Deutsche Schienen in osmanischem Boden

Eine virtuelle Reise mit der Anatolischen und Bagdadbahn durch Geschichte, Wahrnehmungen, Raum und Zeit


Fachbuch, 2010

265 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Das Vorhaben: Projekte und Planung
1.1. Frisch geplant ist halb zerronnen
1.2. Die Streckenführung: Verbinden - durchdringen - wiedererwecken!

2. Überlegenheit!? Großmachtinteressen und abendländisches Sendungsbewußtsein
2.1. Den Kulturvorsprung zurückfluten lassen
2.2. Bauen! Verhindern! Beeinflussen! - Die Haltungen der Großmächte
2.3. Die Sprache bringt es an den Tag!
2.4. Archäologie und Bagdadbahn - fast eine Symbiose

3. Die historische Dimension: Durch ein Jahrhundert (Welt-) Geschichte
3.1. Die Jungtürken stellen den Bahnbau in Frage
3.2. I. und II. Balkankrieg: Militärzüge haben Vorrang
3.3. Der I. Weltkrieg: Das Ende der deutschen Bagdadbahn
3.4. Die Eisenbahn verliert ihre Unschuld
3.5. Die Zeit nach dem I. Weltkrieg: Chaos und Fremdherrschaft
3.6. Die junge Türkei behauptet sich gegen die Griechen
3.7. Die Türkei wird rasch Republik und die Eisenbahnen werden allmählich staatlich
3.8. Im II. Weltkrieg: Die Bahn wird zur Unzeit vollendet
3.9. Die Bagdadbahn nach dem II. Weltkrieg: Der Niedergang

4. Der Eisenbahnbau
4.1. Die Bahnkonzessionierung
4.2. Konkurrenz belebt das Geschäft nicht
4.2.1. Die Firma Philipp Holzmann
4.2.2. Die Baufirma des Grafen Vitali
4.3. Planer und Bahnbauer Heinrich August Meißner-Pascha
4.4. Europäische Ingenieure und einheimische Bauarbeiter
4.5. Die Bereitstellung des Baumaterials war eine logistische Meisterleistung
4.6. Führen Bahntunnels ins Reich der Finsternis?
4.7. Der Bau der einzelnen Streckenabschnitte

5. Unterwegs! Die Reisenden, ihre Wahrnehmungen und Empfindungen
5.1. Von der schwindenden Attraktivität einer Eisenbahnreise
5.2. Vor Räubern und Dieben wird gewarnt!
5.3. Malaria, Flöhe, mangelhafte Hygiene
5.4. Pilger, Händler, Soldaten und Beamte - alle wollen mit
5.5. Zeige mir, wie du dich benimmst
5.6. ... und was du trägst
5.7. ... und ich sage dir, wie du denkst!
5.8. Wo der "wahre Orient" beginnt
5.9. Gedanken reisen schnell
5.10. Ein Schwätzchen in Ehren kann kein Reisender verwehren!

6. Die Züge rollen! Bahnorganisation und Eisenbahnbetrieb
6.1. Anatolische und Bagdadbahn: Zwei Gesellschaften - eine Bahnlinie
6.2. Kaum unternehmerisches Risiko dank Kilometergarantie
6.3. Das Bahnpersonal
6.4. Fahrpläne Alla Turca
6.5. Die Bahn fördert das Reiseaufkommen
6.6. Gemächlich, beschleunigt, bis der Zug übernachtet!
6.7. Nicht schneller, billiger soll der Gütertransport sein!

7. Die Bahnreise: Eine virtuelle Fahrt durch Raum und Zeit
7.1. Von der Stadt der tausend Lichter in die Stadt aus Tausend und einer Nacht
7.2. Von erbärmlichen Dörfern und tückischen Tscherkessen
7.3. Einige Lesehinweise
7.4. Ankunft in Konstantinopel
7.5. Glückbringend über den Bosporus
7.6. Die Bahnfahrt

8. Am Ziel

Bibliographie

Zeitungen und Zeitschriften

1. Das Vorhaben: Projekte und Planung

1.1. Frisch geplant ist halb zerronnen

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es erste Ideen für eine Bahnverbindung von Kleinasien nach Bagdad und weiter zum Persischen Golf. Zwischen 1830 und 1840 bereiste der britische Oberst Sir Francis Chesney Syrien und Mesopotamien, um mögliche Verkehrswege zum Golf und weiter in Richtung Indien zu erkunden. Da Chesney weder bei der britischen Regierung noch bei privaten Geldgebern Interesse zu wecken vermochte, verfolgte er das Vorhaben nicht weiter.[1]

1872 beauftragte die Osmanische Regierung, die sogenannte Hohe Pforte[2], den deutschen Ingenieur Wilhelm von Pressel, welcher - zusammen mit Baron von Hirsch - schon bei Eisenbahnbauten im europäischen Teil des Osmanischen Reiches Erfahrungen gesammelt hatte[3], eine mögliche Streckenführung zu evaluieren. Pressel regte eine Bahn von Suedieh1(dem heutigen Saida oder auch Sidon) über Aleppo - Urfa - Mardin - Mossul - Kirkuk nach Bagdad und weiter bis rsischen Grenze an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sultan Mehmet V. bei einer Parade im Jahr 1910 in Konstantinopel Bild: Milli Kütüphane, Ankara

1878-79 bereiste der britische Entdecker und Marineoffizier Verney Lovett Cameron[4] das Euphrat-Tigris-Gebiet, um die Möglichkeit einer Eisenbahnverbindung zwischen der britischen Kolonie Indien und dem Mittelmeer zu untersuchen. In seiner 1880 veröffentlichten zweibändigen Studie "Our Future Highway" empfahl er den Bau einer Bahn von Konstantinopel über Diarbekir (Diyarbakir), Mossoul (Mossul) und Baghdad bis zum Persischen Golf. Außerdem sollten weitere Stichbahnen das Umland erschließen. Basierend auf diesen Vorstudien erging im Dezember 1882 tatsächlich eine Bahnkonzession für 99 Jahre an Sir Edward Cazalet und den Ingenieur Sir Thomas Selby Tancred für eine Bahnlinie von Tripoli oder Suedieh nach Aleppo - Bagdad - Basra und Kuwait. Die Interessen der britischen Politik hatten sich indes in der Zwischenzeit in den Raum des Suezkanals und nach Ägypten verlagert und das Bahnprojekt wurde nicht weiterverfolgt.[5]

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Links:

In heldenhafter Pose: Die zeitgenössische Darstellung zeigt den Planer des SuezKanals, Ferdinand de Lesseps, wie er die Kontinente auseinanderstemmt, um Raum für die Durchfahrt der Handels- und Kriegsschiffe zu schaffen. Bild: Herodote

Unten:

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Der osmanische Vizekönige von Ägypten Khedive Ismail - und Ferdinand de Lessep eröffnen 1869 den Suezkanal Bild: Atatürk Kütüphanesi, Istanbul

Ein englisches Konsortium unter Seefelder, Alt, Hanson und

Zafiropulo schlug Ende der 1870er Jahre der Osmanischen Regierung eine Verlängerung der bereits bestehenden Bahnlinie ab Ismid (Izmit) über Aleppo und dann dem linken Euphratufer entlang bis Bagdad vor.[6] 1880 nahm die Hohe Pforte die Planung selber an die Hand: Hassan Fehmi Pascha, Minister für öffentliche Arbeiten, schlug gleich drei mögliche Streckenvarianten vor: Alle gingen vom asiatischen Ufer Konstantinopels - Haidar Pacha (Haidarpa§a) - aus und endeten in Bagdad. Eine Variante sah eine Streckenführung von Haidar Pacha über Ismid - Eski-Chehir (Eski§ehir), Angora (Ankara) - Sivas - Malatia (Malatya) - Mardin - Nissibine (Nusaybin) nach Mossul und Bagdad vor. Eine weitere Variante zog eine Linienführung von Haidar Pacha über Ismid - Kutahia (Kütahya) - Konia (Konya) - Adana - Alep (Aleppo) und dann dem Euphrat entlang nach Bagdad in Erwägung. Eine dritte Planungsvorlage schließlich sah eine Streckenführung von Haidar Pacha über Ismid - Tokat - Sivas - Malatia (Malatya) - Diarbekir - Nissibine - Mossul bis Bagdad vor. Pressel beurteilte im Auftrage der Osmanischen Regierung die drei Vorhaben und empfahl nach Abwägung aller Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Linienführungen die dritte Variante.[7] Ein französischer Ingenieur namens Dumont schlug 1890 eine Linie von Alexandrette (iskenderun) nach Bagdad vor. 1891/2 lancierte der Bruder des russischen Botschafters in Wien und Zarenvertraute, Graf Wladimir I. Kapnist, Vorsitzender einer österreichisch-ungarisch - russischen Interessengruppe ein weiteres Bahnprojekt. Von der Hafenstadt Tripoli ausgehend sollte eine Bahn über Bagdad bis nach Basra führen. Es blieb jedoch beim "Kapnist-Projekt".[8]

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Die russische Botschaft in Konstantinopel, ca. 1900 Bild: Eski Istanbul

1892 empfahl M. Stramsforth als Vertreter einer britischen Gruppe und Nedjick Pascha (unterstützt von der Societe des Acieries d'Angleur) eine Bahnlinie von Ismid über Bolou (Bolu) -Sivas - Diarbekir und Mossul bis nach Bagdad.[9]

All diesen Projekten war gemeinsam, daß sie äußerst vage blieben und nie über eine erste Planungsphase hinauskamen.

In den Folgejahren gab es drei mehr oder weniger konkrete Vorhaben von Planern und Investoren: Eine italienisch-britische Gruppe unter dem Italiener M. A. Tonietti schlug vor, eine Bahn von Alexandrette oder Souedieh und dann entlang dem Euphrat bis nach Bagdad und weiter bis Basra zu errichten. Auch zog das Konsortium einen Weiterbau in nordwestlicher Richtung bis Konya in Erwägung, wo ein Bahnanschluß zur Anatolischen Eisenbahn hätte geschaffen werden sollen.[10]

Ein zweites Projekt stammte von einer französischen Gruppe unter Leitung des französischen Ingenieurs Cottard, der schon einer Bahngesellschaft in der Türkei vorstand.

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Blick auf die Banque Imperiale Ottomae (links) und dem Galataturm (rechts) Bild: Osmanli Bankasi Ar§iv

Diese Gruppe plante, in Konya einen Anschluß zur Anatolischen Bahn herzustellen und dann eine Bahnlinie entlang dem Tigris nach Bagdad und Basra zu bauen.[11] Eine dritte Interessengruppe bildete sich um die von britischem undfranzösischem Kapital dominierte Banque Imperiale Ottomane, der generell am Bau einer Bahnlinie nach Bagdad gelegen war.[12]

Insbesondere Frankreich und Großbritannien verfügten über einen beachtlichen wirtschaftlichen und politischen Einfluß im Osmanischen Reich. Das Land war im 19. Jahrhundert allmählich auf einen halbkolonialen Status herabgesunken. Für die Großmächte war der Staat hauptsächlich

interessant als Absatzmarkt für Industriewaren und als Rohstoffquelle, wobei das Erdöl im nördlichen Irak eine gewichtige Rolle spielte.

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Die von Smyrna (heute Izmir) abgehende, von britischen Investoren betriebene Eisenbahnlinie nach Ayidin galt als typische „Ausbeutungsbahn“ Bild: Aliperdeci

Das Osmanische Reich wollte keine weiteren französischen und britischen "Ausbeutungsbahnen", welche als reine Stichbahnen Güter aus dem Binnenland zwecks Verschiffung ins Ausland an die Meerhäfen transportierten, sondern "Erschliessungsbahnen", welche alle Landesteile miteinander verbanden, die wirtschaftliche Entwicklung entlegener Regionen erleichtern und

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Von Smyrnaaus führten„Ausbeutungsbahnen“ in alle Himmelsrichtungen Bild: Baedeker 1912

Truppenverlegungen im Riesenreich ermöglichen sollten.[13]

"Der kranke Mann am Bosporus" war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch weder finanziell noch technisch in der Lage, den Bau eines solchen Bahnnetzes selbständig zu realisieren. Deutschland galt unter den Großmächten, welche für die Durchführung eines derartigen Unterfangens überhaupt in Frage kamen, als das kleinste Übel. Uneingeschränktes Vertrauen bestand indes auch gegenüber Deutschland nicht. Insbesondere die unverhohlene alldeutsche Kolonialpropaganda rief nicht nur in London, Paris und St. Petersburg negative Reaktionen hervor, sondern sie verstärkte auch in Konstantinopel das Mißtrauen gegenüber den "uneigennützen deutschen Freunden".[14] "Jetzt ist unsere Freundschaft ja groß, aber ich fürchte, im Grunde seid ihr doch nicht besser als die Russen und Engländer und wollt doch unser Land gleich diesen nehmen. Die Eisenbahn aber wird der Strick sein, mit dem ihr es an euch zieht", kommentierte ein Osmane.[15] Die Osmanische Regierung fühlte jedoch von französischen und britischen Finanz- und Wirtschaftskreisen derart bedrängt, daß sie sich trotz aller Bedenken an Deutschland wandte mit dem Anliegen, bei Planung, Finanzierung und Bau einer Bahnlinie quer durch das Osmanische Reich Unterstützung zu leisten. Im Oktober 1888 übertrug die Hohe Pforte einem Konsortium unter der Leitung der Deutschen Bank die Federführung.[16] Zur Mittelbeschaffung gründete die Deutsche Bank unter Mitbeteiligung der Schweizerischen Credit-Anstalt, des Wiener Bankvereins und der Banque Ottomane am 1. Dezember 1909 in Glarus (Schweiz) die "Societe anonyme pour la construction des chemins de fer en Turquie".

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Auch am Bankenplatz Zürich hatte man ein Interesse an einer Bahnerschliessung des Osmanischen Reiches Bild: Sammlung Autor

Dazu bemerkte der britische Botschafter in Bern kritisch, die Firmengründung in der neutralen Schweiz diene doch bloß dem Zweck, "mehr Kapital aus Frankreich, aus der Schweiz und auch aus Italien anzuziehen, als dies möglich gewesen wäre bei einer in Deutschland gegründeten Unternehmung."[17]

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Zentrale der Macht: Die Deutsche Botschaft in Konstantinopel Bild: Milli Kütüphane, Ankara

1.2. Die Streckenführung: Verbinden - durchdringen - wiedererwecken!

Bei der Festlegung der Streckenführung der Anatolischen und Bagdadbahn spielten topographische, politische, militärische, ökonomische und betriebstechnische Faktoren eine bestimmende Rolle. Die Bahnlinie sollte möglichst die Regionen und Städte mit wirtschaftlichem Potential erschließen. Es lag somit auf der Hand, zunächst Konstantinopel mit Ismid, Eskischehir und Angora zu verbinden.

