Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers

Lenz zwischen Lob und Kritik über Goethe und dessen Werk


Seminararbeit, 2009

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kurze Vorstellung des Werkes und der historischen Hintergründe

3 Zwischen Kritik und Lob – Der Zwiespalt in Lenz’ Ausführungen

4 Schlussbetrachtung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Name Jakob Michael Reinhold Lenz findet in der Literatur selten singuläre Erwähnung. Durch seine jahrelange Freundschaft und Zusammenarbeit, aber auch Konkurrenz im Schaffen literarischer Werke mit Johann Wolfgang von Goethe wird bei der Betrachtung der Lenz’schen immer wieder die Bekanntschaft mit Goethe einbezogen. Dieser Umstand ist einerseits damit zu begründen, dass der Erfolg bzw. Misserfolg von Lenz stark vom Weimarer Dichter abhängig war; andererseits verfasste Lenz einige Schriften, welche einen direkten Bezug zum Werk Goethes nehmen. Neben einem Beitrag über „Götz von Berlichingen“ verfasste Lenz ebenso den Briefroman „Der Waldbruder. Ein Pedant zu Werthers Leiden.“[1] Aber Goethes „Leiden des jungen Werthers“ finden überdies eine gesonderte Aufmerksamkeit seitens Lenz’. Zwischen 1774 und 1775, also kurz nach dem Erscheinen des Originaltextes von Goethe, schrieb Lenz die „Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers“, in welchen er den Versuch einer Verteidigung gegen zeitgenössische Vorwürfe unternimmt.[2]

In der vorliegenden Seminararbeit Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers – Lenz zwischen Lob und Kritik über Goethe und dessen Werk. soll herausgearbeitet werden, inwieweit Lenz den Roman Goethes wirklich verteidigt oder inwiefern es sich nicht in Teilen um eine Abwertung desselben handelt. Als Grundlage für die Darstellung dient zum einen der Aufsatz „J.M.R. Lenz’ Poetik der Bedingungsverhältnisse: Werther, die ,Werther-Briefe’ und der Waldbruder ein Pedant zu Werthers Leiden“ von Karin Wurst,[3] zum anderen wird Roland Krebs mit seiner Schrift „Lenz’ Beitrag zur Werther-Debatte: die Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers.“ herangezogen.[4] In der Forschungsliteratur wird häufig auf das Konkurrenzverhältnis der beiden Dichter eingegangen, jedoch erfolgt diese meist allgemein oder auf mehrere Werke bezogen. Daher wird in dieser Seminararbeit nur auf die „Werther-Briefe“ eingegangen und geringfügig auf Sekundärliteratur zurückgegriffen.

Zunächst wird kurz der Aufbau und Entstehungskontext der Moralitätsbriefe erläutert. Im Anschluss folgt eine Analyse einiger ausgewählter Briefe, in denen die Uneinigkeit Lenz’ in Bezug auf Goethe und dessen literarisches Schaffen zum Tragen kommt.[5] In diesem Kontext soll zudem versucht werden, innerhalb der Briefe einige (mögliche) Gründe für die Kritik bzw. Abwertung seitens Lenz’ herauszuarbeiten. Es erscheint denkbar, dass Lenz in dieser Art des literarischen Schreibens seine einzig verbliebene Möglichkeit sah, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erlangen.

In einem Schlusskapitel werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und ein abschließendes Bild über die Beziehung von Lenz zu Goethe auf Basis der vorangegangenen Untersuchung gezeichnet.

