Über: Die Hölle, das sind die Anderen!

Sartres Existenzialismus in "Geschlossene Gesellschaft"


Hausarbeit, 2005

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Jean-Paul Sartre
2.1 „Geschlossene Gesellschaft“, zum Inhalt des Dramas

3 Für-Andere-Sein, Sartres Existenzialismus
3.1 Sartres Existenzialismus in „Geschlossene Gesellschaft“

4. „Die Hölle, das sind die Andern“; Fazit

5. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Warum können die Anderen, für uns zur Hölle werden? Diese Frage hat einer der größten Philosophen und Schriftsteller des 20.Jahrhunderts in seinem Theaterstück „Geschlossene Gesellschaft“ zu veranschaulichen versucht: Jean-Paul Sartre.

Sartre hatte dieses Thema bereits in seiner Existenzialismus Philosophie in seinem Werk „Das Sein und das Nichts“ aufgegriffen. Sein umfangreiches Werk widersetzt sich jedem Versuch einer Einordnung. In kritischer Anlehnung an Hegel, Marx, Freud, Husserl, und Heidegger entwickelte Jean-Paul Sartre eine existentialistische Phänomenologie, die ontologisch und anthropologisch ausdifferenziert wurde. Unter den Bedingungen der philosophischen Bewegungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchte Sartre in seinem Denken den Weg von Hegel zu Marx nachzuvollziehen. In dem Kapitel „Der Blick“ aus Sartres „Das Sein und das Nichts“ gibt Sartre eine mögliche Antwort auf die Frage, weshalb die Anderen für uns zur Hölle werden können: Es sind die Blicke der Anderen, die uns in eine Höllensituation bringen können. Warum? Die Ursache dafür sieht Sartre in mehreren Punkten. An erster Stelle stehen das menschliche Schamgefühl und die scheinbar sinnlose Existenz aller Dinge in der Welt, was Sartre bereits 1935 in seinem Roman „Der Ekel“ geschildert hatte. „Erst der Mensch, und nur er, vermag dieser bloßen Existenz, seiner eigenen und allen anderen Existenzen, einen Sinn und eine Notwendigkeit zu verleihen und ihnen ihre Zufälligkeit zu nehmen, indem er beschließt, etwas daraus zu machen, sie einem schöpferischen Entwurf zu unterwerfen, in sein Handeln einzubeziehen.“[1] Der Blick des Menschen ist eine objektive Sichtweise. Alles was wir in unserer Umwelt wahrnehmen, begreifen wir zunächst als Objekt, so auch die anderen Menschen. Unser Schamgefühl bezeichnet Sartre als das begreifen dessen, das man von Anderen gesehen wird und so zum Objekt des Betrachters gemacht wird. Das Höllische daran ist nun, laut Sartre, dass wir nicht imstande sind den uns Betrachtenden unsere Subjektheit, unser eigenes Wesen zu vermitteln. „Insofern bilden die andren zunächst eine Hölle, weil sie uns dazu verdammen, etwas zu sein, was wir nicht sind, und uns damit unserer Freiheit berauben, uns zu dem zu machen, was wir wirklich sind.“[2] Das bedeutet, dass der Betrachter nicht in der Lage ist unser inneres Wesen zu erfassen. Der erste Eindruck, bleibt immer ein äußerlicher, den man durch Gestik, Mimik und Aussagen des Gegenübers erfährt. So verhält es sich auch mit den Figuren des Dramas „Geschlossene Gesellschaft“. Drei Charaktere treffen hier aufeinander, von denen je einer den Blicken und Meinungen der zwei Anderen ausgesetzt ist und bleibt. Auch der Zuschauer wird niemals in die Situation gelangen, dass wahre Wesen eines der Charaktere zu erfassen. Es ist und bleibt der Blick, der das Schamgefühl, als ein ich werde gesehen in uns wach ruft und damit den Anderen zum Feind macht, der nicht unser Wesen, sondern unsere Existenz als ein Objekt unter Objekten erfährt. „Der Andere wird zunächst als die Hölle erfahren, als der Feind, der einen durch seinen Blick im weitesten Sinne tötet, weil er festlegt, versteinert, zu einem Objekt, zu einem Ding macht , das ihm passiv ausgesetzt ist.“

In dieser Arbeit soll der Versuch gemacht werden, zunächst die Wurzeln von Sartres Philosophie anhand seines Lebenslaufs aufzuzeigen, um dann genauer auf Sartres Philosophie und seinen Begriff des „Für-Andere-Seins“ einzugehen und diese dann anhand von einigen Beispielen von Sartres Drama „Geschlossene Gesellschaft“ genauer zu bestimmen. Da eine Gesamtübersicht von Sartres philosophischem Werk den Rahmen dieser Arbeit bei weitem übersteigen würde, sollen hier nur die für das Drama relevanten Merkmale aus dem Kapitel „Der Blick“ untersucht werden. Des Weiteren soll noch ein Überblick über die Handlung des Dramas gegeben werden, um darzustellen, wie sehr das Drama die von Sartre in „Der Blick“ verfassten Thesen aufgreift und durchzuspielen versucht.

