Feldmarschall Helmuth Graf von Moltke

Sein Leben und Wirken. 26. Oktober 1800 - 24. April 1891


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2010

19 Seiten

Stefan Erminger (Autor:in)


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1. Phase (1800-1832) Jugend- und Lehrjahre

2. Phase (1832-1857) Tätigkeit im Generalstab

3. Phase (1857-1891) Chef des Großen Generalstabes

Epilog

Literaturnachweis

Einleitung

Im 19. Jahrhundert war ein Offizier besonderen Bedingungen in bezug auf Herkunft, Bildung, Ausbildung, Karriere, Disziplin, Verhalten im Dienst und in der Öffentlichkeit unterworfen. Das Lebensbild Moltke, das hier gezeichnet wird, soll auch unter den Gesichtspunkten stehen, welche Möglichkeiten und Freiheiten sich ihm im Rahmen seiner Lebensbedingungen zu eigener Gestaltung boten[1].

Moltkes Werdegang kann man in drei Lebensphasen einteilen. Die erste Phase behandelt die Jugend- und Lehrjahre von 1800-1832, die zweite Phase die innerhalb des Generalstabes erbrachte Tätigkeit von 1832 bis 1857 und die dritte Phase die Amtszeit als Chef des Generalstabes der Armee und als Präses der Landesverteidigungs-Kommission von 1857 bis 1891. In allen drei Phasen wurden Moltkes Entwicklung, Denken und Handeln von Strukturen und Strukturelementen verschiedenster Art bestimmt, gefördert, behindert oder beeinflusst. Nur im dritten Lebensabschnitt war es Moltke möglich, auf Grund seiner Stellung und vor allem seiner Erfolge als Feldherr gestaltend auf die Strukturen im militärischen Bereich einzuwirken und neue Maßstäbe für das Verhältnis von Politik und Kriegführung zu setzen.

1. Phase (1800-1832) Jugend- und Lehrjahre

Die Moltkes sind ein mecklenburgisches Geschlecht, dessen Söhne im 18. und 19. Jahrhundert als Beamte und Offiziere in den Diensten Dänemarks, Österreichs, Preußens und Württembergs standen.

Der Vater, ursprünglich preußischer Offizier, verließ die preußische Armee, um die Tochter des in Lübeck ansässigen Geheimen Finanzrates Paschen heiraten zu können. Da das eigene wie das Vermögen seiner Frau schnell verbraucht war, sah er sich gezwungen, in dänische Dienste zu treten, wo er 1806 gegen Schill kämpfte und es im Laufe der Zeit zum Generalleutnant und Kommandanten von Kiel brachte[2].

Für die Jugend- und Lehrjahre Moltkes liegen nur wenige Quellen und Hinweise vor[3], so dass über die sein Wesen und seinen Charakter bestimmenden Faktoren und Einflüsse keine eingehenden Untersuchungen möglich sind. Fest steht, dass dieser Lebensabschnitt des jungen Moltke von dem finanziellen Unvermögen und der Unruhe des Vaters, die die Trennung – nicht die Scheidung – der Eltern zur Folge hatte, geprägt war. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Fritz kam der elfjährige Helmuth auf die Landkadettenakademie in Kopenhagen, wo er eine freudlose, von Prügeln begleitende Schulzeit verbrachte, die nur durch das Kameradschaftserlebnis und die Fürsorge einer dänischen Familie[4] gemildert wurde.

Moltke selbst sagte später, dass sich sein Charakter in dieser Anstaltsatmosphäre und dem entsprechend geringen Freiheitsraum nicht habe frei entwickeln können; sein mangelndes Selbstbewusstsein und seine damit verbundenen Schwierigkeiten in den zwischenmenschlichen Beziehungen führte er auch darauf zurück[5]. Seiner Mutter und seinen sieben Geschwistern gegenüber bewahrte er eine liebevolle Anhänglichkeit, während sein Verhältnis zum Vater zwar von Achtung, aber doch von einer Mischung aus Verständnis und Kritik bestimmt war. Erst später, mit zunehmendem Alter, nahm er eine den Vater beglückende Vertraulichkeit an[6].

Nachdem Moltke das Offizierexamen «mit dem besten Charakter als der Vierte» bestanden hatte[7], wurde er im Alter von 18 Jahren als Leutnant im dänischen Infanterie-Regiment Oldenburg angestellt, das damals in Rendsburg stationiert war und vom Herzog von Holstein-Beck kommandiert wurde. Doch Moltke hielt es nicht in dänischen Diensten.

