Jean-Francois Marmontel über Madame Geoffrin. Grundlegende Elemente der Salonkultur und die Aufgaben einer Salonniere


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Jean-Francois Marmontel und seine Memoiren

3 Der Salon – Eine Begriffsbestimmung
3.1 Der Begriff Salon
3.2 Ein Überblick über die historische Entwicklung der Salonkultur bis ins 18. Jahrhundert

4 Die Salonnière
4.1 Die Herkunft Madame Geoffrins und die Entstehung ihres Salons
4.2 Die Atmosphäre im Salon und das Auftreten der Salonnière

5 Die Gäste des Salons
5.1 Kriterien für die Auswahl der Gäste
5.2 Die Salonbesucher Madame Geoffrins und die Bekanntheit ihres Salons in Europa

6 Die Salonkonversation
6.1 Honnêteté als Verhaltensideal im Salon
6.2 Honnêteté bei Madame Geoffrin und bei Marmontel
6.3 Die Salonnière als Moderatorin der Salonkonversation
6.4 Madame Geoffrin als Moderatorin der Salongespräche

7 Fazit

8 Bibliographie

1 Einleitung

Die Salonnière Madame Geoffrin gilt unter Historikern als „eine der repräsentativsten Figuren einer sich radikal verändernden Zeit“.[1] Über ihren Salon in der Pariser Rue Saint Honoré urteilt einer ihrer Zeitgenossen, der berühmte Dichter und Kritiker Charles-Augustin Sainte-Beuve, dass dieser „der bestorganisierteste, der bestgeführteste ihrer Zeit […], geradezu eine Institution des 18. Jahrhunderts‘“ gewesen ist.[2] Historische Lexika und Untersuchungen heben neben der bürgerlichen Herkunft der Salondame den Umfang ihrer internationalen Beziehungen zu Intellektuellen und Aristokraten hervor.[3] Ältere und jüngere Biographiensammlungen stellen ihren Lebensverlauf zusammen mit denen verschiedener anderer berühmter Salonnièren und deren Rivalitäten untereinander dar.[4]

Für einen ersten thematischen Einstieg in das Thema Salonkultur und die Betrachtung des Salons der Madame Geoffrin bleibt in vielen Werken allerdings oft unerwähnt, welche Aspekte die Begriffe Salon und Salonkultur überhaupt mit sich tragen.[5] Neben der Darstellung des Salons der Madame Geoffrin soll diese Arbeit daher die grundlegenden Elemente der französischen Salonkultur im 18. Jahrhundert und die Aufgaben einer Salonnière am Beispiel von Madame Geoffrin und ihres bureau d’esprit behandeln . Dabei geht es konkret um das Geschehen im Salon selbst und weniger um dessen Bedeutung in Bezug auf seine Außenwirkung.[6]

Über den Salon der Madame Geoffrin und die Salondame selbst lassen sich viele Informationen in den Memoiren Jean-Francois Marmontels finden,[7] welche die Quellengrundlage für diese Untersuchung bilden. Nach einleitenden Erläuterungen zu den Memoiren Marmontels und dessen Person wird zunächst überblicksweise der Begriff Salon in sprachlicher und historischer Hinsicht genauer bestimmt. Anschließend werden in drei folgenden Kapiteln unter den Oberbegriffen Salonnière, Salongäste und Salonkonversation sowohl allgemeine Aspekte zu diesen Themenbereichen behandelt als auch direkte Bezüge zu Madame Geoffrin und ihrem Salon hergestellt. Bei der Verwendung von Sekundärliteratur wurden zu diesen Themen vor allem auf die Arbeiten von Lukoschik und von der Heyden-Rynsch, ferner auch von Clergue und Seibert[8] zurückgegriffen.

