Freiheit und Unfreiheit in der Krankheit


Seminararbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Überblick über die Arbeit

2. Freuds Neurosenkonzeptionen
2.1. Frühe Neurosenkonzeption
2.2. Verführungstheorie
2.3. Spätere Neurosenkonzeption

3 .Mitscherlichs Auffassung von Freiheit
3.1 .Definition von Freiheit
3.2. Freiheit in der Krankheit?

4. Die Unfreiheit in der Philosophie - Peter Bieri
4.1 .Bieris Auffassungen von Freiheit
4.2. Der erzwungene Wille - Der Ausgangspunkt der Neurose?

5. hlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärliteratur
6.2. kundärliteratur

l. Überblick über die Arbeit

Diese Arbeit soll sich mit der Thematik der Freiheit und Unfreiheit in der Krankheit beschäftigen. Dazu möchte ich einen Vergleich zwischen den Auffassungen des Psychoanalytikers Alexander Mitscherlich und des Philosophen Peter Bieri vornehmen. Um Mitscherlichs Ausführungen zur Thematik der Unfreiheit in der Krankheit verstehen zu können, habe ich mich mit den Neurosenkonzeptionen Freuds beschäftigt, mit denen sich auch Mitscherlich ausführlich auseinander setzte. Der Hauptteil dieser Arbeit soll daher mit Sigmund Freuds Neurosekonzeptionen beginnen. Hauptfragen sollen sein: Wie entwickelt Freud bisher bestehende Annahmen zur Entstehung von Neurosen und deren Behandlung weiter? Warum gibt Freud seine frühe Neurosenkonzeption, die die Verführungstheorie beinhaltet, auf? Welche Bestandteile finden sich in der späteren Neurosenkonzeption?

Im Anschluss daran möchte ich Mitscherlichs Auffassung der Freiheit behandeln. Welche Voraussetzungen müssen seiner Meinung nach für die Freiheit erfüllt werden und ist Freiheit die Voraussetzung des Willens? Bedeutet Krankheit Unfreiheit?

Der letzte Abschnitt des Hauptteils soll sich daraufhin mit Peter Bieris Auffassung zur Freiheit beschäftigen. Welche Voraussetzungen sieht er als notwendig für die Freiheit und ist der Wille nicht viel eher die Voraussetzung der Freiheit? Ist der von ihm aufgeführte, erzwungene Wille der Ausgangspunkt der Neurose? Dies soll an den Fällen der Anna O., mit deren Fall sich Freud besonders beschäftigte, und der Elisabeth v.R., die Freud selbst behandelte, betrachtet werden.

In der Schlussbetrachtung möchte ich die zwei Auffassungen noch einmal in den wichtigsten Punkten vergleichend gegenüber stellen und eine Antwort darauf finden, ob Freiheit in der Krankheit möglich ist oder nicht.

2. Freuds Neurosenkonzeptionen

2.1. Frühe Neurosenkonzeption

Ausschlaggebend für die Entstehung der frühen Neurosenkonzeption Freuds war seine Befassung mit der Hysterie, die sich durch „sensorische und motorische Störungen ohne [...] organischen Befund [...] (etwa hysterische Sprachstörungen, Blindheit und Lähmungen)“[1] äußerte. Nach Charcot, einem Arzt, mit dem Freud bekannt war, traten diese Erscheinungen oft nach psychischen Traumen oder aufgrund „hypnotische[r] Suggestion“[2] auf. Die Versuche, die Hysterie durch Hypnose zu heilen, fielen für Freud unbefriedigend aus, weshalb er sich der „kathartischen Methode“[3] zu wandte, die der Physiologe Josef Breuer erstmals im Fall der Anna O. einsetzte. Diese verfiel regelmäßig in hypnotische Zustände, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, in denen sie aber über unterdrückte Gefühle sprechen konnte. Die Äußerung dieser Gefühle führte schließlich zum Verschwinden der Symptome, die dadurch ausgelöst worden waren.[4] Freud versucht daraufhin, diese Bewusstseinszustände durch Hypnose herzustellen, was jedoch keinen großen Erfolg bringt. Schließlich entschließt er sich dazu, die Hypnose weg zu lassen und seine Patienten aufzufordern, sich zu erinnern. Dies führt dazu, dass er deutlich erkennen kann, wenn Patienten versuchen, bestimmte Erinnerungen zu verdrängen. Diese neuen Erkenntnisse führen zur „Abwehr - oder Verdrängungstheorie“[5]. Die Grundlage der Symptomentstehung sei hierbei der „Bewußtseinsausschluß von unangenehmen Vorstellungen, speziell traumatischen Erlebnissen“[!][6]. Bei der Hysterie kommt es demnach zur Entwicklung einer körperlichen Empfindung oder Reaktion. Dabei wird der unangenehmen Situation der peinliche Affekt genommen, um sie abzuschwächen. Dieser Affekt dient nun zur Verstärkung der körperlichen Symptome. Diesen Vorgang bezeichnete Freud als Konversion. Durch die kathartische Methode konnte eine Rückleitung des Affekts in das Psychische erfolgen. Diese Entstehungstheorie wurde nun auch auf die psychischen Neurosen angewandt. Der Affekt oder die Erregung wird dabei nicht auf den Körper übertragen, sondern bleibt im psychischen Bereich. Der Affekt wird an Vorstellungen angehängt, die mit dem Ich vereinbar sind (im Gegensatz zur Hysterie, wo die Situation nicht mit dem Ich und dessen Vorstellungsleben übereinstimmt). Dies führt schließlich zu Zwangsvorstellungen.