Nach einem Besuch strebte er an, in die preußische Armee überzuwechseln, und fand dafür die Erlaubnis seines Vaters und das Verständnis seines Regimentschefs[8]. Dazu musste er in Rendsburg seinen Abschied nehmen und sich anschließend vor der Ober-Militär-Examinations-Kommission in Berlin einer eingehenden Prüfung unterziehen[9]. Am 12. März 1822 wurde Moltke von Friedrich Wilhelm III. als Seconde-Lieutenant ins Leib-Infanterie-Regiment (Nr. 8) beordert[10], freilich ohne Anerkennung der in der dänischen Armee geleisteten Offizierdienstjahre. Der Entschluss Moltkes, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, war die Voraussetzung dafür, dass er nunmehr einen Weg einschlagen konnte, der ihm die Gelegenheit bot, auch seinen geistigen Interessen und Veranlagungen nachzugehen[11]. Zunächst musste er sich jedoch mit dem preußischen Truppendienst vertraut machen, die einschlägigen Reglements studieren und im Offizierkorps seines in Frankfurt/Oder dislozierten Regiments Rückhalt finden.

Das Offizierkorps des Leib-Infanterie-Regiments war verhältnismäßig jung, der Regimentskommandeur[12], erst 38 Jahre alt. Bei seiner Beförderung zum Premier-Lieutenant ließ Moltke acht ältere Kameraden hinter sich zurück[13].

Moltke fand im Hause des Generals von der Marwitz, der mit einer Gräfin Moltke, ehemals Hofdame der Königin Luise, verheiratet war, familiären Anschluss. Dieser preußische General hatte 1814 Hardenberg geschrieben, der König solle «den Titel <König der Teutschen in Preußen und Sachsen> annehmen, denn wer sich der Idee eines gemeinsamen teutschen Vaterlandes bemächtigen wird, der wird Herrscher in Teutschland sein». Später forderte Marwitz, «dass das Volk selbst vaterländischer gemacht und sein innerstes Leben mit dem Staatsleben verflochten wird»[14]. Sicherlich hat Marwitz mit solch patriotischen Gedanken den jungen Moltke beeinflusst und auch den Anstoß dazu gegeben, sich bereits 1823 – ein Jahr nach seinem Übertritt in die preußische Armee – um die Zulassung zum Besuch der Allgemeinen Kriegsschule, der späteren Kriegsakademie, zu bewerben.

Die allgemeine Kriegsschule, deren Direktor Carl von Clausewitz war[15], diente dem Nachwuchs für den Generalstab, die höhere Adjutantur und die Lehrer an den Kadettenstalten und Divisionsschulen nicht nur als Ausbildungs-, sondern vornehmlich auch als allgemeine Bildungsstätte, sehr zum Verdruss von Clausewitz, dem es lieber gewesen wäre, wenn die Allgemeine Kriegsschule dem Charakter einer praxisbezogenen Fachschule entsprochen hätte.

Jedes Jahr wurden 50 junge Offiziere zum Schulbesuch zugelassen. In den ersten beiden Jahren waren 70% der Vorlesungsstunden den allgemeinen-wissenschaftlichen Fächern gewidmet und nur 30% den kriegswissenschaftlichen. Zu Moltkes wichtigsten Lehrern gehörten der bedeutende Geograph Carl Ritter, der erste Professor seines Fachs an der Universität Berlin, und der Physiker Paul Erman[16]. Ritter hat Moltke den Blick für die Zusammenhänge von Geographie, Geschichte und Politik geschärft, während Erman sein Interesse und seine Sinn für physikalisch-technische Probleme weckte. Ob Clausewitz, der Moltke in seinem Abschlusszeugnis – Note «sehr gut» - «tadellose» Führung bescheinigte[17], auch als Persönlichkeit auf ihn unmittelbar eingewirkt hat, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist Clausewitz Moltke erst später nach dem posthumen Erscheinen seines Werkes «Vom Kriege» als eine geistig überragende Persönlichkeit begegnet, mit der es sich auseinander zusetzen lohnte[18].

Im Sommer 1826 zum Regiment zurückgekehrt, wurde Moltke schon bald als Lehrer zur Divisionsschule der 5. Division in Frankfurt an der Oder kommandiert, die als ein Vorläufer der 1858 errichteten Kriegsschulen anzusehen ist[19]. Dort wurden die Fähnriche der Division auf ihre Offizierprüfung vorbereitet. Moltke erteilte Unterricht im kartographischen Aufnehmen und in Französisch. Darüber hinaus wurde ihm – nach eigener Erzählung – auch die Direktion dieser «etwas verwilderten» Divisionsschule anvertraut[20]. Moltke erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen in einem solchen Maße, dass er bereits im Mai 1828 zum Topographischen Büro des Großen Generalstabes kommandiert wurde, in dem sich die Generalstabsanwärter zunächst zu bewähren hatten.

