Idealismus und Verdinglichung

Ein Vergleich deutscher und französischer Malerei am Beispiel von Anselm Feuerbach und Edouard Manet


Seminararbeit, 2009

24 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Anselm Feuerbach und Edouard Manet
2.1 Anselm Feuerbach (1829-1880)
2.2 Edouard Manet (1832-1883)

3 Die Selbstbildnisse
3.1 Das verkannte Genie
3.2 Der moderne Malfürst

4 „Poesie“ vs. „Modernité“
4.1 Die Malerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
4.2 Feuerbach und die Antike
Der Garten des Ariost
Iphigenie
Das Gastmahl des Plato
4.3 Manet und das moderne Leben
Le Déjeuner sur l’herbe
Olympia
Das Frühstück im Atelier

5 Schlussbemerkung

6 Literaturverzeichnis

7 Abbildungsnachweis

1 Einleitung

Die Malerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein gewaltiges Panorama mit vielfältigen Stilltendenzen und individuellen Persönlichkeiten. Als deren zwei bedeutendsten Repräsentanten gelten der französische Maler Edouard Manet und sein deutscher Zeitgenosse Anselm Feuerbach. Sie verkörpern unterschiedlichste Künstlerexistenzen und Stilrichtungen; ihre wichtigsten Werke entstanden in den Jahren um 1860-80. Kunsthistorisch gesehen können diese Jahrzehnte als eine Zeit des Übergangs betrachtet werden, da sich in dieser Zeit die entscheidende Wendung zur Moderne in der Kunstgeschichte vollzog. Als Künstler schlugen Feuerbach und Manet eigene Wege ein und entwickelten eigene Bildideen und –sprachen, die sich von der vorherrschenden Salonmalerei unterschieden. An ihrem künstlerischen Schaffen und Denken lässt sich die Spannung zwischen Realismus und Idealismus exemplarisch darstellen.

Die vorliegende Arbeit stellt die Malerei Manets und Feuerbachs anhand ausgewählter Hauptwerke auf diachroner und synchroner Ebenen gegenüber. Zunächst werden knappe biographische Angaben über beide Künstler und deren künstlerische Entwicklungen gegeben, dann dienen die Selbstbildnisse als ein erster Ansatzpunkt, um ihre individuelle künstlerische Auffassung kennen zu lernen und möglicherweise auch die innere Auseinandersetzung der Künstler mit sich selbst zu spüren. Nach einer historischen Einführung über die kulturellen und sozialen Umstände der Zeit werden die jeweiligen ausgewählten Hauptwerke der Künstler anhand verschiedener Kriterien (Bildtsujet, Komposition sowie Farbe) verglichen. Der letzte Teil widmet sich einer Zusammenfassung, in der nicht nur die Unterschiede sondern auch die Gemeinsamkeit der Malerei Manets und Feuerbachs dargestellt werden.

2 Anselm Feuerbach und Edouard Manet

2.1 Anselm Feuerbach (1829-1880)

Anselm Feuerbach (Abb.1) gilt neben Arnold Böcklin (1827-1901) und Hans von Marées (1837-1887) als der Vertreter des deutschen Neuidealismus, der so genannten Deutschrömer; ihre Malerei orientiert sich an der klassischen Kunst Italiens. Auf deutsche Künstler übte Rom eine besondere Anziehungskraft aus, nachdem sich Johann Joachim Winkelmann (1717-1768) lange Aufenthalte in Rom niedergelassen hatte und seine epochenmachende Schrift „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst“, in der er die zeitgenössischen Künstler forderte, zur wahren Kunst zu kommen, im Jahr 1755 veröffentlicht hatte.[1]

Feuerbach wuchs in einer humanistisch geprägten Familie auf, wo seine Eltern ihm den Zugang zur Welt der Kunst, der Literatur und der Musik vermittelten.[2] Sein Vater, Archäologe Joseph Anselm Feuerbach (1798-1851), war auf Grund der Arbeit „Der vatikanische Apollo – eine Reihe archäologisch-ästhetischer Betrachtungen“ Professor an die badische Universität Freiburg berufen worden. Seit seiner Kindheit war Anselm vertraut mit antiken Kunstwerken. „So wurde mir die Klassizität mit der Muttermilch eingetränkt“.[3] Als der Elfjährige im Museum antike Statuen besichtigte, konnte er sogar deren Atmen nachempfinden.[4]