2.2.Verführungstheorie

Freud stellt daraufhin fest, dass bei seinen fast ausschließlich weiblichen Patientinnen die traumatischen Erlebnisse meist „sexuelle Erlebnisse der Pubertäts - und Erwachsenenjahre“[7] waren. Aus diesen Beobachtungen entwickelt er die Verführungstheorie. Freud versucht Vorkommnisse heraus zu filtern, die eine „determinierende[n] Eigenschaft“[8] besitzen, d.h. eng mit dem Symptom in Verbindung stehen und die eine „gewisse[n] traumatische[n] Kraft“[9] innehaben. So findet er heraus, dass bereits frühe sexuelle Kindheitserlebnisse, zumeist Kindesmissbrauch, zu Neurosen und Zwangsvorstellungen führen. Werden diese sexuellen Erlebnisse in der Pubertät oder danach noch einmal erlebt oder erinnern sich betreffende Personen daran, so erscheint die Erinnerung daran noch schlimmer als die Situation selbst. Er entwickelt aus diesen Erkenntnissen zwei Entstehungsformen für Neurosen. Nach seiner Auffassung führt passives Erleben der Situationen zu einer Hysterie, aktives Handeln zu Zwangsvorstellungen. In letzterem Fall werden die Symptome durch Selbstvorwürfe ausgelöst. Freud gibt diese Theorie jedoch auf. Vermutlich, weil er nicht in der Lage war, zwischen Realität und Phantasien[10] der Betroffenen zu unterscheiden. Außerdem müsste bei dem häufigen Auftreten der Hysterie eine unnatürlich hohe Anzahl an Kindesmissbrauchsfällen vorliegen.

2.3.Spätere Neurosenkonzeption

Freuds spätere Neurosenkonzeption basiert weiterhin auf der These, dass Neurosen durch Störungen der Sexualität in der Kindheit hervorgerufen werden. Aber er führt zwei neue, wesentliche Begriffe in seine Theorie ein: Fixierung und Regression. Fixierung sei die „Voraussetzung der Entstehung psychoneurotischer Symptome, [die sich durch] übermässiges Festhalten an einer Stufe der Libidoentwicklung [zeigt und die] Vorherrschaft einer erogenen Zone und des mit ihr verbundenen Partialtriebes“[!][11] auslöst. Regression dagegen stellt eine „Rückkehr auf [...]überwundene Stufen der Sexualentwicklung [und das] Wiederauftreten[s] zwischenzeitlich [...] inaktiver Partialtriebe“[!][12] dar. Demnach spielt in Freuds späterer Neurosenkonzeption nicht mehr nur der Kindesmissbrauch eine entscheidende Rolle, sondern verschiedene andere Erlebnisse: „Eine ganze Reihe von Einflußgrößen wie Sexualkonstitution, infantile Erlebnisse, Eindrücke des Pubertäts - oder Erwachsenenalters, Ausmaß der Sublimierungsfähigkeit, schließlich Stärke der Verdrängungsneigung entscheiden darüber, ob überhaupt neurotische Symptome sich ausbilden und welcher Art sie sind.“[!][13] In diesem Moment wird es für Freud unerheblich, ob die Erlebnisse real oder Phantasie sind, denn die Phantasie ist dennoch die „psychische Realität, [die] in der Welt der Neurosen [...] die maßgebende“[14] sei.

Ein weiterer, wichtiger Faktor der späteren Neurosenkonzeption wird die Versagung. Wird die Befriedigung der Libido nicht erreicht, führt das zur Neurose bzw. kann dazu führen, denn nicht alle Menschen mit versagter Befriedigung werden neurotisch. Ausschlaggebend für die Neurosenentstehung sind die Libidofixierung und die Versagung. Dieses Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren bezeichnet Freud als Ergänzungsreihe.

An dieser Stelle trennt sich die Neurose jedoch von der Perversion, die zunächst denselben Ursprung hat. Doch die Perversion wird, in der Realität oder der Phantasie, ausgelebt, während bei den Neurotikern bzw. Hysterischen ein Widerstand gegen diese Wünsche aufgebracht wird, die sich dann durch Symptome unterbewusst durchzusetzen versuchen. Anhand dieser Ergebnisse beginnt Freud die Neurosen einzuteilen, in Abwehr – Neuropsychosen (Hysterie, Zwangsneurosen, Phobien, halluzinatorische Psychosen) und Aktualneurosen (Angstneurose, Neurasthenie).

[...]


[1] Köhler, Thomas: Freuds Psychoanalyse - Eine Einführung. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer, 1995. S.96

[2] Köhler (1995): S.96

[3] Köhler (1995): S.97

[4] Hinzuzufügen wäre hier jedoch, dass Anna O. von ihren Leiden nie ganz geheilt wurde und die Dokumentation Breuers lückenhaft ist.

[5] Köhler (1995): S.98

[6] Köhler (1995): S.99

[7] Köhler (1995): S.102

[8] Köhler (1995): S.102

[9] Köhler (1995): S.102

[10] Erinnerungen an die Kindheitsmasturbation können, nach Freud, zu Phantasien von Kindesmissbrauch umgewandelt werden, weil sich die Patienten ihrer eigenen Handlungen schämen.

[11] Köhler (1995): S.108

[12] Köhler (1995): S.108

[13] Köhler (1995): S.109 f.

[14] Köhler (1995): S.111

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Freiheit und Unfreiheit in der Krankheit
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V148579
ISBN (eBook)
9783640591930
ISBN (Buch)
9783640591657
Dateigröße
417 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Freiheit, Philosophie, Freud, Peter Bieri, Mitscherlich, Unfreiheit, Krankheit, freier Wille
Arbeit zitieren
Magistra Artium Daniela Wiedmer (Autor:in), 2007, Freiheit und Unfreiheit in der Krankheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148579

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