Gewalt in Computerspielen

Wissenschaft als Vermittler zwischen Politik und Populärkultur


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

10 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Diskurse
2.1 Politischer Diskurs in den Medien
2.2 Wissenschaft zwischen Verantwortung und Mittel zum Zweck
2.3 Spielergemeinschaft - Gesellschaft in der Gesellschaft

3. Exkurse
3.1 Exkurs Teil I: Andere Lander - andere Diskurse
3.2 Exkurs Teil II: Sebastian Bosse

4. Schlussfolgerungen
4.1 Schlussfolgerungen zu Gewalt in Spielen
4.2 Kontextualisierung von Gesellschaft, Wissenschaft und Politik

1. Einleitung

Ein bekanntes Problem bei der Beobachtung von Diskursen, ist dass die Auswahl, des zu betrachtenden Phanomens, subjektiv erfolgt und die Auswahl bereits eine wissenschaftliche Objektivitat auszuschlieBen scheint. Wenn in den Medien jedoch eine Haufung in der Berichterstattung festzustellen ist, so ist auch von einem Interesse auf Seite der Rezipienten auszugehen. Die Teilnehmer eines solchen Diskurses, im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit, zu beobachten und selbst zum Teilnehmer zu werden, kann dabei Aufschluss uber die Funktionsweise offentlicher Diskurse geben und evtl. Ergebnisse auf einer wissenschaftlichen Metaebene liefern. Zumindest kann sie einen Einblick in die verschiedenen Aspekte der Thematik leisten und die beobachteten Probleme konkretisieren.

Die aktuelle Diskussion, um das Thema Gewalt in Computerspielen, ist beispielhaft dafur, wie ein zuvor kaum beachtetes Problem, durch einzelne medienwirksame Ereignisse katalysiert, in den Mittelpunkt offentlichen Interesses tritt. Zudem zeigt sich hier, wie stark sich mediale Verzerrung und selektive Berichterstattung auf die Wahrnehmung der Offentlichkeit auswirken kann, und zudem wie Politiker die Aufmerksamkeit nutzen konnen, um sich in den Medien zu positionieren.

Ziel der Arbeit ist es herauszustellen, welche Rolle der Politik, der Wissenschaft und der Spielergemeinschaft, im Diskurs um Gewalt in Spielen, zuteil wird, und auf welche Weise sie in den Medien vertreten sind. Daruber hinaus soll sich der Frage gewidmet werden, ob es sich bei Nutzern von Spielen mit Gewaltinhalt tatsachlich um eine Minderheit bzw. Subkultur in unserer Gesellschaft handelt. Im Anschluss daran werden die erarbeiteten Teilaspekte gesamtgesellschaftlich in einen Kontext gebracht, um daraus eine Aufgabenstellung, vor allem an die Wissenschaft, aber auch die Politik und Padagogik in Deutschland, zu formulieren. Eine Intervention seitens der Wissenschaft erscheint mir unabdingbar, da der Streit um Computerspiele mit Gewaltinhalt, aufgrund mangelnder Objektivitat und fehlender wissenschaftlicher Beurteilungskriterien, aufier Kontrolle zu geraten droht.

2. Diskurse

2.1 Politischer Diskurs in den Medien

Besorgte Eltern und Padagogen, Ratlosigkeit in Bezug auf die Beweggrunde der Amoklaufe in Emsdetten und Erfurt, und die damit verbundene Medienprasenz, haben die Diskussion um Gewalt in Computerspielen zum Politikum werden lassen. Umgehend sprachen sich mehrere Politiker fur ein Verbot von Spielen aus, „in denen Mord und Totschlag propagiert und dazu angeleitet wird.‘a, so z.B. der bayrische Ministerprasident Edmund Stoiber. Bayerns Innenminister Gunther Beckstein forderte sogar ein Jahr Haft fur die Herstellung, den Vertrieb und Kauf solcher Spiele. Zudem wurde von ihm der medienwirksame Begriff „Killerspiel“1 gepragt, der zwar keine einheitliche Definition leistet, aber der Reduzierung der Komplexitat fur die Offentlichkeit dient.