Der Wunsch, die Kunstakademie zu besuchen, stand für den vierzehn jährigen Anselm bereits vor dem Abschluss des Gymnasiums fest – allerdings konnte er das mangelnde Geistesreichtum und Vielfalt der Akademie im Verlauf seiner Studienjahre nach und nach nicht mehr ausstehen.[5] Zwischen 1845 bis 1848 erhielt er in der Düsseldorfer Akademie seine fundamentale Künstler-Ausbildung bei Wilhelm von Schadow (1789-1862), Karl Friedrich Lessing (1808-1880) und Karl Sohn (1805-1887). Dann folgten zwei Jahre Aufenthalt in München und ein Jahr in Antwerpen. 1851 begab sich Feuerbach nach Paris, um sich in ein „höheres, idealisches Kunsttreiben“ zu versetzen.[6] Zunächst verbrachte er viele Stunden in Louvre mit dem Studieren Alter Meister und malte sein „erstes großes Bild“Hafis vor der Schenke (1852). Gegen Ende 1852 tritt er in das Atelier von Thomas Couture (1815-1879) ein, wo er „Grande Peinture“ erlernte. Inzwischen setzte er sich mit zeitgenössischer französischer Malerei wie zum Beispiel Eugène Delacroix’ (1798-1863) und Gustave Courbets (1819-1877) auseinander.[7]

Als freier Künstler versuchte er seine Karriere erst in Karlsruhe zu starten, allerdings gelang es ihm nicht, den Geschmack der Jury zu bewältigen, um seine Gemälde auf der Pariser Weltausstellung 1855 als badische Kunst auszustellen.[8] Demzufolge unternahm er Reisen nach Venedig, Florenz und Rom, um seine Antikensehnsucht in Italien zu verwirklichen. In Venedig zog er sich die Syphilis zu, unter dieser damals noch unheilbaren Krankheit litt er lebenslang.[9] Rom war sein Schicksal, „dem ruhigen, stillen, für ideale Schöpfungen fruchtreichsten Boden der Welt, in Einsamkeit und unumschränkter Freiheit, ferne vom Tagestreiben des modernen Lebens, den Kopf erfüllt von Götterbildern und poetischen Combinationen […] „[10] In der ewigen Stadt verbrachte der Maler seine künstlerische Reifzeit von 1856 bis 1873 (abgesehen von ständigen Sommeraufenthalten in Deutschland), lernte er sein Modell und spätere Geliebte Anna Risi kennen und entstanden seine meisten Hauptwerke, wie zum Beispiel Iphigenie, Das Gastmahl des Plato. Im Jahr 1872 wurde Feuerbach zum Professor an der Wiener Akademie der Bildenden Künste berufen. Dort bekam er den Auftrag, die Aula der Akademie mit Bildern (Der Titanensturz 1874-79) zu schmücken. Belastet durch die Lehrtätigkeit, die Konkurrenz mit Hans Makart (1840-1884) und den schlechten Gesundheitszustand verließ Feuerbach die Akademie. Ab 1876 zog er sich nach Venedig zurück und starb dort im Jahr 1880.[11]

2.2 Edouard Manet (1832-1883)

Edouard Manet (Abb.2) wurde am 23. Januar 1832 als ältester Sohn des Beamten im Justizministerium August Manet (1797-1862) in Paris geboren und wuchs in einer kultivierten Atmosphäre auf. Als er noch ein kleiner Junge war, besuchte er öfters den Louvre in Begleitung seines Onkels, Oberst Edmond Fournier (1800-1865). Nach dem Wünsch des Vaters sollte er sich für das Jura-Studium entscheiden, allerdings weigerte sich Edouard. Nachdem er sechs Monate an Bord des Schulschiffes Le Havre et Guadeloupe verbrachte hatte, gab Manet den Versuch auf, seine Karriere bei der französischen Marine zu machen. Schließlich schlug er seinen Wunschweg ein, Künstler zu werden.[12]

