Sprachliche Höflichkeit

Ist Höflichkeit Ausdruck von Unterlegenheit?


Seminararbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschlechterrollen und Höflichkeit – Frauen, das höflichere Geschlecht
2.1 Ursachen
2.2 Merkmale
2.2.1 Hyperkorrektes Sprechen
2.2.2 Unterbrechungen
2.2.3 Sprachliche Elemente der Abschwächung

3 Höflichkeit bei Frauen in Machtpositionen
3.1 Höflichkeitsgebrauch im Wandel?
3.2 Mit Höflichkeit zum Erfolg
3.3 Höflichkeitsstrategien bei Männern und Frauen in Machtpositionen

4 Bibliographie

1 Einleitung

„Mein Credo ist: Ich will jedem ein Höchstmaß an persönlicher Entscheidung geben.“[1] Dieses Zitat stammt von Angela Merkel. Als Kanzlerin der Großen Koalition wird ihr der Mangel an „notwendiger Durchsetzungskraft“ vorgeworfen; den Richtungsstreit der CDU würde sie mit „nichtssagenden Floskeln übertünchen“[2]. Doch ist Angela Merkel durch ihre Konsensrhetorik und scheinbare Zaghaftigkeit erfolglos? Bereits vor ihrer Kür zur ersten Kanzlerin in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde Frau Merkel wenig zugetraut.[3] Die Politik gehört noch immer zu den, von Männern dominierten, Bereichen. Wir erwarten den klaren Führungsstil eines Gerhard Schröders – Macht muss offensichtlich sein. Ist Angela Merkel zu höflich? Gleichermaßen könnte man hier auch die aktuellsten Kommentare zu Anne Will´s ersten Auftritt in ihrem Polittalk anführen: Ihr Stil sei „zu kuschelig“[4], sie könne „die politischen Platzhirsche nicht immer im Zaum halten“[5]. Sind Frauen höflicher als Männer und werden deshalb unterschätzt? Oder üben Frauen und Männer ihre Macht auf verschiedene Weise aus?

„Männer sind anders. Frauen auch“, „Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus.“[6] Literatur über geschlechtstypische Unterschiede ist ein lukrativer Markt geworden. Diese Arbeit möchte sich nicht in die Produktion von Rollenklischees einreihen. Ihr Anliegen ist es vielmehr, zu einem besseren Verständnis der Geschlechter zu gelangen. Es soll untersucht werden, inwiefern Frauen und Männer in westlichen Kulturkreisen unterschiedlich höflich sprechen. Beleuchtet werden Ursachen des zwischen den Geschlechtern variierenden Gebrauchs der höflichen Sprachmittel und seine spezifischen Merkmale. Die Grundannahme soll sein, dass geschlechtsspezifische Unterschiede zu einem großen Teil das Ergebnis sozialer Konstruktionen sind und daher durch einen dynamischen Charakter gekennzeichnet sind.[7] Die Untersuchung soll sich aber nur teilweise in die Logik der Gender Studies einordnen – es soll nicht negiert werden, dass geschlechtsspezifische Merkmale auch biologisch bedingt sind. Von besonderem Interesse soll jedoch die gesellschaftliche Dimension des unterschiedlichen Gebrauchs sprachlicher Höflichkeit, deren Ursachen und Merkmale im ersten Teil dargestellt werden, sein. Anschließend soll zudem veranschaulicht werden in welcher Art und Weise sich das Sprechverhalten von Männern und Frauen mit dem Wandel der Geschlechterrollen in westlichen Gesellschaften verändert. Um diese Veränderungen zu erörtern, wird im zweiten Teil untersucht, ob Frauen in Machtpositionen weniger höflich werden.

Der Fokus dieser Arbeit wird hauptsächlich auf die Frau gelegt. Beispiele entstammen den angelsächsischen, französischen und deutschen Sprachgemeinschaften. Die Verfasserin der Arbeit ist sich der Problematik der Vergleichbarkeit von Sprachsystemen bewusst, schließt sich aber der Idee von der Universalität von Höflichkeit (Brown&Levinson 1987 [1978]: 2) an.

Um den unterschiedlichen Gebrauch sprachlicher Höflichkeit zu analysieren, braucht es zunächst eine Definition von Höflichkeit. Dabei stützt sich die Arbeit auf das face -Konzept von Brown und Levinson. Ihre Theorie geht von einer model person (MP) , die zweckrational handelt, aus (1987 [1978]: 61f). Die Grundannahme ist, dass jede MP ein face besitzt, ein Selbstbild, das verwundbar ist und das es zu bewahren gilt (1987 [1978]: 61). Man kann das face mit dem, in der Umgangssprache gebräuchlichen, Image vergleichen. Tatsache ist jedenfalls, dass das face nur in Interaktion mit anderen existiert. Es zergliedert sich nach Brown und Levinson in zwei Aspekte: Zu einem beinhaltet es das negative face, das den Anspruch einer MP auf Privatsphäre und die Freiheit zu Handeln beschreibt. Das positive face umfasst das eigene Selbstbild und das Bedürfnis, dass dieses von anderen respektiert wird (1987 [1978]: 61).

Bekannt ist der Ausdruck des „Gesichtverlierens“. Das face kann in der Interaktion bedroht werden. Handlungen, in denen das Gesicht verloren werden kann, nennen Brown und Levinson face threatening acts (FTAs). Jeder ist daher bestrebt, das eigene face zu verteidigen. Da die Bedürfnisse des face jedoch nur in Interaktion erfüllt werden können, ist jede MP bestrebt, das face des anderen zu wahren (1987 [1978]: 60).