Den Gegenstimmen aus der Politik scheinen zudem weniger Aufmerksamkeit zuteil zu werden, obwohl diese einen wichtigen Beitrag zum Thema, insbesondere in Bezug auf Ursachen und Losungsmoglichkeiten, leisten konnten. Hans-Joachim Otto,2 Vorsitzender des Ausschusses fur Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, aufiert sich dazu wie folgt:

Im Ubrigen halte ich es fur gefahrlich, nach jedem schrecklichen Ereignis das Unbehagen der Burger auf ein bestimmtes Objekt zu lenken, das eindeutig nicht als alleiniges tatverursachendes Merkmal dargestellt werden kann. Im Hinblick auf eine differenzierte Auseinandersetzung mit Computerspielen und auf Sensibilisierung von Jugendlichen sei auf das Stichwort ,Medienkompetenz’ hingewiesen.3 Diese scheint mir auch bei einigen Politikern etwas unterentwickelt zu sein. 4

Auch Thomas Jarzombek, von der CDU, unterstreicht die Bedeutung von Medienkompetenz im Umgang mit dem Thema, und will die „Medienkompetenz nicht nur bei unseren Kindern, sondern auch bei den Eltern starken.“.5 Weder Hans-Joachim Otto noch Thomas Jarzombek und auch nicht die medienpolitische Sprecherin im Kultur- und Medienausschuss, Grietje Bettin, wurden zu den politischen Talkrunden eingeladen, wo man sich des Themas annahm, sondern lediglich in Spielemagazinen (PCGames, eGames) interview! Da solche Magazine aber vorwiegend von Gamern gelesen werden, entsteht auch hier kein konstruktiver Austausch, sondern lediglich ein Paralleldiskurs, der es nicht vermag Inhalte uber sein Medium hinaus zu transportieren. Die vorherrschende Meinung des Nutzerkreises wird bestatigt und der Diskurs bleibt in sich geschlossen und abgeschottet von der politischen Debatte in den Massenmedien. Diese wird unterdessen, ohne Beteiligung der gefahrdeten Zielgruppe von Gewaltspielen, sprich jugendlichen Spielern, gefuhrt und „baut[..]zusatzliches Potenzial fur Politikverdrossenheit auf, weil man [Politiker] beweist, dass man keine Ahnung hat.“6 Dass sich die mehrheitliche Meinungsbildung in Deutschland jedoch auf genau die Aussagen von bekannten Politikern stutzt, die sich fur ein Verbot von Spielen mit Gewaltinhalt einsetzen, zeigt die Umfrage des Magazins Stern aus November 2006. Hier sind 72% der Befragten Bundesburger der Ansicht, dass sog. „Killerspiele“ fur die steigende Gewalt an Schulen verantwortlich sind und 59% der Befragten fur ein Verbot solcher Spiele.7 Im Vergleich dazu beschaftigen sich gerade einmal 26% der Eltern in Deutschland mit, den von ihren Kindern genutzten, Spielen, was erneut die Frage nach Medienkompetenz und Beurteilungsfahigkeit aufwirft. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Aufklarende Funktion der Medien hier hinter politische Interessen zurucktritt, und das Ergebnis der Berichterstattung, durch die Erwartung des Publikums, schon vorweg genommen wird. Die Komplexitat des Themas wird auf die binaren Aussagen, Spiele seien gut/schlecht, ungefahrlich/gefahrlich reduziert und schlieBlich letzteres vertreten, da sie medienwirksamer sind. Die Medien interessiert es schlieBlich auch nicht, wenn Untersuchungen ergeben, dass Fleisch in Deutschland eine gute Qualitat besitzt, sondern werden erst dann aktiv,8 wenn es verfault an den Endverbraucher gelangt. Dass Kontextualisierungen besonders in Bezug auf das Thema Gewalt und Spiele eine signifikante Rolle in der Wahrnehmung der Offentlichkeit spielen, soll in den folgenden Kapiteln noch weiter vertieft werden.

