Die Prinzipien der frühen römischen Bündnispolitik


Term Paper, 2003

26 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

2 Die Antriebskräfte der römischen Reichsbildung
2.1 Die römische Rechtsauffassung
2.2 Die Fundamente der römischen Herrschaft
2.3 Das römische Herrschaftssystem

3 Interdependenz von Herrschaftsraum und beherrschtem Raum am Beispiel der römischen Ostpolitik seit 200 v. Chr.
3.1 Der Zweite Makedonische Krieg und seine Friedensregelungen
3.2 Der Zusammenbruch der geschaffenen Ordnung

4 Der politische Freiheitsbegriff
4.1 Die Stellung der foederierten Städte Siziliens
4.2 Der Begriff „Freiheit“ in der römischen Ostpolitik von 200 – 133 v. Chr.

5 Völker- und Bürgerrechtspolitik
5.1 Die Einbindung der Führungsschichten der Unterworfenen
5.2 Die amicitia als völkerrechtliches Instrument

6 Schlussbemerkungen
6.1 Das Imperium Romanum als Notlösung
6.2 Bezüge zur Moderne

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

So selbstverständlich ist die Zusammenarbeit von Akteuren der internationalen Po­litik in Bündnissen, Allianzen, Kooperationsgemeinschaften, Ligen, Föderationen usw. in der neueren politischen Zeitgeschichte geworden, dass die lange Tradition, die das gemeinsame Handeln zum Durchsetzen bestimmter Eigeninteressen hat, beinahe in Vergessenheit geraten ist. Tatsächlich stammt der erste dokumentierte Bündnisvertrag aus dem Jahr 1272 v. Chr.[1]. Auch das römische Reich, das als zentra­lisiertes Imperium und Hegemonialmacht in die Geschichte einging, hat eine lange Tradition der Bündnispolitik gehabt, bevor es zu einem riesigen Weltreich wurde, das letztlich implodierte. Im Rahmen der Beschäftigung mit siegreichen Kriegsallianzen, wie sie in der dieser Arbeit zugrunde liegenden wissenschaftlichen Übung stattfand, halte ich die Beschäftigung mit diesem hervorragenden Fallbei­spiel einer flexiblen und dauerhaft erfolgreichen Allianzpolitik, wie sie der römische Senat über Jahrhunderte betrieb, für unerlässlich.

Als grundlegende Voraussetzung möchte ich zunächst genauer auf die wichtigsten Begriffe und Inhalte dieser Arbeit eingehen.

„Bündnisse oder Allianzen werden zwischen zwei oder mehreren Staaten zur Ver­wirklichung gemeinsamer Zwecke abgeschlossen.“ (Franke, 1936: S.33). Anleh­nend an diese Definition beschränke ich mich also auf die Bündnisse, die der Stadtstaat bzw. die Republik und später das Kaiserreich Rom mit anderen Ge­meinden, Staaten, Städten oder Volksstämmen eingegangen ist und denen ein Vertrag gleich welcher Art zugrunde lag. Die unterschiedlichen Arten solcher Ver­träge werden im Verlauf der Arbeit detaillierter dargestellt.

Ziel und Zweck von Allianzen sind immer eng mit Macht verknüpft. Im Falle Roms geht es zumeist um militärische Macht und die damit verbundenen ökonomischen Machtvorteile. Im Einzelnen können diese Ziele unterschiedlichster Natur sein; sie reichen von der Beruhigung und Stabilisierung innerer und äußerer Umstände bis zur bewussten Provokation von Konflikten. „The purpose of an alliance is to serve the interests of its members to do in unity what they cannot do individually. “ (Steel, 1963). Im weitesten Sinne handelt es sich also um Interessengemeinschaften, die ihre gemeinsamen Ziele durch Vermehrung der eigenen Macht im Rahmen des Zu­sammenspiels mit anderen zu erreichen suchen. Die Vertragspartner müssen im Interesse der eigenen Machterweiterung allerdings die Einschränkung der eigenen Bewegungs- und Handlungsfreiheit, die die Rücksichtsnahme auf den Vertrags­partner mit sich bringt, in Kauf nehmen[2]. Gerade der Wandel Roms von einem gleich­berechtigten zu einem die Bedingungen des Vertrags bestimmenden Ver­tragspartner ist für eine politologische Analyse der römischen Allianzpolitik, die zu einer fast reinen Expansionspolitik mutierte, von besonderem Interesse.