Brown und Levinson gehen von einem rational handelnden Menschen aus: Höflichkeit wird als ein Mittel gesehen, dass angewandt wird um das eigene Gesicht (und das Gesicht des anderen) zu wahren.

Brown und Levinson haben den Anspruch, eine universale Theorie zu entwickeln (1987 [1978]: 2). Dies bedeute dann auch, dass sie auf beide Geschlechter angewandt werden kann.

2 Geschlechterrollen und Höflichkeit – Frauen, das höflichere Geschlecht

Im ersten Teil sollen die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Gebrauch der sprachlichen Höflichkeit dargestellt werden. Am Anfang werden Ursachen des verschiedenartigen Sprachgebrauchs kurz dargelegt, um im Anschluss das Phänomen anhand von Beispielen zu erläutern.

2.1 Ursachen

Die Tatsache, dass Frauen und Männer unterschiedlich sprechen, ist bedingt durch die Arbeitsteilung. Der Frau waren bis zum 20. Jahrhundert Aufgaben im privaten Bereich der Familie und des Haushalts, dem Mann hingegen Aktivitäten im öffentlichen Bereich der Politik und des Handels zugeteilt (Falger 2001: 90f). Die Konsequenz dieser Aufteilung von Öffentlichem und Privatem zwischen Mann und Frau ist, dass beide Bereiche durch die jeweiligen Diskurstypen geschlechtsspezifisch geprägt sind (Coates 1995: 14).

Es entwickelten sich Sprachkonventionen in den genannten Domänen. Da diese Domänen geschlechtsspezifisch untereinander aufgeteilt waren, kann man jeweils von männlichen und weiblichen Kommunikationsformen sprechen. Männer- und Frauensprache sind insofern etabliert, weil sie erwartet werden: Lakoff merkt kritisch an, dass eine Frau sich als „lady“ verhalten müsse, um sich ihren Status in der Gesellschaft zu sichern (1974: 77). Dieser Status sei jedoch bereits vorher definiert: Frauen nähmen eine untergeordnete Rolle ein. Höflichkeit sei Ausdruck der Machtlosigkeit der Frau. Nach Lakoff ist somit nicht das Geschlecht entscheidend, ob jemand mehr oder weniger höflich ist, sondern Macht (Lakoff 1974: 81).

Bereits im Kindesalter werden Frauen dazu erzogen, höflich und korrekt zu sprechen. Die Ursachen für die Unterschiede in der Sprache liegen infolgedessen in der Rollenverteilung (Falger 2001: 91), die in der verschiedenartigen Sozialisierung angelernt wird (Holmes 1998: 477). Von Frauen wird beispielsweise korrektes Sprechen erwartet, damit sie in der Rolle als Mutter ihren Kindern ein Vorbild sein können (Beeching 2002: 11). Weibliche Kommunikationsformen beinhalten deshalb die Vermeidung von Schimpfwörtern und vulgären Ausdrücken, die vorwiegend von Männern gebraucht werden. Frauen gelten somit als höflicher (Lakoff 1975: 77).

Wie bereits erwähnt, sind gesellschaftliche Erwartungen für das Sprechverhalten entscheidend: Die Vorstellung, dass Frauen und Männer unterschiedliche Interessen haben und verschiedene Rollen in der Gesellschaft ausführen, spiegelt sich in der Erwartungshaltung an das Sprechverhalten der Geschlechter wider (Lakoff 1975: 85). Frauen befinden sich nach Lakoff in einem Dilemma: Indem eine Frau die Erwartung erfüllt und spricht wie es sich für eine Frau gehört, wird ihr automatisch Souveränität streitig gemacht, da sie eine Frau ist. Befolgt sie jedoch nicht die Konventionen, so wird sie gesellschaftlich ausgeschlossen und ebenfalls nicht ernst genommen (Lakoff 1975, S.84f ). Hier wird besonders deutlich, inwiefern das Sprechverhalten sozial geprägt wird. Gleichzeitig zeigt die Beschreibung Lakoffs auch, dass Sprache sehr schwer veränderbar sein kann. Wie im zweiten Teil aber noch deutlich wird, ist Sprache durchaus dynamisch.

[...]


[1] http://www.zeit.de/online/2007/29/Merkel , aufgerufen am 19.09.2007

[2] http://www.stern.de/politik/deutschland/:Kommentar-Angela-Merkel-Partei/577315.html , aufgerufen am 19.09.2007

[3] http://www.stern.de/politik/deutschland/:Angela-Merkel-Kanzlerin-Deutschlands-Damenwahl/550098.html , aufgerufen am 19.09.2007

[4] http://hermes.zeit.de/pdf/archiv/news/artikel/2007/09/16/2381040.xml.pdf, aufgerufen am 20.09.2007

[5] Ralf Mielke(2007): „Von Kühen und Strahlenforschung“.In: Berliner Zeitung, 17.09.2007

[6] Buchtitel von John Gray

[7] Feldmann, Doris, „Gender Studios“, in Nünning, Ansgar(Hrsg.) (2004): Metzler Lexikon. Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze- Personen – Grundbegriffe. Stuttgart/Weimar: Verlag J.B. Metzler.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Sprachliche Höflichkeit
Untertitel
Ist Höflichkeit Ausdruck von Unterlegenheit?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Sprachliche Höflichkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V148540
ISBN (eBook)
9783640597741
ISBN (Buch)
9783640598038
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachliche, Höflichkeit, Ausdruck, Unterlegenheit
Arbeit zitieren
B.A. Nadja Glanze (Autor:in), 2007, Sprachliche Höflichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148540

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