2 Jean-Francois Marmontel und seine Memoiren

Für die Betrachtung des Salons der Madame Geoffrin geben die Memoiren Jean-Francois Marmontels (1723-1799) reichlich Aufschluss. In diesen Memoires d’un père pour servir à l’instruction de ses enfants beschreibt Marmontel Erlebnisse aus seinem Leben zur Erziehung seiner Söhne Albert, Charles und Louis, die zu Beginn seiner Aufzeichnungen zwölf, sieben und drei Jahre alt sind.[9] Er schreibt darin unter anderem von seinem Leben in Paris und den dortigen Salons. Marmontel äußert in seinen Schriften, dass man ihn „in Paris mit Menschen der verschiedensten Art zusammenleben sehen“ wird und er versuchen möchte die Züge dieser schillernden Persönlichkeiten schriftlich „zu skizzieren“.[10]

Jean-Francois Marmontel war vor allem als Schriftsteller und als Verwaltungsbeamter tätig, zum Beispiel als Sekretär des Königs im Bereich Bauwesen. Zudem war er Historiograph des Königs, in dessen Auftrag er eine Geschichte Frankreichs verfasste, und Sekretär der Französischen Akademie.[11] Er gehörte zu den Freidenkern seiner Zeit, „die überlieferte Denkgewohnheiten erschüttern und fruchtbar vorantreiben wollten“[12]. Zu seinen Freunden zählten unter anderem Voltaire, d’Alembert, Diderot und Madame Pompadour.[13] Marmontel verfasste, neben seinen vielfältigen anderen literarischen Tätigkeiten, auch Einträge für die Encyclopédie.[14]

Seine Memoiren stellen ein wichtiges Dokument für die Geschichte der französischen Literatur und Gesellschaft des 18. Jahrhunderts dar, indem sie dem Leser einen Einblick in die damalige Lebenswelt, und dabei auch in die Welt der Salons, gewähren und einen Eindruck vom Menschenbild der Zeit vermitteln.[15] Marmontel begann seine Memoiren im Jahr 1793 im Alter von 70 Jahren.[16] Zur Zeit der Beendigung seiner Aufzeichnungen im Jahr 1797, kannte er die Salons, die er in seinem Werk beschreibt und die teilweise noch bestanden, bereits 45 Jahre lang.[17]

Madame Geoffrin führte ihren Salon über 30 Jahre lang (1737/1749-1776). In seinen Schilderungen über ihren Salon beschreibt Marmontel sowohl die Salondame als auch die Tischgesellschaft, in der er selbst zehn Jahre lang Mitglied war, mit scharfsinniger Beobachtungsgabe.[18] Marmontel versucht, die dargestellten Ereignisse und Charaktere minutiös zu schildern und stellt dabei sowohl seine Meinung als auch die der anderen Salongäste dar. Dadurch entsteht die Wirkung, dass seine Ausführungen zwar seine persönliche Sicht wiedergeben, er aber trotzdem bemüht war, eine anderen Meinungen gegenüber ausgeglichene, objektive Sicht zu wahren.

3 Der Salon – Eine Begriffsbestimmung

3.1 Der Begriff Salon

Das Wort Salon leitet sich aus dem italienischen salone ab und tauchte erst 1664 im Französischen auf.[19] Es bezeichnete zunächst den Empfangssaal eines Schlosses als rein räumlicher Begriff; später verbanden sich mit dem Wort Salon im Allgemeinen auch kulturelle Zwecke, im Besonderen durch Kunstaustellungen, welche ab 1725 im Salon Carré im Louvre abgehalten wurden.[20] Des Weiteren bekam der Begriff durch die vom Aufklärungsphilosophen Denis Diderot (1712-1784) als Salons betitelten kunstkritischen Aufsätze zusätzliche eine literarische Bedeutung.[21] Schließlich umfasste der Begriff Salon, den sogenannten Konversationssalon, einen Ort des geselligen Austausches über Kunst und Kultur, Philosophie und Politik.[22] Im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Begriff Salon mit der Bedeutung als „Geselligkeitsform“ von den Zeitgenossen selbst noch nicht verwendet, sondern als bureau d’esprit – wie zum Beispiel bei Madame Geoffrin – oder auch als soirée oder assemblé bezeichnet.[23]