Zunächst möchte ich im zweiten Kapitel wesentliche Voraussetzungen für eine Be­trachtung der römischen Bündnispolitik, wie diese Arbeit sie versucht, erläutern. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die römische Rechtsauffassung und ihre prakti­sche Umsetzung. Da das römische Recht ein sehr komplexes und dynamisches Gebilde mit zahlreichen Konsequenzen auch für die heutige Rechtsphilosophie ist, versuche ich, den ersten Abschnitt des folgenden Kapitels auf die wesentlichen Umrisse der hier relevanten Rechtsgebiete zu beschränken.

Der zweite Abschnitt behandelt die in der Geschichtswissenschaft gängige Tren­nung der römischen Außenpolitik in zwei Phasen und erläutert die daraus ableitba­ren Grundsätze und Eckpfeiler der Expansionspolitik Roms.

Der dritte Abschnitt stellt darauf aufbauend dar, wie sich diese Rechtsauffassung auf das römische Herrschaftssystem, insbesondere auf den Umgang Roms mit seinen Verbündeten und Unterworfenen, auswirkte. Außerdem werden grundsätz­liche Begriffe der römischen Bündnispolitik genauer erklärt.

Nach diesen theoretischen Erläuterungen nimmt das dritte Kapitel Bezug auf das Fallbeispiel Makedonien, um das Vorgehen der Römer in neu erobertem Herr­schaftsraum herauszuarbeiten. Dieses Kapitel ist in zwei Teile gegliedert, um die Entwicklung von einem besiegten Staat zu einer vollständig in das römische Machtsystem eingebetteten Provinz darzustellen.

Im vierten Kapitel möchte ich auf den Freiheitsbegriff Roms eingehen und diesen anhand zweier Fallbeispiele von unterschiedlichen Seiten beleuchten. Das Beispiel der sizilianischen civitates liberae soll im ersten Abschnitt einen kurzen Einblick in den Umgang Roms mit neu unterworfenen und bis dato selbstständigen Städten gewähren, bzw. darstellen, wie sich die römische Außenpolitik an die Erweiterung des Herrschaftsgebiet anpasste. Der zweite Abschnitt befasst sich dagegen mit der römischen Eroberung des hellenistisch-kleinasiatischen Raums und geht auf den Zusammenprall der unterschiedlichen Freiheitsbegriffe und den damit verbundenen politischen Konsequenzen ein.

Das fünfte Kapitel stellt einen kurzen Abriss römischer Völker- und Bürgerrechtspo­litik dar und greift dazu Beispiele und Erläuterungen der vorangehenden Kapitel auf. Im ersten Teil wird die römische Bürgerrechtspolitik, die aus heutiger Sicht äußerst irrational erscheint und dennoch ihren Zweck erfüllte, in ihren Grundzügen umrissen, ohne auf konkrete Entwicklungen wie die lex antonina[3] einzugehen. Eine detailliertere Untersuchung dieses Bereichs sollte -ebenso wie die Grundlagen des römischen Rechts- Gegenstand einer eigenen Arbeit sein, und wird hier deshalb der Relevanz halber nur in groben Zügen beschrieben. Der zweite Abschnitt widmet sich dem Völkerrecht anhand des Beispiels des in den vorangehenden Kapiteln nur nebensächlich erwähnten amicitia und ihrer Bedeutung für den völkerrechtlichen Umgang Roms mit anderen Staaten.

Das letzte Kapitel enthält schließlich zwei Überlegungen, die mir im Rahmen der Beschäftigung mit dieser Thematik als besonders interessant erscheinen. Zum einen handelt es sich um die These Hans-Erich Stiers, das römische Kaiserreich sei lediglich als Notlösung für die Probleme, die die Ordnung der Republik verur­sacht hätte, zu betrachten. Zum anderen handelt es sich um die Parallelen zur Mo­derne, die jede Untersuchung historischer Vorgänge aus politikwissenschaftlicher Sicht mit sich bringt. Ich untersuche in diesem Abschnitt die Möglichkeit, Vergleiche mit der UdSSR, den USA und modernen Bündnissen wie NATO, EU, usw. zu zie­hen.