Fast vier Jahre gehörte Moltke der ersten Abteilung dieses Büros an, der 15 bis 20 weitere Offiziere zugeteilt waren[21]. Hier hatte er Gelegenheit, Geländestudien zu betreiben und seinen Blick für die Nutzung des Geländes zu militärischen Zwecken zu schärfen. Seine Aufgabe bestand darin, die ihm zugewiesenen Abschnitte an Ort und Stelle im Maßstab 1:25.000 aufzunehmen und die Ergebnisse in Berlin durch Reduktion auf den Maßstab 1:100.000 zu übertragen[22]. Da ihm die Arbeit leicht von der Hand ging, fand er Zeit, sich mit Land und Leuten, nicht zuletzt auch mit den Lebensanschauungen des polnischen Adels in der Provinz Posen zu beschäftigen[23] und die Bibliotheken der Gutshäuser, in denen er sein Quartier aufschlug, zu benutzen.

Während seines Kommandos zum Topographischen Büro kehrte Moltke im Frühjahr jeden Jahres zum Regiment zurück, um dort als Ausbilder Dienst zu tun, letztmalig im Frühjahr 1830, da die dem Topographischen Büro zugeteilten Offiziere wegen der Kriegsereignisse für Arbeiten im Großen Generalstab benötigt wurden.

Moltkes finanzielle Situation zwang ihn, zusätzlich Geld zu verdienen. Seinen Traum, fremde Länder kennen zulernen, konnte er sich anders nicht erfüllen. Schriftstellerei und Übersetzungsarbeiten boten sich dazu als seiner Begabung gemäß an. So entstanden Moltkes erste literarische Arbeiten, wie die Novelle «Die beiden Freunde»[24]. Doch musste er bei dieser Art von Tätigkeit auch manches Lehrgeld zahlen. Seine fast beendete Übersetzung von Gibbons zehnbändiger Römischer Geschichte ist nie erschienen[25], da sein Verleger nicht über ausreichende Mittel verfügte.

In der ersten Phase hatte sich Moltke aus der Abhängigkeit vom Vater gelöst, die notwendigen Kenntnisse im Truppendienst erworben, seine Bildung im militärischen, politischen und kulturellen Bereich erweitert, sich als Pädagoge bewährt und für seine kartographischen und statistischen Arbeiten – in Verbindung mit seinen Publikationen über die Niederlande und Polen[26] - hohe Anerkennung gefunden. Als erster seines Kriegsschuljahrganges wurde er in den Großen Generalstab kommandiert und bereits ein Jahr später dorthin versetzt.

2. Phase (1832-1857) Tätigkeit im Generalstab

Die zweite Phase in Moltkes beruflichem Werdegang war vornehmlich dem Dienst im Generalstab gewidmet.

Der preußische Generalstab hatte erst nach den Befreiungskriegen durch die Errichtung des «Großen Generalstabes» und durch die Etatisierung der Generalstabstellen bei den Generalkommandos der Armeekorps, den Divisionsstäben und der Generalinspektion der Artillerie eine eigene Gestalt angenommen. Doch besaß der Chef des Generalstabes der Armee kein Immediatrecht beim König, sondern war dem Kriegsminister als dessen Berater beigeordnet[27].

[...]


[1] Weiterführende Literatur zum Werdegang Moltkes vor allem Kessel, Moltke (Standardwerk); ferner Stadelmann, Moltke und der Staat; Papke, Helmuth von Moltke; Lemm, Helmuth von Moltke; Helmuth von Moltke 1800-1891; Vernohr, Helmuth von Moltke.

[2] Klaje, Schill, S. 94; Friedrich Phylip Victor von Moltke: Erinnerungen aus meinem Leben. Handschriftliche Aufzeichnungen, 1840, in: Bundesarchiv-Militärarchiv (des Weiteren zitiert: BA-MA), N 16/v.77, abgedruckt in Moltke, Gesammelte Schriften, 1, S. 8-14.

[3] Kessel, Moltke, S. 9-19.

[4] General von Hegermann-Lindencrome; Kessel, Moltke, S. 13.

[5] Moltke, Gesammelte Schriften, 5, S. 233, 248f.; ebd. 6, S. 29

[6] Moltke, Gesammelte Schriften, 1, S. 10.

[7] Ebd., S. 30ff.

