Über die ästhetische Erziehung des Menschen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. „Woran liegt es, dass wir noch immer Barbaren sind?“

2. „Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus“ - Zusammenfassung der Briefe 1-16

3. Der ästhetische Zustand
3.1. „An dem Menschen findet sie einen schon verdorbenen und widerstrebenden off“ - Brief 17
3.2. „Die hönheit verknüpft die zwey entgegengesetzten Zustände“ - Brief
3.3. „Der Wille behauptet eine vollkommene Freyheit zwischen beyden“ - Brief 19
3.4. „Die halen einer Wage stehen gleich, wenn sie leer sind; sie stehen aber auch gleich, wenn sie gleiche Gewichte enthalten.“ - Brief 20
3.5. „In dem ästhetischen Zustand ist der Mensch also Null“ - Brief 21
3.6. „Ein Zustand der höchsten Realität“ - Brief 22

4. „Die alten Grundsätze werden bleiben, aber sie werden das Kleid des Jahrhunderts tragen“

5. Literaturverzeichnis
5.1. Primärliteratur
5.2. kundärliteratur

1. „Woran liegt es, dass wir noch immer Barbaren sind?“

Obwohl wir diese Frage erst im achten Brief von Schillers ästhetischer Erziehung finden, können wir sagen, dass sie doch eine der Leitfragen ist, die beantwortet werden soll und muss.[1] Wie kann es sein, dass wir, obwohl wir in einer aufgeklärten Gesellschaft leben und uns dennoch unserer Natur bewusst sind, noch immer als Barbaren, aber auch als Wilde auftreten? Woran liegt es, dass wir immer dem einen oder anderen Trieb in uns den Vorzug geben, entweder als Vernünftige erscheinen wollen oder uns unsere Rechte wie Tiere erkämpfen möchten? Zwar stellt sich Schiller diese Frage in Bezug auf seine Zeit, die geprägt war durch die Französische Revolution, aber auch durch seine eigenen Erfahrungen als Schriftsteller, dennoch können wir auch in unserer Zeit die Fragestellung als aktuell betrachten, was am Ende dieser Arbeit der Fall sein soll. Hauptziel dieser Arbeit ist es jedoch den Weg aufzuzeigen, der uns zum ästhetischen Zustand führt, wie ihn Schiller in den Briefen 17 bis 22 darstellt. Zuvor erscheint es aber sinnvoll, eine kurze Zusammenfassung mit wesentlichen Punkten der vorherigen Briefe zu geben. Das ist alleine deshalb schon notwendig, weil die Begriffe, die Schiller in den vorherigen Briefen geprägt hat, unbedingt geklärt werden müssen. Was verstehen wir unter Person und Zustand? Welche Triebe herrschen in uns und wie ist es möglich, sie zu vereinigen, wenn dies überhaupt möglich ist? Welchen Dienst leistet dabei die Kunst, die Kultur? Was ist Schönheit? Welche Aufgabe haben die schmelzenden und energischen Kräfte? Nur durch das Verständnis dieser, man könnte sagen, Grund­begriffe, ist es auch möglich, den Weg zum ästhetischen Zustand nachzuvollziehen. Dabei soll die Betrachtung sich allein auf Schillers Auffassungen beziehen. Zwar orientierte sich Schiller vornehmlich an Kantischen Grundsätzen, wie er selbst am Anfang schreibt und in der Sekundärliteratur werden viele weitere philosophische Strömungen, insbesondere von Fichte und Hegel, im Zusammenhang zur ästhetischen Erziehung betrachtet, dennoch baut Schillers Abhandlung nicht vollständig auf ihnen auf und muss eigenständig betrachtet werden, zumal er sich in einigen Punkten sehr wohl von Kant unterscheidet.

Der Schluss soll eine Rückführung zum Beginn sein und beweisen, dass Schiller in seiner Abhandlung Weitblick gezeigt hat, als er schrieb: „Die alten Grundsätze werden bleiben, aber sie werden das Kleid des Jahrhunderts tragen[.. ,]“[2].

2. „Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus“- Zusammenfassung der Briefe 1 - 16

[3] Die zuvor schon angesprochene Kritik an Kant zeigt sich bereits im ersten Brief der ästhetischen Erziehung. Zwar offenbare die technische Form dem Verstand die Wahrheit, doch ginge das Gefühl verloren. Nur, wenn man diese Form aufheben würde, könnte die Natur sichtbar werden. Schiller vergleicht diese Feststellung sogleich mit dem Künstler, der die Natur nur durch ihre Vernichtung einfangen kann.[4] Aber wird der Künstler in einer Zeitepoche wie der Schillers überhaupt gebraucht, wo die Bedürfnisse und die Not über die Menschen herrschen und politische Entscheidungen mehr gelten sollten, als die Aufstellung ästhetischer Grundsätze? Ja, so Schiller, denn der Weg zur Lösung des politischen Problems sei in der Schönheit zu suchen, durch die allein man zur Freiheit gelangen kann.[5]

Mit dieser Feststellung kann sich Schiller nun der Entwicklung des Menschen zuwenden. Erwacht der Mensch, findet er sich in einem Staat aus Naturgesetzen wieder, der nur durch den Zwang der Bedürfnisse entstanden ist. Doch damit kann und darf sich der Mensch auch nicht zufrieden geben. Stattdessen vollzieht er mit Hilfe der Vernunft und Sittlichkeit diesen Prozess noch einmal und gelangt zu einem Naturstaat in der Idee mit einem Endzweck, den er selbst geschaffen hat, durch seine freie Entscheidung. Der Naturstaat aber widerspricht dem moralischen, da er allein von Kräften abgeleitet ist. Der moralische Mensch dient aber den Gesetzen. Dieser Naturstaat ist zunächst jedoch ausreichend „[...] für den physischen Menschen, der sich nur darum Gesetze giebt, um sich mit Kräften abzufinden.“[6] Der Naturstaat kann nur durch die Vernunft in einen sittlichen umgeformt werden. Dabei muss sich jedoch der physische Mensch dem moralischen annähern. Der Mensch wird zunächst an ein Ideal heran geführt, jedoch unter der Aufhebung seiner Tierheit, die ihn erst zum Menschen macht, so muss der Mensch noch vor dem Staat der Gesetze fallen. Der physische Mensch darf beim Übergang in einen sittlichen Menschen nicht verloren gehen. Dazu, sagt Schiller, sei eine Stütze notwendig, ein dritter Charakter, dem die Willkür des natürlichen und die Freiheit des moralischen Menschen fehlt.[7]

In diesem Zusammenhang kommt Schiller zum Willen, der immer zufällig sei und „frey zwischen Pflicht und Neigung“[8]. Pflicht und Neigung müssen dafür jedoch in einem Gleichgewicht bleiben. Schiller ist davon überzeugt, dass jeder Mensch der Anlage nach so einen idealistischen Menschen in sich trägt und dieses Ideal sich im Staat repräsentiert. Es gäbe zwei Möglichkeiten, wie der wirkliche Zeitmensch mit dem Idealmenschen zusammentreffen könnte. Entweder indem der reine den empirischen Menschen unterdrückt, so also auch der Staat seine Individuen aufhebt. Oder indem das Individuum Staat wird und der Zeitmensch zum Idealmensch veredelt wird. Der Staat verhält sich nämlich genauso wie der Mensch sich zu sich und anderen verhält. Ist er sich einig, so wird der Staat nur „Ausleger seines schönen Instinktes“[9]. Herrscht aber schon im Menschen ein Kampf, bei dem eine Macht eine Andere unterdrücken muss, um zu gewinnen, so wird der Staat gegen jede Individualität ebenso vorgehen. Die Uneinigkeit im Menschen zeigt sich auf zweierlei Art: im Wilden und im Barbaren. Der Wilde lässt seine Gefühle über seine Grundsätze herrschen und verehrt die Natur, verachtet die Kunst. Beim Barbaren herrschen die Grundsätze über seine Gefühle, er verspottet die Natur und ist doch mehr noch ihr Sklave als der Wilde. Der gebildete Mensch dagegen verehrt die Natur und die Freiheit und zügelt lediglich ihre Willkür. Erst da, so Schiller, wo die Einigkeit herrscht, kann der Staat der Not in einen Staat der Freiheit umgewandelt werden.[10]

In seiner Zeit kann Schiller so eine Einigkeit jedoch nicht finden. Wo Gefühle von der Vernunft unterdrückt und jene, die es wagen, zu schwärmen und zu träumen, verspottet werden, kann keine Einheit existieren. Die vom Menschen geschaffene Kultur selbst ist es, die die Freiheit vereitelt und immer neue Bedürfnisse schafft.[11] Doch gab es einst eine Kultur, in der Schiller ein Maximum der Einheit entdecken konnte: die griechische Kultur. In Schillers Zeit finden sich jedoch nur leblose Teile, Bruchstücke, die lediglich zu einem mechanischen Ganzen zusammengesetzt werden können. Alles wurde getrennt und kategorisiert, in Ständen oder Berufen, so kann auch der Mensch in sich nicht mehr eins sein: „Und so wird denn allmählig das einzelne konkrete Leben vertilgt, damit das Abstrakt das Ganzen sein dürftiges Daseyn friste, und ewig bleibt der Staat seinen Bürgern fremd, weil ihn das Gefühl nirgends findet.“[12] Um die Menschheit aber zu entwickeln ist der Antagonismus der Kräfte in uns notwendig. Er ist das Instrument der Kultur, die aber solange nicht erreicht sei, wie das Instrument nötig ist. Doch das Ganze muss durch die Ausbildung der entgegensetzten Kräfte nicht zerstört werden. Und wenn doch, so kann die Totalität durch höhere Kunst vielleicht wieder hergestellt werden.[13] Diese Hilfe kann man vom Staat aber nicht erhoffen, da er sich als vernünftiger Staat erst auf der Basis eines besseren Menschen bilden kann. So könne man es auch an der Natur sehen, in der die Veredlung erst dann erfolgen kann, wenn der Streit der elementaren Kräfte ein Ende gefunden habe.[14]