2. Jean-Paul Sartre

Der französische Schriftsteller und Philosoph Jean-Paul Sartre wurde am 21. Juni 1905 in Paris geboren. Seine Mutter, Anne Marie Sartre, entstammte einer Elsässer Lehrerfamilie. Sartres Vater war ein Marineoffizier, der jedoch bereits zwei Jahre nach der Geburt des Sohnes Jean-Paul an einer Erkrankung in Übersee verstarb. Sartre hatte seinen Vater nie kennen gelernt. Nachdem seine Mutter zu ihren Eltern gezogen war, wuchs auch der junge Sartre bei seinen Großeltern auf. Die Erziehung und die Bildung wurden weitgehend von dem als Deutschlehrer tätigen Großvater Charles Schweitzer übernommen. Das Aufwachsen bei den Großeltern hat Sartres ganzes Leben und damit auch sein Werk stark beeinflusst.

Der Grundzug von Sartres Leben war der feste Wille durch das Schreiben zu Wirken. Simone de Beauvoir sagte über Sartre: “Sartre lebte um zu schreiben. Er war berufen von allen Dingen Zeugnis abzulegen und sie, unter dem Primat der Notwendigkeit, denkend neu zu erschaffen.“[3] Sartres Wille zu schreiben, war stark von seinem Großvater inspiriert.

Sartre war von seinem Großvater nicht nur als Familienoberhaupt, sondern auch als Schriftsteller beeindruckt. Sartre begann bereits im Alter von acht Jahren Erzählungen zu schreiben, welche durch Abenteuerromane, die er bis dahin kennen gelernt hatte inspiriert waren. Obwohl Sartre von seinen Großeltern warmherzig und freundlich aufgenommen wurde, verlor er doch niemals das Gefühl ein Fremder oder ein Gast zu sein, der zwar von der Familie aufgenommen wurde, aber nie wirklich in diese hinein gehörte. Aus der Tatsache heraus, dass Sartre zunächst als „Fremder“ in der Familie der Großeltern und später, nach der erneuten Heirat seiner Mutter, bei seinem Stiefvater aufwuchs, geht die Wurzel für seine spätere Existenzialismus Philosophie hervor. Nicht nur, dass Sartre, aufgrund seiner Umstände, keinen Sinn für Besitz entwickelte, er empfand auch seine eigene Existenz als nicht selbstverständlich. Sartre war der Meinung man müsse seine eigene Existenz durch Leistung rechtfertigen. In seiner Kindheit war diese das Theaterspielen mit dem Großvater, der seine Freude daran hatte, mit dem Jungen verschiedenste Szenen einzustudieren und vorzuführen. „Hier scheint uns auch die Wurzel – die erlebnismäßige Wurzel – für Sartres Theorie zu liegen, daß jeder Mensch sich selbst spielen muß, um so mit dem Mitmenschen zusammen sein zu können.“[4] Diese Ansicht wird von Sartre in seinem philosophischen Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“ am Beispiel eines Kellners beschrieben: „ Man braucht ihn nicht lange zu beobachten, um sich darüber klar zu werden: er spielt, Kaffeehauskellner zu sein.“[5] In der Zeit, in welcher der junge Sartre bei seinen Großeltern lebte, wurde noch ein weiterer wesentlicher Grundstein für seine spätere Philosophie gelegt. Nach Sartres Meinung ist der wichtigste Bezug zu den Mitmenschen der Aspekt des „Angeblickt-Werdens“. Da Sartre sich innerhalb seiner Familie immer als einen „Fremdling“ empfand, der sich sein Existenzrecht erst erarbeiten muss, fühlte er sich auch stets der Kontrolle und Beobachtung durch seine Familienmitglieder ausgesetzt. Daher war das „aufgenommene“ Kind Sartre von einem ständigen Misstrauen und der Furcht davor, von der Familie ausgeschlossen zu werden, befallen. Eben dieser Aspekt des „Angeblickt-Werdens“ ist auch das wesentliche Element des Dramas „Geschlossene Gesellschaft“ und soll in den folgenden Kapiteln noch genauer untersucht werden. Nach dem Besuch des Gymnasiums immatrikulierte Sartre im Jahre 1924 an der französischen Elitehochschule Ecole Normale Supérieure zunächst für Philologie. Später bestand er Examina in Psychologie, Soziologie und Logik. An diese Hochschule lernte er 1929 auch seine langjährige Freundin und Weggefährtin Simone de Beauvoir kennen. Während seiner achtzehnmonatigen Militärzeit in Tours verfasste Sartre Theaterstücke und den Romanessay „Epiméthée“. Nach Beendigung seines Militärdienstes wurde er 1931 Gymnasial-Professor für Philosophie in Le Havre. Die Jahre 1933 bis 1934 verbrachte Sartre als Stipendiat des Institut Français in Berlin. In seiner Zeit in Berlin beschäftigte Sartre sich mit der Phänomenologie von Husserl, mit Heidegger und auch mit Kleist.