Eine Streckenverlängerung von Angora nach Siwas (Sivas) und weiter nach Diarbekir (Diarbakir) war vorgängig verworfen worden aus Rücksicht auf Rußland und wegen des schwierigen Geländes. Die russische Grenze lag damals bei Kars und Rußland wehrte sich gegen eine Bahnlinie, welche in die Nähe der Grenze geführt hätte. Außerdem wären zahlreiche kostspielige Kunstbauten notwendig geworden. Stattdessen wählte man die südliche Variante via Afion (Afyon) und Konia (Konya) und weiter durch das Taurusgebirge. Dieses türmt sich bis zu 3700 müM. auf. Die Gebirgsdurchquerung erfolgte an der einzigen bautechnisch sinnvollen Stelle, bei der Kilikischen Pforte; dort wo bereits Alexander der Grosse den Gebirgszug überschritten hatte.

In Anatolien, durch den Taurus und in der Kilikischen Ebene folgte die Bahnlinie oft alten Karawanenstraßen.[18] Die Bahnplaner gingen praktisch überall von einem sehr regen Karawanenverkehr aus und erhofften sich, allmählich den mit Kamelen bewältigten Güterverkehr vollständig auf die Schiene zu verlagern.Daß solche Annahmen nur teilweise zutrafen, stellte schon der Bankier Carl

Fürstenberg, Direktor der Berliner Handelsgesellschaft und potentieller Financier der Bahn, fest. Auf einer Erkundungsreise zur möglichen Linienführung der Bagdadbahn in der kilikischen Ebene konstatierte er enttäuscht, er habe an der Stelle, wo die Karawanenstraße das Meer berühre, erwartet, "einen fortgesetzten Zug von umfangreichen Karawanen eintreffen [zu] sehen. Ich mußte aber einige Zeit warten, bis auch nur die ersten vereinzelten Kamele mit ihren Warenballen sichtbar wurden. Das alles machte auf mich einen so weltentlegenen und von europäischen Wirtschaftsbegriffen so weit abweichenden Eindruck, dass der ... Enthusiasmus stark abflaute".[19]

Die Osmanische Regierung entschied sich bei der Festlegung der Linienführung der Bagdadbahn gegen eine Streckenwahl entlang der Küste. Schiffsgeschütze reichten damals rund 50 km weit. Um außerhalb der Reichweite der britischen Schiffskanonen zu bleiben, aber auch um feindlichen Detachements, welche heimlich von Kriegsschiffen abgesetzt werden konnten, die Sabotagetätigkeit zu erschweren, wurde die Bahnstrecke wenn immer möglich tiefer als 50 km ins Landesinnere verlegt. Aus diesem Grund führte man die Bahnlinie dann auch nicht - was sich topographisch angeboten hätte - entlang der Küste via Alexandrette (Iskenderun) nach Aleppo, sondern über die baulich und finanziell weitaus aufwendigere Linie durch das Amanus-Gebirge.

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Die Eisenbahnlinie folgte den alten Karawanenstrassen Bild: Sammlung Autor

Die Eisenbahnlinie folgte den alten Karawanenstrassen Bild: Sammlung Autor Bei der Festlegung der Strecke hinter Aleppo entschied man sich für eine Linienführung mitten durch die syrische Halbwüste. Man hoffte, durch den Bahnbau würden die in der Antike noch fruchtbaren Gebiete in größerem Stile wieder urbar gemacht. Es schien deshalb klüger, diese Region zu "durchschneiden", statt von Norden her "aufzuschließen", wie es in den damaligen Quellen heißt.[20] Die Bagdadbahn führt an zahlreichen Ortschaften vorbei, die dem eigentlichen Siedlungsnamen den Begriff Tel(l) vorangestellt haben. Dieses Wort bezeichnet im Arabischen die antiken Wohnhügel. Sie waren den Zeitgenossen Beweis für die frühere Fruchtbarkeit und Produktivität des Landes und nährten die Hoffnung, "die alte Kultur zum Leben zu erweckten"[21], so "daß im Gefolge der neuen Erschließung des Landes durch die Bagdadbahn wieder ein hoher Wohlstand einziehen werde."[22]

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Die Kultur zurückfluten lassen. Ein Ackerbauer in der Nähe von Aleppo Bild: Sammlung Autor

Im irakischen Streckenteil schließlich befinden sich alle wichtigen Ortschaften entlang des Tigris. Man brauchte also nur dem Flußlauf zu folgen, um diese Orte sinnvoll miteinander zu verbinden. Unweit des Tigris beginnt wüstenähnliches Gebiet. Die Planer wählten deshalb - trotz gelegentlicher Überschwemmungsgefahr - soweit möglich eine sehr flußnahe Linienführung, um die Versorgung für die enorme Wassermengen verbrauchenden Dampflokomotiven sicherzustellen.[23]

2. Überlegenheit!? Großmachtinteressen und abendländisches Sendungsbewußtsein

2.1. Den Kulturvorsprung zurückfluten lassen

Für den europäischen Bildungsbürger im 19. Jahrhundert galt der Orient - insbesondere das Gebiet, das einst zum hellenistischen Kulturraum gehört hatte - als Wiege der westlichen Zivilisation schlechthin. Als Krönung der dort begonnenen Entwicklung galt die Schaffung der westeuropäischen Industriestaaten. Nun wollte man diesen Kulturvorsprung gleichsam zurückfluten lassen.[24] Diese geistige Grundhaltung rechtfertigte die Vormundschaft des Okzidents über den Orient. Die westlichen Großmächte Großbritannien, Frankreich und Deutschland - welche untereinander in scharfer Konkurrenz standen - stellten kulturelle Primatsansprüche: Die "friedliche Durchdringung" mit der jeweils eigenen nationalen Kultur und Sprache war oberstes Ziel. Ein wichtiges Mittel hierzu war der Bau einer Bahnlinie bis nach Bagdad und weiter. "Die Trägerin des Fortschritts, die Lokomotive, wird Kaldäa und Assyrien, die alten babylonischen Reiche, Ninive und Bagdad aus Jahrtausende währendem Schlaf erwecken"[25], prophezeite schwärmerisch ein französischer Zeitgenosse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das französische

Lyceum Saint

Joseph in Kadiköi

in Konstantinopel

Bild: Aziz Istanbul

Auch deutsche Orientreisende wurden – insbesondere nachdem Deutschland die Bauausführung übertragen worden war - von solch erhabenen Gefühlen durchwogt: "Wuchtige Erinnerungen verschmelzen sich mit den Eindrücken der Gegenwart, in Gedanken vermählt sich das Einst mit dem Heute. (...) Und es sind deutsche Spuren, welche tief ihre Furchen eingraben in klassischen Boden."[26] Dafür reagierten die Franzosen gekränkt auf die vermeintliche Bevorzugung der Deutschen durch die Osmanen: "Die Türkei hat die zivilisatorische und humanitäre Rolle der französischen Flagge in gedankenloser und undankbarer Weise verkannt. Wir werden [die Fahne] unter dem schönen blauen Himmel des Orients aber noch höher flattern lassen, über unseren Konsulaten, unseren Kirchen, unseren religiösen und Bildungseinrichtungen, über unseren Krankenhäusern und Universitäten."[27]

Die Vorherrschaftsansprüche zeigten sich auch deutlich beim Bau und später beim Betrieb der Anatolischen und Bagdadbahn: Deutsche Botschafter etwa mußten sich gegenüber ihren Vorgesetzten rechtfertigen,

weshalb innerhalb der deutsch dominierten Anatolischen Eisenbahngesellschaft die Sprache der oberen Verwaltung französisch war.[28] Das wichtige Betriebsreglement der Anatolischen Eisenabhn etwa wurde in Griechisch, Armenisch, Türkisch und Französisch aufgelegt, nicht aber in Deutsch.[29]

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Das Betriebsreglement der Anatolischen Eisenbahn: französisch - nicht deutsch. Bild: Trains of Turkey

Die Bahngesellschaft wurde außerdem ermutigt, deutsche Schulen entlang der Bahnlinie einzurichten, was sie in Haidar Pascha und Eskischehir auch tat. Auf deutscher Seite wurde mit Unbehagen festgestellt, daß die Franzosen in Eskischehir bereits eine Armenapotheke, eine Mädchen- und eine Knabenschule eingerichtet hatten. Britische, französische und deutsche Archäologen betrieben zahlreiche Grabungen im engeren und weiteren Einzugsgebiet der Anatolischen und Bagdadbahn. Machten sie bedeutendere Funde, so verblieben diese nicht im Land, sondern kamen ins British Museum nach London, in den Louvre nach Paris oder in Berliner Museen.

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Die Kultur zurückfluten lassen. Solche

Plakate verfehlten ihre Wirkung

auf unternehmungslustige Bildungsbürger nicht.

Bild: Ansichtskartensammlung Autor

Die Eisenbahn war Symbolträgerin für Modernität, Aufgeschlossenheit und Fortschritt. Der deutsche Schriftsteller Lindenberg schwärmte: "Überhaupt hat der Pfiff der Lokomotive das Dornröschenland aus langem Schlummer erweckt, und gleich einem befruchtenden Flusse hat der Schienenweg reichen Segen in jene bisher so weltfernen Gebiete gebracht."[30] Vielfach glaubten deutsche Reisende eine Wesensverwandtschaft zwischen den trotz den Versuchungen der Moderne tugendhaft gebliebenen Deutschen und der noch unverdorbenen, meist ethnisch türkischen Landbevölkerung feststellen zu können.[31] Das Verhältnis zwischen ihnen und den anatolischen Landbewohnern nahmen sie wahr als von Freundschaft, Vertrauen und Ehrlichkeit geprägt, die Landschaften und Orte empfanden sie als noch rein und unverfälscht. Bisweilen fühlten sich Reisende beim Ruf eines Kuckucks oder beim Anblick von Gänseblümchen sogar an Deutschland erinnert. Bei all diesen erfühlten Parallelen verwundert es nicht, daß die deutschen Ingenieure beim Bau der Anatolischen und Bagdadbahn ohne zu Zögern oft den Wilhelminischen Baustil verwendeten und Bahnhöfe in urdeutscher Architektursprache errichteten. Diese innere Werteverbundenheit bedeutete indes keineswegs eine

Gleichstellung der autochthonen anatolischen mit der deutschen Bevölkerung. Die Deutschen sahen sich vielmehr in der Rolle eines wohlwollenden Vormundes bei ihren noch unmündigen, unaufgeklärten türkischen Bauern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unmündig, unaufgeklärt, fleißig:

Türkische Bäuerinnen in

der westlichen Wahrnehmung

Bild: Atatürk Kütüphanesi, Istanbul

Die Weitergabe der Befähigungen und des technischen Fortschrittes - Eisenpflüge, Bewässerungsanlagen, Bautechniken, die Erschließung mit der Eisenbahn - verstanden sie als Gaben eines sich überlegen Wissenden an seine noch unreifen "Kinder", von denen Dankbarkeit, Entgegenkommen, Wohlverhalten und bevorzugte Behandlung erwartet werden durfte.[32] Schmidt widerspiegelt den Zeitgeist, wenn er in seiner 1914 vorgelegten Dissertation feststellt: "Die Deutschen haben das Größte für die Erschließung der asiatischen Türkei geleistet; durch die jetzt schon beinahe vollendete Ausführung der Zentralbahn [Konstantinopel - Ankara] haben sie aber erst die Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung des ganzen Wirtschaftskörpers gelegt. Sie können dafür den Anspruch erheben, in dem Genuß der rechtmäßigen Früchte ihrer Tätigkeit nicht gestört zu werden, d.h. sie dürfen verlangen, daß kein anderes Volk sie daran hindert, sich an dem kommenden Aufschwung des Landes ... zu beteiligen."[33] Auch der deutsche Orientreisende Lindenberg mahnt, es nicht beim bloßen Bahnbau zu belassen, sondern die Gunst der Stunde zu nutzen: Und "eines Tages hielten die Deutschen selbst ihren Einzug in Anatolien, auf denselben Pfaden, welche die Kreuzritter gezogen, aber nicht wie jene mit trutzigen Waffen und hoch zu Roß mit wehenden Bannern: Werkzeuge und Maschinen aller Art führten sie mit sich und in ihrem Gefolge ein Heer von emsigen Arbeitern, gegraben wurde und gebaut, schwindelnde Abhänge und reißende Ströme wurden überbrückt, Berge durchbohrt und Sümpfe ausgetrocknet, wo bisher auf hindernisreichen Wegen lange Kamel-Karawanen entlanggestapft, da dehnten sich gleißende Schienenstränge aus, auf welchen am Anfang der [18]90er Jahre pustend und schnaubend die ersten Lokomotiven - 'Landdampfer' nannten sie die türkischen Bauern - einherrollten, Leben, Bewegung, Kultur in jene halbvergessenen Gebiete bringend, die einst für das römische, dann das griechische Reich die unerschöpfliche Kornkammer gewesen, und die nun wieder von Jahr zu Jahr inwirtschaftlicher wie politischer Beziehung ganz erstaunlich an Wichtigkeit gewinnen.

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Bahnhof Haydar Pascha: Ankunft eines Zuges. Der ‚Landdampfer’ bahnt sich seinen Weg.