2 Die Antriebskräfte der römischen Reichsbildung

2.1 Die römische Rechtsauffassung

Die beiden für den römischen Umgang mit Staats- und Völkerrecht grundlegenden Gedanken waren erstens die Auffassung vom Krieg als Rechtsexekution und zweitens das Prinzip der fides, des Vertrauens. Dieses Vertrauen wurde als allgemein verbindlicher Rechtsgrundsatz betrachtet. Versteht man die These, dass ein Krieg gerechtfertigt ist, um einen fremden Rechtsbruch auszugleichen oder einen Unrechtszustand zu beheben, erscheint auch der römische Imperialismus, zumindest in seiner frühen Phase, in anderem Licht. Diese beiden Grundsätze sind auch für das Verständnis der zwischenstaatlichen Regelungen wie etwa deditio, foedus, usw., die im Kapitel 2.3 ausführlich dargestellt werden, wesentlich.

Die Römer hatten mehrere Begriffe für unterschiedliche Rechte und Gesetze:

fas regelte die Beziehung zwischen Menschen und Göttern und ist im Sakralrecht, das von Priestern verwaltet wurde, festgehalten. Ius regelte hauptsächlich die Rechtsbeziehung vom einzelnen Menschen zu seinen Mitbürgern, somit vornehmlich das Zivilrecht, also das ius civile, während das ius gentium die allen Völkern gemeinsame Rechtsauffassung betraf[4].

Ursprünglich war das römische Recht ein Gewohnheitsrecht. Die Patrizier (Oberschicht) hatten, mehr oder weniger, die Rechtsprechung inne. Doch die Plebejer (Unterschicht) fühlten sich der Willkür der Patrizier ausgeliefert, und setzten die Niederschrift der Gesetze durch. So wurde in den Jahren 451 und 450 v. Chr. das sog. Zwölftafelgesetz fixiert.

2.2 Die Fundamente der römischen Herrschaft

„Herrschaft ruht auf den Fundamenten von Gewalt und Zustimmung, wobei ihre Begründung durch Gewalt geschieht, ihre Stabilität aber von der Zustimmung abhängt.“ (Dahlheim, 1977: S. 168). Um zu verstehen, wie genau es sich mit dem Verhältnis zwischen Gewalt und Zustimmung im römischen Reich verhielt, kann man die Entwicklung der römischen Herrschaft in dem für diese Arbeit relevanten Zeitraum grob in zwei Phasen einteilen: Zum einen die Phase, in der die römische Macht auf Zustimmung beruhte und Zum anderen die Phase der Herrschaftsausübung durch Gewalt.[5]

Die erste Phase, in der Rom bei der Entfaltung seines Herrschaftsgebiets stark auf die Zustimmung der Beherrschten setzte[6], lässt sich auf den Zeitraum bis etwa Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. festlegen. Nach den dauernden Kämpfen, kriegerischen Auseinandersetzungen und militärischen Zusammenstössen zwischen den Völkern der Halbinsel im vierten und fünften Jahrhundert v. Chr., war es Rom nun gelungen, ganz Italien unter seiner Herrschaft zu vereinigen. Um diesen Machtraum voll ausnutzen zu können, verfolgte Rom eine Politik der Integration der Unterworfenen bzw. Verbündeten: Sie durften ihre Waffen behalten; vielerorts wurden Kolonien gegründet[7], in denen Einheimische und Römer eng zusammenarbeiten mussten, um ihre Interessen zu wahren; eine neue Einbürgerungspolitik begann, um die Identifikation der „neuen“ Bürger mit dem römischen Reich zu stärken[8]. Allgemein kann man also davon ausgehen, dass Sieger und Besiegte eine Art Kompromiss eingingen, die beiden Seiten erlaubte, stillschweigend eigene Interessen auszutauschen und zu verfolgen.

