Corpus Evangelicorum und deutsches Machtgleichgewicht 1713 - 1740


Seminararbeit, 2003

16 Seiten, Note: 1 - 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konfessionelle Gegensätze im Reich

3. Regensburger Unionsbestrebungen 1717-1719

4. Corpus Evangelicorum als Mittel zur Parität im Reich

5. Reichsverfassungsalternativen

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit der Frage, welche Bedeutung die konfessio­nellen Gegensätze im Reich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für das deutsche Macht­gleichgewicht hatten. Auf die Rolle des Corpus Evangelicorum für das deutsche Macht­gleichgewicht komme ich im Besonderen zu sprechen. Außerdem möchte ich aufzeigen, wie das Corpus institutionell funktionierte und es versuchte, sich in das geltende Reichsverfas­sungs­system zu integrieren.

Ich werde versuchen die Absichten und Ziele des brandenburgisch-preußischen Königs Friedrich-Wilhelm I. (1713 - 1740) zu klären und zwar, inwieweit der sogenannte „Soldaten­könig“ durch den Ausbau des preußischen Staatswesens und an dem Wechsel der Fronten auf die antihabsburgische Seite an der Entstehung des Dualismus im Reich beteiligt war.

Hinsichtlich der Bedeutung der konfessionellen Gegensätze im Reich für das deutsche und europäische Machtgleichgewicht bestehen in der derzeitigen Forschung unterschiedliche Meinungen. Welche Ziele für die Monarchen vorrangig waren, zum Beispiel ob die Konfessi­onsfrage für die Monarchen wichtiger war als die eigene territoriale Vergrößerung, möchte ich mit dieser Arbeit klären.

Beim Verfassen dieser Arbeit bin ich sowohl thematisch als auch teilweise chronologisch vorgegan­gen. Die Funktionsweise des Corpus Evangelicorum im Reichsverfassungssystem zu erklären ist, wie das Gabriele Haug-Moritz treffend beschreibt, eine „schwierige Angelegen­heit.“ Denn hinsichtlich dieser Frage gibt es mehrere Lösungsansätze in der heutigen Forschung.

Ausgehend von diesen Überlegungen möchte ich mit der konfessionellen Darstellung des brandenburgisch-preußischen Königs Friedrich Wilhelm anfangen, eingebettet in allgemeine Überlegungen zu den konfessionellen Gegensätzen dieser Zeit. Dann werde ich auf die Regensburger Unionsbestrebungen (1717 - 1719) eingehen. Sie zeigen den Versuch des bran­denburgisch-preußischen Königs, entscheidenden Einfluss auf das Corpus Evangelicorum zu bekommen. Letztlich beschäftige ich mich mit dem Corpus Evangelicorum als Mittel zur Parität im Reich, um die Frage nach der Rolle des Corpus für das deutsche Machtgleichge­wicht aufzugreifen.

Die Literaturlage zu diesem Themengebiet ist sehr umfangreich. Der Aufsatz von Gabriele Haug-Moritz „Corpus Evangelicorum und deutscher Dualismus“ ist ein wichtiger Beitrag.

2. Konfessionelle Gegensätze im Reich

- Brandenburg-Preußen und Österreich -

Der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. kam einem Umsturz des Regierungssystems gleich.[1] Es fand ein „Systemwechsel des Absolutismus“[2], eine „Revolution von oben“[3] statt. Gleich zu Beginn seiner Herrschaft sah sich Friedrich Wilhelm der inneren Opposition des Regimes seines Vaters gegenüber und damit verbunden dem höfisch-ludovizianischen Abso­lutismus.[4] Nach der Abschaffung der prunkvollen Hofhaltung des Vaters hielten Disziplin und Askese, Strenge und Nüchternheit ihren Einzug. Das Militär besaß von nun an die absolute Vorrangstellung in Preußen.[5],[6]

Friedrich Wilhelm I. war ein Drillmeister, Nur-Militär, sparsam-rechenharter Ökonom und Fiskalist („Plusmacher“). Er war cholerisch, aufbrausend, verantwortungsbewusst, stark reli­giös, womöglich pietistisch geprägt und entwickelte sich zum erfolgreichen Heeres-, Finanz-, Wirtschafts- und Verwaltungsreformer und „Schöpfer des Preußischen.“ Seine Herrschaftszeit war das Zeitalter des monarchischen Absolutismus, in dem die Bedeutung von Einzelpersön­lichkeiten sehr wichtig war.[7]

Sein Machtstaatsstreben war dem seiner Zeitgenossen gleichzusetzen, gebändigt jedoch durch die Religion.[8],[9] Die Religion spielte bei Friedrich Wilhelm I. eine wichtige Rolle, denn ver­glichen mit den anderen Religionen zu dieser Zeit zählte der Calvinismus eher zu den Min­derheiten. Die Politik Friedrich Wilhelms wurde durch ganz andere Faktoren beeinflusst als bei den meisten Herrschern zu dieser Zeit. Diese calvinistische Staatsauffassung wurde jedoch nicht erst durch Friedrich Wilhelm I. in Kurbrandenburg praktiziert, sondern schon seit Kurfürst Johann Sigismund (1608 - 1620).[10]

Die asketisch-puritanische Arbeits- und Pflichtgesinnung Friedrich Wilhelms I. leitete sich aus seiner religiösen Wurzel ab. Stets versuchte Friedrich Wilhelm diese Eigenschaften auf seinen Herrschaftsbereich zu übertragen. Wie bei Baumgart formuliert war es eine monar­chische Spielart des calvinistischen Erwählungsbewusstseins und Bewährungsglaubens.