Bild: Tan Alper

So kämpfen die neuen Deutschen in Klein-Asien, ihr Sieg aber heißt die Anatolische Eisenbahn, mit deutschem Geld von deutschen Ingenieuren erbaut und unter musterhafter deutscher Verwaltung stehend. Kein richtiger Sieg jedoch, der nicht ausgenutzt wird."[34] Die geforderte Durchdringung sollte insbesondere mittels der Anatolischen und Bagdadbahn erfolgen und möglichst alle Lebensbereiche umfassen. In einer Mischung aus Naivität und Arroganz postulierte ein Anhänger alldeutschen Gedankengutes 1892: "Wenn einmal am Bahnhof zu Angora der klassische Ruf erschallt: Warme Würstchen, Glas Bier gefällig! Dann wird Deutschland in Kleinasien den Fuss im Steigbügel haben."[35]

2.2. Bauen! Verhindern! Beeinflussen! - Die Haltungen der Großmächte

Deutschland: Im Oktober und November 1898 unternahm Kaiser Wilhelm II. seine berühmte Orientreise nach Konstantinopel, nota bene mit der Eisenbahn. Der Kaiser machte auch einen Bahnausflug nach Hereke und weihte in Konstantinopel den Kaiser-Wilhelm-Brunnen ein. Bei seinen Gesprächen mit der hohen Pforte ging es auch um den Weiterbau der Bahnlinie ab Konya Richtung Bagdad. Am 23.12.1899 wurde eine Vorkonzession unterzeichnet: Die Berliner Zeitung schwärmte, Sultan Abdul Hamid II. wolle die Bahn von Inneranatolien bis Bagdad und später vielleicht sogar bis Bassorah (Basra) am Persischen Golf verlängern lassen. Die beiden "Märchenstädte" hätten "bei Groß und Gering guten Klang". Nun müsse "jener Märchengeist" allerdings "dem schrillen Pfiff der Lokomotive weichen. Über den wunderlich geschlungenen Turbanen wird sich der Dampfstreifen des eilenden Zuges in Zukunft hinziehen."[36]

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Von der Märchenstadt

Basra

bestand nur eine

verklärte Sichtweise

Bild: Iraq Places

Bei der Konzessionierung der Bagdadbahn spielte - wie Arthur von Gwinner, Unterhändler der Deutschen Bank, unumwunden einräumte - auch Bestechungsgeld eine wichtige Rolle: "Aber um der Türkei solche Wohltat zu erweisen [eine Eisenbahn zu bauen], mußten wir ... an sämtliche Würdenträger hohen Bagschish bezahlen. Nur der brave Alttürke Zihni Pascha, Minister für öffentliche Arbeiten, mit dem ich die Bagdadbahnkonzession unterzeichnete, zeigte sich integer. Unser Direktor hatte auch ihm die übliche sechsstellige Vergütungszahl angeboten: 'Ich bin ein alter Mann', erwiderte Zihni, 'ich werde bald vor Allah erscheinen. Sollte ich da noch vorher meine Seele belasten?'"[37]

In deutsch-nationalen Kreisen bestanden weit über den bloßen Einsenbahnbau hinausreichende Absichten: Die alldeutsche "Welt am Montag" wünschte sich eine zwar noch friedliche, aber äußerst nachhaltig betriebene Kolonialisierung der Türkei: "Nur die Türkei kann das Indien Deutschlands werden. [...] Der Sultan muß unser Freund bleiben, natürlich mit dem Hintergedanken, daß wir ihn 'zum Fressen gern' haben. Zunächst freilich kann unsere Freundschaft völlig selbstlos sein. Wir helfen den Türken, Eisenbahnen [zu] bauen und Häfen an[zu]legen. [...] Der 'kranke Mann' wird gesund gemacht, so gründlich kuriert, daß er, wenn er aus dem Genesungsschlaf aufwacht, nicht mehr zum Wiedererkennen ist. Man möchte meinen, er sehe ordentlich blond, blauäugig germanisch aus. Durch unsere liebende Umarmung haben wir ihm soviel deutsche Säfte einfiltriert, daß er kaum noch von einem Deutschen zu unterscheiden ist. So können und wollen wir die Erben der Türkei werden, von ihr selbst dazu eingesetzt. Wir pflegen den Erblasser getreulichst bis zu seinem Tode. [...] Diesem Zukunftsgedanken hat die Kaiserreise kräftig vorgearbeitet."[38]

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Die am Bagdadbahnbau maßgeblich Beteiligten verfolgten - obwohl alldeutsche Träumer dies nur all zu gerne gesehen hätten - keine kolonisatorischen Absichten im engeren Sinne. Vielmehr war der Bahnbau gedacht als "Verkehrsunternehmen, das durch Aufschliessung der asiatischen Türkei unserer Industrie und unseren Technikern Arbeit und Verdienst" verschaffen sollte.[39] Der wohl bekannteste Werber für eine exportwirtschaftlich orientierte Bagdadbahn-Politik in den Jahren vor dem I. Weltkrieg war Paul Rohrbach. Der Theologe, Geograph und Publizist hatte mehrere ausgedehnte Orientreisen unternommen. In seinem Buch "Die Bagdadbahn" geißelte er die alldeutschen Propagandisten als Saboteure

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

am Bagdadbahnbau: Der Erfolg der deutschen Politik läge im Einfluß deutschen Geldes und deutscher Technik. Dies würde die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen fördern. "An mehr sollte auch in Deutschland kein vernünftiger Mensch denken. Die Idee, das Gebiet der Bagdadbahn ganz oder teilweise mit einer deutschen Bauernauswanderung zu kolonisieren, was von Leuten in Deutschland ohne Kenntnis der hiesigen Verhältnisse mitunter geäußert wird, ist die unglücklichste, die es nur geben kann und wie keine andere geeignet, den Bahnbau unter deutscher Leitung, der jetzt in der Türkei durchaus populär ist, bei der Regierung wie bei der Bevölkerung gleich stark zu diskreditieren."[40]

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Die Bagdadbahn.: Störfaktor der britischen Interessenssphären und Stachel im imperialen Fleisch.

Bild: Wikipedia UK

Großbritannien: In den Zielgebieten der Bagdadbahn, in Mesopotamien und am Persischen Golf, hatte von allen Großmächten Großbritannien die gewichtigsten Interessen.

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Auch Karten und deren Darstellungsformen sind Ausdruck von Wahrnehmungen, Haltungen oder Ängsten.. Es ist deshalb keineswegs Zufall, daß alle zeitgenössischen Karten,, welche den Verlauf der Bagdadbahn als tief in den Nahen und Mittleren Osten raumgreifende Bahnlinie, oder aus der - die räumliche Wahrnehmung noch vergrößernden - Vogelperspektive oder als Achsenverbindung Berlin - Bagdad darstellen, nicht deutscher, sondern britischer Provenienz sind. Die Karte zeigt die Achse Berlin - Bagdad. Bild: Sammlung Autor

Es fürchtete ein Anwachsen des deutschen Einflusses in der Region und eine mögliche deutsche Kontrolle der Verkehrswege zur britischen Kronkolonie Indien. Der englische Widerstand gegen das Bahnprojekt war entsprechend heftig und dauerhaft.

Großbritannien betrachtete den Persischen Golf als Teil seines Sicherheitsglacis für Indien. Zudem wollte sich London nicht aus dem Handel in Mesopotamien, für welchen es seit nahezu zweihundert Jahren das Monopol inne hatte, verdrängen lassen. Ferner hofften die Briten von den bedeutenden Erdölvorkommen im Raum Mossul profitieren zu können. Angesichts des weit fortgeschrittenen Bahnbaues gab Großbritannien 1912/13 den Widerstand gegen die Bagdadbahn auf und erlaubte Deutschland ausdrücklich den Bahnbau. Dieses Zugeständnis war freilich an die Bedingung geknüpft, daß der deutsche Bahnbau in Basra enden sollte und nicht noch bis an den Golf selber weiter getrieben werden durfte.[41]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese britische Karte

von ca. 1910 zeigt die

Bagdad- und

Hedjazbahn als raumgreifende

britische

Bedohung und verdeutlicht

die geopolitishen

Urängste Großbritanniens.

Bild: Sammlung Autor

Frankreich: Der

Widerstand Frankreichs gegen den Bau derBagdadbahn war zwar vorhanden, aber meist halbherzig. Einige französische Gesellschaften betrieben bereits verschiedene Eisenbahnlinien im Raume des heutigen Syrien. Diese Bahnen erzielten dank dem Bau der Bagdadbahn vorerst beachtliche Einnahmen, da in erheblichem Umfang Baumaterial für den Bau der Bagdadbahn mit diesen französischen Bahnen herantransportiert wurde. National gesinnte Franzosen zürnten indes, man helfe dem Feind und schwäche die eigene Position. Die Bagdadbahn und die Erschließung von Alexandrette (Iskenderun) bedeute den Todesstoß für die französischen Bahngesellschaften in Syrien.[42] 1917 erregte sich der französische Minister für öffentliche Arbeiten: "Deutschland will Mesopotamien. Einige seiner Bahnhöfe [auf der Bagdadbahnstrecke] sind ausgebaut wie Befestigungsanlagen. (...) Unser [französischer] Stellenwert schwindet von Tag zu Tag."[43] Von festungsgleichen Bahnhöfen konnte zwar keine Rede sein. Einzig in Mürschitpinar wurde ein bunkerähnliches Blockhaus als Bahnhofgebäude errichtet. Doch mitten im erbittert geführten I. Weltkrieg blieb kein Platz für differenzierte Bestandsaufnahmen. Frankreich fürchtete um seine Stellung im Mittleren Osten: "Wir mußten mit ansehen, wie unsere Ordnung durcheinander gebracht, unsere Verträge zerrissen, unsere Niederlassungen geplündert und ausgeraubt wurden und wie andere sich unserer Eisenbahnen bemächtigten, unsere Rechte mißachtet und verletzt, unsere Staatsangehörigen, welche für den ökonomischen Aufschwung der Türkei gearbeitet hatten, des Landes verwiesen oder in Konzentrationslager gesperrt wurden:"[44]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das französische Krankenhaus am Taksim-Platz in Konstantinopel, ca. 1910

Bild: Atatürk Kütüphanesi, Istanbul

Rußland: Das Zarenreich spekulierte auf ein Auseinanderfallen des Osmanischen Reiches und war deshalb von Anfang an gegen den Bau der Bagdadbahn. Man befürchtete, ein Bahnbau würde das Osmanische Großreich zusammenschweißen, seine Wirtschaft stärken und Truppenverschiebungen erleichtern. Außerdem glaubte Rußland, der wachsende Einfluß Deutschlands im Mittleren Osten könnte Rußlands Stellung in Persien zurückdrängen.

2.3. Die Sprache bringt es an den Tag!

Die türkischen Begriffe rund um die Eisenbahn stammen ganz überwiegend aus dem Französischen und nur zu einem viel geringeren Teil aus dem Englischen, jedoch überhaupt nicht aus dem Deutschen. Die systematische Übernahme von Fremdwörtern aus den Bereichen Technik und Verkehrswesen, die zu jener Zeit zunehmend den osmanischen Alltag zu prägen und zu verändern begannen, war notwendig geworden, da entsprechende Ausdrücke im Türkischen vollständig fehlten.

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Die neuen Begriffe zeugen aber auch vom hohen Stellenwert der französischen Sprache, die symbolhaft stand für Bildung, Kultur und Moderne. Schließlich sind die Wortentlehnungen auch "sprechender" Beleg dafür, wer im Osmanischen Reich bis zum Bau der Antalolischen und Bagdadbahn bei der Erschließung des Landes mit Eisenbahnen das Sagen hatte: Franzosen und Briten.

Begleiten wir nun sprachlich einen Bahnreisenden, der sich um 1910 in Konstantinopel vom Europäerviertel Pera hinüber zur asiatischen Seite nach Haidar Pascha begibt. In Aufbruchstimmung ergreift unser Reisender sein Reisegepäck (tr bagaj, f bagage), vor seinem Hotel (tr otel, f hotel), besteigt die Straßenbahn (tr tramvay, e tramway), löst beim Schaffner (tr biletgi von f billet) noch schnell einen Fahrschein (tr bilet) und läßt sich vom Tramfahrer (tr vatman von e Watt [elektr. Leistung] und e man) zur Schiffstation führen. Dort besteigt er das Dampfboot (tr vapor, f vapeur) und setzt über nach Haidar Pascha. Am Bahnhof (tr gar, fr gare) angelangt, löst er am Fahrkartenschalter (tr gi§e, f guichet) seinen Fahrschein und nimmt in der Bahnhofsgaststätte (tr büfe, fr buffet) noch eine Erfrischung zu sich. Allzu knapp vor Abfahrt des Zuges (tr tren, f train) stürzt unser Reisender auf den Bahnsteig (tr peron, f perron) und wäre fast in einen bereit stehenden Vorortszug (tr banlyö tren, f banlieu und f train), statt dem Schnellzug (tr ekspres, f express) eingestiegen. Das Streckensignal (tr sinyal, f signal) steht auf "freie Fahrt", der Lokführer (tr makinist, f machiniste) löst die Bremsen (tr fren, f frein), ein Ruck geht durch den Zug, die Puffer (tr tampon, f tampon) stoßen aufeinander und wir verlassen auf ratternden Geleisen (tr ray, f rail)[45] den Bahnhof. Bereits will der Schaffner (tr kondüktör, f conducteur) die Fahrkarten sehen und vorbei an geschlossenen Bahnschranken (tr bariyer, f barriere) brausen wir - durch die Station (tr istasyon, f station) "Abzweigung" (tr bifurkation, f bifurcation) - in Richtung Ismid.

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2.4. Archäologie und Bagdadbahn - fast eine Symbiose

1871 wurde Berlin zur Hauptstadt des neu gegründeten Deutschen Reiches. Die neue Reichshauptstadt trat nun in Konkurrenzkampf mit den anderen Kulturmetropolen Europas: Paris, London und Wien. Repräsentative Museen - vorzugsweise mit antiken Bezügen - spielten hierbei nicht nur als Stätten der Bildung, Erziehung und Forschung, sondern auch als Prestige- und Renommierobjekte eine wichtige Rolle. Im "Wettbewerb der Nationen" galt es, für das Deutsche Reich möglichst viele und möglichst eindrucksvolle Funde zu sichern. Das christliche Abendland und die Archäologen jener Zeit waren zudem überaus interessiert an der Identifizierung von Orten, welche auch in der Bibel Erwähnung fanden.[46] Kaiser Wilhelm II. entwickelte ein starkes Interesse an der Archäologie. Zudem verband ihn eine persönliche enge Freundschaft mit dem osmanischen Sultan Abdul Hamid II., der sich über zahlreiche innerstaatliche Widerstände hinwegsetzte und den Deutschen großzügig Grabungslizenzen erteilte. Der überwiegende Teil aller archäologischen Fundstücke aus dem Ausland, welche ihren Weg nach Berlin fanden, stammte denn auch aus dem Osmanischen Reich. Schon 1884 wurde auf Betreiben vom Direktor des Osmanischen Museums in Konstantinopel, Osman Hamdi Bey, ein Antikengesetz erlassen, welches generell die Ausfuhr von antiken Fundstücken verbot. Dennoch blieben Fundteilungen zwischen dem Osmanischen Reich und der jeweils grabenden Nation die Regel.[47] Viele kleinere Fundstücke wurden auch ohne langes Nachfragen außer Landes verbracht. Im November 1899 schlossen Kaiser Wilhelm II. und Sultan Abdul Hamid II.

ein Geheimabkommen in Form eines diplomatischen Notenwechsels, welches Fundteilungen zwischen dem Osmanischen Reich und Deutschland generell erlaubte. Das Abkommen wurde indes nur ein einziges Mal offiziell zur Anwendung gebracht - bei der Teilung der Funde aus Assur im Jahre 1914. Ein solches Vorgehen stärkte letztlich die mit neuem türkischem Selbstbewußtsein erfüllten Jungtürken, welche ein tiefes Mißtrauen gegen die europäischen Hegemonialmächte hegten.

