Das Treffen von Trier 1473


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

31 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Ausgangslage bei den Verhandlungen

Ankunft in Trier

Zeremonielle und Gespräche
Erstes Treffen
Zweites Treffen
Drittes Treffen

Verhandlungsziele im Wandel

Schlußbetrachtung

Quellen / Literatur

Einleitung

Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatte sich das einstmals kleine Kernland Burgundien durch zahlreiche Neuerwerbungen seiner insgesamt vier Herzöge in einem Maße vergrößert, das es zu einem Machtfaktor hatte werden lassen, der es ihm ermöglichte, fast gleichwertig neben dem Reich Friedrichs III. und dem Frankreich Ludwigs XI. auftreten zu können.

Burgund unterschied sich jedoch in wesentlichen Punkten von seinen stärksten mitteleuropäischen Nachbarn, die ihm eine andere, dynamischere Rolle zuwachsen ließen. Burgund war nämlich ein Flickenteppich ethnisch heterogener, geographisch verstreuter und wirtschaftlich inhomogener Gebiete[1]. So gehörten die wirtschaftlich stärksten Teile Flandern und Brabant nicht zum Ursprungsgebiet des Herzogtums, sollten jedoch nach dem Willen des Herrschers weiter integriert werden. Um diesem durch seine geographischen Gegebenheiten leicht verwundbaren Land, das sich wie eingezwängt zwischen dem Königreich Frankreich und dem Deutschen Reich sah, eine sowohl nach innen wie nach außen größere Festigkeit zu geben, hatte Herzog Karl der Kühne, Nachfolger Philipps, den er schon zu dessen Lebzeiten in der Macht beerbt hatte, neben einer gewaltigen Militärmacht in Gestalt seiner einzigen Tochter das Mittel der Ehediplomatie zur Hand, ein Faustpfand, das in die Waagschale zu werfen durchaus Erfolg zu versprechen schien, denn Kaiser Friedrich III., lohnendste Zielrichtung einer solchen Aktivität, hatte eine mit der burgundischen kompatible Interessenlage, wie diesbezügliche diplomatische Vorgespräche gezeigt hatten.

Die Überlegungen auf beiden Seiten, durch Eheschließung eine Vereinigung der Herrscherhäuser herbeizuführen, hatten eine lange Tradition.

Zuerst hatte der Dynastiegründer Philipp der Kühne die Einheirat in das Haus Habsburg betrieben und seine Tochter Katharina 1387 an den Herzog Leopold IV. verheiratet[2]. Später hatte im Jahre 1447 Herzog Philipp mit Kaiser Friedrich III. ein solches Projekt angestrebt, war jedoch an der Weigerung des Kaisers gescheitert, alle seine Länder unter einer Krone zu vereinigen, wie es notwendig gewesen wäre, um dem Staatswesen die ersehnte formale Geschlossenheit zu geben[3]. Die Verhandlungen waren 1454 und 1459 wieder aufgenommen worden mit dem Aspekt eines linksrheinischen Reichsvikariats für den burgundischen Herzog, was eine Stellvertreterfunktion für den Kaiser bedeutet hätte. Auch dieser Versuch hatte jedoch ergebnislos abgebrochen werden müssen[4].

Anders als sein Vater hatte Karl die Perspektive eines allgemeinen Reichsvikariats als das Mindeste, eigentlich aber die Kaiserkrone als Endziel ins Auge gefaßt[5], vielleicht nach vorheriger Wartezeit als Römischer König. Außerdem hatte er für sich selbst die Königswürde als Herrscher eines Königreiches Burgund und Friesland ins Auge gefaßt.

Diese recht ambitionierte Erwartung hielt Karl in Anbetracht der Interessenlage des Kaisers aus dem Hause Habsburg für realistisch, da eine Heirat des Kaisersohnes Maximilian mit der einzigen Tochter und also auch einzigen Erbin Karls dem Kaiser äußerst erstrebenswert erscheinen mußte, und zwar sowohl für seine Hausmacht Habsburg als auch für die Stabilität des Reiches, denn es gab einige Konflikherde im Reich selbst sowie die von Südosten drohenden Überfälle der Türken, deren Abwehr zu den obersten Pflichten eines christlichen Herrschers gehörte, vor allem aber deshalb, weil sie die Erblande seines Herrscherhauses bedrohten. So wurden auf diplomatischen Kanälen wieder Kontakte aufgenommen, um das in beiderseitigen Interesse liegende Eheprojekt, das erstmalig 1462 begonnen worden war, aber nicht hatte abgeschlossen werden können[6], von neuem in Angriff zu nehmen. Nach mehrmaligen Verschieben des Verhandlungstermins und Verlegen des Verhandlungsortes teils aus politischen, teils aus praktischen Gründen wie der Seuchengefahr kam man endlich überein, sich Anfang Oktober 1473 in der Bischofsstadt Trier zu treffen.

