Ist Frieden wirklich eine Illusion?

Eine Auseinandersetzung mit der Kulturtheorie Sigmund Freuds


Seminararbeit, 2010

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Sublimierung von Aggressionstrieben
2.1 Kulturideale und Identifizierung
2.2 Feindseligkeiten

3. Krieg als Konsequenz der menschlichen Triebnatur

4. Kritik an Freuds Triebtheorie

5. Zusammenfassung

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die Kulturtheorie des Psychoanalytikers Sigmund Freud entstand am Ende seiner Schaffenszeit und baut auf seiner Triebtheorie auf, die er im Laufe seines Lebens mehrmals überarbeitete. In seinen frühen Arbeiten geht er davon aus, dass es sich bei den zwei Trieben, die den Menschen dominieren, um Sexual- und Selbsterhaltungstriebe handele, welche miteinander in Widerspruch stehen.

In seiner Veröffentlichung „Jenseits des Lustprinzips“ von 1920 revidiert Freud seine Trieblehre, fasst Sexualtrieb und Selbsterhaltungstrieb zum sogenannten Lebenstrieb (Eros) zusammen und stellte ihm den Todestrieb gegenüber. Der Lebenstrieb obliege nach Freud dem Lustprinzip, während der Todestrieb danach strebt, zum Anorganischen zurückzukehren.[1]

Der Lebenstrieb ist für Freud Ausgangspunkt des Kulturprozesses, „der über die Menschheit abläuft“[2] und ihr „die Erde dienstbar mach[t]“[3], weil die Selbsterhaltung des Menschen in größeren Kulturgemeinschaften gesichert werden könne. Unter dem Begriff „Kultur“ versteht Freud all das, was der Mensch hervorgebracht hat, um sein Fortleben zu gewährleisten.

Doch der Sexualtrieb, der andere Teil des Eros, störe den Kulturprozess, weil er nur in Paaren Befriedigung finden kann, während die Kultur „auf Beziehungen unter einer größeren Menschenzahl ruht“[4]. Ebenso wie der Todestrieb, der nicht nur an der inneren Zerstörung eines Menschen arbeitet, sondern sich auch „gegen die Außenwelt wende[t] und dann als Aggressionstrieb zum Vorschein komm[t]“[5], arbeitet er gegen die Kulturentwicklung. Aus diesem Grund bezeichnet Freud den Kampf zwischen Eros und Todestrieb als Lebensinhalt der Menschheit, den man an der Kulturentwicklung ablesen kann.[6]

Es müsse zur Aufgabe der Kultur werden, die Sexual- und Aggressionstriebe einzudämmen. Die Sexualität der Menschen würde folglich auf das beschränkt, was der Kultur dienlich sein konnte: Die Vermehrung der Menschheit.

Die Triebe würden durch Vorschriften und Gesetze in jene Kanäle geleitet, die die menschliche Entwicklung nicht behindern. Die Kultur schaffe Ersatzbefriedigung in Wissenschaft und Kunst, doch diese schien dem Menschen nicht zu genügen, denn er fühlte sich nicht glücklich. Für die gewonnene Sicherheit in der Kultur wurde ein „ein Stück Glücksmöglichkeit“[7] verkauft. Sein Unbehagen äußere der Kulturmensch durch Feindseligkeiten gegenüber seiner Kultur, die wiederum durch Ideale und Illusionen versuche, die Aggression auf außenstehende Gruppen umzuleiten. Folglich würden triebhafte Aggressionsneigungen der Menschen in Kriegen befriedigt werden und friedliche Gemeinschaften können niemals dauerhaft bestehen.

Diese desillusionierende Konsequenz, die Freud zwangsläufig aus seiner Triebtheorie ziehen muss, wurde zur Angriffsfläche vieler Kritiker. Es musste diskutiert werden, ob ein angeborener Zwang zur Destruktion überhaupt vorstellbar ist. Andererseits war Freuds Kulturkritik für viele Theoretiker der Anlass, die gegenwärtigen Stand der Zivilisation kritisch zu hinterfragen und auf die Gefahren aufmerksam zu machen.

In meiner Arbeit möchte ich zuerst zeigen, wie Sigmund Freud sich den Kulturprozess vorgestellt hat, um anschließend eine Aussage darüber treffen zu können, warum Kriege für ihn ein Bestandteil der Kultur sein müssen und ein Weltfrieden letztlich nur eine Illusion sein kann. Am Ende möchte ich unter Einbezug aktueller Literatur diskutieren, inwieweit die Freud'sche Kulturtheorie heute noch von Bedeutung ist.

2. Sublimierung von Aggressionstrieben

2.1 Kulturideale und Identifizierung

Offensichtlich besteht nach Freud nur eine Möglichkeit, Kriege zu verhindern, wenn es gelingt, die Aggressionsneigung der menschlichen Art „soweit abzulenken, daß sie nicht ihren Ausdruck im Kriege finden muß.“[8] Doch wie kann der Kultur das gelingen? Die erste Möglichkeit bestände nach Freud darin, die Menschen durch Kulturideale libidinös aneinander zu binden.