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Erst ab den 1930er Jahren verstand die Eisenbahn ihre symbiotische Nähe zu archäologischen Stätten als Werbemittel einzusetzen,. Mit diesem Plakat wird geworben für die Besichtigung des Ktesiphon-Bogens südlich von Bagdad. Die Anreise mit der Eisenbahn wird explizit vorausgesetzt.

Bild: Sammlung Autor

Es gibt wohl kein Bahnprojekt auf der ganzen Welt, das in so symbiotischer und wechselvoller Beziehung zur Archäologie und zum Interesse am Altertum stand, wie das der Anatolischen und Bagdadbahn. Beide Bahnlinien berühren zahlreiche archäologische Stätten ersten Ranges und verschiedenster Epochen, Völker und Kulturen. Die Ingenieure der Bagdadbahn wurden verpflichtet, sämtliche auf dem Gebiete der Archäologie - aber auch der Botanik und Zoologie - gemachten interessanten Funde unverzüglich der Bagdadbahn-Gesellschaft anzuzeigen.[48] Meist fanden diese Trouvaillen später ihren Weg nach Deutschland.[49] Auch die Archäologen selber waren nicht nur vom Forschungsdrang, sondern auch vom nationalen Sendungsbewußtsein beseelt: Es ging darum, möglichst wertvolle Schätze für das eigene Heimatland zu sichern. Manche von ihnen hatten in ihrer beruflichen Karriere verschiedene Funktionen inne: Der Archäologe Max Freiherr von Oppenheim war auch Diplomat und der Forscher T.E. Lauwrence (von Arabien) arbeitete gleichzeitig für den britischen Nachrichtendienst. Zwischen Planern und Erbauern der Bagdadbahn und den Altertumsforschern bestand häufig eine Wechselbeziehung: Die einen entwickelten archäologische Interessen, die anderen waren in unterschiedlicher Weise auf die Bagdadbahn angewiesen. Die Bahnlinie verlief oft in unmittelbarer Nähe von archäologischen Stätten. Nach Feierabend trafen sich deutsche Bahningenieure und deutsche Ausgräber gerne zu einer Flasche Wein in geselliger Runde.[50] Die Archäologen reisten - soweit es der Fortschritt des Bahnbaues zuließ - mit der Anatolischen und Bagdadbahn an, das Grabungsgerät oder ganze Lorenbahnen wurden mit der Eisenbahn von Deutschland herantransportiert. Die archäologischen Funde selber verpackte man sorgsam in Holzkisten und spedierte sie, mindestens über Teilstrecken, oft mit der Eisenbahn in die Heimat.

1899 unternahm der vielseitig interessierte Max Freiherr von Oppenheim eine Dienstreise im Auftrage des Auswärtigen Amtes. Er sollte insbesondere Erkenntnisse im Hinblick auf die künftige Streckenführung der Bagdadbahn sammeln. Bei Ras al-Ain fielen ihm merkwürdige Steinbilder auf. Die dort ansässigen Tscherkessen weigerten sich hartnäckig, dem Baron den Fundort der Steinbilder zu zeigen, da sie den Zorn böser Geister fürchteten. Nach langen Verhandlungen führte der Dorfvorsteher Oppenheim schließlich zum alten, unmittelbar an der Bagdadbahn gelegenen Siedlungshügel Tell Halaf. Die 1911-13 durchgeführten Grabungen zeitigten Ergebnisse, die zu den archäologischen Sensationen des beginnenden 20. Jahrhunderts gehörten.[51]

3. Die historische Dimension: Durch ein Jahrhundert (Welt-) Geschichte

3.1. Die Jungtürken stellen den Bahnbau in Frage

Die jungtürkische Bewegung begann 1889 mit der Gründung des illegalen Komitees für Einheit und Fortschritt in Konstantinopel. Diesem Komitee gehörten liberale Grundbesitzer, Vertreter der städtischen Intelligenz, der Beamtenschaft und der Offiziere an. Sultan Abdul Hamid II. gelang es zunächst, die jungtürkische Bewegung teilweise mit Spitzeln zu unterwandern und viele Jungtürken konnten sich der Verhaftung nur durch ihre Flucht nach Paris und London entziehen.

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Die Jungtürken posieren bei ihrem ersten Kongreß in Paris für ein Gruppenfoto Bild: Office of the Prime Minister Ankara

In Paris gründeten sie die Zeitschrift "La Jeune Turquie" (die junge Türkei), welche später für die ganze Bewegung namensgebend wurde. Nach einer jungtürkischen Erhebung im Juli 1908 mußte der Sultan Zugeständnisse machen: Das Osmanische Reich wurde eine konstitutionelle Monarchie und die Macht ging vorübergehend de facto in die Hände eines jungtürkischen Zentralkomitees über. Eine beschränkte Amnestie gestattete den Emigranten die Rückkehr in die Heimat. Am 27. April 1909 gelang es den Jungtürken, Sultan Abdul Hamid II. vorerst aus der Regierungsgewalt zu drängen und selber die Macht zu übernehmen. Die Jungtürken strebten nach einem unabhängigen, nicht dem ausländischen Diktat unterworfenen, am Islam orientierten, ethnisch türkischen, aber modernen Staat. Ihre Vorbilder suchten sie in Europa. Zwischen 1909 und 1921 bestand eine eigentliche Doppelherrschaft: In Konstantinopel regierte der schwache Sultan mit seiner willfährigen Entourage, in Sivas und später in Ankara eine provisorische jungtürkische Regierung.

Nach der jungtürkischen Machtergreifung von 1909 stellten die Jungtürken zunächst den Weiterbau der Bagdadbahn in Frage. Der Bahnbau habe nur die Machtentfaltung Deutschlands in Kleinasien zum Ziel und diene ausschließlich deutschen - nicht aber türkischen - wirtschaftlichen Interessen. In der Yeni Gazeta, einer Zeitung, die jungtürkisches Gedankengut vertrat, wurde 1909 kritisiert: "Diesem Eisenbahnprojekt stehen wir ablehnend gegenüber, zumal alles darauf hindeutet, dass Deutschland aus Anatolien und Mesopotamien deutsche Kolonien macht. Es [das Vorhaben] müßte unseren Wohlstand fördern, indem die Ebene bei Konia bewässert wird, aber es wurden uns wegen der Kilometergarantien enorme finanzielle Opfer auferlegt, es hat uns in Zwist gebracht mit England und Rußland, und schließlich hat es einige Einblicke gewährt in die Kreaturen des alten Regimes. Die Gefangenen auf den Prinkipo-Inseln [Prinzeninseln im Marmarameer[52] ] und gewisse Paschas, die jetzt zu ihrem Vergnügen in Europa herumreisen, könnten zu diesem Thema wertvolle Auskünfte beisteuern."[53]

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Die antideutschen Ressentiments machten sich bisweilen gewaltsam Luft. In Adana beschädigten Demonstranten eine deutsche Wollspinnerei, vor der Krupp-Vertretung in Konstantinopel kam es des öfteren zu Studentenprotesten und bei der Antatolischen Eisenbahn streikten die Arbeiter für höhere Löhne und die Absetzung von Generaldirektor Huguenin, einem Schweizer. Der Pfarrer der Eisenbahngesellschaft, welcher die deutsche Gemeinde in Eskischehir betreute, berichtete: "28. August 1908. - Alle laufen sie jetzt zur Bahn. Extrazüge sind eingesetzt. Man erzählt mir, Jüngtürken seien eingetroffen, um dem Volk die Freiheit zu erklären. Die Direction muss sich dem Willen der Massen fügen - sie forden höherenLohn, menschliche Behandlung, protestieren gegen sogenannte grausame Strafen. Gestern schickten sie sogar eine Depesche nach Berlin zur Deutschen Bank und drohten mit Streik. Wir stehen vor Umwälzungen"[54].

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8. Mai 1909: Die

Jungtürken ergreifen

die Macht In

Konstantinopel

Bild: Atatürk

Kütüphanesi, Istanbul

Bereits ab dem Sommer 1909 begann sich die deutsche Position jedoch wieder zu festigen. Der Hauptgrund lag darin, daß die Briten zu unverfroren versucht hatten, ihre Machtstellung auszubauen. Die Londoner und Pariser Jungtürken verloren nun an Einfluß zu Gunsten der jungtürkischen Offiziere, welche in Preußen eine Ausbildung genossen hatten. 1910 war der Umdenkprozess abgeschlossen. Die Jungtürken unterstützten den Bau der Bagdadbahn nun wieder nahezu vorbehaltlos.[55]

3.2. I. und II. Balkankrieg: Militärzüge haben Vorrang

Seit 1911 befand sich das Osmanische Reich fast ununterbrochen im Krieg - zuerst mit Italien, dann in den Balkankriegen, schließlich im I. Weltkrieg. Da ein flächendeckendes und leistungsfähiges Straßennetz fehlte, kam für den Nachschub und die Verlegung von Einheiten nur die Eisenbahn in Frage. Deshalb genossen schon ab 1911 Militärzüge absoluten Vorrang auf dem ganzen Streckennetz.

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1913: Tote osmanische

Soldaten im Balkankrieg

Bild: Illustrierter Kriegs-

Kurier

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Die Türkei erlitt in den Balkankriegen

zahlreiche Niederlagen und Demütigungen.

Der Glaube an ein Osmanisches

Reich ging vollends verloren. Das bulgarische

Propagandabild zeigt, wie der

bulgarische König Ferdinand türkisches

Land betritt und zugleich die Fahne entehrt.

Bild: Sammlung Autor

Für das Osmanische Militär waren die Anatolische und die Bagdadbahn von überragendem Interesse. Die Haupttransversale durch das Zentralgebiet des Großreiches - außerhalb der Reichweite fremder Schiffsgeschütze - sollte die dringend erforderliche Transportrevolution für die Armee möglich machen. Im rußisch-türkischen Krieg von 1877/8 benötigte die Division aus Mossul im Irak noch volle sieben Monate, bis sie an den Kriegsschauplatz in Thrakien verlegt war. Hierbei kam es ferner zu beträchtlichen Ausfällen an Kranken und Deserteuren. 1912 - im I. Balkankrieg - gelang es, Truppen aus Syrien in nur zehn Tagen bis Konstantinopel zu bringen, einschließlich der Fußmärsche über die noch fehlenden Zwischenstücke im Amanus- und Taurusgebirge.[56]

Durch den I. Balkankrieg (1912/13) ging die Türkei fast aller europäischen Gebiete verlustig. Im II. Balkankrieg (1913) gelang es den Türken lediglich, das im I. Balkankrieg verlorene Ostthrakien wieder zurückzugewinnen.

3.3. Der I. Weltkrieg: Das Ende der deutschen Bagdadbahn

Ohne Reformen und innerlich zerrissen trat die Türkei 1914 auf der Seite Deutschlands und Österreich-Ungarns in den I. Weltkrieg ein. Gleichzeitig genossen Großbritannien und Frankreich unter vielen Jungtürken weiterhin große Bewunderung. Am 19. Februar 1915 begann der Angriff der Briten auf die Dardanellen. Der Fall Konstantinopels schien unmittelbar bevorzustehen. In der Hauptstadt standen bereits Sonderzüge für eine Flucht von hochrangigen Regierungsmitgliedern bereit.[57]

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Mit Gottes Hilfe siegen wir: Als

Fatwa und Dschihad noch eine

feine Sache schienen

Bild: Gallipoli1915

Das unvollständige Bahnnetz wirkte sich äußerst nachteilig auf die Mobilität des Heeres und den Nachschub für die Fronttruppen aus. Versorgungsgüter aus Deutschland zum Beispiel mußten bis achtmal umgeladen werden, bevor sie die Sinaifront erreichten. Deshalb wurde der Bau der Bagdadbahn forciert weitergeführt.[58] Zeitweise betrug die Zahl der Arbeiter 35'000. Auch deutsche und österreichische Bahnpioniereinheiten wurden nach Kleinasien verlegt. Nachschub und Verpflegung für alle diese Menschen gestalteten sich äußerst schwierig. Da die Anatolische Bahn und die Bagdadbahn unter deutscher Leitung standen, wurden diese Bahngesellschaften als einzige Bahnunternehmen im Osmanischen Reich während des Krieges nicht unter Kriegsverwaltung gestellt. Die Bahnbediensteten blieben vom Militärdienst befreit. Der Bahnhof Haidar Pascha diente als Munitionslager für den Munitionsverschub nach Anatolien. Ein Feuer, das am 6. September 1917 nach einem Sabotageakt ausgebrochen war, zerstörte weite Gebäudeteile.

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Außerdem lieh das Deutsche Reich der Anatolischen und der Bagdadbahn 16 Lokomotiven und 600 Waggons. Das Rollmaterial stammte aus Deutschland, Österreich-Ungarn und Belgien.[59] Verkehrsstaus, fehlende Aufnahmekapazitäten, Unfälle, Ersatzteil- und Kohlemangel, schlechte Organisation und überfordertes, nachlässiges sowie korruptes Bahnpersonal bestimmten den Bahnalltag im Krieg.[60] Die Geldmittel erschöpfen sich allmählich. Wegen fehlender Liquidität wurde die Baugesellschaft 1918 am Gründungsort, im schweizerischen Glarus, aufgelöst. Die Firma Holzmann gründete jedoch unverzüglich eine neue Baugesellschaft.

Der zivile Personen- und Güterverkehr wurde in den Krisegsjahren nahezu vollständig eingestellt. Wenn überhaupt, fuhren die Züge nicht mehr nach Fahrplan. Wollte ein Zivilist mit der Eisenbahn reisen, so begab er sich aufs Geratewohl zum Bahnhof, um einen für Zivilpersonen freigegebenen Zug zu erwischen. Ein chaldäischer Priester etwa, der mitten im Krieg einen Frühzug von Afyon nach Konstantinopel nehmen wollte, erfuhr am Bahnhof, ein solcher Zug verkehre erst um neun Uhr. Tatsächlich verließ er schließlich um die Mittagszeit den Bahnhof. Erst ab Anfang 1920 fuhren die Züge wieder einigermaßen zuverlässig.[61]

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Waffenbrüder: Deutsche, türkische, österreichische und ungarische Soldaten Bild: Milli Kütüphane, Ankara

Dem Osmanischen Reich gelang es zwar 1915/16, die Meerenge bei Gallipoli erfolgreich zu verteidigen, mit dem arabischen Aufstand gegen die türkische Herrschaft 1916/17 zeichnete sich jedoch der spätere Abfall der arabischen Provinzen und die endgültige militärische Niederlage ab. Im Laufe des Krieges rückten britische Truppen durch Mesopotamien vor und besetzen Bagdad und die weiter nördlich gelegenen Gebiete. Britische Pioniertruppen bauten die für den militärischen Nachschub wichtige, schmalspurige Verbindungsbahn Basra - Bagdad.

Das britische Vorrücken hieß Rückzug für die deutschen Bahnbauer: Am 5. Oktober 1918 fuhr der erste durchgehende Zug von Nisibin (Nusaybin) nach Haidar Pascha. An Bord befanden sich die aus der syrischen Wüste heimkehrenden deutschen Bahningenieure und deren Familienangehörige. Zum Zeitpunkt des Waffenstillstands von Mudros vom 29. Oktober 1918 waren nur Teile des türkischen Kernlandes nördlich der Linie der Anatolischen und Bagdadbahn von ausländischen Truppen besetzt. Im Südosten war der britische Vormarsch in Syrien knapp bis über die spätere türkische Staatsgrenze hinaus gekommen. Schon im britisch-französischen Sy- kes-Picot-Geheimabkommen vom 16.5.1916 war festgelegt worden, das Frankreich das Vilayet Mossul - also Syrien und den Norden Mesopotamiens -erhalten und Großbritannien Palästina und den Irak bekommen sollte. Frankreich verzichtete später auf Druck hin auf das Mossulgebiet; die Briten setzten dort ihre Ölinteressen durch.[62]

3.4. Die Eisenbahn verliert ihre Unschuld

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Armenier auf der Flucht

Bild: Armenian Apostolic Church

Im 19. Jahrhundert bildeten Armenier in mehreren türkischen Städten bedeutende Minderheiten. Auf dem Land waren sie vorwiegend Bauern und Handwerker, in der Stadt vor allem Händler, Schneider und Apotheker.

Sie waren besser ausgebildet als ihre türkischen oder kurdischen Nachbarn und deshalb zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor im osmanischen Vielvölkerstaat geworden.[63] Ende des 19. Jahrhunderts war es zu ersten Pogromen gegen Armenier mit mehr als 200'000 Toten gekommen.

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Armenermassaker nach einer zeitgenössischen

Darstellung im ‚Petit

Journal’

Bild: Petit Journal 1916

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Deportation und Flucht:

Mit Matten und Stoffresten

bauten sich die

armensichen Flüchtlinge

Notzelte

Bild: Armenian Apostolic

Church

Bei den Jungtürken setzte sich nach dem verlorenen II. Balkankrieg die Überzeugung durch, ein türkischer Kernstaat sei nur überlebensfähig, wenn man auf dem verbleibenden Staatsgebiet die Vorherrschaft der Türken und des Islam über die anderen Ethnien und Religionen etabliere. Im März 1915 kam es zu einem blutigen Zwischenfall nördlich von Marasch (Karaman Mara§) mit armenischen Deserteuren. Im April gab es einen Armenieraufstand in Van und am 24. April 1915 und in den folgenden Tagen wurden in Konstantinopel 2'345 armenische Intellektuelle verhaftet und größtenteils hingerichtet.[64]

Im Frühling 1915 startete die zaristische Armee einen militärischen Vorstoß weit nach Ostanatolien hinein, wobei sie von vielen armenischen Nationalisten unterstützt wurde. Die Jungtürkenregierung befahl daraufhin die Deportation aller Armenier aus dem türkischen Kernland.[65] Bei der Ausführung der Befehle gingen die Behörden äußerst brutal und undifferenziert vor: Auch Angehörige anderer christlicher Gruppen, wie Assyrer oder Chaldäer, wurden verfolgt, vertrieben und ermordet. Die Vertriebenen wurden gezwungen, täglich und bei glühender Hitze mehrere Wochen über staubige, baumlose Wege und Gebirgspfade große Gewaltmärsche zu absolvieren. Einige Armenier konnten einen Teil des Weges mit Ochsenkarren, mit Kamelkarawanen oder der Anatolischen oder Bagdadbahn zurücklegen.[66]

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Der Transport der armenischen Vertriebenen mit der Anatolischen und Bagdadbahn erfolgte meist in den sogenannten Hammelwagen, gedeckten Spezialgüterwagen mit Zwischenboden, welche eigentlich für den Transport von Schafen gebaut worden waren,. Bild: histnet

Vielfach wurden westliche Reisende, welche zur Zeit der Armenierdeportationen eine Bahnreise mit der Anatolischen oder der Bagdadbahn unternahmen, unvermittelt und durch das Wagenfenster hindurch Augenzeugen erschütternder Vertreibungsszenen. Ein ausländischer Arzt, der eine Fahrt auf der Anatolischen Eisenbahn unternahm, berichtete, wie sein Zug in einen größeren Bahnhof einfuhr: "Mehrere tausend Personen drängten sich um den Bahnhof und lange Reihen von Viehwagen waren bis zum Ersticken vollgestopft mit menschlichen Wesen. Es war der erste flüchtige Eindruck, den ich von den laufenden Armenierdeportationen mitbekam. Unser Zug fuhr bis zum Bahnhof vor, aber da gab es keinerlei Durcheinander, kein Wehklagen, kein Schreien, nur eine Menge gebrochener Menschen, niedergeschlagen, traurig, verzweifelt, nicht mehr fähig zu weinen ... die zurückschauten auf verlassene Heime, Ehegatten, Väter, Brüder, die ihnen entrissen worden waren; vorwärts schauten auf einen Tod in der Wüste, oder einen lebendigen Tod in den Händen ihrer Häscher ... Zwischen den Leuten standen überall Wachen, was es unmöglich machte, mit den Menschen Kontakt aufzuneh-

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Tausende von Armeniern

wurden

hingerichtet

Bild: Armeniangenocide

Das Erscheinen eines Ausländers unter ihnen gab Anlaß zu bohrend fragenden Blicken, als ob sie sagen wollten: 'Kann es sein, daß er uns Erlösung bringt?', während andere ihr Los in gefaßter Verzweiflung akzeptiert zu haben schienen."[67] Später wurde er im Zug selber mit einem erschütternden Einzelschicksal konfrontiert: "Während der beschwerlichen, langen [Bahn-] Fahrt hatte ich einen türkischen Hauptmann als Reisegefährten, welcher - je mehr Zeit verstrich - sein Mißtrauen mir gegenüber allmählich fallen ließ und bisweilen sogar recht zutraulich wurde. Als wir in eintrafen, stieg der Hauptmann aus,

mischte sich unter die Menge von Armeniern und kehrte bald darauf mit einem etwa 15-jährigen armenischen Mädchen zurück. Sie wurde gezwungen, in einem angrenzenden Eisenbahnwagen in einem Abteil Platz zu nehmen, wo schon eine türkische Frau saß. Als das Mädchen realisierte, daß es ihrer Mutter nicht erlaubt wurde, sie zu begleiten, wurde ihr die ganze Tragweite bewußt. Sie geriet völlig außer Fassung und versuchte zu fliehen, kratzte an der Fensterscheibe, bettelte, schrie, riß sich an ihren Haaren, während ihre ebenso verzweifelte Mutter auf dem Bahnsteig stand, hilflos in ihren Versuchen, ihre Tochter zu retten.

Der Hauptmann, welcher mir meine unverhohlene Mißbilligung ansah, meinte zu mir: 'Ich nehme an, Effendi, daß Sie solche Sachen nicht gutheissen, aber lassen Sie mich eines klarstellen: Dieses Mädchen ist in einer glücklichen Lage. Ich nehme sie mit, ziehe sie bei mir zu hause auf als muslimische Hausangestellte. Man schaut nach ihr und ein weit schrecklicheres Schicksal wird ihr erspart bleiben. Und außerdem habe ich ihrer Mutter sogar eine Lira in Gold gegeben für das Mädchen."[68] Obwohl von zahlreichen Augenzeugen über die Vertreibungen mit der Bahn berichtet wurde, gibt es nur wenige Fotos davon. Grund hierfür war u.a. ein Erlaß des Oberkommandierenden der 4. türkischen Armee: "Alle etwa von den Ingenieuren oder sonstigen Beamten der Gesellschaft für den Bau der Bagdadbahn hinsichtlich der Armeniertransporte aufgenommenen Photographien sind innerhalb 48 Stunden nebst den Originalplatten an das Militärkommissariat der Bagdadbahn in Aleppo abzuführen. Jede Zuwiderhandlung gegen diese Verfügung wird kriegsrechtlich verfolgt werden."[69]

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Ein armenisches Sammellager an der Bahnlinie Bild:

armeniangenocide

Die türkische Regierung hatte die BagdadbahnGesellschaft 1915 angewiesen, von bestimmten Sammelstellen pro Tag einen Zug für die zu deportierenden Armenier bereit zu stellen, nämlich wöchentlich zwei von Aktsche Köiünli, (Akgeköyünlü bei Cerablus), zwei von Katma (Qatma) und drei von Aleppo (Haleb). Weitere solche Sammelstellen waren in Mamureh (Mamure), in Tell Abiad (Akgakale) und in Rass-el-Ain (Ceylanpinar) eingerichtet. An diesen Sammelpunkten wurden keinerlei Unterbringungsmöglichkeiten bereit gestellt. Vermögendere führten kleine Zelte mit sich, Ärmere improvisierten Unterstände aus Matten und Bettzeug.

Der Transport mit der Eisenbahn erfolgte meist in den so genannten Hammelwagen der Bagdadbahn, gedeckten Spezialgüterwagen mit Zwischenboden, welche eigentlich für den Transport von Schafen gebaut worden waren. Vereinzelt gelangten auch Personenwagen zur Verwendung. Ein deutscher Missionar, der die Armeniervertreibung miterlebte, beschrieb die Güterwagen: "Es gibt auf der Bagdadbahn Viehwagen für den Transport von Ziegen und Schafen. Dieselben sind in der Mitte so geteilt, daß ein oberer und ein unterer Raum entsteht, so das [sic!] oben und unten Tiere verladen werden können. In diese Wagen verlud man die Verbannten, gleich wie die Tiere. Stehen war nicht möglich, höchstens ein Hocken, und auch das kaum, weil die Wagen überfüllt waren. Männer, Frauen und Kinder, Gesunde und Kranke, alle durcheinander, wurden auf diese Weise tagelang befördert."[70] Die Deportierten wurden in den Güterwagen meist weder mit Wasser noch mit Lebensmitteln versorgt. Kranke, Betagte und Kleinkinder überlebten die Bahntransporte oft nicht. Ein Deportationszug bestand aus 30-35 Güterwagen, in jeden Wagen wurden 50-55 Menschen gepfercht. Jeder Zug beförderte somit 1500-1900 Vertriebene. Pro Woche wurden also allein durch die Bagdadbahn rund 11'000 Menschen auf ihrem leidvollen Weg in die Verbannung transportiert.[71] Da sich die Vertreibungen über mehrere Wochen und Monate hinzogen, ist davon auszugehen, daß mehrere hunderttausend Armenier mindestens einen Teil ihres leidvollen Weges mit der Bagdadbahn zurücklegten.

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Die Verfolgung der Armenier führte in

den angelsächsischen Ländern zu einer

großen Solidarität und Geldsammlungen

Bild: Armenian Institute

Als Beduinen und Kurden verkleidet gelang einzelnen Christen die Flucht. Teile dieser Flucht wurden auch mit der Bagdadbahn bewerkstelligt. Bisweilen waren Armenier, die bei der Bagdadbahn arbeiteten, diesen Flüchtlingen behilflich, versteckten sie bis zur Abfahrt des Zuges und wiesen ihnen im Zug einen unauffälligen Platz zu.[72] Die vorgesehenen Hauptdeportationsziele für die Armenier lagen in der Wüstenzone zwischen

Euphrat und Tigris. Selten jedoch erreichten die Deportationstrecks ihre Bestimmungsorte. Führende deutsche Offiziere, welche als Militärberater für die Osmanische Regierung im Lande weilten, unterstützten mit Rat und Tat die Deportationen. Der als Chef der Eisenbahnabteilung im Osmanischen Generalhauptquartier für die Bagdadbahn zuständige Major Böttrich unterzeichnete - gegen den Widerstand der deutschen Bahnbetriebsleitung und des deutschen Konsularpersonals vor Ort - den Transportbefehl gegen die bei der Bahn beschäftigten armenischen Eisenbahnbediensteten und deren Familien. Der stellvertretende Direktor der Bagdadbahn, Franz J. Günther, schrieb damals über dieses Dokument:"Unsere Gegner werden einmal viel Geld bezahlen, um dieses Schriftstück zu besitzen."[73] Mit jener Unterschrift eines Angehörigen der deutschen Militärmission - so mutmaßte der politisch denkende Günther - könnten die anderen Mächte später beweisen, "daß die Deutschen nicht allein nichts getan haben, um die Armenierverfolgung zu verhüten, sondern daß gewisse Befehle zu diesem Ziel sogar von ihnen ausgegangen sind."[74] Ausnahmeanträgen für das armenische Bahnpersonal wurde zwar gelegentlich, dann aber nur widerstrebend und oft nur teilweise entsprochen. Als beispielsweise das Ersuchen gestellt wurde, den armenischen Bahnaufseher Karapanos und dessen Familie in Karababa (Radju) von der Deportation freizustellen, entschied der zuständige türkische Militärkommissar: "Mit Ausnahme der rot angestrichenen [Personen] können sie ... bleiben." Der deutsche Vizekonsul Hoffmann aus Alexandrette (Iskenderun) kommentierte: "Wer Familienleben und Sittlichkeit in der Türkei kennt, dürfte von dem Gefühl, vor einer Infamie zu stehen, nicht los kommen; ebensowenig von einem Staunen über die Unbekümmertheit, mit der die türkische Behörde einer deutschen Gesellschaft eine derartige Verfügung zur Antwort giebt [sic]."[75]

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Die Berichte des deutschen Konsularpersonals vor Ort an die Berliner Zentrale ließen nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig. Vizekonsul Hoffmann analysierte im November 1915: "Die Verschickung der Armenier unterscheidet sich ... nicht viel von ihrer Ausrottung."[76] Obwohl Berlin das Vorgehen gegen die Armenier an sich nicht billigte, blieb man mit Protesten bei der türkischen Regierung sehr zurückhaltend, da man die Türkei mitten im I. Weltkrieg als Kriegsverbündeten verlieren wollte. Im Laufe des Jahres 1916 waren die Armenierdeportationen abgeschlossen. Die jungtürkische Regierung hatte mit diesen Zwangsverschickungen eine ethnische Säuberung organisiert, welche die Ausmasse eines Völkermordes annahmen. Hierbei kamen mindestens eine Million Armenier und andere Angehörige christlicher Minderheiten durch Ermordung, Hunger und Erschöpfung ums Leben. Vor den Pogromen lebten auf dem Territorium der heutigen Türkei rund 1,8 - 2,1 Mio. Armenier, in den Kaukasus flohen rund 300'000 Armenier. Nur die Armenier von Konstantinopel - rund 150'000 Menschen - und Smyrna (Izmir) entgingen der Deportation.[77] Manche Zeitgenossen argumentierten damals, die BagdadbahnGesellschaft würde letztlich das traurige Los der Armenier durch die Bahntransporte lindern - als Alternative zu den Verschickungen per Bahn kamen ja praktisch nur die berüchtigten Todesmärsche in Frage.