2 Kurze Vorstellung des Werkes und der historischen Hintergründe

Die Moralitätsbriefe wurden von Lenz bereits kurz nach Erscheinen des Werthers von Goethe verfasst.[6] Sie entstanden jedoch nicht unter dem unmittelbaren Eindruck des Lesens, sondern sind vielmehr eine Antwort auf die Reaktion anderer „Leser“: So wird besonders in den Briefen vier, fünf und neun auf die Parodie „Freuden des jungen Werthers. Leiden und Freuden Werthers des jungen Mannes“ von Christoph Friedrich Nicolai eingegangen.[7]

Weiterhin ist die Form des Literaturbriefes von Lenz gewiss nicht zufällig ausgewählt worden: Lenz nimmt sich das Werk, auf welches er sich fortwährend bezieht, als formales Vorbild. Es kommt hinzu, dass es sich um eine zeitgenössische Art der Literaturkritik[8] handelt und Lenz somit scheinbar zusätzlich aktuellen Tendenzen folgt:[9] Im Jahr 1759 wird von Nicolai eine Zeitschrift mit dem Titel „Briefe, die neueste Literatur betreffend“ herausgegeben.[10] In diesen Briefen sollten Neuerscheinungen der deutschen Dichtung kritisch betrachtet werden.

Ein weiterer Vorteil der Briefform findet sich in der grundsätzlichen Art des Schreibens bei Lenz. Seine Ausführungen wirken beim Leser oft ungeordnet und sprunghaft. Die Moralitätsbriefe bieten ihm die Möglichkeit, neue Gedankengänge und Überlegungen in einem neuen Brief darzulegen, wodurch zahlreiche Aspekte aufgeworfen werden können. So thematisiert Lenz beispielsweise sowohl die angebliche Verteidigung des Selbstmordes, die Schmähschrift Nicolais, als auch die Rolle des Lesers bei Goethes Werk sowie mögliche entstehende Identifikationsprobleme und daraus resultierende Gefährdungen der Leser.

Es handelt sich um insgesamt zehn Briefe, wobei in jedem ein zu dieser Zeit aktuelles Urteil über den Werther vorangestellt und anschließend erörtert wird.[11] Lenz jedoch äußert in seinem letzten Brief, dass er keine Rezension verfassen wolle, da diese ein Urteil beinhalten müsse.[12] Das könne er erst aus der zeitlichen Distanz heraus fällen. Hierbei wird natürlich deutlich, dass die gesamten Ausführungen die Auffassungen von Lenz darstellen. Dieser eben aufgeführte Ausspruch scheint vielmehr eine Rechtfertigung der eigenen Subjektivität zu sein.

Obwohl Lenz versucht, in jedem Brief eine neue These aufzuzeigen, wird beim Lesen erkennbar, dass er nicht systematisch argumentiert, sondern eher alle seine Gedanken aneinanderreiht.[13] Nur durch die Briefform wird dieses Bild ein wenig verzerrt.

Die „Werther-Briefe“ wurden allerdings nie veröffentlicht. Erst 1918 wurden sie gedruckt, sie finden zudem keine Erwähnung bei Goethe selbst. So schreibt Goethe beispielsweise einige Passagen zu Lenz in „Dichtung und Wahrheit“, geht jedoch nicht auf die Moralitätsbriefe von Lenz ein. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, warum es nicht zu einer zeitnahen Publikation kam, wenn es zumindest den Versuch einer Verteidigung darstellen sollte. Lenz sandte die verfassten Briefe an Goethe, dieser wiederum an seinen Freund Friedrich Heinrich Jacobi. Nach der Lektüre riet Jacobi von einer Veröffentlichung ab. Er begründete dies damit, dass er keinen strategischen Nutzen in dem Werk sehe, da es nur Menschen überzeuge, welche sowieso bereits die Ansichten der Stürmer und Dränger teilten. Des Weiteren hielt er die Beweisführung für nicht stringent genug.[14] Goethe hörte auf den Rat des Freundes und so leistet Lenz zwar einen Beitrag zur öffentlichen Debatte um den Werther, diese wird jedoch nie zur Kenntnis genommen. An dieser Stelle sind natürlich die Gründe für das Nichthandeln Goethes nicht hinreichend bekannt. Zwar waren er und Lenz befreundet und in ihren literarischen Ansichten konform, dennoch kann vermutet werden, dass Goethe die Konkurrenz, welche von Lenz ausging, sehr ernst nahm und seine Position gefährdet sah. Eine direkte Förderung von Lenz erscheint somit in diesem Zusammenhang für ihn unmöglich, besonders da es den Anschein erwecken könnte, als brauche der bekannte Dichter Unterstützung eines anderen Mannes. Somit hätte die „Genialität“ Goethes in Frage gestellt werden können.