[8] Dies geht aus dem Zeugnis des Herzogs von Holstein-Beck vom 20.12.1821 und dem persönlichen Schreiben des Herzogs an Moltke vom 17.1.1822 hervor; Moltke, Gesammelte Schriften, 1, S. 34f.

[9] Schreiben des Generals von Witzleben an Moltke vom 7.12.1821 und Benachrichtigung der Ober-Militär-Examinations-Kommission betr. Erteilung des Zeugnisses der Reife zum preußischen Offizier vom 14.3.1822, unterzeichnet von Gneisenau; Moltke, Gesammelte Schriften, 1, S. 36f.

[10] Militär-Wochenblatt 7 (1822), S. 2183.

[11] Der Vorsitzende der Ober-Militär-Examinations-Kommission hatte Moltke zu besonderer Berücksichtigung empfohlen, weil er in der Prüfung «eine nicht gewöhnliche Bildung und eine auffallende Reife des Verstandes» gezeigt habe (Kessel, Moltke, S. 25).

[12] Oberst von Grabow; Soldatisches Führertum, 5, S. 201ff.

[13] Rang- und Quartierliste 1822, S. 59f.; Kroll, Offizier-Stammliste.

[14] Soldatisches Führertum, 4, S. 326f.

[15] von 1818-1830; Scharfenort, Kriegsakademie, S. 52ff.

[16] Scharfenort, Kriegsakademie, S. 171ff.

[17] Moltke, Gesammelte Schriften, 1, S. 39.

[18] Schramm, Clausewitz, S. 560f.; Kessel, Moltke, S. 108f.

[19] Über die Entwicklung der Divisionsschulen siehe Handwörterbuch 2, S. 427f.

[20] Kessel, Moltke, S. 54.

[21] Rang- und Quartierliste der Königlich Preußischen Armee für das Jahr 1828. Berlin 1828, S. 20, und die Jahre 1829 und 1830.

[22] Kessel, Moltke, S. 64.

[23] Briefe an die Mutter, in Moltke, Gesammelte Schriften, 4, S. 17-43.

[24] Zuerst erschienen in den Nummern 48-61 der Berliner Unterhaltungszeitschrift «Der Freimütige» vom 8. bis 26.3.1827 (Kessel, Moltke, S. 56), später abgedruckt in Moltke, Gesammelte Schriften, 1. S. 40-102.

[25] Kessel, Moltke, S. 88.

[26] «Holland und Belgien in gegenseitiger Beziehung seit ihrer Trennung unter Philipp II. bis zu ihrer Wiedervereinigung unter Wilhelm I.», in Moltke, Gesammelte Schriften, 2, S. 1-60, und «Darstellung der inneren Verhältnisse und des gesellschaftlichen Zustandes in Polen», in Moltke, Gesammelte Schriften, 2, S. 61-170.

[27] Görlitz, Generalstab, S. 76f. – In der A.K.O. vom 21.1.1821 hieß es: «Sie haben ... Ihre Anordnungen und Vorschläge vor deren Ausführung dem Kriegsminister vorzulegen und stets mit demselben im Einverständnis zu handeln»; Soldatischen Führertum, 4, S. 313.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Feldmarschall Helmuth Graf von Moltke
Untertitel
Sein Leben und Wirken. 26. Oktober 1800 - 24. April 1891
Autor
Jahr
2010
Seiten
19
Katalognummer
V148820
ISBN (eBook)
9783640597376
ISBN (Buch)
9783640597222
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Helmuth Karl Bernard Graf von Moltke, genannt Moltke der Ältere, bekannt auch als »der große Schweiger«. Sein Leben und Wirken. Im 19. Jahrhundert war ein Offizier besonderen Bedingungen in bezug auf Herkunft, Bildung, Ausbildung, Karriere, Disziplin, Verhalten im Dienst und in der Öffentlichkeit unterworfen. Das Lebensbild Moltke, das hier gezeichnet wird, soll auch unter den Gesichtspunkten stehen, welche Möglichkeiten und Freiheiten sich ihm im Rahmen seiner Lebensbedingungen zu eigener Gestaltung boten. Moltkes Werdegang kann man in drei Lebensphasen einteilen.
Schlagworte
Helmuth von Moltke, Chef des Großen Generalstabes, Generalstabswerk, Moltke der Ältere, 1866, 1870, 1871, 1864, Einigungskriege, Deutsches Reich, Roon, Bismarck, Königgrätz, Sedan, Direktiven, Feldherr, Preußische Armee
Arbeit zitieren
Stefan Erminger (Autor:in), 2010, Feldmarschall Helmuth Graf von Moltke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148820

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