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Mitverantwortlich für die Armeniermassaker: Der Innenminister Talaat Pascha Bild: Jacques Leclerc

Nach Kriegsende gewärten die deutschen Behörden zahlreichen Jungtürken Zuflucht in Deutschland. Auch Innenminister Talaat, vom deutschen Botschafter in Konstantinopel als "die Seele der Armenierverfolgung" bezeichnet, floh nach Berlin. 1921 erschoss ihn dort ein junger Armenier auf offener Straße.[78]

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1919/20 unternahm der US-amerikanische Gelehrte Francis W. Kelsey eine Expedition durch den Nahen Osten, bei welcher er auch dem Schicksal der Armenier nachging. Weite Strecken wurden mit der Bagdadbahn zurückgelegt. Im Türrahmen des Güterwagens steht der armenische Koch der Expedition.. Bild: Kelsey Museum of Archeology

Aus heutiger Sicht stellt sich die drängende Frage, in welchem Ausmaß die Bahngesellschaft mit ihren Transporten Beihilfe zu den Zwangsvertreibungen und zum Massenmord geleistet hat. Die jungtürkische Regierung verschleierte den Genozid als kriegsbedingte Umsiedlung, bei der es nur wenige Tote gegeben habe. Bei dieser Haltung blieb es im Wesentlichen bis heute: Die Türkei hat es leider bis heute versäumt, dieses dunkle Kapitel ihrer Geschichte historisch aufzuarbeiten.

3.5. Die Zeit nach dem I. Weltkrieg: Chaos und Fremdherrschaft

Die Türkei hatte im I. Weltkrieg schwere Kriegsverluste erlitten. 325'000 Soldaten waren gefallen, 60'000 erlagen später ihren Verwundungen, noch mehr starben an Hunger und Krankheiten. Hauptgrund für den Hunger waren riesige Transportengpäße bei der Eisenbahn. Das weitmaschige, löchrige Eisenbahnnetz bestand aus einspurigen Strecken, die häufig nicht fertig gestellt oder im Krieg gezielt zerstört worden waren.[79] Auf den Märschen an die Front, welche oft sechs bis acht Wochen in Anspruch nahmen, desertierten die Soldaten massenweise. 1918 zog rund eine halbe Million Deserteure zu Fuß, auf Eselskarren und auf Güterzügen durch das Land.

In der ersten Zeit nach dem Waffenstillstand von Mudros vom 29. Oktober 1918 waren die Zustände chaotisch: Viele Minderheiten erhoben sich und stellten separatistische Forderungen. Im französischen Besatzungsgebiet in Kilikien forderten bewaffnete armenische Gruppen Autonomie.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Französische Truppen beim Bahnhof von Adana, ca. 1921 (links bei der Fahnenehrung,

rechts im Zeltlager)

Bilder: Milli Kütüphane, Ankara

Es kam zu Aufständen in Konya und Tokat. Tscherkessische Gruppierungen bildeten eher Räuberbanden gleichende Privatarmeen. 1919 war das Straßenbild in Konstantinopel von Soldaten der Besatzungsmächte aus Italien, Großbritannien und Frankreich beherrscht. Allein am Bosporus und an den Dardanellen hielten sich zu diesem Zeitpunkt 35'000 britische und 28'000 französische Soldaten auf. Dazu kamen 4'000 italienische Soldaten, die den Stadtteil Pera (Beyoglu) besetzt hielten.[80] Am 27. Dezember 1919 verlegte das sogenannte Repräsentativkomitee - eine Parallelregierung unter Mustafa Kemal (Atatürk[81] ) - seinen Sitz von Sivas nach Ankara. Daneben bestand weiterhin ein machtloses Marionettenkabinett in Konstantinopel unter den Sultanen Mehmet V. und VI. Mustafa Kemal (Atatürk) wählte Ankara, weil die Stadt im Gegensatz zu Sivas im Herzen des Landes lag. Außerdem lag die Stadt vekehrsgünstig am Ende der Eisenbahnmagistrale in die Hauptstadt Konstantinopel und über Eskischehir ließen sich auch andere Landesteile rasch erreichen. Gegen Ende 1919 hatte das Repräsentativkomitee fast alle Behörden in den von den Alliierten nicht besetzten Gebieten unter seiner Kontrolle.[82] Am 10. August 1920 schloßen die Türkei und die Alliierten den Friedensvertrag von Sevres. Dieser Vertrag, der von Mustafa Kemal [Atatürk] nicht anerkannt wurde, sah neben Gebietsabtretungen an Griechenland eine komplizierte Aufteilung des Landes in entmilitarisierte Zonen und französische, britische und italienische Einfluß- und Interessensgebiete vor.

Die Lage 1919

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Das zerfallene Osmanische Reich wurde in Mandats- und Interessengebiete aufgeteilt. Die Anatolische und Bagdadbahn führte mitten durch diese Zonen. Teilweise bildete die Strecke die Grenzlinie zwischen diesen Gebieten.. Bild: Hütteroth Türkei, Bahnlinie ergänzt vom Autor

Der gesamte türkische Teil der Bagdadbahn wurde 1919 alliierter Kontrolle unterworfen. Insbesondere die Briten wollten nicht nur die Meerengen, sondern auch die Bahnlinie Konstantinopel - Konya beaufsichtigen. 1923 ging die Verantwortung für die Bahnstrecke Haidar Pascha - Ismid - nach teilweise blutigen Auseinandersetzungen - von den Briten, die für dieses Teilstück zuständig waren, an die Türken über.[83]

Im Südwesten versuchte Italien - das bereits seit 1912 im Besitz der angrenzenden Inselgruppe des Dodekanes war - seinen Einfluß in seinem Interessengebiet durchzusetzen. Im Spätherbst 1918 und im Frühling 1919 okkupierten italienische Truppen Antalya und einige andere Städte. Der Großteil des italienischen Interessensgebietes blieb indes unbesetzt, da geeignete Verkehrswege durch das Taurusgebirge fehlten und die Türken teilweise erbitterten Widerstand leisteten. Die Franzosen gegründeten 1918 für die in ihrem Einflußgebiet befindlichen Streckenabschnitte der Bagdadbahn eigene Bahngesellschaften, zunächst die Chemins de Fer de Cilicie Nord Syrie mit der Strecke Adana - Toprakkale - Iskenderun - Islahiye - Meidanekbez - Nusaybin - Bagdad. Die Bahngesellschaft nutzte hierbei das auf syrischem Gebiet verbliebene Rollmaterial der Bagdadbahn.[84]

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Der letzte Sultan: Mehmet VI. Er starb 1926 im Exil in San Remo

Bild: Milli Kütüphane, Ankara

Im März 1920 versuchen die Briten, Sultan Mehmet VI., die in Konstantinopel befindliche Regierung und die dort ansässige türkische Verwaltung noch besser unter ihre Kontrolle zu bringen. 150 nicht genehme Abgeordnete und prominente Nationalisten wurden verhaftet. Die britischen Übergriffe mobilisierten neue Widerstandskräfte: Türkische Nationalisten unterbrachen die Bahnlinie zwischen Konstantinopel und Ankara an zahlreichen Stellen und die Behörden in Anatolien stellten jeglichen Kontakt zur Regierung in der Hauptstadt ein. Hunderte Menschen verließen Konstantinopel in Richtung Ankara, um sich der Unabhängigkeitsbewegung anzuschließen, unter ihnen der ehemalige osmanische Kriegsminister General Fevzi Pascha.[85] Der wichtige ostanatolische Eisenbahnknotenpunkt an der Verzweigung der alten und der neuen Bagdadbahnlinie wurde später ihm zu Ehren in Fevzi Pa§a (Fevzipa§a) umbenannt.

Syrien war zwar Frankreich zugesprochen, im Krieg jedoch hauptsächlich von britischen Truppen eingenommen worden. 1919 erfolgte deshalb die Übergabe des Territoriums an Frankreich. 1920 rückten französische Truppen in Damaskus ein. Das französische Besatzungsgebiet umfaßte auch den Küstenstreifen bis hinunter nach Alexandrette (Iskenderun). Frankreich konnte in den Jahren 1919-1921 jedoch nur unter schweren Kämpfen und dank Unterstützung armenischer Freischärler die Städte Antep (das damals noch nicht von der Eisenbahn erschlossen war), Urfa, Adana und das jeweilige Umland besetzen. Im Taurusgebiet wurden sogar französische Soldaten gefangen genommen, was dem türkischen Widerstandsgeist enormen Auftrieb verlieh. Aus einer Position der Stärke heraus handelten die Türken den französisch-türkischen Vertrag von Ankara aus, der einige Punkte von Sevres präzisierte. Am 20. Oktober 1921 unterzeichneten beide Seiten im Bahnhof von Ankara das Abkommen, das insbesondere den genauen Grenzverlauf der Staatsgrenze zwischen Syrien und der Türkei auf dem Streckenabschnitt der Bagdadbahn zwischen Qobanbey und Nusaybin so festschrieb, daß der Bahnkörper selber noch auf türkisches Staatsgebiet zu liegen kam.Wegen des anhaltenden Widerstandes räumte

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Im alten Bahnhofsgebäude von Ankara wurde ein Abkommen unterzeichnet, welches den genauen Grenzverlauf zwischen Syrien und der Türkei festlegte. Bild: Ahmet Cevet

Frankreich im November und Dezember 1921 die sich zwischen Antep und Mardin hinziehende "Zone nord".[86] Im Juni 1924 versuchte der Völkerbund, die Zukunft der ölreichen und überwiegend von Kurden bewohnten Region um Mossul zu regeln. Mehrheitlich und unter dem Beifall der Kurden neigte die Staatengemeinschaft dazu, das Gebiet dem Irak zuzusprechen. Die Türkei, die das wertvolle Gebiet nicht verlieren wollte, entsandte Truppen, welche auch den Auftrag hatten, desertierte kurdische Militärangehörige festzunehmen. Die Militärintervention mündete in einen Kurdenaufstand, während welchem die Aufständischen mehrere Städte der Region in ihre Gewalt brachten. Mustafa Kemal (Atatürk) entsandte neun türkische Divisionen in das Krisengebiet. Die Franzosen erlaubten einem Teil der türkischen Truppen mit der Eisenbahn durch ihr Mandatsgebiet zu fahren, um den aufständischen Kurden den Rückzug ins syrische Hinterland abzuschneiden. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen.[87]

3.6. Die junge Türkei behauptet sich gegen die Griechen

Griechenland versuchte, die innere und äußere Schwäche der Türkei auszunutzen und seine Träume von der Wiederherstellung eines Großgriechenlands mit der Hauptstadt Konstantinopel wahr werden zu lassen.[88] Unter stillschweigender Billigung der Alliierten landeten griechische Truppen Mitte Mai 1919 in Smyrna (Izmir) und besetzten die Stadt und ihr Umland, zunächst bis zu einer Grenzlinie, welche ihnen die Alliierten vorgegeben hatten.

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Mai 1919: Griechische Truppen

landen in Smyrna (Izmir)

Bild: Athens War Museum

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Die Anatolische Eisenbahn spielte im

türkischen Unabhängigkeitskrieg eine

wichtige Rolle. Viele wichtige Schlachten

fanden in der Nähe der Eisenbahnlinien

statt, über welche kampfentscheidender

Nachschub herangeführt

werden konnte.

Bild: Hütteroth Türkei

Am 22.6.1922 überschritten die Griechen absprachewidrig diese Grenzlinie und stießen entlang der Bahnlinie und auch unter Nutzung der Eisenbahn bis weit in die Westtürkei vor. Nun war die Anatolische Eisenbahn von Istanbul bis nach Afyon und bis kurz vor Ankara in griechischer Hand. Bei der Ortschaft Inönü an der Anatolischen Bahn errangen die Türken unter Führung von Mustafa Kemal (Atatürk) am 10.1. und 20.3.1921 einen ersten wichtigen Sieg gegen die Griechen.

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1921: Der griechische Ministerpräsident D. Gounaris (Bildmitte) besucht mitten im Krieg mit der Bahn die griechischen Besatzungstruppen in Kütahia. Die Anreise erfolgte mit dem Zug. Bild: Smyrni

Im August und September 1921 kam es beim Sakaryafluß - zwischen Eski§ehir und Ankara, unweit der Bahnlinie - zur Entscheidungsschlacht. Auf türkischer Seite führte erneut Mustafa Kemal (Atatürk) die Truppen an. Die Griechen mußten sich zurückziehen.[89] Im August 1922 schließlich schlug Mustafa Kemal am Dumlupmar-Pass an der Bahnlinie Izmir - Afyon die Griechen vernichtend. Auf ihrem Rückzug stecken die griechischenTruppen zahlreiche Dörfer in Brand und zerstören systematisch die Anlagen der Anatolischen Bahn. Allein 240 Kilometer Gleis wurden aus den Verankerungen gerissen.[90] Die erfochtenen Siege vermittelten dem türkischen Volk nach all den Jahren der Demütigungen, Besatzung, Fremdherrschaft und Niederlagen ein bisher nicht gekanntes nationales Selbstbewußtsein.

Im Vertrag von Lausanne vom 24.7.1923 wurde der griechisch-türkische Krieg auch formal zu Gunsten der Türkei beendet. Der Vertragsabschluß wurde in der Türkei als Triumph Mustafa Kemal (Atatürks) gefeiert, in Griechenland als Niederlage beklagt. 1923 wurde ein riesiger Bevölkerungsaustausch mit Griechenland vollzogen: 1,35 Mio. in der Türkei lebende Griechen wurden - teilweise mit der Eisenbahn - nach Griechenland umgesiedelt, 430'000 Türken mußten Griechenland verlassen. Der I. Weltkrieg und der griechisch-türkische Krieg hatten umfassende und bleibende Veränderungen der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung Kleinasiens zur Folge: Die zahlreichen Dörfer entlang der Anatolischen und Bagdadbahn, wo Meyers Reiseführer von 1914 noch vermerkt, "zahlreiche Armenier" oder "griechisches Dorf", waren ethnisch rein türkisch geworden.