Der offizielle Anlaß der Zusammenkunft war die anstehende Abwehr der Türkengefahr durch den Repräsentanten des Reiches, den Kaiser, der zur Bewältigung dieser Aufgabe allerdings um militärische Mittel bei den Reichsständen und Herrschern nachsuchen mußte.

Zusammenkünfte waren auch Symbole mittelalterlicher Politik und also Vorgänge, die sinnbildlich auf eine gegenwärtige politische Situation[7] und die Intentionen der beteiligten Personen verwiesen. Im vorliegenden Falle ging es sowohl um die Repräsentation in einer bestimmten Rolle, nämlich der des politisch, wirtschaftlich oder im Ansehen Potenten, als auch um die Art dieser Darstellung unter dem Gesichtspunkt des angestrebten Zieles.

Aus dem Verhandlungszweck ergab sich, daß dem zeremoniellen Beitrag Karls des Kühnen besonderes Interesse zukam, da er der Rolle des gegenüber dem Kaiser Rangniederen ebenso gerecht werden mußte wie dem Verhandlungsziel einer Rangerhöhung bis hin zum Kaisertum. Die Einbettung dieser Vorgaben in die zeremoniellen Codes mittelalterlicher Symbolsprache darzustellen soll Kernpunkt der folgenden Arbeit sein. Auch soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie der Verhandlungsfortgang auf die zeremonielle Ebene zurückwirkte.

Als Quellen werden Verwendung finden die von Joseph Chmel veröffentlichten Verhandlungsanweisungen und Augenzeugenberichte, deren Darstellungen im Detail oft von denen Anderer, etwa der brandenburgischen Gesandten abweichen. Außerdem sollen Briefe des Albrecht Achilles, von Felix Priebatsch zusammengetragen, das Verhandlungsvorfeld erläutern und Philipp de Commynes´ Memoiren stellen den Blickwinkel eines Zeitgenossen dar, der im Jahre 1472 die Seiten gewechselt hatte und sich vom Mitarbeiter zum scharfen Kritiker Karls wandelte.

Die Ausgangslage bei den Verhandlungen

Der Kaiser hatte die Mitwirkung Sigmunds von Österreich bei der Anbahnung der Zusammenkunft in Anspruch genommen[8], eines Herzogs, mit dem er wegen dessen Anlehnung an Burgund in Zwist geraten war. Der Kaiser hatte das Verhältnis jedoch nie ganz zerrütten lassen, sondern bisweilen sogar zu dessen Gunsten interveniert[9]. Gleichzeitig muß er ihn auch als Regenten geschätzt haben, da er sich seiner Vermittlungsdienste als Intervenient mehrmals bedient hatte[10]. Da auch andere Probleme an der Peripherie des Reiches bestanden, wollte Friedrich die Lage entkrampfen und die für ihn unselige österreichisch - burgundische Allianz aufbrechen, was nicht einfach erschien, da Sigmund durch seine notorische Geldknappheit in burgundische Abhängigkeit geraten war[11]. Sigmunds Verpfändungen an Karl waren auch durch die Furcht des Österreichers vor den Eidgenossen bestimmt, gegen deren Bedrohung Sigmund in dem burgundischen Herzog einen reichen und militärisch mächtigen Verbündeten erworben zu haben glaubte[12].

Auch hatte Karl der Kühne die Gelegenheit zu nutzen gewußt, als es durch Streit in der geldernschen Herrscherfamilie dazu kam , daß sich der alte, von seinem Sohn vertriebene Herzog zu ihm flüchtete, das Herzogtum auf elegante, wenngleich rechtlich fragwürdige Weise an sich zu bringen, indem er den alten Herrscher zwar wieder zu seinem Recht kommen ließ, ihm aber umgehend das Land faktisch abkaufte[13]. Nachdem Karl Geldern zusammen mit der Grafschaft Zutphen im Dezember 1472 erlangt und außerdem durch einen Waffenstillstand mit Ludwig XI. sich den Rücken nach Westen freigehalten hatte, waren weitere wichtige Voraussetzungen für eine starke Verhandlungsposition erfüllt.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch sein Verhältnis zu Lothringen zu interpretieren. Dorthin hatte er zunächst seine Tochter Maria verlobt, später dieses Verlöbnis wieder gelöst, um ehepolitisch anderweitig disponieren zu können, als der Kaiser mit einem erneuten Gesprächsangebot auf ihn zukam[14].

Ohnehin waren Heiratsverhandlungen eine politische Lieblingsbeschäftigung des Burgunders, denn die Heirat seiner Tochter ermöglichte es ihm, über das Übergewicht einzelner Herrscherhäuser zu bestimmen[15]. So kann es nicht verwundern, daß Maria im Alter von sechzehn Jahren bereits siebenmal verlobt war und auch die Kinderlosigkeit seiner dritten Ehe ist erklärlich, denn ein weiterer, männlicher Nachkomme hätte den Kurswert Marias stark abfallen lassen.