3.2 Ein Überblick über die historische Entwicklung der Salonkultur bis ins 18. Jahrhundert

Der Salon, der „zu den faszinierendsten Phänomenen der europäischen Kulturgeschichte“ gehört, besitzt eine lange Tradition und erlebte unterschiedliche Blütezeiten. Als Versinnbildlichung des „Europa des Geistes“ geht er auf die im 12. Jahrhundert entstandene Respublica Litteraria zurück, welche das Ideal einer Gelehrtenrepublik, einer geistigen und humanistischen Elite verkörperte, die „die Autonomie und die Freiheit des Individuums“ postulierte.[24] Dieser konnte sich jeder Absolvent einer europäischen Universität – trotz und jenseits politischer Spannungen zwischen den Nationen – im Sinne einer „kulturelle[n] Einheit der lateinischen Christenheit“ angehörig fühlen. Der „halbgelehrte“ und „halbkünstlerische“ Charakter der Respublica Litteraria kann als Vorläufer der Salons gesehen werden, welche sich stets als Gegengewicht zu den von der Scholastik bestimmten Universitäten verstanden.[25]

Als regelmäßige Zusammenkünfte intellektueller Zirkel entwickelten sich die Salons zunächst in Italien während der Renaissance.[26] In Frankreich entstanden diese seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und erlebten dort im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt.[27] Während sich die Salons des 16. und 17. Jahrhunderts der „Verfeinerung der Sprache und Dichtung“ und der Einübung von kleinen Theater- und Musikstücken widmeten, gewannen die Salons des 18. Jahrhunderts neben der Beschäftigung mit Kunst und Literatur eine vermehrt philosophische Ausprägung.[28]

Vor der Entstehung der Salons traten nur die europäischen Höfe als Träger und Förderer der Kultur auf, was sich im 17. Jahrhundert in Frankreich änderte. Dort entwickelte sich Paris, und nicht der Versailler Hof, zur „intellektuellen Hauptstadt Europas“.[29] Hier gründete sich die „République des Lettres“, welche das Gedankengut der mittelalterlichen Respublica Litteraria weitertrug und verdichtete.[30] Diese vertrat die Vorstellung von einem „ideale[n] Land der Freiheit“, in dem alle Menschen unabhängig von Herkunft und gesellschaftlicher Stellung gleich waren. Damit stand sie im Konflikt zum Versailler Hof, der als Vertreter der absoluten Monarchie derartige Ideen nicht anerkannte.[31] Durch die Möglichkeiten zu offenem Gedankenaustausch und der Verbreitung von Gedankengut ging von der Salonkultur „eine unbestreitbar politische Wirkung aus, obwohl die Strukturen der Macht und die Fundamente der Ständehierarchie nicht angetastet wurden“[32]. So entwickelten sich die Salons zu Orten politischer Meinungsbildung und somit unter anderem auch aus diesem Grund zu Kontrapunkten zum königlichen Hof.

Trotz der Spannungen zwischen dem französischen Hof und den entstehenden Salons kam es auch zu Annäherungen, da das höfische Publikum in den Salons mit Intellektuellen und Künstlern zusammentreffen konnte.[33] Auf diese Weise entwickelten sich durch die Salons auch Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die zuvor durch Standesschranken voneinander getrennt waren. Es kam zu Kontakten „zwischen Mitgliedern des Adels, Angehörigen des Bürgertums, Vertretern des intellektuellen und künstlerischen Milieus und zuletzt auch, im 18. und 19. Jahrhundert, des Klerus.“[34] In der Folge kam es zu der Bildung einer „neue[n] Kultur der Eliten“,

[...]


[1] Vgl. Helen Clergue, The Salon. A Study of French Society and Personalities in the Eighteenth Century, New York 1907 (Nachdruck 1971), S. 267.

[2] Vgl. Verena von der Heyden-Rynsch, Europäische Salons. Höhepunkte einer versunkenen weiblichen Kultur, München 1992, S.73. Anm. d. Verf.: Heyden-Rynsch zitiert hier Sainte-Beuve. Die direkte Quelle von Sainte-Beuve, die Ausführungen in den Causeries du Lundi II über Madame Geoffrin, waren in der Bibliothek leider nicht erhältlich.

[3] Vgl. zum Beispiel Meyers Großes Konversations-Lexikon, s.v. Geoffrin, Bd. 7, Leipzig 1907, S. 590.

[4] Vgl. Clergue und Heyden-Rynsch.