Stark beeinflusst war Friedrich Wilhelm durch den halleschen Pietismus von August Herrmann Francke. Dies hatte Auswirkungen auf die Staatspraxis. Friedrich Wilhelm ver­suchte große pädagogische und soziale Probleme mit Ideen von Francke zu lösen, beispiels­weise mit Hinblick auf die Einrichtung von Militärwaisenhäusern.[11] Auf der anderen Seite konnte nicht von einer pietistischen Bekehrung des Königs gesprochen werden. Er war ein Puritaner- und Bürgerkönig, der seine Herrschaft als eine Art „Selbstherrschaft“ verstand.[12] Schon seit seiner Kindheit hatte Friedrich Wilhelm ungeheuren Respekt vor dem Überpersön­lichen der Monarchie, eine Art mystischer Respekt in seiner Jugend, deshalb rebellierte er auch nie gegen seinen Vater. Die Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg im September 1709 prägte seine Vorliebe für das militärische Detail und den Drill.[13]

Sein ganzes Handeln konzentrierte sich auf den Aufbau des Staats- und Armeewesens. Des­halb lässt sich Friedrich Wilhelm als „innerer König“[14],[15] bezeichnen. Damit verfolgte er jedoch keine kriegerischen Absichten. Im Gegenteil, er warnte vor „ungerechten Kriegen“. Diese Ablehnung entstammte jedoch nicht seinen religiösen Wurzeln, war also kein religiöser Vorwand. Vielmehr gehörte diese Überzeugung zu seiner Staatsauffassung, die auch durch Erfahrungen in der Jugend geprägt war.[16]

Hinsichtlich der Reichspolitik verfolgte Friedrich Wilhelm nach kurzem Schwanken in der Mitte der 1720er Jahre eine völlige kaiser- und reichstreue Politik. Diese Reichstreue war jedoch gleichzeitig verbunden mit dem Bedürfnis nach einem hohen Schutz der evangelischen Religion im Reich gemäß den Beschlüssen des Westfälischen Friedens von 1648. Friedrich Wilhelm I. und der Corpus Evangelicorum griffen aktiv in innere Streitangelegenheiten auf protestantischer Seite ein. Die Reichstreue Friedrich Wilhelms I. konnte an der Teilnahme bei Abwehrkämpfen des Reiches gegen eine ludovizianische Hegemoniepolitik festgemacht wer­den. Eine Äußerung zur bestehenden Situation im Reich von Friedrich Wilhelm: „Einen Kaiser müssen wir haben, also bleiben wir beim Hause Österreich, und der ist kein ehrlicher Deutscher, der hierzu nicht contribuiert“[17] umschrieb die Haltung des brandenburgisch-preußischen Königs zum Reich. Obwohl die absolutistische Selbstauffassung Friedrich Wilhelms durch die eigenen Landstände mit den Reichshofratprozessen angegriffen wurde, dachte er nicht an eine Rivalität mit dem Kaiser im Reich. Das Haus Österreich wurde als das kleinere Übel angesehen, deshalb wurde es auf Reichsebene unterstützt. Diese Unterstützung hielt jedoch nur solange, wie keine protestantischen Interessen angegriffen wurden. Ein Kaiser für das Reich wurde von Friedrich Wilhelm I. als notwendig angesehen, eine Herr­schaft der Fürsten mit individuellen Partikularinteressen abgelehnt.

[...]


[1] Vgl. Helga Karch, Innerer Ausbau und Zentralisierung. Der preußische Militär- und Beamtenstaat unter Friedrich Wilhelm I., 1713 - 1740, in: Manfred Schlenke (Hg.), Preußen-PLOETZ. Preußische Geschichte zum Nachschlagen, Freiburg/Würzburg 1987, S. 39; im Folgenden zitiert: Karch.

[2] Vgl. Peter Baumgart, Epochen der preußischen Monarchie, in: ZHF 6 (1979), S. 287 - 316, hier S. 293 - 294; im Folgenden zitiert: Baumgart.

[3] Frank-Lothar Kroll, Preussens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., München 2000, S. 135; im folgenden zitiert: Kroll.

[4] Vgl. Baumgart, hier S. 294.

[5] Vgl. Karch, S. 39.

[6] Vgl. Heinz Schilling, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648 - 1763, Berlin 1989, S. 272; im Folgenden zitiert: Schilling.

[7] Vgl. Kroll, S. 35.

[8] Vgl. Baumgart, hier S. 295.

[9] Vgl. Karch, S. 40.

[10] Vgl. Baumgart, hier S. 295.

[11] Ebd., S. 295 - 296.

[12] Ebd., S. 296 - 297.

[13] Vgl. Kroll, S. 138 - 139.

[14] Vgl. Karch, S. 38 - 39.

[15] Vgl. Baumgart, hier S. 301.

[16] Ebd., S. 301.

[17] Ebd., S. 302.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Corpus Evangelicorum und deutsches Machtgleichgewicht 1713 - 1740
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Historisches Institut)
Veranstaltung
GS: Das alte Reich im alten Europa: Politische Kultur, Gesellschaftliches Gefüge
Note
1 - 2
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V14964
ISBN (eBook)
9783638202268
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Corpus, Evangelicorum, Machtgleichgewicht, Reich, Europa, Politische, Kultur, Gesellschaftliches, Gefüge
Arbeit zitieren
Patrick Koops (Autor:in), 2003, Corpus Evangelicorum und deutsches Machtgleichgewicht 1713 - 1740, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14964

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Corpus Evangelicorum und deutsches Machtgleichgewicht 1713 - 1740



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden