Der Expressionismus, die "Brücke" und Karl Schmidt-Rottluff

Farbe und Form


Seminararbeit, 2008

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Methodisches Vorgehen

3. Charakterisierung des spezifischen Gestaltungsanliegens von Karl Schmidt-Rottluff
a. Der Expressionismus als deutsche Kunstrevolution, seine Kunstrichtung
b. „Die Brücke“, seine Künstlergruppe 1905-1913
c. Karl Schmidt-Rottluff und seine künstlerischen Phasen
d. Zusammenfassung: Seine Künstlerischen Fragestellungen

4. Differenzierte Analyse eines Kunstwerks

Karl Schmidt-Rottluff: „Deichdurchbruch“, 1910

5. Schlussbetrachtung

Gedicht: Einem Maler (Für K.-R.) von Karl Otto

6. Literaturverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

8. Anhang:

Kopie Biographie

1. Einleitung

Karl Schmidt-Rottluff ist einer der bekanntesten Künstler meiner Geburtsstadt Chemnitz, in der ich die ersten 20 Jahre meines Lebens verbracht habe. Rottluff liegt sogar ganz in der Nähe meines Elternhauses in Chemnitz-Reichenbrand. Dieser „örtliche Bezug“ war mein erstes Motiv, mehr über Karl Schmidt-Rottluff zu erfahren. So besuchte ich im Rahmen meiner Materialsammlungen die Städtischen Kunstlammlungen in Chemnitz, auch um einige Bilder Karl Schmidt-Rottluffs im Original zu sehen. Als Gründungsmitglied der Künstlergemeinschaft „Brücke“ und Hauptvertreter des Expressionismus und somit ein Klassiker der Moderne hat Karl Schmidt-Rottluff Kunstgeschichte geschrieben (vgl. Moeller 2007a, S.9).

Natürlich beeindrucken mich die ausdrucksstarken Werke des Expressionismus überhaupt, vor allem durch ihre starke Farbigkeit und ihre abstrakten Formen, was mich als zweites Motiv zu meiner Themenwahl geführt hat.

So lautet meine These, an der ich im Folgenden arbeiten werde:

Aus dem Bestreben, seine innersten Empfindungen zum Ausdruck zu bringen, arbeitete Karl Schmidt-Rottluff bevorzugt mit dem Eigenwert der Farbe und später mit der Dominanz der Form und entwickelte sich so zu einem Protagonisten, also sozusagen zu einer Hauptfigur des Expressionismus.

Von Anfang an beschäftigte sich diese sich autodidaktisch bildende Persönlichkeit mit jenen Techniken - der Ölmalerei, dem Aquarell, der Tuschmalerei, der Druckgrafik (und später dem Holzschnitt) -, die von ihr ab 1905 unter Betonung ihres selbstständigen Charakters zu Gipfelleistungen der Kunst des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden (vgl. Brix 1974, S.4). In dieser Arbeit werde ich überwiegend auf sein malerisches Werk mit Ölgemälden und Aquarellen eingehen, vor allem weil an diesem die angesprochene Problemstellung am besten dargestellt werden kann. Und zu dieser passend habe ich auch das Ölgemälde „Deichdurchbruch“ von Karl Schmidt-Rottluff aus dem Jahr 1910 für die Analyse ausgewählt, wie sich im Fortgang meiner Arbeit zeigen wird.

2. Methodisches Vorgehen

Ich baue die Arbeit deduktiv auf, das heißt vom Allgemeinen zum Besonderen (künstlerische Phasen Karl Schmidt-Rottluffs mit der Werkanalyse). Zunächst gehe ich auf den Expressionismus, der Kunstrichtung Schmidt-Rottluffs, dessen Definition, dessen Merkmale, dessen Vorbilder und der Vergleich der Künstlervereinigung des Münchner „Blauen Reiters“ mit der der Dresdner „Brücke“. Danach erläutere ich diese „Brücke“ als Künstlergruppe, bei der Schmidt-Rottluff Mitglied war, genauer. Nun gehe ich auf seine wichtigsten künstlerischen Phasen genauer ein. Dabei gehe ich logisch anhand seines Lebenslaufes und damit seiner Entwicklungsphasen vor. Ich werde sein Frühwerk näher erläutern als sein Spätwerk nach dem 1. Weltkrieg, da auch mein Werk für die Analyse aus der Vorkriegszeit stammt. Anschließend folgt die Analyse des Werks „Deichdurchbruch“ aus dem Jahr 1912. Und schließlich formuliere ich in der Schlussbetrachtung das Ergebnis meiner Arbeit. Beenden möchte ich mit einem Gedicht über Karl Schmidt-Rottluff.

3. Charakterisierung des spezifischen Gestaltungsanliegens von Karl Schmidt­Rottluff

a. Expressionismus, eine deutsche Kunstrevolution, seine Kunstrichtung

Expressionismus ist ein vielschichtiger und offener, kaum präzise zu definierender Begriff (Elger 2007, S.7)

Laut Brock-Haus-Lexikon ist es eine Kunstrichtung des frühen 20. Jahrhunderts, die im Gegensatz zum Impressionismus als der Kunst des Eindrucks den Wesensausdruck suchte. Zu den Wegbereitern gehörten van Gogh und Munch. Die entschiedensten Vertreter des Expressionismus wurden die Deutschen (Maler: Kirchner, Heckel, Schmidt­Rottluff, Nolde; Bildhauer: Lehmbruck, Barlach). In der Literatur trat der Expressionismus in Deutschland 1910-25 hervor. Hauptvertreter: Trakl, Heym,... (DER BROCKHAUS 1992, S. 242).

Jedoch herrscht trotz der heutigen historischen Distanz weiterhin Unklarheit darüber, welche Künstler dem Expressionismus als seine typischen Vertreter zuzuordnen sind. Auch war für Künstler dieser Zeit der Expressionismus nur eine zeitlich begrenzte und vielfach kurze Phase innerhalb ihrer gesamten künstlerischen Entwicklung. Radikalstes Beispiel hierfür ist wohl Wassily Kandinsky. Sein Expressionismus der Jahre bis 1914 führte in konsequenten Schritten zur gegenstandslosen Malerei (vgl. Elger 2007, S.7).

Der Expressionismus als tiefgreifende Bewegung blieb nicht auf die Bildende Kunst beschränkt (wie schon in der Definition aus dem Brockhauslexikon erwähnt). Expressionistischer Ausdruckswille findet sich ebenso in der Literatur, in Schauspiel, Bühnenbild und Tanz, im Film und in der Architektur. (vgl. ebenda, S.7)

Über die zeitliche Einordnung dieser Kunstrichtung ist man sich weitgehend einig: Das Gründungsjahr der Künstlergemeinschaft „Brücke“ 1905 in Dresden und das Ende der revolutionären Nachkriegsunruhen um 1920 werden allgemein als Eckpfeiler für beginn und Ende der Bewegung in Deutschland genannt. Dies bedeutet aber keinesfalls dass nach 1920 nicht mehr expressionistisch gemalt oder geschrieben wurde. Gerade Karl Schmidt-Rottluff ist seinem einmal gefundenen expressionistischen Stil ein Leben lang treu geblieben. In jenen Jahren 1905-1920 prägte der Expressionismus aber auch den gesamten Zeitgeist (vgl. Elger 2007, S.8).

„Doch von einem einheitlichen, von typischen Merkmalen bestimmten expressionistischen Stil kann gar nicht gesprochen werden.“ (ebenda, S.8). Betrachtet man die Bilder der verschiedenen Maler scheinen mehr die Gegensätze und das Trennen in den Vordergrund zu treten als dass eine stilistische Verwandtschaft erkennbar wäre. Es ist mehr die geistige Haltung, die den Expressionismus ausmacht. Dieser erweist sich eher als Ausdruck des Lebensgefühls einer jungen Generation, die sich lediglich einig war in ihrer Ablehnung herrschender gesellschaftlicher und politischer Strukturen. (vgl. Elger 2007, S.8) Mit der einfachen, kreatürlichen und allein vom Rhythmus der Natur vorgegebenen Lebensgemeinschaft entwarfen die Expressionisten eine utopische Gegenwelt zu der vom industrialisierten Arbeitsprozess fremdbestimmten und durch das wilhelminische System reglementierten Gesellschaft. Dabei ging diese

Auseinandersetzung für sie fast immer auch mit einer persönlichen Emanzipation einher. Die meisten der jungen Expressionisten entstammten sogenannten gutbürgerlichen Familien, und gerade in ihnen fand der Wilhelminismus seine treuesten Repräsentanten (Elger 2007, S.9).

Ein wesentlicher Charakterzug des Expressionismus ist also in jedem Fall sein leidenschaftliches Streben nach Ausdruck, wie schon der Name besagt, genauer dem Ausdruck der inneren Wahrheit in radikal vereinfachter Weise. Sie wollten die Welt und das Leben in ihrer Kunst so darstellen, wie sie sie unmittelbar empfanden (vgl. Betz 1995, S.3). Dem Expressionismus ging es vor allem um die große Gebärde, um das leidenschaftliche Pathos, um Erneuerung, Wahrheit und Mitgefühl. Sie fühlten sich allem Anfänglichen, und vor allem der Welt der Kinder und der Primitiven, schöpferisch verwandt. Mit ungeheurer Intensität erlebten sie die Natur und den Sturm ihrer Gefühle. Und dieser Überwältigung wollten sie Ausdruck geben (vgl. Betz 1995, S.5) Der Künstler empfand sich oft selbst als Einzelner und Einsamer, er identifizierte sich mit dem Schicksal der Ausgestoßenen und Ringenden. (Betz 1995, S.3f.)

Der Impressionismus, der den Augenblickseindruck festhält, würde viel zu viel „gut Gemaltes“ geben wie August Macke sich abwertend äußerte (vgl. Elger 2007, S.10). Er schien den Expressionisten zu unverbindlich und zu schön. Diese Kunstrichtung hat zwar auch auf die Darstellung akademisch festgelegter Ideale verzichtet, aber eher die äußere Erscheinung der Dinge darzustellen versucht. (vgl. Betz 1995, S.62).

Im Gegensatz zu den impressionistischen Malern drückten die Expressionisten ihre eigenen Regungen aus, sie gaben direkt und spontan ein „durchfühltes“ und interpretiertes Motiv weiter. Der Expressionismus ist eine Ausdruckskunst, die geistig­seelische Inhalte in energisch vereinfachter Form darstellt (Betz 1995, S.62). Charakteristisch ist die ausgeprägt subjektive Tendenz; Farben und Formen werden als Ausdrucksträger zur Darstellung innerer Wirklichkeitserlebnisse eingesetzt. Eine großflächige, scharf konturierte Formensprache mit starken Farb- und

Proportionskontrasten widerspiegelt psychische Impulse, Affekte und Befindlichkeiten. Zur Steigerung des Ausdrucks wurde - neben der Flächigkeit - das Mittel der Deformation eingesetzt (http://lexikon.meyers.de/meyers/Expressionismus)

Die jungen, expressionistischen Künstler, die daran gingen, neue leidenschaftliche Werke zu schaffen, orientierten sich an älteren Malern wie Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Henri Matisse, Cezanne oder Robert Delaunay (vgl. Betz 1995, S.3). Van Gogh war dabei die entscheidende Mittlerfigur bei ihrer Rezeption der modernen französischen Malerei (Elger 2007, S.10). Wie schon erwähnt schlossen sich ja in dieser Zeit vor dem 1. Weltkrieg hier und da die expressionistischen Künstler zu Gruppen zusammen wie in Dresden „Die Brücke“, der Karl Schmidt-Rottluff angehörte, in München „Der Blaue Reiter“ oder in Paris die Fauves, die man als „Wilde“ beschimpfte (vgl. Betz 1995, S.5). Während jedoch „Der Blaue Reiter“ die orphistische Farbtheorie Delaunays aufgriffen, fanden die „Brücke“-Maler ihre weiteren Vorbilder in Munch und Ensor, die beide über die bloße Wirklichkeitsempfindung hinaus eine Psychologisierung des erlebten Eindruckes anstrebten (vgl. Elger 2007, S. 10).

Gerade die Begeisterung für die französische Malerei war eine der wenigen Eigenschaften, die die unterschiedlichen Vereinigungen und Einzelkünstler des deutschen Expressionismus miteinander verband.

Abb. 2: Edvard Munch: Abend auf der Karl-Johan-Straße,1892

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Robert Delaunay:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fenster zur Stadt, 1912

Der Vergleich zwischen der „Brücke“ in Dresden und Berlin und dem „Blauen Reiter“ in München kann aber auch die krassen Unterschiede innerhalb des Expressionismus verdeutlichen. Nur bei der „Brücke“ kann von einer Vereinigung gemeinsam arbeitender und zeitweise auch gemeinsam lebender Künstler gesprochen werden. „Der Blaue Reiter“ war hingegen nie als ein von den Künstlern selbst gewählter Gruppenname vorgesehen: er war mehr der Titel für den von Kandinsky und Franz Marc 1912 herausgegebenen Almanach. Dies zeigt auch den viel mehr intellektuell und von Manifesten und schriftlichen Äußerungen geprägten Expressionismus der Süddeutschen. Die „Brücke“-Künstler reflektierten eigenes Handeln und künstlerische Ziele weniger; sie versuchten ihre sinnlichen Erfahrungen und visuellen Eindrücke möglichst unmittelbar bildhaft zu fixieren. Die künstlerischen Gegensätze verhinderten wesentliche gemeinsame Aktivitäten trotz der Bemühungen von Heckel und Marc. Vor allem Kandinsky hatte Bedenken und gestattete nur kleine Reproduktionen in der zweiten Ausstellung des „Blauen Reiters“ und deren Almanach (vgl. Elger 2007, S.11 f.)

Abb. 4: Franz Marc:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die großen blauen Pferde, 1911

Das Ereignis des Ersten Weltkrieges wurde zu einem einschneidenden Erlebnis für die expressionistische Bewegung. Die Künstler sahen den Krieg zur Zerstörung der als bedrückend empfundenen Ordnung imstande und er sollte aus ihren Trümmern eine bessere Gesellschaft errichten. Viele von ihnen wie Max Beckmann, Kirchner, Heckel und Marc meldeten sich als Freiwillige, auch mit der Hoffnung, neue, unverbrauchte Eindrücke für ihre Malerei zu finden. Nur wenige stimmten dieser Kriegsbegeisterung nicht zu. Doch je länger sich der Stellungskrieg hinzog, desto mehr änderte sich auch bei den Künstlern die Einstellung: die Malerei von Dix wurde zur Anklage von Militarismus und Bürgertum, Kirchner und Beckmann brachenphysisch und psychisch zusammen, viele der noch jungen Expressionisten wie Marc und Macke fielen im Krieg (vgl. Elger 2007, S.13).

b. „Die Brücke“, seine Künstlergruppe 1905-1913

Am 7. Juni 1905 gründeten die vier Dresdner Architekturstudenten Fritz Bleyl (1880­1966), Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), Erich Heckel (1883-1970) und Karl Schmidt Rottluff die Künstlergemeinschaft „Brücke“. Dresden wurde so zu einem wichtigen

Zentrum des frühen Expressionismus. „„Brücke“ - das sind vier zeichnende und malende Autodidakten, die lernen, Bilder zu gestalten und begreifen, dass das harte und ehrliche geistige und körperliche Arbeit fordert. Es sind Künstler, die offen und unvermittelt bekennen, was sie als wahr empfunden haben.“(Brix 1972, S.12f.).

Als Vorläufer der „Brücke“ muss aber zunächst der Chemnitzer Schülerklub „Vulkan“ erwähnt werden. Diesen gründete Karl Schmidt-Rottluff 1902 gemeinsam mit seinen Klassenkameraden Paul Holstein und Max Unger. Alle drei besuchten das Königliche Gymnasium in Chemnitz. Neben der gemeinsamen Ausübung künstlerischer Interessen befasste man sich auch mit moderner Literatur und veranstaltete gemeinsame Lesungen (vgl. Moeller 2007a, S. 9). Zu ihrer Beschäftigung mit der bildenden Kunst schreibt Max Unger: „..., doch tauschten wir uns häufig auch über sonstige künstlerische Fragen aus. Um davon eine Vorstellung zu vermitteln: wir erörtern die Malweisen der Primitiven, der Naturalisten, ... der „Genremaler“ und ihre notwendige Überwindung; wir besprachen die unterschiedliche Beurteilung von Menzel, Böcklin, ., noch lebender oder noch nicht lange verstorbener Träger großer Namen, weiterhin die Nazarener, natürlich auch den französischen Expressionismus und seine Meister; sodann rein technische Fragen des Zeichnens, des Aquarellierens, der Öl- und Pastellmalerei. Über die Kunstbetrachtungen hinaus nahmen unsrer Aussprachen zu kultur- und politischen Fragen Stellung.“ (Moeller 2007a, S.9f.) Schon bald schlossen sich vom Chemnitzer Gymnasium Erich Heckel und Fritz Cohn an. Als aber 1903 Heckel und Holstein, dann 1904 Cohn und Unger das Abitur ablegten und damit Schmidt-Rottluff allein zurückblieb, löste sich diese Gruppe wieder auf. (vgl. ebenda, S. 10)