Die Vernunft habe inzwischen alles zur Aufklärung beigetragen, was sie konnte, doch die Wahrheit ist noch nicht zu einer Kraft geworden, da sie keinen Trieb aufgestellt hat. Triebe sind bei Schiller aber die bewegenden Kräfte. Eigentlich sind damit alle Täuschungen beseitigt und die Philosophie selbst hat zur Rückkehr zur Natur aufgerufen, doch warum sind wir dann noch immer Barbaren? Schiller beantwortet die Frage mit der Feststellung, dass die meisten Menschen vom Kampf mit der Not so erschöpft seien, dass sie es mit dem Irrtum nicht mehr aufnehmen wollten und deshalb auch Mitleid verdienten. Andere wiederum, die dazu in der Lage seien, weil es ihnen durch ihre gesellschaftliche Situation so ermöglicht sei, wollten die Wahrheit nicht sehen, weil sie durch sie verlieren würden. Aufklärung des Verstandes sei damit nur da wirklich achtungswürdig, wo sie auch auf den Charakter wirkt. Denn sie geht erst vom Charakter aus und der Weg zum Kopf kann nur durch das Herz geöffnet werden. So erscheint es ihm, Schiller, am dringendsten, das Empfindungsvermögen weit mehr auszuprägen.[15]

Doch wie bildet man nun einen edlen Menschen in einem barbarischen Staat aus? Dazu benötigen wir, laut Schiller, die Kunst, die die Würde der Menschheit über die Jahrhunderte gerettet hat und die Wahrheit in der Täuschung fortleben lässt, einzig und allein durch die Kunstwerke. Auch ermöglichen sie, das, was einst glanzvoll war, wieder aufzubauen. Dazu muss vor allem der Künstler beitragen, der „[...] der Welt, auf die [er wirkt], die Richtung zum Guten“[16] geben soll, damit die Zeit die Entwicklung voran bringen kann.[17]

Nun gibt es, so Schiller, genügend Beweise, dass die Schönheit dazu beigetragen hat, die Sitten zu verfeinern, doch halten viele Herrscher sie lediglich für eine verzichtbare Wohltat. Andere wiederum halten die Schönheit gar für gefährlich, da sie die Realität verschleiern soll und Hoffnungen auf eine Welt weckt, die dem Realen widerspricht. Auch Schiller muss zugeben, dass in den vergangenen Jahrhunderten da, wo Schönheit war, auch gleichzeitig Verfall geherrscht hat. Dennoch sei sie die wirksamste Kraft, um die Menschen voran zu bringen. Aber er weigert sich, die Schönheit auf rein empirischer Basis zu betrachten. Viel mehr müsse durch Abstraktion ein Vernunftbegriff der Schönheit geschaffen werden, die Schönheit als eine notwendige Bedingung der Menschheit.[18] Er beschreitet weiter den Weg der Abstraktion und macht nun zwei wichtige Begriffe geltend: Person und Zustand, die Beide im Menschen vorhanden sind. Die Person sei dabei das Bleibende, der Zustand das Wechselnde. Sie sind nicht aufeinander gegründet. Die Person ist begründet auf sich selbst, da sie nicht auf Veränderung basieren kann, wenn sie bleibend sein soll. Sie ist damit „die Idee des absoluten, in sich selbst gegründeten Seyns, d.i. die Freiheit“[19]. Der Zustand aber muss einen Grund haben, er muss erfolgen und ist daher die „Bedingung alles abhängigen Seyns oder Werdens, die Zeit“[20]. So kann man sagen, dass der Mensch eine Person in einem bestimmten Zustand ist, der einen Anfang haben und werden muss. Er existiert nur durch Unveränderlichkeit und Veränderung. Der vollendete Mensch müsste darum trotz der Veränderungen um ihn herum, gleich bleiben. Schiller vergleicht den

[...]


[1] Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen. Stuttgart: Reclam, 2000. S.32/6-7

[2] Schiller (2000): S.30/22-24

[3] Schiller (2000): S.23/22-24

[4] Vgl. Schiller (2000), l.Brief

[5] Vgl. Schiller (2000), 2.Brief

[6] Schiller (2000): S.12/34

[7] Vgl. Schiller (2000), 3.Brief

[8] Schiller (2000): S.14/28f.

[9] Schiller (2000): S.17/13

[10] Vgl. Schiller (2000), 4.Brief

[11] Vgl. Schiller (2000), 5.Brief

[12] Schiller (2000): S.24/27-30

[13] Vgl. Schiller (2000), 6.Brief

[14] Vgl. Schiller (2000), 7.Brief

[15] Vgl. Schiller (2000), 8.Brief

[16] Schiller (2000): S.36/28

[17] Vgl. Schiller (2000), 9.Brief

[18] Vgl. Schiller (2000), 10.Brief

[19] Schiller (2000): S.44/9-10

[20] Schiller (2000): S.44/13-14

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Über die ästhetische Erziehung des Menschen
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V148578
ISBN (eBook)
9783640591923
ISBN (Buch)
9783640591640
Dateigröße
434 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Schiller, Schönheit, Erziehung, Bildung
Arbeit zitieren
Daniela Wiedmer (Autor:in), 2008, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148578

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