Als der junge lothringische Herzog kurz darauf starb, hatte Karl wenig Mühe, mit seinem Nachfolger einen militärischen Beistandspakt zu schließen, was für Karl von großer strategischer Bedeutung war, denn Lothringen stellte die Landbrücke dar zwischen den südlichen Kernlanden und den hinzuerworbenen Gebieten bis hinauf zur Nordsee[16].

Auch im Osten war Karl diplomatisch in der Offensive. Die Lage im Osten war deshalb prekär, weil König Matthias Aufstände geschürt hatte als Revanche für verweigerte Regalien. In Böhmen war es Karl gelungen, ein Schiedsrichteramt im dortigen Thronstreit zugesprochen zu bekommen. So war er auch im Osten zum nicht zu umgehenden Faktor geworden[17].

Ein weiteres Problemfeld stellte für den Kaiser das schwierige Verhältnis zum Pfalzgrafen Friedrich dem Siegreichen dar. Bisher hatte die Erfahrung gezeigt, daß die Stärke des Pfalzgrafen auf Kosten des einflußreichsten, kaiserfreundlichen Bischofs im Wahlkollegium, des Bischofs von Mainz, ging[18]. Nach Streitigkeiten, bei denen es um Geld und kleinere Ländereien ging, hatte der Pfalzgraf sich schließlich fast aus dem politischen System des Reiches ausgliedern lassen, was darauf hinauslief, daß Kaiser und Pfalzgraf sich seit 1471 ignorierten[19]. Im Juni 1473 gab es von seiten des Kaisers Versuche, den Konflikt beizulegen[20].

Dies zeigt, wie auch die kaiserlichen Initiativen während des letzten Itinerars vor dem Trierer Treffen, daß der Kaiser bemüht war, die Zahl seiner Unterstützer zu vergrößern[21] und in Trier möglichst Parteigänger dabeizuhaben[22]. Dabei unterließ er es nichteinmal, in Solidaritäten einzubrechen, die sein zukünftiger Verhandlungspartner Karl geschmiedet hatte, und dort Abwerbungsversuche zu unternehmen, wie bei seinen Gesprächen mit dem Pfalzgrafen, die freilich in Richtung auf die eigene Gefolgschaft unter den Fürsten und Bischöfen irritierend wirkten, denn diese befürchteten, bei einer Verständigung der Mächtigen – Pfalzgraf, Burgund , Kaiser – ins Abseits zu geraten[23]. Auch suchte der Kaiser im eigenen Lager sowohl auf dem Wege nach Trier als auch dort selber dadurch Unmut zu besänftigen, daß er allerlei Belehnungen und Bewilligungen verteilte[24], besonders an solche Fürsten, die unter burgundischem Einfluß standen[25].

Karls Anliegen mußte es sein, die de-fakto-Erwerbungen durch einen Legitimationsakt zugestanden zu bekommen und durch eine Rangerhöhung eine seiner tatsächlichen Machtfülle entsprechende rechtliche Stellung zu erhalten[26]. Umgekehrt mußte der unverkennbare Expansiosdrang des Burgunders in Reichsgebiet hinein den Kaiser beunruhigen und es ihm geraten erscheinen lassen, den Ehrgeiz des aufstrebenden Herzogs in geordnete, d.h. rechtlich gesicherte Bahnen zu lenken und ihn dadurch als berechenbaren Faktor in das Machtgefüge zu integrieren.

[...]


[1] Krieger, Habsburger, S.211

[2] Rill, Friedrich, S.207

[3] Schelle, Karl, S.126

[4] Paravicini, Ende, S.35

[5] Paravicini, Ende,S.36

[6] Krieger, Habsburger, S.213

[7] Kolb, Herrscherbegegnungen, S.8

[8] Rodt, Herzog, S.101

[9] Heinig, Friedrich, S.917

[10] Heinig, Friedrich, S.919

[11] Cartellieri, Hofe, S.21

[12] Rill, Friedrich, S.206

[13] Rill, Friedrich, S.208

[14] Vgl. Priebatsch, Correspondenz, S.50

[15] Pirenne, Geschichte, S.375

[16] Schelle, Karl, S.128

[17] Vgl. Priebatsch, Correspondenz, S.49f.

[18] Heinig, Friedrich, S.1156

[19] Heinig, Friedrich, S.1157

[20] Vgl. Priebatsch, Correspondenz, Nr.573

[21] Vgl. Priebatsch, Correspondenz, Nr.581

[22] Heinig, Friedrich, S.1161

[23] Vgl. Priebatsch, Correspondenz, S.51

[24] Rill, Friedrich, S.209

[25] Grüneisen, Reichsstände, S.74

[26] Krieger, Habsburger, S.213

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Das Treffen von Trier 1473
Hochschule
Universität Münster  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
HS: Rituale im hohen und späten Mittelalter
Note
gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
31
Katalognummer
V14939
ISBN (eBook)
9783638202084
ISBN (Buch)
9783638683999
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Treffen, Trier, Rituale, Mittelalter, Kühne
Arbeit zitieren
Magister Joachim Pahl (Autor:in), 2002, Das Treffen von Trier 1473, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14939

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