2.2 Wissenschaft zwischen Verantwortung und Mittel zum Zweck

Die Wissenschaften, insbesondere Geistes- und Sozialwissenschaften, haben im Diskurs um Spiele mit Gewaltinhalt eine bedeutende, wenn auch schwierige Position. Zum einen werden wissenschaftliche Studien gerne dazu genutzt, Behauptungen uber Zusammenhange, wie z.B. Gewaltspiele und Aggression bei Jugendlichen, zu untermauern. Zum anderen werden solchen Studien oft erst dann in Auftrag gegeben, wenn ein Mehrheit Interesse fur den Untersuchungsgegenstand bekundet. Man konnte nun annehmen, es sei zu befurworten, dass sich die Wissenschaft hier an aufieruniversitaren Impulsen orientiert, und auf aktuelles gesellschaftliches Interesse eingeht, doch gezielte Kontextualisierung und Ausblendung von Umwelteinflussen fuhren auch hier zu erheblichen Bewertungsproblemen. Studien uber Gewalt in Medien gibt es demnach schon weitaus langer, als die Diskussion um Gewalt in Computerspielen. Dass diesen Studien erst jetzt Beachtung geschenkt wird, und welche dieser Studien fur die Diskussion angefuhrt werden, ist ein typisches Beispiel fur Aufmerksamkeitsverzerrung durch Medien. Es gibt ebenso viele Studien, die einen direkten Zusammenhang von Gewalt in Spielen mit realer Gewalt attestieren, wie es Studien gibt die das Gegenteil behaupten. So ergab eine aktuelle Studie der Universitat Potsdam, dass „Je intensiver die Beschaftigung mit Gewaltspielen ist, desto langer halt die

Aggressionsbereitschaft der Spieler an.“9. Diese Studie im Rahmen der Diskussion anzufuhren mag zwar medienwirksam sein, rein wissenschaftlich betrachtet ist ihre Aussagekraft jedoch eher gering. Heifit Aggressionsbereitschaft, dass diese bereits vorhanden ist und durch Spiele verstarkt wird? Oder ist jeder Spieler von Grund auf aggressiver als ein Nichtspieler? Gibt es andere, aufiere Einflussfaktoren, wie soziales Umfeld, Bildungsgrad, Fernsehkonsum, Musikkonsum oder gar Ernahrung, die eine Rolle im Verhalten spielen? Dr. Thilo Hartmann, von der Annenberg School of Communication in L.A., ist der Ansicht: „Gewalthaltige Computerspiele fordern kurzfristig aggressives Verhalten, aggressive Wahrnehmung und aggressive Gemutszustande.“10, und dass sich kurzfristige Effekte auf mittlerem Niveau einstellen.11 Prof. Dr. Carlo Sommer, Professor fur Kommunikationspsychologie an der Hochschule Darmstadt, bezieht hier zudem aufiere Einflusse mit in die Uberlegung ein:

Wer in seinem Elternhaus und in seiner sonstigen sozialen Umgebung Gewalt immer wieder als Mittel zur Konfliktlosung sieht, wird sich durch Gewalt im Film oder Spiel sicher in diesem Verhalten bestarkt sehen. 12

[...]


1 Weih, T.; Schutz, F. (2007) S. 22

2 vgl. Weih, T.; Schutz, F. (2007) S.22

3 vgl. Mohr, D. (2007) S. 11

4 WeiB, T.; Schutz, F. (2007) S. 25

5 Mohr, D. (2007) S. 11

6 Mohr, D. (2007) S. 12

7 vgl. Stern-Umfrage (28.11.06)

8 vgl. Lorber, M. (2005) S. 16

9 Nuber, U.; IDW (2007) S. 14

10 Mohr, D. (2007) S. 10

11 vgl. Mohr, D. (2007)

12 Mohr, D. (2007) S. 10

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Gewalt in Computerspielen
Untertitel
Wissenschaft als Vermittler zwischen Politik und Populärkultur
Hochschule
Universität Münster
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
10
Katalognummer
V149458
ISBN (eBook)
9783640599752
ISBN (Buch)
9783640600090
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewaltdiskurs, Medienpolitik, Computerspiele, game studies
Arbeit zitieren
Robert Kampf (Autor:in), 2007, Gewalt in Computerspielen , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149458

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