3.7. Die Türkei wird rasch Republik und die Eisenbahnen werden allmählich staatlich

Am 29. Oktober 1923 wurde die Türkische Republik proklamiert und Ankara als neue Hauptstadt bestimmt. Neben der zentralen Lage Ankaras spielte bei diesem Beschluß auch die Eisenbahnanbindung und die direkte Bahnstrecke nach Istanbul, das nach wie vor das ökonomische und kulturelle Zentrum des Landes war, eine wichtige Rolle. 1927 wurde die türkische Staatsbahn TCDD (Turkiye Cumhuriyeti Devlet Demiryollari) gegründet. Nach und nach gingen die Bahnlinien und Anlagen der Anatolischen und Bagdadbahn - samt den Hafenanlagen - an die TCDD über.

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Das Symbol der staatlichen türkischen Eisenbahngesellschaft TCDD

Bild: Sammlung Autor

Im französischen Einflußgebiet schuf Frankreich 1927 die Societe d'exploitation des Chemins de Fer Bazanti Alep Nissibine et Prolongement (BANP). Sie umfaßte die Strecke von Bozanti (Pozanti) über Adana - Toprakkale - Iskenderun - Islahiye - Meidanekbez (Meydan Ekbez) - Haleb (Aleppo) - Nusaybin und theoretisch weiter bis nach Bagdad. Der Streckenabschnitt Mersin - Tarsus - Adana ging am 5.7.1929 an die TCDD über, der Abschnitt Pozanti - Adana am 22.6.1929 und Adana - Fevzipa§a schließlich am 27.4.1933. Da die BANP nun ihre Daseinsberechtigung verloren hatte, wurde sie im Juli 1936 aufgelöst.[91]

Am 1.7.1933 schufen die Franzosen die der DHP[92] angegliederte Societe turque des Chemins de Fer du Sud. de la Turquie (Cenup Demiryolari, CD). Die Bahngesellschaft war für die Strecken von Fevzipa§a über Islahiye bis Meydan Ekbez und für den Streckenabschnitt von Qobanbey bis Nusaybin sowie von Payas (Yakacik) bis Alexandrette (Iskenderun) zuständig.[93] Der auf syrischem Territorium liegende Streckenabschnitt Meydan Ekbez - Aleppo - Qobanbey wurde am 1. Juli 1933 den Lignes syriennes du chemin de fer de Bagdad (LSB), die ebenfalls zur DHP-Bahngesellschaft gehörte, unterstellt.[94] Am 30.6.1937 gingen die Strecken Toprakkale - Payas und Fevzipa§a - Meydan Ekbez und am 12.8.1939 noch der Streckenabschnitt von Payas bis Alexandrette an die TCDD über.[95]

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Die Türkei im II. Weltkrieg am Scheideweg. Auf das neutrale Land drohen die Schatten Nazideutschlands zu fallen. Bild: Time Magazine

Der seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches unter französischem Mandat stehende Küstenstreifen bis Iskenderun wurde 1938 kurz autonome Republik und 1939 endgültig an die Türkei abgetreten. Im Vorfeld des II. Weltkrieges erkaufte sich Frankreich auf diese Weise die Neutralität der Türkei, die ja im I. Weltkrieg noch auf Seiten Deutschland gekämpft hatte. Die Cenup Demiryolari betrieb nun keine eigenen Bahnstrecken mehr und wäre damit überflüssig geworden. Dennoch ging die Unternehmung erst 1948 gesellschaftsrechtlich an die türkische Staatsbahn TCDD über.

Die Franzosen führten in Syrien ein hartes Regime: Sie schlugen Aufstände rigoros nieder und sie nahmen tausende Tote und 100'000 vertriebene Araber zur Durchsetzung ihrer Interessen in Kauf. Zwischen 1932 und 1935 verlängerten die Franzosen - um ihre Verwaltungspräsenz auch inden entlegenen Gebieten zu verbessern, um Truppenverlegungen zu beschleunigen, aber auch um den bestehenden Besitzansprüchen generell Nachachtung zu verschaffen - die Bagdadbahn durch das von ihnen verwaltete syrische Territorium von Nusaybin etappenweise bis nach Tell Kotschek (El Yaroubieh).[96]

Die junge türkische Republik verstand sich als moderner, laizistischer Staat. 1925 wurde deshalb der Derwischorden in Konya verboten. Die beliebte - ab der Jahrhundertwende gerne mit der Anatolischen Bahn unternommene - "kleine Pilgerfahrt" (kügük hac) nahm ihr Ende.

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Auch die Derwische von Konya selber nutzten die Bagdadbahn,, um nach Konstantinopel zu reisen oder um eine Teilstrecke auf ihrer Pilgerfahrt nach Mekka zurückzulegen. Bild: I§in

Im Rahmen dieser Modernisierungen beschloß die Türkei per 1. November 1928 die arabisch-osmanische Schrift durch die heute in der Türkei üblichen lateinischen Schriftzeichen zu ersetzen. Vor der großen Schriftreform war die Umschrift ins Deutsche, Französische oder Englische nicht normiert, was zu einer Vielzahl von Ansetzungsformen bei der Schreibweise für ein und dieselbe Ortschaft führte. So finden sich etwa für die Ortschaft Gebze auf Karten, in Fahrplänen, in Reiseführern und in Reiseberichten auch die Schreibweisen Guebzeh, Gebse, Gebise und Gegbüse.

Um gewisse Laute besser wiedergeben zu können, wurden mit der Schriftreform spezielle türkische Buchstaben mit eigenen diakritischen Zeichen (z.B. Q, i, g, i, §) geschaffen. Als die Sprachexperten Mustafa Kemal (Atatürk) erklärten, die Umstellung auf die lateinische Schrift werde wohl fünf bis zehn Jahre in Anspruch nehmen, erwiderte dieser ungehalten: "Entweder wird es innerhalb von drei Monaten geschehen, oder nie!"[97] Bereits

1929 wurden Bücher und Zeitungen nur noch in Lateinschrift gedruckt. Die Bahnhöfe erhielten ausschließlich lateinische Beschriftungen. Diese folgten den neuen phonetischen Normenregeln, was zu gegenüber früher teilweise erheblich abweichenden Namensschreibweisen führte. Viele türkische Bahnhöfe und Stationen heißen heute wegen der türkischen Schriftreform, den politischen Umwälzungen, auf Grund ethnographischer Veränderungen, durch Eingemeindungen und teilweise auch aus ästhetischen Überlegungen heraus anders. Die meisten Umbenennungen von Ortschaften fielen in die Jahre 1929/30. Im Rahmen der atatürkschen Reformen sollten Schrift und Sprache modernisiert und vereinfacht werden; dazu gehörten auch die Ortsnamen, die ihren römischen, byzantinischen, kurdischen oder armenischen Ursprung teilweise unverändert bis in dieNeuzeit bewahrt hatten. So wurde beispielsweise in den Jahren nach dem I. Weltkrieg aus Konstantinopel Istanbul, aus Angora Ankara, aus Cassaba Turgutlu, aus Misis Yakapinar, aus Tel Ebiad Akgakale, aus San Stefano Ye§ilköy[98] und aus Alexandrette Iskenderun.[99]

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Der Bahnhof von Eski§ehir um 1900. Der Ortsname ist in französischer und arabischer Sprache am Bahnhof angebracht. Bild: Pohl

Die junge türkische Republik verfolgte zwei verkehrspolitische Hauptziele: Zunächst sollten alle ausländischen Bahnen in türkischen Besitz übergeführt werden, was bis 1937 gelang. Dann galt es, das Eisenbahnnetz nach ausschließlich türkischen Interessen auszubauen und die Lücken zwischen den bestehenden Strecken zu schließen.[100] 1927 erreichte die Bahn von Ankara her Kayseri und 1933 wurde die Verbindung von Kayseri zur (vormaligen) Bagdadbahn (in Karde§gedigi) geschaffen. Aus strategischen Gründen war der Bau der Bahnlinie von Kütahya im Hochland in Richtung auf die Dardanellen nach Balikesir besonders wichtig. Diese Linie wurde 1928-1932 von der deutschen Firma Julius Berger- Bau-Union errichtet[101] (was bis heute am unverkennbar deutschen Baustil der Bahnhofsgebäude ersichtlich ist). Im Gegensatz zum Bau der Anatolischen und Bagdadbahn wurden hierbei allerdings keine Kilometergarantien mehr gewährt.

Nach dem I. Weltkrieg wurde der Irak formal zwar ein eigener Staat, war aber als Mandatsgebiet des Völkerbundes Großbritannien unterstellt. Durch Verträge sicherten sich die Briten die Vorherrschaft über die formale Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1932 hinaus. Im März 1936 verstaatlichte der Irak das Eisenbahnnetz, das er seit 1923 verwaltet hatte.[102] Die elf Lokomotiven, die 1912 zum Streckenbau in Mesopotamien über den Persischen Golf nach Bagdad verbracht worden waren, gingen an die irakische Eisenbahn über.[103]

3.8. Im II. Weltkrieg: Die Bahn wird zur Unzeit vollendet

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Vollendet! Mitten im II. Weltkrieg wurde die Bagdadbahn fertig gestellt. Die Strecke war nun von Istanbul bis Bagdad durchgehend befahrbar. Bild: Frankfurter Zeitung vom 16. Juli 1940

Die Türkei blieb im II. Weltkrieg vorerst neutral und auch der Irak beteiligte sich - trotz eines Rechtsputsches 1941 und einer Kriegserklärung gegen die Achsenmächte 1943 - nie an den Kriegshandlungen. Das unter französischer Verwaltung stehende Syrien stand bis zur Besetzung Frankreichs durch Deutschland im Mai/Juni 1940 zunächst auf Seiten der Alliierten. Dies änderte sich mit der Schaffung der deutschfreundlichen Vichy- Regierung.

Mitten im II. Weltkrieg wurde das letzte noch verbleibende Stück der Bagdadbahn durch die Briten vollendet. Die französischsprachige Zeitung La Syrie kommentierte am 7.6.1940 das wichtige Ereignis: "In einigen Tagen wird die Bahn zwischen Mossul und Telvajak [Tel Kotchek] vollendet sein. Die Einweihung [am 15.7.1940] wird mit einem großen Fest im Beisein von Vertretern Englands, Frankreichs, Palästinas, Syriens und der Türkei begangen werden. Die irakische Regierung wird zu dieser Gelegenheit eine Sondermarke herausgeben. Die Vollendung des Teilstücks Mossul - Telvajak stellt die Vollendung eines alten deutschen Traumes dar: Die Verbindung Berlin-Bagdad."[104] Noch am Tage der Streckeneröffnung, am 15. Juli 1940, wurde der erste durchgehende Zug - der Toros Express - über die gesamte Streckenlänge von Haydarpa§a bis nach Bagdad geführt. Zwei Tage später traf der Gegenzug in Istanbul ein.

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In den 1940er Jahren erlebten die Eisenbahnen im Irak einen Modernisierungsschub. Stromlinienförmige Dampflokomotiven sollten den Verkehr beschleunigen und das Image der veralteten Bahn aufpolieren. Bild: Sölch

1941 ließen die Türken auf Druck der deutschen Wehrmacht einen Militärzug, bestehend aus 85 Güterwagen und beladen mit 800 Tonnen Flugbenzin, vier Kanonen, automatischen Waffen und lO'OOO Gewehren samt Munition von Aleppo durch die Türkei bis zur irakischen Grenze fahren. Der Nachschub war bestimmt für irakische Widerstandskämpfer, welche sich der britischen Besatzung widersetzten.[105] Um das gegen die Alliierten gerichtete Treiben der deutschfreundlichen Vichy-Regierung in Syrien zu unterbinden, marschierten britische Truppen ins Land ein. Die Kampfhandlungen wurden am 11. Juni 1941 beendet.[106] Erst gegen Kriegsende erklärte die Türkei unter alliiertem Druck den Achsenmächten den Krieg. Ein entscheidendes Treffen auf dem Weg zu diesem Schritt fand am 30. Januar 1943 im Stationsgebäude der Bagdadbahn in Yenice zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Inönü und Premierminister Churchill statt.

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Auszug aus einer irakischen Eisenbahnkarte um 1930 Bild: Iraqi Pages Bild: Autor

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Hier fand Weltgeschichte statt: Im Bahnhofsgebäude von Yenice trafen sich am 30. Januar 1943 der türkische Ministerpräsident Inönü und der britische Premierminister Churchill. Bild: Autor

3.9. Die Bagdadbahn nach dem II. Weltkrieg: Der Niedergang

Durch die Gebietsveränderungen im Nachgang zum I. Weltkrieg war der auf türkischem Gebiet verbliebene Streckenabschnitt der Bagdadbahn zwischen Qobanbey und Nusaybin nur noch über syrisches Territorium erreichbar. Schon in den 1930er Jahren wurde ab Fevzipa§a eine Abzweiglinie nach Diyarbakir gebaut. Durch die Abkühlung der Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien war die Notwendigkeit größer geworden, die Bahnlinie in den Südosten ganz durch eigenes Territorium zu führen. 1953 konnte die Strecke von Narli bis Gaziantep und 1960 noch bis Barak (dem heutigen Karkami§) weiter geführt werden.[107]

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Feierlicher Empfang des ersten Kohlenzuges (1939) aus der Bergbaustadt Zonguldak in Ankara Bild: Sammlung Ergin Tönük

Bis zur Mitte der 1950er Jahre war die Eisenbahn im Fernverkehr in der Türkei das wichtigste Landverkehrsmittel. Insbesondere für den Massentransport von Stein- und Braunkohle, Eisen-, Chrom- und Kupfererzen sowie landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestand keine Alternative. Der türkische Staat verlegte indes seine Investitionen für die Verkehrsinfrastruktur des Landes vom Eisenbahn- auf den Straßenbau. Seit 1971 sind in der Türkei keine neuen Bahnstrecken mehr hinzugekommen.[108] Das Eisenbahnnetz blieb bis heute Flickwerk. Bedeutende türkische Städte, wie Bursa[109] oder Antalya, verfügen über keinen Bahnanschluss. Der auf syrischem Territorium befindliche Streckenabschnitt der Bagdadbahn wurde bis 1956 von den Lignes syriennes du chemin de fer de Bagdad (LSB) verwaltet und ging dann an die neu geschaffene Syrische Staatsbahn Chemins de fer syriens (CFS) über.[110]

Die Anatolische und Bagdadbahn hätte - als sie geplant wurde - ein Großreich durchmessen und erschließen sollen. Die Bahnlinie war zur Unzeit fertig geworden. Längst war das Osmanische Reich in Einzelstaaten zerfallen und für eine direkte Verkehrsverbindung von Istanbul nach Bagdad bestand keine nennenswerte Nachfrage mehr. Den einzelnen Streckenabschnitten - die sich auf drei Staaten verteilten, welche sich nicht immer wohlgesonnenen waren - kam nur noch regionale Bedeutung zu.