Als Kulturideal definiert Freud „Wertungen, welche die höchststehenden und am meisten anzustrebenden Leistungen [sind]”[9]. Mit Idealen wird eine „fortschreitende Verschiebung der Triebziele und Einschränkung der Triebregung“[10] erreicht.

Ein Beispiel sei das Gebot der Nächstenliebe, das von den Menschen verlangt, dass sie den Nächsten lieben, wie sich selbst.

Hinsichtlich seiner Triebveranlagungen ist es dem Menschen gar nicht möglich, diesem Ideal Folge zu leisten, weil „nichts anderes der ursprünglichen menschlichen Natur so sehr zuwiderstrebt“[11]. Ähnlich wie die religiösen Gebote, die dem Menschen verbieten, nicht zu töten, zu stehlen oder zu lügen, steuere das Gebot der Nächstenliebe der Triebnatur entgegen und veranlasst ihre Rückbildung.

Eine Ersatzbefriedigung liefere die Kultur neben Wissenschaft und Kunst, ihren Mitgliedern in erster Linie durch Identifikationen.

Durch gleiche Eigenschaften, die die Menschen untereinander erkennen, identifizieren sie sich miteinander. Die Religion schaffte das größte identifizierende Mittel, indem sie die Illusion[12] von einem Gott erfand: Sie sehen in Gott die „Personifizierung eines großartigen erhöhten Vaters“[13], der für sie sorgt und das Gefühl, einer „höheren Macht“ zu dienen, erfüllte die Menschen mit Stolz.

Die „Triebopfer“, die die Menschen auf sich nehmen müssen, um das Zusammenleben nicht zu gefährden und die Arbeit, die sie leisten, um ihre Gemeinschaft zu erhalten, wurde auf diese Weise erträglicher.

„Die Befriedigung, die das Ideal den Kulturteilnehmern schenkt, ist also narzißtischer Natur, sie ruht auf dem Stolz auf die bereits geglückte Leistung.“[14]

2.2 Feindseligkeiten

„Es ist immer möglich, eine größere Menge von Menschen in Liebe aneinander zu binden, wenn nur andere für die Äußerung der Aggression übrigbleiben.“[15]

Freud ging davon aus, dass der Mensch seinen Aggressionstrieb in Feindseligkeiten gegenüber Anderen äußern müsse, sonst „würde die ohnehin immer vor sich gehende Selbstzerstörung steigen müssen.“[16] Deshalb sei festzustellen, dass die Menschen sich nicht „die Befriedigung ihrer Habgier, ihrer Aggressionslust, ihrer sexuellen Gelüste [versagen]“[17] und nicht unterlassen, „den anderen durch Lüge, Betrug, Verleumdung zu schädigen, wenn sie dabei straflos bleiben können“[18].

[...]


[1] Vergl. Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. Frankfurt am Main: Fischer 1974. (Freud Studienausgabe), Bd. 9, S.246. [Im Folgenden abgekürzt mit “Freud, Das Unbehagen...”]

[2] Ebd., S.249.

[3] Ebd., S.220f.

[4] Ebd., S.237.

[5] Ebd., S.246f.

[6] Vergl. Ebd., S.249.

[7] Ebd., S.243.

[8] Freud, Sigmund: Warum Krieg? Frankfurt am Main: Fischer 1974. (Freud Studienausgabe), Bd. 9, S.283. [Im Folgenden abgekürzt mit “Freud, Warum Krieg?”]

[9] Freud Sigmund: Die Zukunft einer Illusion. Frankfurt am Main: Fischer 1974. (Freud Studienausgabe), Bd. 9, S.146. [Im Folgenden abgekürzt mit “Freud, Die Zukunft...”]

[10] Freud, Warum Krieg?, S.286.

[11] Freud, Das Unbehagen..., S.241.

[12] Als Illusion definiert Freud in “Die Zukunft..” (S.164f.) “menschliche Wünsche, die nicht zwangsläufig falsch sein müssen“.

[13] Freud, Das Unbehagen..., S.206.

[14] Freud, Die Zukunft..., S.147.

[15] Freud, Das Unbehagen..., S.242f.

[16] Ebd., S.247.

Freud, Die Zukunft.., S.145f.

[18] Ebd., S.147.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Ist Frieden wirklich eine Illusion?
Untertitel
Eine Auseinandersetzung mit der Kulturtheorie Sigmund Freuds
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V149081
ISBN (eBook)
9783640598366
ISBN (Buch)
9783640598250
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sigmund Freud, Die Zukunft einer Illusion, Warum Krieg?, Das Unbehagen in der Kultur
Arbeit zitieren
Johanna Sailer (Autor:in), 2010, Ist Frieden wirklich eine Illusion? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149081

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