[...]


[1] Lenz, Jakob Michael Reinhold: Über Götz von Berlichingen. Hrsg. v. Sigrid Damm (dies.: Werke

und Briefe in drei Bänden. Bd. 2). Leipzig 1987, S. 637-641.

Lenz, Jakob Michael Reinhold: Der Waldbruder ein Pedant zu Werthers Leiden. Hrsg. v. Sigrid

Damm (dies.: Werke und Briefe in drei Bänden. Bd. 2) Leipzig 1987, S. 380-412.

[2] Lenz, Jakob Michael Reinhold: Briefe über die Moralität der leiden des jungen Werthers. Hrsg. v.

Sigrid Damm (dies.: Werke und Briefe in drei Bänden. Bd. 2). Leipzig 1987, S. 673-690.

[3] Wurst, Karin: J.M.R. Lenz’ Poetik der Bedingungsverhältnisse: Werther, die ,Werther-Briefe’ und der

Waldbruder ein Pedant zu Werthers Leiden. In: J. R. M. Lenz als Alternative? Positionsanalysen

zum 200. Todestag. Hrsg. v. Karin Wurst. Köln 1992, S. 198-219.

[4] Krebs, Roland: Lenz’ Beitrag zur Werther-Debatte: die ‚Briefe über die Moralität der Leiden des jungen

Werthers’. In: Die deutsche Aufklärung im Spiegel der neueren französischen Aufklärungsforschung.

Hrsg. v. Robert Theis. Hamburg 1998, S. 67-79.

[5] Wegen des Umfanges der Seminararbeit wird nur auf den zweiten, dritten, sechsten und achten Brief

eingegangen.

[6] Die Angaben schwanken zwischen Ende 1774 und Mitte 1775, jedoch natürlich nach der

Veröffentlichung der Parodie Nicolais, vgl. Wurst: Poetik der Bedingungsverhältnisse, S. 198.

[7] „Nicolais Parodie ein Meisterstück?“; „ Der scheinbare Großmut […] ist mir von jeher wie ein Schlag

ins Gesicht gewesen“; „[…] und schmeißen sie ihm seine komische Erzählung ins Feuer.“ Lenz:

Moralitätsbriefe, S. 677 und 680 und 689.

[8] Kollektiv für Literaturgeschichte (Böttcher, Kurt et al.): Aufklärung. Erläuterungen zur deutschen

Literatur. Berlin (DDR) 19744, S. 571.

[9] Gille, Klaus F.: „Ein gekreuzigter Prometheus“. Zu Lenz und Werther. In: Weimarer Beiträge.

Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften. Hrsg. v der Nationale

Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Deutschen Literatur. Wien 1994, S. 563.

[10] Der eigentliche Leiter des Unternehmens war jedoch Lessing.

[11] Eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Urteile findet sich bei Wurst: Poetik der

Bedingungsverhältnisse, S. 199.

[12] Lenz: Moralität, S. 690.

[13] Wurst: Poetik der Bedingungsverhältnisse, S. 199.

[14] Krebs: Werther-Debatte, S. 78.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers
Untertitel
Lenz zwischen Lob und Kritik über Goethe und dessen Werk
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für deutsche Literatur)
Veranstaltung
Lenz und Lenz-Rezeption
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V148493
ISBN (eBook)
9783640591831
ISBN (Buch)
9783640864409
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lenz;, Jakob Michael Reinhold;, Werther;, Leiden;, Briefe;, Moralität;, Goethe;, Verteidigung;, Dichter;, Konkurrenz;, Nicolai
Arbeit zitieren
Anne Mrotzek (Autor:in), 2009, Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148493

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