Aufgrund der Lektüre von Heidegger überarbeitete er seinen im Entstehen befindlichen Roman „Der Ekel“. Nach seiner Rückkehr blieb er noch bis 1936 in Le Havre und wurde anschließend Lehrer in Laon und ab dem Jahr 1937 an dem berühmten Pasteur-Gymnasium in Paris. Im selben Jahr erschien seine erste Novelle „Die Mauer“ in der französischen Literaturzeitschrift „Nouvelle Revue Francais“. Bereits ein Jahr später erscheint dann sein erster Roman „Der Ekel“ (La Nausée), wodurch er erstmals als Schriftsteller einem größeren Publikum bekannt wurde. 1940 erschien seine durch Husserl geprägte Abhandlung „Das Imaginäre“ (L´Imaginaire). Unterbrochen vom Kriegsdienst und Gefangenschaft nahm Sartre nach der Rückkehr die schriftstellerische Tätigkeit wieder auf.

Außerdem versuchte er seine schriftstellerischen Fähigkeiten zum Widerstand gegen die deutsche Besatzung zu nutzen. Sein Versuch eine intellektuelle Widerstandsbewegung zu gründen scheiterte jedoch. In dieser Zeit entstand auch sein philosophisches Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“. Das Werk erschien 1943, fand jedoch zunächst kaum Beachtung. Im selben Jahr erschien auch sein erstes Drama „Die Fliegen“ (Les Mouches). Zwei Jahre darauf, 1945, erschien das Drama „Geschlossene Gesellschaft“ (Huis Clos). Seit der Zeit nach dem Krieg hat Sartres schriftstellerische Tätigkeit und sein politisches Engagement kaum mehr abgenommen. Sartre wirkte nach 1945 in die Diskussionen über Kollektivschuld, Freiheit, Faschismus und Totalitarismus hinein. 1945 wurde er Chefredakteur der Zeitschrift „Les temps modernes“, dem wichtigsten Organ der französischen Existentialisten. Sartre dokumentierte in „Der Kommunismus und der Frieden“ sowie durch die Teilnahme am Weltfriedenskongress auch öffentlich seine Parteinnahme für den Kommunismus. Nach Reisen durch die Sowjetunion und China trennte er sich 1956 jedoch von der Partei. Dennoch verbanden sich in der Folge auch weiterhin in seinen Schriften Elemente des Existenzialismus, mit denen einer materialistisch-marxistischen Weltsicht, insbesondere im zweiten philosophischen Hauptwerk „Kritik der dialektischen Vernunft“, welches 1960 erschien. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete Sartre an einer Ethik und lehnte 1964 den ihm verliehenen Literatur-Nobelpreis ab. Sartres Werk machte ihn zeitweilig zu einem der einflussreichsten und umstrittensten Denker des 20 Jahrhunderts. Im Jahre 1980 verstarb Jean-Paul Sartre in einem Pariser Krankenhaus. Bei seiner Beerdigung am 19.April folgten ca. 50 000 Menschen dem Sarg.

[...]


[1] König, Traugott: „Sartre Lesebuch - Den Menschen Erfinden“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1992, S. 16

[2] Ebd. S.27

[3] Kurt Kusenberg: „Jean-Paul Sartre“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1964, S.7

[4] Kurt Kusenberg: „Jean-Paul Sartre“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1964, S.10

[5] König, Traugott: „Sartre Lesebuch - Den Menschen Erfinden“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1992, S. 19

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Über: Die Hölle, das sind die Anderen!
Untertitel
Sartres Existenzialismus in "Geschlossene Gesellschaft"
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V148756
ISBN (eBook)
9783640594122
ISBN (Buch)
9783640593941
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hölle, Anderen, Sartres, Existenzialismus, Geschlossene, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Ralf Beckendorf (Autor:in), 2005, Über: Die Hölle, das sind die Anderen!, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148756

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