Anders als Anselm Feuerbach hatte Manet eine Ausbildung an der École des Beaux-Arts von Anfang an abgelehnt, stattdessen besucht er das Atelier von Thomas Couture, wohin später auch Feuerbach zur Fortbildung kam. Mit dem Gemälde Les Romains de la décadence (1847) (Abb.3) erzielte Couture einen Triumph auf dem Salon vom 1847. Sein Atelier hatte großen Zulauf von internationalen Schülern, dort studierte Manet von 1850 bis 1856. Währendessen pflegte er abends in der Académie Suisse lebende Modelle zu studieren und sonntags im Walde von Fontainebleau Naturstudien anzufertigen. Aber besonders gern weilte er im Louvre; dort kopierte er Alte Meister, vor allem Werke von Tizian, Velazquez, Giorgione und Delacroix.[13]

Kam Feuerbach während der Studien- und Wanderjahren in Kontakt mit nahezu allen damals bedeutenden europäischen Kulturhauptstädten, lebte Manet – abgesehen von Reisen nach Spanien, Italien, Niederland, Deutschland und Österreich usw. – vorwiegend in Paris, der „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“. Nach dem Studium bei Couture arbeitete Manet als „Ausstellungskünstler“ in seinem eignen Atelier im Stadtviertel Batigonelles, einem Ort, wo ein Künstlerleben am besten geführt werden konnte.[14] Der Absinthtrinker (1858-59), das Manet für den Salon 1859 eingereichte, wurde trotz Einstimmung Delacroix’ abgelehnt. Er gab sein Debüt im Salon von 1861 mit dem Bildnis der Eltern (1860) und Spanischer Sänger (1860), mit letztem erhielt er eine „mention honorable“. 1863 wurden im Salon des Refusés drei Werke Manets gezeigt, Das Frühstück im Freien (1863) rief einen enormen Skandal sowie heftige Attacken hervor. Zwei Jahre später im Salon von 1865 entfachte er mit Olympia (1863) erneut einen Skandal. Auf diese beiden Gemälde ist die nackte Victorine Meurent radikal ungeschmückt in zeitgenössischem Milieu zu sehen.

Die Kühnheit und Aufsässigkeit in Manets Kunstauffassung und sein starker Drang zur Unabhängigkeit machten ihn in den Augen der jüngeren Künstlern zu einem geborenen Führer, der die akademischen Konventionen und den Kanon der bildenden Kunst sowie den Geschmack der Öffentlichkeit entgegentrat.[15] Manet gehörte einem Bohèmekreis an, der von Schriftstellern, Kunstkritikern und bildenden Künstler gebildet wurde, darunter war Charles Baudelaires (1821-1867), Édmond Duranty (1833-1880), Emile Zola (1840-1902), Zacharie Astruc (1835-1907), Henri Fantin-Latour (1836-1904), Claude Monet (1840-1926) und einige andere.[16] Verteidigten Baudelaires, Astruc und Zola Manet und seine Kunst gegen die öffentliche Kritik mit Schrift, stellte Fantin-Latour die Huldigung Manets auf einer Atelierszene (Abb.4) dar, die Manet während der Arbeit am Porträt von Astruc als ein von seinen Freunden umgebenen Protagonist zeigt. Ihn hatte seine Künstlerkollege in verschiedenen Medien einheitlich mit Zylinder und Gehstock in der Art eines vornehmen Dandys porträtiert. Dieses Image ist auch in seinen Selbstbildern enthalten. Manet blieb zeitlebens Künstler und Dandy.[17] Die ihm vertraute Welt – die zeitgenössischen Pariser und deren modernes Leben – bildet die Hauptgegenstände seiner Künste.