Heckel nahm schon 1903, Schmidt-Rottluff dann 1904 sein Architekturstudium an der Technischen Universität Dresden auf, wo sie dann Kirchner und Bleyl kennen lernten (vgl. Moeller 2007a, S. 10). Alle vier hatten sich für die Malerei begeistert was so durch ihre isolierten Positionen an der Technischen Universität den Zusammenschluss begünstigte. Ebenfalls alle vier hatten wohl das Studium der Architektur nur deshalb ergriffen, um die monatlichen Zuwendungen der Eltern rechtfertigen zu können (vgl. Elger 2007, S.15). Sicher aber haben sie mit ihrem Schritt bewusst einen Anschluss an die Künstlergemeinschaften der deutschen Romantik gesucht. Auch diese entstanden aus dem Wunsch nach Anerkennung uns Freundschaft, die sie in der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Gleichgesinnter suchten und ihnen als jungen und zudem nicht akademisch vorgebildeten Malern die bürgerliche Gesellschaft nicht geben konnte (vgl. Elger 2007, S.15). In ihrer Gemeinschaft besuchten sie verschiedene Kunstausstellungen, diskutierten über moderne Malerei und Dichtung, vor allem wurde aber gemeinsam gemalt und gezeichnet, alle mit dem Gedanken, Künstler zu werden (vgl. Moeller 2007a. S.10).

„Ob nun der Anstoß zur Bildung einer offiziellen Gruppe eher von Schmidt-Rottluff und Heckel oder von Kirchner und Bleyl ausging, lässt sich nicht sagen.“ (ebenda, S.11). Elger schreibt dagegen, dass die Initiative von Kirchner ausging (vgl. Elger 2007, S.15). Dass die ersten Dokumente vorrangig von ihm gestaltet bzw. in Holz geschnitten wurde, würde dies belegen (vgl. Moeller 2007a, S.11). Heckel übernahm mit seinem organisatorischen Talent, seiner Geschicklichkeit und Ausdauer die Geschäftsführung.

Den Namen für die Gruppe fand Schmidt-Rottluff, wie Heckel später berichtet: „Wir haben natürlich überlegt, wie wir an die Öffentlichkeit treten könnten. ... Schmidt-Rottluff sagte, wir könnten das Brücke nennen - das sei ein vielschichtiges Wort, würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen. Wovon wir weg mussten, war uns klar - wohin wir kommen würden, stand allerdings weniger fest.“ (Moeller 2007a, S.11), er bedeutet sozusagen den Übergang von der alten zu einer neuen Kunst (vgl. Moeller 2007b, S.9). Für die Namensgebung kann aber auch Nietzsches „Zarathustra“, aus dem vor allem Heckel oft zitierte. „Was groß ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und kein Untergang ist“, heißt es hier an einer Stelle, und etwas weiter lässt Nietzsche Zarathustra als Geist „gern über die Brücke“ gehen (vgl. Moeller 2007a, S.11), als „Brücke zum Übermenschen“.

Noch im Gründungsjahr formulierten die Künstler ihr „Programm“, das die Ziele der Gruppe definierte: „Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen. Und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen, älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergiebt, was ihn zum Schaffen draengt.“ (Moeller 2007a, S.11). Es galt, eine neue Kunst hervorzubringen, sich gegen das Althergebrachte, das Akademische und Starre zu widersetzen, also als Opposition zur traditionsgebundenen Kunstauffassung. Elan und ein vitalisierendes Konzept klingt aus den Zeilen heraus (vgl. ebenda, S.11). Der revolutionäre Wunsch nach gesellschaftlichen Änderungen bleibt jedoch im Ästhetischen gefangen und begrenzt sich auf eine erneuerte, eben expressionistische Ausdrucksgebärde (vgl. Elger 2007, S.17). Der in eine - von jeglicher Industrialisierung unverdorbene - natürliche Umgebung eingebettete Mensch war eines ihrer bevorzugten Motive; der Akt ein weiteres, denn unbekleidet sahen sie ihre Modelle in einen ursprünglichen, paradiesischen Zustand entrückt (Elger 2007, S.17). Der Farbauftrag war zunächst pastos und in impressionistische Schräglagen aufgelöst, jedoch begrenzte er sich anfangs nur auf eine schnelle und spontane Niederschrift. Erst nachdem sie ihre Farben mit Benzin versetzten, ließen sich diese dünnflüssiger und geschmeidiger mit dem Borstenpinsel oder Spachtel breitflächig auf dem Malgrund verstreichen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Der Expressionismus, die "Brücke" und Karl Schmidt-Rottluff
Untertitel
Farbe und Form
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Kunst und Musikwissenschaft)
Veranstaltung
Knotenpunkte der Klassischen Moderne
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
35
Katalognummer
V148541
ISBN (eBook)
9783640599110
ISBN (Buch)
9783640599004
Dateigröße
4477 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: eine sehr intensive, informative und ausführliche Arbeit.
Schlagworte
Expressionismus, Brücke, Karl, Schmidt-Rottluff, Farbe, Form
Arbeit zitieren
Susann Schüßler (Autor:in), 2008, Der Expressionismus, die "Brücke" und Karl Schmidt-Rottluff, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148541

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