Im Gegensatz dazu war die zweite Phase, die die Zeit der Provinzgründungen ab etwa 227/225 v. Chr. bis zur Herrschaft Augustus, die 27 v. Chr. begann, umfasst, von der Herrschaftsausübung und Machtentfaltung durch Gewalt geprägt. Dies lässt sich Zum einen damit begründen, dass das Gebiet, das nun betroffen war, wesentlich größer sowie politisch, kulturell und geografisch differenzierter war als die italienische Halbinsel. Gemeinsame Interessen, um derentwillen sich eine Zusammenarbeit mit den römischen Eroberern gelohnt hätte, waren erheblich schwieriger auszumachen. Die Politik der Destruktion, die Rom seit den makedonischen Kriegen gerade im Ungang mit den griechischen Stadtstaaten verfolgte, führte außerdem zu einem zunehmenden Widerstand der Bevölkerung. 129 v. Chr. war Attalos III. der erste der griechischen Herrscher, der es vorzog, sich Rom zu unterwerfen, anstelle zuzusehen, wie sein Staat langsam zerfiel. All diese Umstände hatten zur Folge, dass Rom immer häufiger zum Mittel der Provinzialisierung griff und schließlich im Mittelmeerraum eine reine Gewaltherrschaft etablierte. Da weder von außen noch von innen Forderungen nach einer Veränderung dieser Art der Herrschaft gestellt wurden, konnte sie sich halten, bis Augustus das römische Imperium neu organisierte und die Bedeutung der militärischen Macht in der Außenpolitik wieder auf ein für die Betroffenen erträgliches Maß beschränkt wurde.

[...]


[1] Dieser Vertrag wurde zwischen dem ägyptischen Pharao Ramses II: und dem hethitischen König Chatturil III. geschlossen. Vgl. Ruge, 1971: S. 51 ff.

[2] Siehe Ruge, 1971: S. 11ff.

[3] Im Rahmen der Expansion Roms erhielten zunächst alle mit Rom verbündeten Städte und Völker das Bürgerrecht in abgestufter Form, durch den Bundesgenossenkrieg (91 – 82 v. Chr.) schließlich alle Bewohner südlich des Apennins, dann wurde es durch die Constitutio Antoniana des Jahres 212/2 13 n. Chr. faktisch auf nahezu alle freigeborenen Reichsbewohner ausgedehnt, damit aber auch in seiner Qualität völlig deformiert.

[4] Vgl. Scheer, 1981.

[5] Vgl. Dahlheim, 1977: S. 168ff.

[6] Die Formel „ divide et impera “, obwohl nicht von den Römern selbst so formuliert, trifft diese Phase des römischen Imperialismus am besten. Vgl. Heuss, 1998: S. 62.

[7] Im Kolonisationsprozess, den ich in Kapitel 5.1. genauer erläutere, bediente sich Rom sowohl der Gründung latinischer, als auch römischer Kolonien – ein Indiz dafür, dass das System der Gründung von Kolonien vermutlich vom Latinerbund übernommen wurde. Vgl. Christ, 1990: S. 60.

[8] Die Differenzierung erfolgte zwischen den autonomen Gemeinden innerhalb des ager romanus, den civitates cum suffragio, die aus römischen Vollbürgern bestanden, und den civitates sine suffragio, deren Bürger zwar privatrechtlich aber nicht politisch das volle römische Bürgerrecht besaßen. Aus den civitates cum suffragio, die in ihrer Heimatstadt ein municipium bildeten, entstand die Munizipialverwaltung als Mittel der Annexion und Inkorporation. Erstmals genutzt wurde diese Methode nach dem Latinerkrieg. Aus den Munizipien gingen wiederum die frühen Kolonien Roms hervor, die ebenfalls eine begrenzte lokale Autonomie besaßen. Vgl. Heuss, 1998: S. 64

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Details

Title
Die Prinzipien der frühen römischen Bündnispolitik
College
LMU Munich  (GSI)
Course
WÜ: Kooperation und Zerfall siegreicher Kriegsallianzen
Grade
1
Author
Year
2003
Pages
26
Catalog Number
V14901
ISBN (eBook)
9783638201827
ISBN (Book)
9783640612192
File size
523 KB
Language
German
Keywords
Prinzipien, Bündnispolitik, Kooperation, Zerfall, Kriegsallianzen
Quote paper
Katharina Bläsing (Author), 2003, Die Prinzipien der frühen römischen Bündnispolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14901

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