[5] Anm. d. Verf.: Eine sehr hilfreiche und gut verständliche Ausnahme bildet die Einleitung des 2008 erschienenen Sammelbandes von Rita Unfer Lukoschik, welcher erst in der späteren Bearbeitungsphase dieser Untersuchung mit einbezogen werden konnte: Rita Unfer Lukoschik, Einleitung, in: Rita Unfer Lukoschik (Hrsg.), Der Salon als kommunikations- und transfergenerierender Kulturraum, München 2008.

[6] Anm. d. Verf.: Für die Untersuchung der gesellschaftlichen Wirkung der Salonkultur werden im Fazit Vorschläge für eine tiefergehende Untersuchung zu diesem Thema unterbreitet.

[7] Jean-François Marmontel, Erinnerungen an Philosophen und Aktricen, (Sammlung Dieterich, Bd. 366), Leipzig 1979.

[8] Peter Seibert, Der literarische Salon. Literatur und Geselligkeit zwischen Aufklärung und Vormärz, Stuttgart/Weimar 1993.

[9] John Renwick, Jean-Francois Marmontel (1723-1799), Dix etudes, Paris 2001, S. 276-277 und Marmontel, S. 340.

[10] Vgl. Marmontel, S. 312-313.

[11] Vgl. Renwick, S. 275-276.

[12] Heyden-Rynsch, S. 61.

[13] Vgl. Renwick, S. 276.

[14] Vgl. Kees Meerhoff und Annie Jourdan, Mémorable Marmontel? – Chronologie de Marmontel, in: Kees Meerhoff und Annie Jourdan (Hrsg.), Mémorable Marmontel, 1799-1999, Amsterdam/Atlanta, 1999, S. 16.

[15] Vgl. Renwick, S. 275 und 286.

[16] Vgl. Meerhoff und Jourdan, S. 18.

[17] Vgl. Renwick, S. 295.

[18] Vgl. ebd. S. 97 und Marmontel, S. 336.

[19] Vgl. Lukoschik, S. 24.

[20] Vgl. ebd. S. 24-25.

[21] Vgl. Heyden-Rynsch, S.14.

[22] Vgl. ebd. S. 15/16.

[23] Vgl. Lukoschik, S. 25-26.

[24] Vgl. Heyden-Rynsch, S. 11.

[25] Vgl. ebd. S. 13. Anm. d. Verf.: Als weitere Vorstufen der Salonkultur, welche in der einschlägigen Forschung als Phänomen der Neuzeit dargestellt wird, können laut Lukoschik außerdem folgende Geselligkeitsformen gesehen werden: antike Gastmähler in der Gesellschaft von Hetären, mittelalterliche Zusammenkünfte zur Maria-Verehrung und im Rahmen der „ritterlichen Minne-Ethik und der Troubadourkultur“, Salon-Geselligkeiten im italienischen Mittelalter wie sie in Boccaccios Decameron geschildert werden und Zusammenkünfte an den Höfen italienischer Renaissancefürstinnen. Vgl. Lukoschik, S.20-21.

[26] Vgl. Seibert, S. 25 ff.

[27] Vgl. ebd. S. 56 ff.

[28] Vgl. Ulrich Dierse, Salon/Club, in: Werner Schneider (Hrsg.), Lexikon der Aufklärung. Deutschland und Europa, München 1995, S. 365.

[29] Vgl. Heyden-Rynsch, S. 13.

[30] Vgl. ebd.

[31] Vgl. ebd. S. 14.

[32] Ebd. S. 60.

[33] Vgl. ebd. S. 14.

[34] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Jean-Francois Marmontel über Madame Geoffrin. Grundlegende Elemente der Salonkultur und die Aufgaben einer Salonniere
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal  (Neuere und Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Das Zeitalter Voltaires
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V148704
ISBN (eBook)
9783640592821
ISBN (Buch)
9783640593071
Dateigröße
581 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
20-seitige Hausarbeit.
Schlagworte
Jean-Francois, Marmontel, Madame, Geoffrin, Grundlegende, Elemente, Salonkultur, Aufgaben, Salonniere
Arbeit zitieren
Christina Gieseler (Autor:in), 2010, Jean-Francois Marmontel über Madame Geoffrin. Grundlegende Elemente der Salonkultur und die Aufgaben einer Salonniere, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148704

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