichnen, da es sich bei diesem Umzug um einen Umzug innerhalb einer Gesellschaft mit gleichen Werten und Normen handelt. Anders sieht es bei einem Umzug von Deutschland in die Russische Föderation aus – hier gibt es eine Änderung von Werten und Normen in der Gesellschaft; damit handelt es sich in diesem Fall nach Eisenstadt um Migration. Vgl. Eisenstadt, Shmuel: The Absorption of Immigrants. A Comparative Study. London 1954, S.1.

[4] Diefenbach führt aus, dass Migrantenkinder 1. Ordnung solche sind, die ihren Eltern aus dem Ausland nach Deutschland gefolgt sind. Demgegenüber stehen Kinder, die in Deutschland als Kinder von Migranten geboren wurden. Vgl. Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem. Erklärungen und empirische Befunde. 2., aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S. 20f.

[5] PISA (Programme for International Student Assessment) und IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) Studien; vgl. Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem. Erklärungen und empirische Befunde. 2., aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S. 21.

[6] Schwippert, Knut/ Bos, Wilfried/ Lankes, Eva-Maria: Heterogenität und Chancengleichheit am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. In: Bos, Wilfried/ Lankes, Eva-Maria/ Prenzel, Manfred et al. (Hrsg.): Erste Ergebnisse aus IGLU. Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich, S. 265 – 302, Münster 2003, S.277

[7] Stanat, Petra: Schulleistungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Differenzierung deskriptiver Befunde aus PISA und PISA-E. In: Deutsches PISA – Konsortium (Hrsg.): PISA 2000. Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 2003, S.243 – 260, S. 247, Tabelle 9.2

[8] Limbird, Christina und Stanat, Petra: Sprachförderung bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund: Ansätze und ihre Wirksamkeit. In: Baumert, Jürgen/ Stanat, Petra/ Watermann, Rainer (Hrsg.): Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000. Wiesbaden 2006, S. 257.

[9] Stanat, Petra: Schulleistungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Differenzierung deskriptiver Befunde aus PISA und PISA-E. In: Deutsches PISA – Konsortium(Hrsg.): PISA 2000. Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 2003, S.243 – 260, S. 260.

[10] "Meritokratisch" bedeutet, dass dem Schulsystem das Prinzip einer Verteilung von allen nach ihren Fähigkeiten und Leistungen zugrunde liegt. Chancengleichheit orientiert sich also am Leistungsprinzip: Allen soll die gleiche Chance auf eine Bildungskarriere garantiert sein, die ihren individuellen Fähigkeiten und Leistungen entspricht.

[11] Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem. Erklärungen und empirische Befunde. 2., aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S. 140.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Migration und Bildung
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V149744
ISBN (eBook)
9783640604876
ISBN (Buch)
9783640605125
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Bildung
Arbeit zitieren
Patrick Saal (Autor:in), 2008, Migration und Bildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149744

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