Moda, Fener Bagtsche war die Sommerfrische der betuchten Bevölkerung von Konstantinopel. Viele Armenier lebten hier. Der Ort war bereits seit 1872 mit der Eisenbahn erreichbar. Bild: Atatürk Kütüphanesi, Istanbul

[...]


[1] Ortsnamenverwendung und Schreibweisen folgen der jeweiligen zeitgenössischen Usanz.

[2] Zur besseren Orientierung wird bei der erstmaligen Nennung der Ortsname um seine

[3] heutige Namensgebung bzw. Schreibweise ergänzt.

[4] Verney Lovett Cameron war 1873/4 der Führer der Livingstone-Eastcoast-Expedition, deren Aufgabe es war, dem von Henry Morton Stanley wieder aufgefundenen Afrikareisenden David Livingstone Nachschub zu bringen.

[5] Eleftériadès, S. 209-214, Schmidt, S. 4-5

[6] Schmidt, S. 5

[7] Eleftériadès, S. S. 214f

[8] Aublé, S. 10 und diverse Internetrecherchen, u.a. akademyayadogru.org /maksindemir2.htm [4.1.2004], Schmidt, S. 4

[9] Eleftériadès, S. 217

[10] gem. Aublé, S. 9 und gem. Pohl 1999, S. 22 ein Franzose namens Vincent Caillard,vgl. Aublé, S. 9-11 und Pohl 1999, S. 21/22

[11] Aublé, S. 9, Pohl 1999, S. 22 erwähnt für das erste Projekt einen Vincent Caillard.Vielleicht liegt eine Verwechslung vor. Gem. Pohl 1999, S. 22 stand das zweite Projekt unter Führung des französischen Bauunternehmers Collas.

[12] Aublé, S. 9, Pohl 1999, S. 22

[13] Pohl 1999, S. 3, dazu auch: Bode, S. 1-5. Dazu auch: Karkar, S. 64-76. 1898 vefügten die Franzosen mit 1266 km über das ausgedehnteste Eisenbahnnetz im Osmanischen Reich, gefolgt von den Deutschen mit 1020 km und den Briten mit 440 km (gem. Karkar, S. 70).

[14] Rathmann, S. 40

[15] Rohrbach, S. 11

[16] Geiss, S. 339, Pohl 1999, S. 22, Bode, S. 1-3, DB mobil 01/2004, S. 42

[17] zit. in: Eleftériadès, S. 230, übersetzt vom Verfasser, Schmidt, S. 52

[18] u.a. Röll 1890, S. 149, Rohrbach, S. 27

[19] Bericht von Carl Fürstenberg, in: wienerzeitung.at/frameless/lexikon.htm?ID=9422 (26.2.2004)

[20] Rohrbach, S. 24

[21] Schmidt, S. 27

[22] Schmidt, S. 25

[23] Pönicke, S. 22

[24] Fuhrmann, S. 2

[25] aus einer zeitgenössischen französischen Schrift von 1905, zit. in: Eleftériadès, S.205, übersetzt vom Autor

[26] Lindenberg, Paul: Auf deutschen Pfaden im Orient, Berlin 1902, S. 244, zit. in: Fuhrmann, S. 1

[27] Aublé, S. 25, übersetzt vom Autor

[28] Fuhrmann, S. 3, vgl. dazu auch den Hinweis in Meyers Reisebücher Balkanstaaten,S. 13, wonach das Bahnpersonal entlang der Hauptstrecke oft französisch spreche

[29] Dazu trainsofturkey.com/biblio.htm#german (30.8.2005), Bildlegende.

[30] Lindenberg, Paul: Auf deutschen Pfaden im Orient, Berlin 1902, S. 190, zit. in:Fuhrmann, S. 7

[31] Fuhrmann, S. 8

[32] Fuhrmann, S. 9f

[33] Schmidt, S. 107

[34] Lindenberg, Paul: Auf deutschen Pfaden im Orient. Berlin 1902, S. 175f, zit. in:Fuhrmann, S. 6f

[35] Dernburg, Friedrich: Auf deutscher Bahn in Kleinasien. Eine Herbstfahrt. Berlin 1892, zit. in: Fuhrmann, S. 1

[36] Berliner Zeitung vom 24.12.1899 in: morgenpost. berlin1.de/archiv1998/980613/hundert/story204/24.html [25.4.2000]

[37] Pohl 1989, S. 55

[38] Die Welt am Montag. Unabhängige Zeitung für Politik und Kultur, Berlin, 21.11.1898. Zit. in: hdkg-muenchen.de /Hintergrund/BAGDADkomplett.htm (23.12.2003)

[39] Helfferich, Bd. III, S. 77, Karl Helfferich (1872-1924) war 1906-1908 Direktor der Anatolischen Eisenbahn und förderte den Bau der Bagdadbahn. Am 23. April 1924 kam er bei einem Eisenbahnunglück in der Nähe von Bellinzona auf der Gotthardbahn ums Leben.

[40] Rohrbach, S. 7f, 24, 98, zit. In: dkg-muenchen.de/Hintergrund/BAGDAkomplett.htm (23.12.2003)

[41] Die Interessenpolitik wird bei Bode ausführlich dargelegt. Die Darstellung der Beendigung des Konfliktes S. 124

[42] Aublé, S. 22f

[43] Aublé, S. 6, Vorwort des französischen Ministers für öffentliche Arbeiten, Edouard Herriot, übersetzt vom Autor

[44] Aublé, S. 25, übersetzt vom Verfasser

[45] Das Wort rail wurde in seiner französischen Aussprache übernommen, das Französische wiederum bediente sich beim Englischen rail, das seinerseits auf das Altfranzösische raille zurückgeht.

[46] Trümpler, S. 59

[47] vgl. dazu: Marzahn, Salje, S. 35, S. 44, S. 57

[48] DB Museum Nürnberg (Hg.): Bagdadbahn und Hedjazbahn, S. 13, Franzke, S. 118

[49] Das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz besitzt eine reiche Sammlung von gut erhaltenen römischen Glasgefäßen, die beim Bau der Bagdadbahn gefunden worden waren. archaeologie-sachbuch.de/Glas_Bagdadbahn.php (11.2.2004).

[50] vgl. etwa Franzke, S. 117f. Der Tischwein kam nicht selten aus den deutschen Siedlungen in Palästina. Auch deutsches Importbier wurde getrunken. Dieses war aber wegen der Einfuhrzölle sehr teuer.

[51] Cholidis, Martin, S. 34, Emge, S. 28-36

[52] Ab Ende November 1918 wurden deutsche Truppen durch die Alliierten dort interniert.

[53] Yeni Gazeta vom 20.1.1909, zit. In: Eleftériadès, S. 235, frei übersetzt vom Autor, dazu ausführlich: Eleftériadès, S. 234f

[54] Pohl (1988), S. 106, Bericht von 1908, Talbot S. 17

[55] dazu ausführlich: Eleftériadès, S. 235, auch: Rathmann, S. 76f und Gülbeyaz, S. 32f

[56] Hütteroth 1993, S. 66f, dazu auch: Franzke, S. 125

[57] Der Spiegel 16/2005, S. 136

[58] Hirschfeld u.a., S. 761

[59] DB Museum Nürnberg (Hg.): Bagdadbahn und Hedjazbahn, S. 10, Franzke, S. 126, Talbot, S. 17

[60] Franzke, S. 126 und S. 134-137

[61] Talbot, S. 17, Naayem S: 40 v. 107

[62] Hütteroth 1982, S. 7

[63] Karkar, S. 41-44, Der Spiegel 12/2004, S. 176

[64] Hirschfeld u.a., S. 342

[65] Hirschfeld u.a., S. 760 und S. 343 sowie Hütteroth, 1982, S. 5, Naayem, S.17-20, 48 von 107

[66] Pohl 1999, S. 93/4

[67] cilicia.com/bryce (23.3.2005), Zeugenbericht Nr. 104, Reise eines ausländischen Arztes auf der Anatolischen Bahn, Original englisch, Übersetzung des Autors.

[68] cilicia.com/bryce (23.3.2005), Zeugenbericht Nr. 104, Reise eines ausländischen Arztes auf der Anatolischen Bahn, Original englisch, Übersetzung des Autors. Der Ortsname ist in der zeitgenössischen Quelle, vermutlich aus Gründen des Personenschutzes, durch "---" ersetzt.

[69] Erlass vom 13. September in Bericht von Konsul Rößler, Aleppo vom 26.9.1915, zit. in: Aktenstück DE/PA-AA/RI14087, 1915-09-03-DE-002 armenocide.net (4.1.2004)

[70] Albrecht Kieser, Rheinisches JournalistInnenbüro Köln, in: Die Bagdadbahn, bagdadbahn. de (10.2.2004)

[71] Bericht von Konsul Rößler, Aleppo vom 26.9.1915, zit. in: Aktenstuck DE/PA-AA/R 14087, 1915-09-03-DE-002, armenocide.net (4.1.2004)

[72] Naayem, S.17-20, 48 von 107

[73] FAZ v. 20.6.2005

[74] FAZ v. 20.6.2005

[75] Bericht von Vizekonsul Hoffmann, Alxandrette vom 8.11.1915, zit. in: Aktenstück DE/PA-AA/R14090, 1916-02-09-DE-001, armenocide.net (4.1.2004) und: Bericht von Konsul Rößler, Aleppo vom 26.9.1915, in: Aktenstück DE/PA-AA/R14087, 1915-09-03-DE-002 (4.1.2004). Die Rechtschreibung folgt derjenigen im Originalschriftstück.

[76] Bericht von Vizekonsul Hoffmann, Alexandrette vom 8.11.1915, zit. in: Aktenstück DE/PA-AA/R14090, 1916-02-09-DE-001, in: armenocide.net (4.1.2004)

[77] In Konstantinopel und Smyrna lebten zahlreiche westliche Diplomaten, Geschäftsleute und Kirchenleute. Diese sollten nicht Zeugen der Verfolgungen werden.

[78] Spiegel 16/2005S. 145

[79] Hirschfeld u.a., S. 761

[80] Gülbeyaz, S. 71

[81] Ab dem 1. April 1916 war Mustafa Kemal PLW_GHP_(KUHQWLWHO__3DVFKD___3DFKD__3DüD__ ausgezeichnet worden. Dieser Titel wurde Personen verliehen, die sich um den besondes Staat verdient gemacht hatten. Das türkische Parlament verlieh Mustafa Kemal im Jahre 1934 den Ehrennachnamen Atatürk – Vater der Türken.

[82] Gülbeyaz, S: 91

[83] Gülbeyaz, S. 72, Franzke, S. 161; Pohl 1999, S. 97

[84] Franzke, S. 142

[85] Gülbeyaz, S. 94

[86] Hütteroth 1982, S. 7f, Gülbeyaz, S. 91

[87] Gülbeyaz, S. 177-179

[88] Hütteroth 1982, S. 9

[89] dazu: Hütteroth 1982, S. 9, Gülbeyaz, S. 107, 116

[90] Talbot, S. 17, Gülbeyaz, S. 124

[91] Eleftériadès, S. 248, 251f

[92] DHP: Chemin de fer Damas-Hama et prolongments

[93] trainweb.org/demiryolu (26.2.2002)

[94] Eleftériadès, S. 256

[95] Eleftériadès, S. 253

[96] Brunswig, S. 105f

[97] Gülbeyaz, S. 198

[98] Der internationale Atatürk-Flughafen von Istanbul liegt auf dem Gemeindegebiet des Dorfes (das früher neben San Stefano von den Griechen auch Hagiostefanos genannt wurde).

[99] Rill, S. 101

[100] nach Hütteroth 2002, S. 281

[101] Gülbeyaz, S. 194f

[102] Hughes, S. 90. Der Irak bezahlte für das gesamte Eisenbahnsystem I________- Bis zur Verstaatlichung befand sich die Eisenbahn in britischen Besitz. Am 1. April 1920 übertrug die britische Armee die Verwaltung der Eisenbahn an die irakischen Zivilbehörden. Am 1. April 1923 ging auch die Betriebsführung an die Iraker über. Zur Inthronisation König Faisal I vgl. FAZ v. 3.7.1004, S. 8

[103] Franzke, S. 142, Pohl 1999, S. 97, wienerzeitung.at/frameless/lexikon.htm?ID=9422 (26.2.2004), Sölch S. 67

[104] Eleftériadès, S. 264, La Syrie vom 7.6.1940, übersetzt vom Autor

[105] Besnault, René, Entre naitre et mourir, Bd. II, La fin des empires, auszugsweise bei: ed.paradis.free.fr/besnaul2.htm (27.5.2004)

[106] von Moos, S. 201-211

[107] trainweb.org/demiryolu/history_over.htm (26.2.2002) und Türkiye Ansiklopedisi, Bd. 2, Ankara 1956, S. 121

[108] Hütteroth 2002, S. 281 und trainweb.org/demiryolu/history_over.htm (26.2.2002). Die wenigen Finanzmittel wurden für die Elektrifizierung der Bahnhauptachsen – insbesondere für die Strecke Istanbul - Ankara – verwendet.

[109] Zwischen Mudania (Mudanya) und Brussa (Bursa) verkehrte zwischen 1892 und 1948 eine 45 km lange, schmalspurige Eisenbahn. Die Bahn diente vorwiegend dem Güterverkehr und zählte zu den so genannten "Ausbeutungsbahnen"

[110] Bickel u.a., S. 15

Ende der Leseprobe aus 265 Seiten

Details

Titel
Deutsche Schienen in osmanischem Boden
Untertitel
Eine virtuelle Reise mit der Anatolischen und Bagdadbahn durch Geschichte, Wahrnehmungen, Raum und Zeit
Autor
Jahr
2010
Seiten
265
Katalognummer
V148558
ISBN (eBook)
9783640595204
ISBN (Buch)
9783640594955
Dateigröße
81846 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Autor ist Dr. phil. I Geschichte an der Universität Zürich. Die Dissertation wurde zu einem verkehrsgeschichtlichen Thema vorgelegt. Die vorliegende Arbeit zur Anatolischen und Bagdadbahn ist eine ausseruniversitäre Recherche.
Schlagworte
Eisenbahngeschichte, Türkei, Osmanisches Reich, Deutsche Aussenpolitik, Reisen, Verkehr, Verkehrsgeschichte, Armenier, Armeniergenozid, Alltagsgeschichte, Kulturgeschichte
Arbeit zitieren
Dr. phil. I Jgnaz Civelli (Autor:in), 2010, Deutsche Schienen in osmanischem Boden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148558

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