Trotz zahlreicher Zurückweisungen blieb Manet dem Salon treu, denn er war davon überzeugt, dass nur der Salon den Ruf eines Künstlers sichere.[18] Dem Vorbild Courbet zufolge, der seine Sonderausstellung „Le réalisme“ bei ersten Pariser Weltausstellung 1855 organisierte, nutzte Manet außerhalb des offiziellen Salons noch andere Möglichkeiten, seine Werke in der Öffentlichkeit auszustellen und Anerkennung zu gewinnen. Vor der Eröffnung des Salons von 1863 präsentierte Manet seine vierzehn Gemälde in der Galerie Martinet. Bei der zweiten Pariser Weltausstellung von 1867 veranstaltete er eine Einzelausstellung mit mehr als über fünfzige Werken. Dadurch erzielte Manet die Aufmerksamkeit des Publikums, jedoch erntete er weder Erfolg mit Annahme seiner Werke im Salon noch Gemäldeverkäufe.[19] Weiterhin organisierte er in folgenden Jahrzehnten mehrere Einzelausstellungen, darunter ist die Atelierausstellung im Jahr 1876 nennenswert, welche großes Aufsehen erregte und zu einem gesellschaftlichen Ereignis wurde.[20] Auffällig ist es, dass er nie an den Gruppenausstellungen der Impressionisten teilnahm, jedoch sind deren Wechselbeziehungen im künstlerischen Austausch erfahrbar, besonders auf seinen Spätwerken.

[...]


[1] Vgl. HOFFMANN, Mira: Feuerbachs Verhältnis zur antiken Kunst. In: Anselm Feuerbach (Speyer 1829 - Venedig 1880). Hrsg. Vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Ostfildern-Ruit 2002, S. 59.

[2] Vgl. LEITMEYER, Wolfgang: Anselm Feuerbach – Ein Leben. In: Anselm Feuerbach (Speyer 1829 - Venedig 1880). Hrsg. Vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Ostfildern-Ruit 2002, S. 14.

[3] Vgl. FEUERBACH, Anselm: Vermächtnis. Die originalen Aufzeichnungen. Herausgegeben und kommentiert von Daniel KUPPER. Berlin 1992, S. 24.

[4] Vgl. HOFFMANN, Mira: Feuerbachs Verhältnis zur antiken Kunst. In: Anselm Feuerbach (Speyer 1829 - Venedig 1880). Hrsg. Vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Ostfildern-Ruit 2002, S. 57.

[5] Vgl. LEITMEYER 2002, S. 15.

[6] Vgl. LEITMEYER 2002, S. 18.

[7] Vgl. MAI, Ekkehard: Feuerbach in Paris. München, Berlin 2006, S. 34-35.

[8] Vgl. LEITMEYER 2002, S. 19.

[9] Vgl. LEITMEYER 2002, S. 22.

[10] Vgl. FEUERBACH 1885, S. 119.

[11] Vgl. LEITMEYER 2002, S. 28-29.

[12] Vgl. KING, Ross: Zum Frühstück ins Freie. Manet, Monet und die Ursprünge der modernen Malerei. Aus dem Englischen von Stefanie Kremer. München 2007, KING 2007, S. 27-28.

[13] Vgl. KÖRNER, Hans: Edouard Manet: Dandy, Flaneur, Maler. München 1996, S. 13-14.

[14] Vgl. KING 2007, S. 25.

[15] Vgl. KING 2007, S. 25-26.

[16] Vgl. KING 2007, S. 81.

[17] Vgl. KÖRNER 1996, S.10.

[18] Vgl. KOHLHEYER Susanne: Edouard Manet 1832-1883. Biographie. In: CONZEN, Ina (Hrsg.): Edouard Manet und die Impressionisten. Ostfildern-Ruit 2002, S. 214.

[19] Vgl. KING 2007, S. 69.

[20] Vgl. KOHLHEYER 2002, S. 216.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Idealismus und Verdinglichung
Untertitel
Ein Vergleich deutscher und französischer Malerei am Beispiel von Anselm Feuerbach und Edouard Manet
Hochschule
Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe  (Institut für Kunstwissenschaft und Medientheorie)
Veranstaltung
Seminar: Zwischen Salon und Sezession. Malerei vor der Avantgarde
Note
1.0
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V148904
ISBN (eBook)
9783640601592
ISBN (Buch)
9783640601875
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Feuerbach, Manet, Malerei des 19. Jhs
Arbeit zitieren
Jie Huang (Autor:in), 2009, Idealismus und Verdinglichung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148904

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